Im Jahre 2002 auf Jakobswegen in Nordspanien:
Auf dem letzten Teil des Camino Francés,
von Palas de Rei nach Santiago de Compostela

Autor: Rudolf Fischer
Meine Netzadresse: Rudolf.Fischer@Esperanto.de
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Diese Strecke im Bericht von 2000 zum Vergleich.


Die Gesamtentfernungsangaben sind von Oviedo aus gerechnet (Camino primitivo).


28.08.2002, Mittwoch: Ankunft in Palas de Rei (276,5 km)

Ab hier lief ich nun die Strecke bis Santiago de Compostela zum dritten Mal. Es war trotzdem wieder sehr schön und bot einiges an Erlebnissen. Zudem wollten wir die uns unbekannten Refugios ausprobieren und liefen deshalb recht unterschiedlich lange Etappen. Doch zuvor will ich noch von unserer Unterkunft im Refugio von Palas de Rei berichten, weil das die Pilger auf dem Camino Francés auch interessiert.

Unterkunft in Palas de Rei

16h50 erreichten wir das Refugio, sehr stolz, dass wir die längste Etappe (36 km von Lugo bis hierher) so gut bewältigt hatten. Keine Spur von Blasen oder Erschöpfung. Recht selbstbewusst baute ich mich vor dem Empfangstisch auf. "Von Lugo?" der junge Helfer nickte anerkennend, "sind mehr als 30 km". "36" präzisierte ich. Seine Kameradin und er schauten etwas unsicher auf uns zwei "alte Leute" und sagten dann zögernd: "No camas" (Keine Betten mehr) - Naja, das haute mich nicht um. Auf dem Hauptweg muss immer damit gerechnet werden, wenn man später als 14 Uhr eintrifft. - Es gäbe einige Unterkünfte in der Stadt. (Das war ein Versuchsballon, ob wir jetzt das Weite suchten. Taten wir aber nicht.) Ich lächelte freundlich und blieb stehen. Meine Frau fragte von der Seite: "Was wird denn jetzt?" - Na, ich kenne die Spanier inzwischen und wartete geduldig auf ein "Wunder" (siehe unsere Erlebnisse in Arrés). Man steckte die Köpfe zusammen. Soeben - das wurde uns später klar - verständigte man sich über einen "Altersbonus" für uns. "Na, dann kommt mal mit", sagte dann die Helferin und führte uns ins Innere des Hauses. Ich warf einen Blick in den Aufenthaltsraum: dort lag noch niemand. Also noch genug Platz auf dem Fußboden. Ich erwartete einen Platz zweiter Klasse, auf zusammengeschobenen Sesseln oder unter der Treppe. Dort hatten es sich einige schon gemütlich gemacht.

Auf einmal schließt die Helferin eine Tür auf: Ein Vierbettzimmer! Mit eigenem Waschraum, Dusche und Toilette! - Wir stammelten einen Dank, da war sie schon wieder verschwunden. Hm, die beiden Betten oben schienen belegt: auf dem einen lag eine Isolierunterlage aus Aluminium, wie man sie im Freien unter sich legt, um sich vor Nässe zu schützen, auf dem anderen, längs darübergelegt, ein dünner Pilgerstab. Also belegten wir die beiden unteren Betten. In dem Moment kam ein etwa 40jähriger Spanier dazu. Was wir nicht wussten: Er hatte vorher schon draußen auf dem Gang einen Platz gefunden, hatte uns aber in dem Zimmer verschwinden sehen und war seiner "Nase" gefolgt, dass es hier noch einen heimlichen Bettenvorrat gab. Ich habe ihn unter uns nur den Kasper genannt; warum, wird noch zu lesen sein.

Sein Spanisch verstand ich sehr schlecht, er meines auch nicht besonders gut. Wir konnten ihm nicht sagen, ob die oberen Betten frei seien. Ich empfahl ihm, die Hospitaleros zu fragen. Was er nicht tat, er hatte sich ja nur eingeschlichen. Dann belegte er das Bett über mir, nicht ohne uns etwas vorwurfsvolle Blicke zuzuwerfen, weil er oben schlafen musste. Es war seine Art, die ganze Zeit über halblaut etwas in sich hineinzuquengeln und zu -brummen. Wir gingen zum Duschen, hatten den Waschraum für uns. Als wir fertig waren, verschwand er darin. Wir gingen Wäsche waschen. Als wir ins Zimmer zurückkommen, hängt ein Zettel an der Waschraumtür: Man möge doch gefälligst nach dem Duschen aufwischen. - Ich kriege rote Ohren. Wir hatten aufgewischt! Es war aber nicht zu verhindern, dass die Fliesen feucht blieben, waren sie auch jetzt noch, wie wir feststellten. Wir bekamen nicht heraus, ob der Kasper den Zettel geschrieben hatte oder eine(r) der Hospitaleros.

Einkaufen (der größere Supermarkt liegt an der obersten Schleife der Hauptstraße), der Kirche einen Besuch abstatten und noch etwas bummeln. Hinter einem großen Fenster saß ein etwa 4jähriger Junge und winkte mir ernsthaft und andauernd zu. Ach so, er hielt mich wieder für den Weihnachtsmann! :-)) Also himmlisch-liebevoll gelächelt und ihm freundlich zurückgewinkt. (Wenn er abends seiner Mutter von dieser Begegnung erzählt hat, wird diese sich wieder gefragt haben, ob man nicht mit den frommen Traditionen den Kleinen doch zu sehr die Fantasie erhitzt.)

