Im Jahre 2007 auf dem Mozarabischen Weg von Zamora nach Santiago


Herkunftspfad: Übersichtsseite meiner Pilgerberichte >> Salamanca, von Zamora bis Granja de Moreruela, Mozarabischer Weg (von Granja de Moreruela nach Santiago)
Autor: Rudolf Fischer
Meine Netzadresse: Rudolf.Fischer@Esperanto.de

Siehe auch meinen älteren Bericht aus dem Jahr 2005: Vía de la Plata (bis Riego del Camino) und Mozarabischer Weg (ab Riego del Camino)!

Einleitung

In diesem Jahr gedachte ich, es geruhsam angehen zu lassen. Keine Pioniertaten, reine Routine auf einem der schönsten Abschnitte aller Pilgerwege in Spanien. Ich kannte alles von 2005, hatte mir damals aber schon gesagt: "Diesen Weg machst du noch einmal mit deiner Frau, damit die das alles auch erleben kann."

Das Flugzeug war schon vor 10 Monaten gebucht, aber bis zuletzt wurde es spannend, ob wir überhaupt fliegen würden. Denn kurz vor dem Termin war unser erstes Enkelkind angekündigt. Aber letzten Endes ging alles gut. Wenige Tage vor dem Abflug entschieden wir uns, den kleinen Martin Paul in den Händen seiner Eltern zurückzulassen (Eltern braucht man dauernd, Großeltern nicht immer) und unsere Pilgerfahrt zugleich auch als Dank, dass Mutter und Kind wohlauf waren, anzusehen.


Allgemeines

20 Etappen, 428 km.

Wir liefen zwei Abschnitte:

Außerdem besichtigten wir bei der Anfahrt die beiden sehr schönen Städte Salamanca und Zamora, über die auch für Pilger speziell einiges zu berichten ist.

Ich hatte Kopien aus folgendem Handbuch (veraltete Ausgabe) dabei:
Michael Kasper, Raimund Joos: Nordspanien: Jakobsweg, Vía de la Plata, Mozarabischer Jakobsweg.
2. Auflage 2005. ISBN 3-89392-516-3 Conrad-Stein-Verlag

Diese Ausgabe war, wie ich wusste, überholt, die neuste ist von 2007, ich habe sie in der Hand gehabt. Wer das Handbuch noch nicht hat, dem empfehle ich es sehr, obwohl die Wegeauszeichnung inzwischen fast überall sehr gut ist.

Wege und Wegeauszeichung
Im Vergleich zu 2005 waren die Wege gleich gut (insbesondere freigeschnitten), aber noch besser ausgezeichnet. Zum Teil mit Hinweisschildern und (von der galicischen Grenze bis Cea) mit sehr schönen wegweisenden Skulpturen. Für diesen Bericht setze ich zum ersten Mal das Programm Google Earth ein, mit dem ich einige Probleme der Wegeführung im Nachhinein klären konnte. So fand ich den (meiner Meinung nach) besten Weg aus Tábara heraus. Manches Zickzack, das ich als Umweg empfunden hatte, war tatsächlich unnötig umständlich. In anderen Fällen stellte sich das Gefühl als unberechtigt heraus. Auch sieht man mit Hilfe der Satellitenbilder, wie die Planer der Strecke die Pilger an sehr vielen Stellen durch schönste Natur führen, während nur wenige hundert Meter weiter Schnellstraßen und Industrieanlagen die Idylle zerstören, ein wohltuender Tunnelblick, der dem Pilger vorgaukelt, in landschaftlich unberührten Gebieten unterwegs zu sein. Diese Täuschung halte ich für gerechtfertigt. Das ganze Pilgerleben ist ja ein Tunnelblick, der den Alltag zu Hause ausblendet, und gerade das ist der stärkste Reiz, immer wieder zu pilgern.

Bei der Wegebeschaffenheit richte man sich auf viele Asphaltwege, aber auch steinige Pisten ein. Der Preis dafür, dass man mit dem oben genannten Tunnelblick mitten in der Zivilisation über verborgene, uralte Pflasterwege geführt wird, ist, dass diese aber auch sehr schwer zu laufen sind. Den Füßen wird alles abverlangt.