Abends zur Kirche. Endlich wieder eine Messe, was wir lange vermisst hatten. Und dann im Kreise von erstaunlich vielen, auch jungen Pilgern. Vor uns u.a. die beiden Schweizerinnen Margrith und Monika, die wir in den nächsten Tagen noch besser kennen lernen sollten. Danach gönnten wir uns ein Abendessen. Zwischen Kirche und Refugio kommt man (etwas oberhalb der Herberge) an einer Bar vorbei, die ein Pilgermenü anbietet. Wir waren um diese Zeit mit die ersten Gäste. Aber es gab "selbstverständlich" das Menü, genügend Auswahl, freundliche Bedienung, leckeres Essen, fairer Preis, keine Schummeleien. Empfehlenswert! (1998 und 2000 hatte ich in einer Bar unterhalb der Herberge gegessen, 1998 sehr gut, 2000 nur noch durchschnittlich. Die Bar gab es zwar noch, sah aber wenig einladend aus und hielt mit Preis und Auswahl der Konkurrenz oberhalb der Herberge nicht stand.)

Pilgers Albtraum

Im Refugio zurück, stießen wir in unserem Zimmer auf Teresa, die gerade das 4. Bett belegte. Sie freute sich, deutsch sprechen zu können und erzählte gleich von ihrem heutigen Albtraum. Sie war wie wir aus Lugo gekommen und immer ein paar Kilometer hinter uns gewesen, war auch jede Wegalternative gelaufen, ohne lang zu überlegen. Das wurde ihr ca. 10 km vor Palas de Rei zum Verhängnis (nach meinen Notizen bei einem Stein mit der Entfernungsangabe 77,7 km, aber ohne Gewähr): die neu mit Wegsteinen ausgezeichnete Pilgerstrecke führt von der Landstraße ab und nicht nach Palas de Rei (siehe meine Schilderung vom Vortag im 2. Kapitel diesen Berichts). Als sie bereits über 40 km gelaufen war und dachte: "Jetzt musst du jeden Moment in Palas de Rei sein.", fand sie sich bei einbrechender Dunkelheit auf einer unwegsamen Höhe wieder. Ihr wurde klar, dass sie sich hoffnungslos verlaufen hatte: Pilgers Albtraum! (Wohlgemerkt, obwohl sie den Wegsteinen gefolgt war, aber die führten offenbar ganz woanders hin.)

Sie hat dann bei Bauernhöfen nach Hilfe gesucht: alles menschenleer, nur tobende Hunde. Endlich auf der Straße ein Gefährt, das sie ein Stück mitnahm. Zum Schluss hat sie doch noch einen Transport bis Palas de Rei bekommen, wo sie völlig erschöpft nach 21 Uhr am Refugio eintraf. Man räumte ihr gleich den "Altersbonus" ein, und so kam sie zu uns aufs Zimmer.

Nächtliche Kaspereien

Wir lagen schon in den Betten, als der Kasper hereinkam. Brummend (wir passten wohl nicht in seinen Rhythmus) machte er sich fertig, nörgelte in sich hinein, dass er oben schlafen müsse. Nachts wache ich von seinem Schnarchen auf. Im Halbschlaf brammelt er wieder, schnalzt dann mit dem Mund, was die Spanier machen, um Schnarchende zu wecken. Er hat wohl sein eigenes Schnarchen im Schlaf wahrgenommen und weckt sich jetzt selbst. Ich kichere lautlos in mich hinein. So ein Kasper! Er hat gehört, wie ich mich rege. "Du schnarchst" sagt er streng. "Du auch" gebe ich gleich zurück. Er ist platt, glaubt mir aber wohl nicht.

Teresa erzählt am andern Tag, dass er die halbe Nacht gebrummelt und genörgelt hat, auch im Halbschlaf. Gegen 3 Uhr springt er aus dem Bett und rennt zum Klo. Hat offensichtlich eine Darmgrippe. (Deshalb wohl sein Genörgel, dass er oben schlafen muss. Er hätte ja was sagen können.) Am Morgen fand ich eine leere Tablettenpackung im Klo und musste sie mit spitzen Fingern aus dem Wasser fischen, ehe sie den Abfluss verstopfen konnte... Ansonsten - Kasper hin oder her - habe ich ganz gut geschlafen.

29.08.2002, Donnerstag: Von Palas de Rei nach Melide, 15,5 km (292 km)

Peinlich, peinlich, wieder unser Wecker

7h00 raus, kurz gewaschen und dann nach der Wäsche geguckt. Irgendwo im Haus tobt ein Wecker. Mich überfällt es siedendheiß. Nicht schon wieder unser wie in Ruesta. Meine Frau sprintet die Treppe hoch, findet Teresa völlig durcheinander mit unserem Wecker in der Hand auf dem Korridor stehen. Meine Frau hatte ihn evtl. im Halbschlaf abgestellt. Wir waren ohne ihn wach geworden; sie wollte ihn dann abstellen, hatte ihn aber in Wirklichkeit wieder angestellt. Wir entschuldigen uns vielmals bei Teresa. Sie stand aber vor allem deshalb halb unter Schock, weil der Kasper wegen des Weckers völlig ausgerastet war und schreiend und mit seinem Pilgerstab blind um sich schlagend im Zimmer herumgetobt hatte. Mit Mühe war sie entkommen. Der Kasper musste wirklich ein Psychopath sein! Er schlief noch brummelnd, als wir vorsichtig unsere Sachen holten, hatte eben einen anderen Rhythmus.