Pilgers Leid Durch Anklicken vergrößern

Blasen wie noch nie zuvor

Ich hatte noch die Etappen hinter Zamora als besonders geröllig in Erinnerung. Wenn uns das 2005 nach 700 km noch aufgefallen war, hätte mich das warnen sollen. Nun, ich war auch gut vorbereitet, und trotzdem hatte ich nach drei-vier Etappen schon Blasen, wie noch nie zuvor. Ich habe dieses Rätsel nicht lösen können. Auch nach 300 km kamen unter der längst entstandenen Hornhaut immer wieder neue Blasen an Ballen und Hacken hervor, und vor allem auch zwischen Ballen und Zehen. An diesen Stellen half auch das bewährte "Wunderpflaster" (Elastoplast) nicht. Manche Etappe bin ich mit Schmerzen bei jedem Schritt gelaufen. Ich fand es auch noch beschämend, kam mir wie ein untrainierter Anfänger vor, zumal meine Frau Hedwig mühelos ihre übliche Geschwindigkeit einhielt. Und ich hatte mit einem besseren Spaziergang gerechnet! Das war mir wieder eine Lehre.

Hunde
Wie überall, wo inzwischen dauernd Pilger vorüberziehen, ist auch auf diesem einsameren Abschnitt kaum mehr mit gefährlichen Hunden zu rechnen. Wir hatten eine einzige kritische Begegnung mit Hirtenhunden, haben diese aber gemeistert. Meine Frau hat ein schönes Bild (rechts) von mir mit einem Hund am Wege gemacht. Das widerlegt diejenigen, die mir schon eine Hundephobie andichten wollten.
Durch Anklicken vergrößern Ein lieber Hund

Wetter Ende August/Anfang September
In Deutschland war es nass und kalt, wir hatten derweil in Spanien ununterbrochen allerbestes Wetter. Einige Male zu viel des Guten mit praller Sonne und ohne Wind. An zwei aufeinander folgenden Tagen streifte uns bei Tábara eine Gewitterfront, aber der Regenumhang konnte nach 5 Minuten schon wieder eingepackt werden. Sonst keinen Tropfen Regen während der ganzen Zeit. Morgens war es sehr frisch (10-13 Grad), aber ein wolkenloser Himmel. Zum Glück wurde die spätere Sonnenglut meist durch einen erfrischenden Wind gemildert.

Trinkwasser, Bares
Ich habe weiterhin nur gekauftes Wasser getrunken, in Ausnahmefällen mal Leitungswasser. Man braucht aber keinen Durst zu leiden. Auf diesem Abschnitt gibt es eine fast lückenlose Kette von Bares, die wir auch fleißig frequentiert haben. Das war schon anders in diesem Jahr: kein Rennen um die Betten, man konnte sich wirklich den ganzen Tag Zeit lassen, den Zielort zu erreichen. Pause, wann immer man wollte. Wegen meiner lädierten Füße aber oft auch ein Muss. Ich werde im Bericht wieder sorgfältig auf alle Bares hinweisen. Das Handbuch war dafür sehr hilfreich.

Ausrüstung
Die Ausrüstung (siehe meine Packliste) war ebenfalls Routine. Es ist praktisch nichts zu ändern. Mangels gefährlicher Hunde war das Ultraschallgerät eigentlich überflüssig. Die Isomatte tat bei Pausen im freien Gelände weiter gute Dienste. Sonst wurde sie nicht benötigt.

Verpflegung, Budget
Es gab häufig die Möglichkeit zu kochen. Minitauchsieder, kleines Trockentuch (auch als Unterlage für die heiße Tasse), Metalltasse und ein kleiner Löffel waren wieder sehr nützlich. Da meine Frau so gern kocht, gingen wir abends seltener essen. Wir sind deshalb (trotz teils erheblich gestiegener Preise) diesmal mit 20 EUR pro Tag und Kopf hingekommen, eingeschlossen regelmäßiger Spenden für die Herbergsunterkünfte. Drei Mal übernachteten wir in einem Hostal (Zamora, Campobecerros, Bandeira). Ein Menu del dia kostet inzwischen 7-10 EUR.


Anfahrt

21. Augst 2007, Dienstag: Flug nach Madrid, Busfahrt nach Salamanca

Dass es knapp werden würde, wusste ich schon vorher. Doch ich hatte den Ehrgeiz, meiner Frau noch Salamanca zeigen zu können. Aber schon der Abflug mit der Airberlin vom Flughafen Münster-Osnabrück verzögerte sich um 25 Minuten, da auf Mallorca (unserem Zwischenziel) ein Sturm getobt hatte.

Fliegen fällt mir inzwischen schwerer, da man nichts zu trinken mitnehmen darf. Und dann diese nervige Warterei ohne Information, warum auch das nächste Flugzeug nicht pünktlich da ist. Zum Glück lernten wir in Palma eine Spanierin kennen, die uns sehr geholfen hat. Sie sprach uns im Wartebereich des Flughafens an, weil sie sah, dass ich den Stadtplan von Salamanca studierte, und dahin wollte sie von Madrid aus auch selbst. Sie sprach gut Deutsch und schloss sich uns an. So hatten wir den Vorteil, dass sie uns führte, womit wir viel Zeit zum Suchen sparten; umgekehrt mochte sie, so gestand sie am Ende, nicht allein durchs unsichere Madrid fahren. Eine sehr vorteilhafte Symbiose!

Vor dem Abflug nach Madrid beobachten wir aus dem Flugzeug heraus, wie unser Gepäck eingeladen wird. Da, unsere zusammengebundenen Pilgerstöcke: krach, schmeißt sie der Mann aufs Band. Ich sehe, wie was abbricht. Es ist der geschnitzte Kopf am Handgriff des Stockes meiner Frau. Wir machen die Flugbegleiterin aufmerksam. Da sagt die doch glatt: "Haben Sie das mit Video gefilmt? Sonst können Sie uns das nicht nachweisen." - Frechheit! - Der Mann wirft den abgebrochenen Kopf einfach aufs Band. Den sehen wir nicht wieder, dachte ich.

In Madrid am Flughafen nur Verwirrung. Wir werden zu einem falschen Gepäckband geleitet, müssen dann sogar zu einem anderen Terminal. Selbst die Spanier schimpfen. Beim zweiten Gepäckband erzählt meine Frau unserer neuen Bekannten von dem abgebrochenen Schnitzkopf. Da weist die Spanierin auf das Band, da liegt er doch glatt gerade vor ihnen beiden. So bekamen wir ihn doch noch wieder.

Von diesem Gepäckband aus war es zur Metro gottlob nicht weit. Aber schon wieder Verwirrung. Ich ziehe für 1 EUR einen Fahrschein, die Kontrollsperre lässt mich nicht durch. Es war nur ein Zusatzfahrschein. Die Grundgebühr beträgt jetzt 2 EUR (im August 2005 noch 1 EUR). Es ist nicht zu fassen, wie die Preise in Spanien hochgehen. Ein Blick auf die Uhr: Keine Chance mehr, den günstigeren Bus nach Salamanca zu erwischen. Wir müssen den nehmen, der um 21h30 in Salamanca am Busbahnhof sein soll, und um 22h00 schließt die Herberge!

Ja, wir wollen in Salamanca in der Pilgerherberge schlafen, obwohl uns das eigentlich nicht zusteht. Wir fahren ja mit dem Bus an, und sogar mit dem Bus am andern Tag nach Zamora weiter. Aber ich hatte keine Alternative. Etwas zu reservieren, war zu riskant gewesen (Vorauszahlung im Netz), und so spät im dunklen Salamanca traute ich mir nicht zu, noch eine Unterkunft zu finden.

Unsere nette Begleiterin ruft vom Busbahnhof in Madrid einfach in Salamanca in der Herberge an und meldet, dass zwei deutsche Pilger noch sehr spät kommen würden. Ja, aber um 22h00 sei die Tür zu. Na, das wusste ich ja schon, aber ich hoffte, dass angekündigte späte Pilger evtl. auch noch nach 22h00 Einlass finden würden. - Der Bus kam pünktlich, war recht gut besetzt. Wir hatten eine schöne Fahrt durch eine mir noch unbekannte Gegend, an Ávila vorbei, bis wir 21h40 am Busbahnhof in Salamanca eintrafen.

Mir war klar: Hier half nur noch das Taxi. Abschied von unserer Helferin. 21h50 gibt der Fahrer Gas, saust durch die menschenleere Altstadt, in der ich mich gleich zurechtfinde - und zu meinem Entsetzen sogar um die alte Kathedrale herum bis genau vor die Herberge. 21h58, der Herbergsvater schaut aus der Tür, ich hätte in den Boden versinken können, gebe aber trotzdem aus Freude, dass wir's noch geschafft haben, dem tüchtigen Fahrer ein opulentes Trinkgeld (3,45 EUR war der reguläre Preis, recht billig). - Erst später teilt mir meine Frau mit, dass der Herbergsvater unserer Begleiterin sogar gesagt hatte, dann müssten wir ein Taxi nehmen. Meine mit rotem Kopf gestammelten Erklärungen waren völlig überflüssig.