Der Weg nach Melide

8h01 sind wir unter den Letzten, die die Herberge verlassen. Nach etwa 2 km - vor uns die Kolonnen - treffen wir auf vier ältere Deutsche. Nachdem wir ein paar Sätze gewechselt haben, schauen sie mich und meine Frau an: Sie kennen uns! - Wir haben Ostern in der Pfalz einen Vortrag über den Jakobsweg gehalten, und sie sind unter den Zuhörern gewesen.
Im übernächsten Dorf holt uns Teresa ein. Wir ziehen zusammen mit ihr im flotten Schritt weiter, die anderen bleiben zurück. Auf den Weg braucht man nicht zu achten. Zum einen gibt's überall gelbe Pfeile, zum andern folgt man einfach den Pilgern vor sich :-) Wir schwatzen mit Teresa. Seit Peñaseita waren wir nur unter Spaniern und haben kommunikativ einiges aufzuholen. Ihr geht es genauso. Durch Anklicken vergrößern Refugio von Casanova

Als wir aufschauen, sind wir schon kurz vor Melide, nämlich in Furelos. Da ist auch der Pfarrer wieder, der uns seine Dienste in Englisch und Französisch anbietet. Als ich lieber alles auf Spanisch möchte, wendet er sich uninteressiert ab. War schon 2000 so. In Melide geht es schnurstracks zur Herberge, die ich noch nicht kenne. 11h30 sind wir da :-)) setzen als erste unsere Rucksäcke für die Warteschlange ab.

Das Refugio von Melide

Wir laufen ohne Gepäck durch die kleine Stadt. Es gibt nicht allzu viel zu sehen. Meine Frau und Teresa gehen noch einmal zu einer Kapelle zurück, die sehenswert sein soll. Ich schaue lieber nach Gasthäusern aus. Vor der Herberge sind inzwischen weitere Pilger eingetroffen. Ein älterer Mann, Einheimischer, bringt seine Fremdsprachenkenntnisse an den Mann (und die Frau). Er langweilt sich wohl, und Fremde interessieren ihn. Fast pünktlich wird die Herberge aufgeschlossen. Wir bekommen als erste die besten Plätze im Schlafsaal, gleich am Fenster. Vor uns kommen Margrith und Monika unter, die wir jetzt kennen lernen.

Mittags mit Teresa essen. Dieses Restaurant ist sehr geschäftstüchtig, hat vor der Herberge eine Reklametafel. Man tritt aus der Herberge, läuft nach links ein ganzes Stück bis zur Hauptstraße und muss diese dann allerdings spitzwinklig wieder ein Stück zurück in Richtung Innenstadt. Das Restaurant liegt dann jenseits der Schnellstraße. Voll mit Lastwagenfahrern und Einheimischen, ganz fixe Bedienung, gute Einheitspreise und sehr gutes Essen. Empfehlenswert! (Ich bestellte Forelle und bekam gleich 3 kleine, ganz knusprig gebraten. Brauchte nur das Rückgrat zu entfernen, die übrigen Gräten knusperte man problemlos mit weg. Fand ich sehr gut.) Zurück gingen wir etwas kichernd, wir hatten glatt zu dritt zwei volle Flaschen Rotwein geleert.


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Herberge von Melide
Ansonsten trifft bis in die späten Abendstunden noch viel Volk ein. Die Herberge ist sehr groß, wird aber gut geführt. Im Stall hinter dem Haus kommt sogar ein Pferd unter. Eine ganze Jugendgruppe ist mit Hilfsautos unterwegs; für sie wird groß abgekocht. Abends kommen noch ein paar deutsche Jungs. Wir zeigen ihnen einen guten Platz im Aufenthaltsraum auf dem Fußboden (die Herberge ist inzwischen voll), fragen, ob sie zu essen haben, usw. Och, die haben die Ruhe weg. Auf einmal überlegen sie sich, doch noch weiterlaufen zu wollen. Gegen 21h30 verschwinden sie gleichmütig in der Dunkelheit draußen. Mann, manche haben wirklich Nerven!

30.08.2002, Freitag: Von Melide nach Arzúa, 15 km (307 km)

Die Nacht war zunächst unruhig, weil ein Teil der Pilger erst spät ins Bett ging und unnötig das Licht brennen ließ. Auch kreischte die Tür zum Waschraum furchtbar. Aber das ist ja auf dem Hauptweg alles normal. Morgens war der Essraum mit der Jugendgruppe belegt. Wie weiland 2000 in Viana frühstückten wir am Empfangstisch im Flur. Was sollte es!

Pilgerbrüder

8h00 los. Wir kommen an der Friedhofskirche vorbei, deren weiße Fassade über und über mit roter Farbe beschmiert ist: antichristliche, gotteslästerliche Parolen! Wir hatten schon tags zuvor in der Stadt gehört, dass selbst die friedlichen, toleranten Spanier empört waren. Man kann ja glauben oder nicht glauben, was man will, soll aber Andersdenkende nicht in den Schmutz ziehen und das respektieren, was ihnen heilig ist. (Es ist kein Freibrief, darauf zu verweisen, dass sich die christlichen Kirchen jahrhundertelang ebenfalls auf diesem Gebiet verfehlt haben.)

Diesmal war mir nicht jede Einzelheit des Weges in Erinnerung, zumindest nicht in der richtigen Reihenfolge. Boente kannten wir beide wieder, machten "traditionsgemäß" Pause am Dorfbrunnen. Hinter diesem Ort geht es über kleine Höhenrücken, immer wieder die Fernstraße kreuzend. Hier kam es zu einem unerwarteten und schönen Wiedersehen. Meine Frau ist gerade hinter einer Mauer verschwunden, ich stehe auf dem Pilgerweg und stütze mich auf meinen Stock. Wer keucht da heran? Ich erkenne ihn im selben Augenblick wie er mich: Es ist der Katalane "mit der lauten Stimme", den wir vom Camino Aragonés kennen und den ich in der Kirche Eunate mit meinem Gesang zu Tränen gerührt habe. "Compañero, hermano!" Wir fallen uns um den Hals. (Das mache ich sonst nie.) Ihn drückt etwas: "Seid ihr etwa in dieser kurzen Zeit...!?" Ach so, er denkt, wir seien ihm davongelaufen, obwohl er seit Wochen unglaublich gestiefelt ist. "Nein, nein," beruhige ich ihn, "wir sind den Camino primitivo gekommen, zwischen Pamplona und Oviedo mit dem Zug gefahren." Das versöhnt ihn sofort mit seiner eigenen Leistung. Er freut sich so, mich noch einmal getroffen zu haben, sagt er noch. Dann eilt er davon. Typisch Pilger, da gibt's keine langen Sentimentalitäten. Man trifft sich, verliert sich, trifft sich überraschend abermals - und trennt sich nach ein paar Minuten wie selbstverständlich wieder. Wir haben ihn nicht wiedergesehen, obwohl er zur selben Zeit wie wir in Santiago gewesen sein muss.