In der Herberge von Salamanca

Als erfahrene Pilger wissen wir, dass abends um 22h00 praktisch alle im Bett liegen und schlafen. Wer dann noch kommt, kann sich im Dunkeln einrichten, kein leichtes Unterfangen. Ich wollte also möglichst schnell zu einem Schlafraum hoch, aber der Herbergsvater hielt uns fest. Wir mussten erst ins Pilgerbuch eingetragen werden und einen Stempel bekommen. Zunächst schwatzte er aber mit einem anderen Spanier weiter, endlos, und ließ uns einfach stehen.

Ich warf aus Langeweile einen Blick ins Pilgerbuch. Dort sah ich einen mir bekannten Namen: Detlef Gehring, einen meiner Informanten über diesen Weg. Da lief er ihn in diesem Jahr also erneut, war 4 Tage vor uns. Schade, den würden wir wohl auch mit unser Busfahrt nach Zamora nicht einholen, vermutete ich. Das stellte sich später als richtig heraus. Mehr als auf 1 Tag hinter ihm sind wir nicht an ihn herangekommen, und wegen meiner kaputten Füße fielen wir später noch mehr zurück. Schade! - Es ist mir sogar gelungen, mit dem "Pilgertelegraf" eine Meldung zu ihm vorauszuschicken, dass ich ihm folgte. Sie hat ihn erreicht: Ich las danach einen Gruß von ihm in einem Herbergsbuch.


In der Pilgerherberge von Salamanca Durch Anklicken vergrößern Endlich konnten wir uns nach oben begeben. Inzwischen ging es in der Herberge noch recht fröhlich zu. Einige Fußpilger, aber nicht viele, dazu die üblichen Radfahrer. Und pausenlos kamen noch Nachtbummler zur Tür herein. Von wegen: ab 22h00 ist die Tür zu! Sie war es, aber auf "spanische" Weise: Ein Stock diagonal davor, der aber nur symbolischen Wert hatte. Man konnte ihn leicht durchs Fenster beseitigen und sich selbst die Tür von innen öffnen. Da wären wir auch noch bis Mitternacht reingekommen.

Oben klinken wir vorsichtig die Tür zum ersten Schlafraum auf - und lachen los: noch kein Mensch da! - Am Ende sind wir die ersten im Bett. Es gibt zwei Schlafräume mit je 8 Betten, dazu ein Zweibettzimmer, wohl das für Behinderte vorgeschriebene. Natürlich hatten sich das zwei Radfahrer geschnappt. In unserem Zimmer lagen am Ende 5 Pilger, alle zu Fuß. -

Ein junges Mädchen aus Heidelberg will mich als Schnarcher aus dem Zimmer nach nebenan scheuchen. Ich schaue dort rein, alles voll, schenke ihr dann Ohrenstöpsel. Sie ist trotzdem sauer. Sowas wie ich gehöre nicht in die Herberge. So, so. Sie ist ganze fünf Etappen gelaufen, mal eben so, weil es ihr so eingefallen war, wohnt in Sevilla. Ja, junge Frau, unter Pilgern kann man den Schnarchern nicht entkommen, das gehört dazu. - Sie habe die ganze Nacht kein Auge zugetan, klagt sie morgens. Unsinn, ich habe sie selbst leise schnircheln gehört ... Gegen 7h45 wurde es erst hell.


22. August 2007, Mittwoch: Besichtigung von Salamanca und Zamora

Am anderen Tag rücken wir wie zünftige Pilger ab, bleiben aber in Wirklichkeit in der Stadt und schauen sie uns an. Der Herbergsvater hat, wie wir später erfahren, einen Pilger zum Menü in einer Studentenmensa mitgenommen. 3,20 EUR und so viel, wie man will. Ob man das auch selbst findet, bezweifele ich.

Im bekannten "Muschelhaus" ist auch das Oficina de Turismo. Dort holen wir uns einen Busplan nach Zamora. Eine Vorbezahlkarte (Tarjeta telefónica prepago de cabina), um von der Telefonzelle aus nach Hause zu telefonieren, war schwer zu bekommen. Vor der Plaza Mayor wurde ich in einem Mobiltelefonladen rechts fündig. 5 EUR und etwa 50 Minuten für Gespräche nach Deutschland. Das war billig und reell. Diese Karten sind im Allgemeinen ein Glücksspiel.