Nach Arzúa

Der Weg nach Ribadiso zog sich doch noch etwas hin. In der Bar vor dem Refugio gab's ein Getränk. Sonst nichts los. Als wir auf der Brücke vor dem Refugio (von Ribadiso) ankommen, sehen wir, dass Teresa sich am gegenüberliegenden Ufer die Füße wäscht. Wir warten am Eingang auf sie. An der Tür steht streng, dass hier nur echte Pilger und keine Billigtouristen aufgenommen werden. Der Credencial reicht hier wohl nicht. Da kommt der Hospitalero heraus und mustert uns. Ich habe innerlich meinen Spaß, erkläre ihm, wir seien echte Pilger, mit über 500 Kilometern auf dem Buckel, und jeden Meter zu Fuß, señor! Er ist sich inzwischen sicher, bei unserem großen Gepäck und den aufgeschnallten Isomatten. "Und außerdem wollen wir hier gar nicht übernachten" füge ich noch verschmitzt hinzu. Er fühlt sich zu Recht etwas gefoppt, lacht aber. Mit dem kommt Teresa, und wir laufen mit ihr weiter. Arzúa ist ja schon ganz nah. 11h48 setzen wir als Nr. 8, 9 und 10 unsere Rucksäcke vor dem Refugio ab.

Das vorbildliche Refugio von Arzúa

Die Herberge in Arzúa ist m.E. nach die schönste und beste vom ganzen Camino Francés. (Private wie die in Villamayor de Monjardín nicht gerechnet.) Hier waltet señora Celia Maroño Lopez mit ihren Helferinnen und zwar vorbildlich. Alles blitzblank wie der Sage nach in Deutschland ;-) Sie weist uns persönlich Betten zu: wir als altes Ehepaar kommen unten nebeneinander zu liegen. Ein jüngeres Paar soll über uns schlafen; sie lehnen ab, weil noch viele andere Betten unten frei sind. Nun, es gibt keinen Ärger. Die Hospitalera nimmt diese Eigenmächtigkeit hin, zumal ein Österreicher (Stefan) und sein südtiroler Kamerad Johann es sich über uns gemütlich machen. Gegenüber kommen weitere Deutsche unter. Es spricht sich schnell herum, dass Günther (Name geändert) ein Pfarrer ist. Warum nicht? Unser Pfarrer ist auch schon mehrfach auf dem Camino unterwegs gewesen. - Günther kommt es nur etwas ungewohnt an, dass ihn alle duzen. Naja, "Hochwürden" ist hier nicht, dafür hat er viele liebe Pilgergeschwister...
Leider muss wegen dem Andrang auch in dieser Herberge ein Kompromiss eingegangen werden: die Küche kann nicht benutzt werden und dient als Notlager. - Wenn man aus der Herberge tritt, liegt schräg gegenüber eine Bar; eine weitere ein paar Häuser nach rechts, den Pilgerweg zurück. Von letzterer Bar rate ich ab: Außen ein Menüangebot mit großer Auswahl und etwas billiger als die Bar gegenüber dem Refugio. Drinnen ein Trampel von Bedienung, die nur zwei Sätze kennt: "Haben wir nicht" und "Gehört nicht zum Menü". Auch der "Ensalada mixta" nicht, obwohl's draußen auf dem Schild steht. Auf den entsprechenden Hinweis hin zuckt sie uninteressiert die Schultern. Mich ärgert noch heute, dass wir drei (mit Teresa) nicht gegangen sind. (In Santiago haben wir das in einer ähnlichen Situation gemacht.) Allerdings: der Eintopf "Caldo gallego", den ich bekam, war nicht schlecht und mal was anderes. Außerdem wissen wir nicht, wie es in der Bar gegenüber war. Ansonsten hatten wir in Arzúa nichts gesehen, was pilgergemäß schien...
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Vor dem Refugio von Arzúa

Begegnung mit einer Heiligen unserer Tage

Abends in die nahe Kirche zur Messe. Mit Günther stehen wir nachher noch hinten am Zeitschriftenstand. Da kommt eine ganz alte, verhutzelte Frau auf uns zu: Pilger seien wir offenbar, wie nett. Ob uns die Messe gefallen habe? - Fast nur Frauen anwesend, meinen wir. - "Ja," kichert sie, "wir Frauen übernehmen immer mehr in der Kirche." Recht hat sie. Nur den Pfarrer brauche man noch. Ich zeige auf Günther. Sie versteht sofort, schnappt sich seine Hände, ehe er sich's versieht, und küsst sie. Dann nimmt sie auch noch meine, denkt, ich sei auch ein Priester. (Mich hat man ja oft auf dem Pilgerweg für einen Priester gehalten, wegen meinem langen Bart und dem Holzkreuz, das ich um den Hals trage.) Ich reiße meine Hände erschrocken weg; selbst wenn ich ein Priester wäre, Unterwürfigkeit und Personenkult haben in der Kirche nichts mehr verloren. Statt dessen nehme ich die nun ihrerseits Überraschte in den Arm und drücke sie an mich. "Nicht ich, die señora ist eine Heilige" stammele ich ihr ins Ohr. Wie sie so aussieht, hat sie viel im Leben mitgemacht, und dann dieser unerschütterliche Glaube und der Schwung, sich selbst im hohen Alter noch mit den Frauen in der Gemeinde einzusetzen... Ich meine das, was ich ihr sage, ganz ernst. Sie versteht es auch und ist gerührt.

... und einem nicht erkannten Armen

Später fröhliches Treiben in der Herberge, wie immer weitgehend nach Sprachgruppen getrennt. Auffällig ein hagerer, etwas abgerissener junger Franzose, der draußen einen Welpen angebunden hatte. Spanier hatten das Hündchen dringend abzugeben gehabt; da wollte er es Freunden in Frankreich mitbringen. Er sprach sogar gut Deutsch, nahm abends ein Glas Wein dankbar an. Erst am anderen Tag kamen wir (zu spät) darauf, dass er wohl völlig mittellos war. Teresa hatte ihn beobachtet, wie er Abfalleimer durchsuchte, hoffentlich nur für den Welpen. Man sollte doch besser unterwegs die Augen aufmachen, um Armut zu sehen. Nicht jeder Pilger läuft wie wir als Reicher, verkleidet wie ein Armer, herum...

31.08.2002, Samstag: Von Arzúa zum Monte do Gozo, 35,5 km (342,5 km)

Heute wollten wir flexibel sein: Wenn es ging, eine Mammutetappe bis zum Monte do Gozo, hauptsächlich, weil ich dort einmal übernachtet haben wollte. Wenn es aber wieder so eine Bruthitze wurde wie vor zwei Jahren, würden wir es wieder in Pedrouzo gut sein lassen. In jedem Fall waren wir morgen in Santiago. Es sah so aus, als würden wir unseren Plan auf den Tag genau und in allen Einzelheiten einhalten können. Von meiner Frau erntete ich ein Lob übers andere, auch für den Aufenthalt in Pamplona; sie hatte die Vorteile meines langen und langwierigen Planens im Ergebnis schätzen gelernt.

Vom Weg ist nicht viel zu erzählen. Wir machten die "traditionellen" Fotos (wie schon tags zuvor von einer urigen Brücke aus Felsblöcken), nämlich von dem Horreo vor Calle, der quer über den Pilgerweg gebaut ist, und von der Furt mitten im Ort gleich darauf. Dazwischen war eine neue Gartenbar am Wege eröffnet, aber die recht betrübt dreinblickende Wirtin wartete vergeblich auf Kunden.

Leichte Verwirrung im DuMont-Handbuch

Hinter dem Gut Boavista kamen wir, immer in der Nähe der Nationalstraße, durch eine Reihe von Dörfern, aber der Weg zog sich merkwürdig lang hin. Was auf der Karte im DuMont-Handbuch so benachbart schien, lag kilometerweit auseinander. Eine Selbsttäuschung, da die Strecke auf diesem Abschnitt wenig einprägsame Abwechslungen bietet? Meine Uhr sagte: Nein! Mit der Karte ist irgendetwas faul. Auch die Beschreibung schien mir davon abzuweichen. Ich muss das nochmal in einer stillen Stunde ergründen.

Ich war jedenfalls froh, als wir endlich die Höhe von Empalme (mit Rasthaus an der Straße) erreichten. (Der Pilgerweg geht offenbar nicht mehr über Cerceda, das wir meiner Erinnerung nach zumindest 1998 noch durchquert hatten.) Der auf der Höhe folgende kurze Abzweig rechts der Straße ist nicht im DuMont erwähnt.


Ich habe alles noch einmal auf unserem Weg 2003 genau überprüft. Tatsächlich stimmt die Entfernung vor Cerceda auf der Karte im DuMont-Handbuch nicht. Evtl. sind zwei Ortsteile (von Ras) durch eine Verwechslung zusammengefallen. Es macht etwa 1 km aus, also nicht allzu viel. Der zweite Grund für eine evtl. Verwirrung kann sein, dass man etwa 2 km zu früh glaubt, die Höhe von Empalme vor sich zu haben und wundert sich dann, sie nicht in absehbarer Zeit zu erreichen. Es ist nämlich einfach ein weiterer vorgelagerter Höhenzug, der der Höhe von Empalme nur sehr ähnlich sieht. Wanderzeit zwischen Salceda (hinter Boavista, schon an der Fernstraße) und der Höhe: 57 min, also nicht sehr viel. - Übrigens liegt der Ort Cerceda zwar mit seinem Zentrum weit links (Kirche), aber die Häusergruppe auf der Höhe von Empalme ist auf der Michelin-Karte (etwas irreführend) als Cerceda eingezeichnet.

Abschied von Teresa

Nun, es geht auf jeden Fall etwa 500 m weiter von der Fernstraße links ab nach Santa Irene. Merkwürdigerweise schreibt Michael Kasper, der Ort bleibe links liegen, was laut Wegeauszeichnung nicht stimmt. - Im Gegensatz zu früheren Jahren erkannte ich auch die private Pilgerherberge (das letzte Haus links), sie war deutlich durch ein Schild gekennzeichnet. Aber weder dort noch bei der öffentlichen Pilgerherberge, die 500 m weiter rechts an der Straße liegt, wollten wir ja bleiben. Vor Letzterer ist ein Rastplatz angelegt (mit Wasser). 11h40 sind wir da. - Dort gab's ausführlich was zu essen und zu trinken. Viele Pilger zogen indessen vorbei. Auch Teresa traf ein, mit ihr gingen wir weiter. Vor Pedrouzo kam noch Rúa, ein kleiner Ort, in dem wir ein großes neues Haus mit riesigen Glasfenstern (Herberge? Pension?) bestaunten; es war noch nicht ganz fertiggestellt. (Anmerkung von 2003: 1 Jahr später immer noch nicht.)

Etwas weiter eine neue Bar, wo wir auf Stefan und Johann trafen. Stefan gesellte sich zu uns. Johann hatte seit Wochen eine Sehnenscheidenentzündung und musste es langsamer gehen lassen.

An der Abzweigung nach Pedrouzo - die Herberge ist schon zu sehen - nahmen wir von Teresa Abschied. Fast hätte sie ihren Plan geändert und wäre weiter mit uns gegangen. Aber sie blieb dann doch dabei, lieber den Rest der Strecke gleichmäßiger aufzuteilen. Auch Stefan zog uns davon. Wir sahen ihn und Johann in Monte do Gozo wieder. Ja, wir gingen weiter, denn das Wetter war gut, aber keine knallige Sonne, gerade recht zum Laufen. Und das taten wir dann auch...

Der Weg zum Monte do Gozo

Wer in Pedrouzo übernachtet, muss nicht zum Abzweig zurück, sondern kann von der Herberge aus einfach ein Stück die Hauptstraße entlang durch den Ort weiterlaufen. (Unterwegs weitere Läden, ein Restaurant, usw.) Direkt am Rand der Bebauungsgrenze zweigt eine schmale Asphaltstraße zum Dörfchen San Antón, das unweit sichtbar ist, nach rechts ab und führt direkt auf die Häuser zu. An der T-Kreuzung zwischen den Häusern kommt der Pilgerweg von rechts und geht links weiter.

Man durchquert nochmal ein Tal und das Dorf Aminal, das einem nur wegen dem berühmten und viel fotografierten Hohlweg direkt hinter der Nationalstraße in Erinnerung bleibt. Das folgende Stück, immer bergauf durch einen Eukalyptuswald, zog sich länger hin, als ich in Erinnerung hatte. Vor zwei Jahren muss sich hier unser Sohn Harald, krank wie er war, heldenhaft hochgekämpft haben. Man erreicht den Flughafen und durchquert eine Kreuzung (Caminodenkmal). Hier springt die Entfernungsangabe auf den Wegesteinen urplötzlich von 12,0 auf 14,5 km. Entnervend für den, der nicht darauf gefasst ist. - Dann kommt eine Piste, die sich aber sofort wieder verzweigt. Hier war ich auf einmal unsicher. Durch den Tunnel rechts unter der Fernstraße hindurch? - Nein, es geht links auf der Piste weiter. Etwas später endet diese sowieso an der Straße, die dann überquert wird.

Den Rest der Strecke kannte ich auswendig.


Begegnung auf dem Camino Durch Anklicken vergrößern

Pilgermühen

Unterwegs überholen wir Günther, der daherwankt. Diese Etappe ist einfach zu lang für ihn, aber er muss auf Biegen oder Brechen heute noch nach Santiago, wo er abgeholt wird. Er hat die Füße kaputt wie die meisten, trägt seinen Packen ganz schief auf der Schulter und pfeift tapfer ein weltliches Liedchen. Meint noch, er müsse sich dafür entschuldigen! Ich gebe ihm einen Rest Erdnüsse als Kalorienspender. Als wir in Labacolla Rast machen (14h56 bis 15h40), schleppt sich Günther vorbei...

Achtung: Waldbrände

Auf der Straße durch die Wälder hinter Labacolla fiel uns nichts auf. Ein Mädchen, das nur 2 Stunden später hier herkam, fand den Wald in Flammen: Brandstiftung, wie wir in den Zeitungen lasen. Um ganz Santiago brannte es, und pausenlos waren Feuerwehr und Hubschrauber mit Wasserbomben unterwegs. Die Polizei sagte dem Mädchen aber, dass es auf der Straße gefahrlos sei. Hoffentlich wusste das Feuer das auch! ;-) Einige Brandstifter wurden später verhaftet. Sie hatten den "wertlosen" Naturgrund, dessen Besitzer sie waren, ruinieren wollen, um ihn dann zum Baugebiet zu machen. Diese Unsitte ist auch in anderen Landesteilen Spaniens verbreitet. Auch am Kap Finisterre sahen wir überall Flammen lodern, wenn vielleicht auch nicht alles auf Brandstiftung zurückzuführen war.

Auf dem Monte do Gozo

17h00. Kurze Pause auf dem Monte do Gozo. Vor der Kapelle sitzt Günther, pfeift aus dem letzten Loch. Wir drängen ihn, sich ein Taxi kommen zu lassen. Er will es im Pilgerbereich versuchen. Er hat mir inzwischen geschrieben, dass er das geschafft hat. Alle waren um ihn besorgt.

Die Kapelle ist geöffnet. Wir sprechen ein Dankgebet, dass wir so ohne alle Gefahren und Probleme völlig unversehrt hergefunden haben. Ich nutze die Gelegenheit, wieder zu singen.

In der Pilgeranlage des Monte do Gozo

Etwas weiter verweist ein großes Schild in den Pilgerkomplex. Es ist eine riesige Anlage aus grauen niedrigen Häusern, die von außen fast Barackencharakter haben. Lange, steile Treppen führen fast wieder bis zum Berg zurück, zur Pilgeranmeldung. Der Hospitalero trägt gerade zwei US-Amerikaner ein. "Beim nächsten Mal, wenn ihr in Spanien seid" sagt er, "könnt ihr aber etwas mehr Spanisch als nur Hola und Vino tinto." Er meint es ernst. Dann sind wir an der Reihe. Ich begrüße ihn auf Spanisch und sage, dass ich ihn wohl verstehen werde, wenn er langsam, deutlich und Hochsprache (Castellano) spricht. Er grinst. Wir bekommen ein Achtbett-Zimmer für uns. Als später dann immer weitere Pilger eintreffen, kommen doch noch fünf weitere zu uns ins Zimmer, darunter ein Paar, das die meiste Zeit knuddelnd im Bett verbringt...
Unten vor den langen Treppen gibt es einen großen Platz mit Versorgungseinrichtungen: kleine Läden, zwei Restaurants, eine automatische Wäscherei. Dort wird erst einmal gewaschen. In den Läden und an einem Automaten gibt es Waschpulver. Durch Anklicken vergrößern Unterkunftsanlage auf dem Monte do Gozo

Irgendwann stiefelt der Kasper daher, sieht uns aber zum Glück nicht. Er macht beim Laufen auf den ersten Blick einen ganz fröhlichen Eindruck. Wenn man näher hinschaut, merkt man aber, dass das Lächeln stereotyp ist, nichts besagt, irgendwie gefroren. Daher mein Ausdruck "Kasper" für ihn. - Wir treffen Stefan und Johann und tauschen unser Wissen aus, was Günther angeht. Sie vermuten, er habe hier kein Taxi bekommen und sei zu Fuß weiter. (Das stimmte nicht, wie oben schon geschrieben. Gottseilob.)

Sonst mopst man sich zu Tode. In der Ferne sieht man Figuren auf einer Höhe, wahrscheinlich das Pilgerdenkmal. Von dort aus soll man die Kathedrale wirklich sehen. Nur ist oben auf dem Berg kein Hinweis zu finden, wie man dort hinkommt.

Wir essen abends in dem Selbstbedienungsrestaurant. Man stellt sich alles selbst zusammen, mit ein oder zwei Gängen. Entsprechend zwei Einheitspreise. Ganz gut. Im Preis ist nur Wasser inbegriffen. Man bekommt aber für wenig Geld Rotwein dazu.

Fazit: Als Unterkunft ist der Monte do Gozo ganz akzeptabel, aber so richtig wohl fühlt sich hier niemand. Immerhin war die Nacht ruhig.

01.09.2002, Sonntag: Vom Monte do Gozo nach Santiago de Compostela, 4,5 km (347 km)

Aufbruch nach Santiago de Compostela

Wir ließen es morgens gemütlich angehen. Das erwähnte Paar war spät nachts eingetroffen und hatte sich nachts im Dunkeln und in voller Montur auf das untere Bett zum Schlafen niedergelegt, Decke oder Schlafsack unter und über sich. Jetzt warteten die beiden offensichtlich darauf, dass wir endlich abrückten. Wir wünschten viel Spaß und gingen.

Die langen Treppen hinunter und unten auf einer Bank gefrühstückt. Kaffe gab's aus den Automaten. Wir brauchten unseren Tauchsieder nicht anzuwerfen. Zwischendurch ein Schwätzchen mit manchem Pilger, der ebenfalls in Richtung Santiago abrückte. In einiger Entfernung eilte sogar der Kasper wieder daher...

9h00 Abmarsch, in lockerem Verband mit anderen Pilgern. Noch vor der Fernstraße bellt uns ein Schäferhund durch ein Tor an. Der hat sicher viel zu tun. Ich nahm probeweise einen Stein auf - keine Reaktion. Dann schmiss ich ihn über das Tor. Das kannte er gar nicht, rannte hinterher, als sei's was zum Essen oder Apportieren gewesen...


Weitere Informationen über Santiago in den Berichten von 2000, 2003 und 2005

Wo man sofort alle Informationen bekommt...

Am Stadtrand ein Informationsbüro, selbst zu früher Morgenstunde und am Sonntag geöffnet. Bemerkenswert. Die junge Dame versorgt uns freundlich mit allem: Stadtplan, Fahrpläne nach Finisterre, Abfahrtszeiten der Busse vom Busbahnhof zum Flugplatz, usw. (Nur das IBERIA-Büro, wo wir unseren Rückflug bestätigen wollen, zeichnet sie falsch ein.) Sie wundert sich, dass wir wenig Interesse an den billigsten Unterkünften haben. Nun, wir wollen ja wieder die kleine Bar ansteuern, in der Harald und ich 2000 ganz gut untergekommen waren... Insgesamt habe ich nach 10 Minuten wirklich alles, was ich brauche, kann mir in der Stadt einen weiteren Besuch beim Touristenbüro sparen. Wir bedanken uns sehr für diese gute Dienstleistung. Sie trug uns ebenfalls dankend in ihre Statistik ein, hatte kapiert, dass sie dadurch ihren Arbeitsplatz absichert. (Ihre Freundlichkeit veranlasst mich zu dieser Reklame, was ihr indirekt ebenfalls helfen wird...)

Zur Kathedrale und zum Pilgerbüro

10h05 haben wir die Kathedrale erreicht. Das Hauptportal ist geschlossen, da gerade eine Messe ist. Diesmal lasse ich mich nicht von Bettlern oder Zimmervermittlern ablenken. Meine Frau und ich stellen uns 50 m gegenüber dem Haupteingang auf und singen laut die passenden Strophen aus "Wer das Elend bauen will...", wie ich das schon am Somportpass gemacht hatte. Einige Passanten amüsiert's.

Zum Pilgerbüro, das auch sonntags geöffnet ist. Schlange, es geht nur langsam vorwärts. Da entdecke ich den Kasper einige Plätze hinter uns. "Hola! Que tal?" Ich winke ihm zu. Er reißt entsetzt die Augen auf und schreit "Der Schnarcher!", redet sofort auf die Umstehenden ein, welche entsetzliche Nacht ich ihm bereitet habe. Ich amüsiere mich köstlich. Die Umstehenden auch, aber nicht auf meine Kosten. - Nachdem wir die Compostela haben, sagt die Frau zu mir: "Na, dann bis zum nächsten Mal." Sie weiß ja nicht, dass es meine dritte Compostela ist, aber sie kennt die Pilger: "Einmal Camino, immer Camino..."


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Der freundliche Gastwirt

Erneut in der Bar "La Campana"

Zu "unserer" Bar (siehe meinen Bericht von 2000). Es ist alles unverändert. "Na, kennen Sie mich noch?" sage ich zu den Wirtsleuten. Die Frau schüttelt ehrlich den Kopf, ihr Mann meint, sich zu erinnern. Wir nehmen ein Doppelzimmer für 30 EUR. Mit Bad, aber Toilette nur auf dem Flur. (Bei nur 4 Parteien nicht so schlimm. Als sie einmal besetzt war, ging ich einfach ein Stockwerk tiefer, wo weitere Zimmer und eine Toilette sind.) Das Zimmer ist größer und schöner als das, was wir 2000 hatten. Meine Frau ist sehr zufrieden. Schrankraum, Tisch und Stühle, usw. Was will man mehr? Sogar Fernsehen.

Pilgermesse ohne Botafumeiro

12 Uhr in die Pilgermesse. Da hat sich einiges geändert. Ordner lassen nur Messebesucher ein, scheuchen die Touristen raus. Vor dem Hauptaltarraum setzten sich Pilger auf den Boden. Aber dann wurden Absperrungen aufgestellt und selbst die Pilger höflich, aber bestimmt hinter diese verwiesen. Ganz nahe sitzen Margrith und Monika, wir winken ihnen zu. Wir selbst haben nur einen Stehplatz, aber neben einer Säule, mit guter Sicht auf den Altar. "Zwei Deutsche vom Somportpass" in der Begrüßung der eingetroffenen Pilger, das sind wir. (Wir haben zwar im Büro gesagt, dass wir eigentlich von Oviedo kommen, aber sie meinten, das wäre so in Ordnung.) Kein Weihrauchfass-Spektakel zum Schluss. Einige sind enttäuscht. Es geht das Gerücht, das gäbe es nur noch gegen entsprechende Mindestspende. Ich habe jedenfalls aus vollem Herzen und dankbar gebetet, im Bewusstsein der Pilgergeschwister um mich herum. Darauf kam es an.

Tipps, wo man günstig essen kann

Mittagessen: Ich kannte von 2000 noch ein kleines Lokal, in dem es zwar immer nur dasselbe zum Vorzugspreis gibt, dafür aber Gutes: Fischsuppe (leider nur 1 Teller aus der Terrine. Sonst habe ich immer die ganze Terrine geleert), Lachsschnitte, Eis für 7 EUR im El Bombeiro, ziemlich am Ende der Rúa do Franco links, von der Kathedrale aus gesehen. (Nachtrag von 2003: Dieser Tipp ist nicht mehr aktuell. Kein Sonderangebot mehr.)

Als wir an der Rúa San Pedro herumschlendern, kommt uns prompt Teresa entgegen. Sie will auf jeden Fall zur Pilgerherberge.

Abendessen: Eigentlich hatten wir uns wieder Kopien unserer Compostela besorgt und wollten im Hotel De los Reyes Católicos als "arme Pilger" essen, aber schon 17h45 warteten vor der grünen Tür die maximalen 10 Personen, einschließlich Teresa. (2 Niederländer, die treuherzig erzählten, hier schon seit Tagen keine Mahlzeit auszulassen, waren schon 3/4 Stunde vorher dagewesen. Na, das war uns doch zu viel der Mühe...)


Den andern Morgen beim Frühstück kamen wir doch noch zum Zuge.
Unweit der Kathedrale stoßen wir auf Margrith und Monika, die vor einem der zahlreichen Lokale sitzen. Später kommt auch Teresa dazu und erzählt, dass es im "Reyes Católicos" doch ein sehr gutes Abendessen gegeben hat. Da ziehen auch wir hungrig los. - In Richtung Rúa San Pedro finden wir ein kleines Lokal, das auch günstige Menüs anbietet. Ja, zwar abends auch, "aber doch nicht sonntags"! - Das war wieder neu. Da das berühmte Casa Manolo am Sonntagabend geschlossen hat, glauben sie, sie könnten sich das erlauben. - Da sind wir wieder gegangen, nicht mit uns! - Nach reichlich langer Suche: Menü für 6,60 EUR, wieder in der Rúa do Franco, Mitte, rechts, im "O" Sotano (Bar/Restaurant). Preiswert und reell.

Teresa, Margrith und Monika übernachteten in der üblichen Pilgerherberge und waren auch ganz gut zufrieden. Entgegen allen Gerüchten war dort Platz, und man durfte mehr als 2 Nächte bleiben. Einen Pilger brachten wir in unserer Bar unter (Einzelzimmer ohne Dusche und Toilette, 16 EUR). Andere erzählten, dass sie auch billige Unterkünfte in der Altstadt gefunden haben.

Abends lauschten wir vor der Kathedrale (ab 21 Uhr) dem Gesang und der Musik der bekannten Folkloregruppe La Tuna de Santiago ("Tuna" heißt Studentenkapelle, eigentlich eher Vaganten-, Herumtreiber-, erinnert mich sehr an das Lied von den Prager Studenten), in prächtigen Kostümen. Das ist der Vorteil, wenn man um die Ecke untergekommen ist. Wir erstanden eine CD und hören jetzt noch zu Hause gern die Musik. Es sind sogar die Texte beigefügt, sodass ich mitsingen kann. Wie oft bin ich mit meinen Gedanken immer wieder Pilger in Spanien...!

Weitere Informationen über Santiago finden sich im Rahmenkapitel "Einleitung und Resümee".


Letzte Änderungen: 27.03.2019