Am frühen Nachmittag gingen wir zum Busbahnhof und nahmen dort in der zugehörigen Gaststätte einen ordentlichen Teller (5,50 EUR) zu uns. Kein Problem, Fahrkarten nach Zamora zu bekommen (4,15 EUR). Die Busse fuhren fast stündlich, wie ich es mir gedacht hatte.

Fahrt über die Nationalstraße. Hier verläuft der Pilgerweg bis El Cubo de la Tierra del Vino fast die ganze Zeit direkt rechts oder links, dazu kommt noch eine Autobahnbaustelle, ein ganz übler Abschnitt. Ich zeige meiner Frau, wo der Pfarrer wohnt, und wo die Herberge im Vorbau der Kirche ist. Bald umfahren wir schon Zamora, sehen den Blick auf die schöne Seite am Fluss nicht, mit dem die Pilger bei ihrer Ankunft belohnt werden. Der Busbahnhof liegt ungünstig im Nordosten. Ich laufe auf gut Glück in Richtung Innenstadt, komme am Rathaus heraus, hatte aber das Studentenheim "Dona Urraca" direkt ansteuern wollen.

Abgewiesen

Dort eingetroffen, werden wir abgewiesen. Oder wir sollten uns trennen, es seien aber laute Jugendliche im Haus. Stimmte. Wir drehen ab. (Später haben wir rekonstruiert: Andere Pilger waren untergekommen, wir waren eben spät dran. In je einem Zimmer musste wohl ein Bett frei gewesen sein; wahrscheinlich war in einem Antje gewesen, die wir anderntags trafen, in dem anderen Helmut, den wir ebenfalls kennen lernen sollten. Hätten wir das gewusst, hätten wir uns natürlich getrennt. Uns hatte vorgeschwebt, das Zimmer mit einer Gruppe von Jugendlichen, die nachts um 3 Uhr betrunken aus der Stadt kommen, teilen zu müssen.)

Nun, man nannte uns ein Hostal, nur 50 m weiter rechts die Straße hoch.


Restaurante Hostal JARAMA, C/ Villalpando 14, 49005 Zamora, Tel.: 980 513 227
Doppelzimmer 2007: 30 EUR (ohne eigenes Bad), 36 EUR mit eigenem Bad.
Ganz passabel, "richtige" Pilger waren wir ja ohnehin noch nicht. Der Tag war noch lang und reichte für eine ausführliche Besichtigung der Stadt. Bei unserem Aufbruch stießen wir auf die Radfahrer aus Salamanca, die uns angrinsten (Na, ihr Buspilger?). Heute hatten sie ja Recht.


Nach dem Besuch der Altstadt gingen wir sogar noch bis auf die Flussbrücke, um doch noch den genannten schönen Anblick von dort zu genießen. Zurück in der Stadt fanden wir in der Calle San Cipiano die geplante neue Herberge, ein wunderschönes Haus mit Dachterrasse, dem Augenschein nach fertig. Kein Mensch weiß, warum sie bis dato nicht geöffnet ist. Auch ihre zentrale Lage ist einmalig. Durch Anklicken vergrößern Vorgesehene Pilgerherberge in Zamora

Nachtrag von November 2011:

Die Herberge hat jetzt eine resolute Hospitalera, die alle um 7 Uhr aus dem Bett schmeißt. Ansonsten wird die Herberge sehr gelobt.

Der Pilgerweg

23. August 2007, Donnerstag: Von Zamora nach Montamarta, 18 km (18 km)

Bis 7h30 geschlafen, im Zimmer gefrühstückt. 9h10 rücken wir ab. Gestern wollten sie, dass wir im Voraus bezahlten. Wie immer, wenn ich dann einen 50-EUR-Schein zücke (die Bankautomaten in Deutschland haben's ja nicht kleiner), sichtbare Erleichterung, dass wir zahlungswillig und -fähig waren.

Herrlichstes Wetter, kein Wölkchen am Himmel, aber kühler Wind. Wir laufen die Ausfallstraße entlang. Wochen habe ich von diesem Moment geträumt. Die triste Vorstadt nehme ich gar nicht wahr. Ich bin wieder unterwegs, gesund, mit Kraft ohne Ende, die Welt ist wunderbar. Meine Gedanken sind ein einziges dankbares Morgengebet.

Neben der Fernstraße auf einem breiten Weg. Weit voraus einzelne Gestalten, wohl keine Pilger. Es gibt hier Fußgänger, die zwischen der Stadt und ihren Ausläufern pendeln. Ich merke gar nicht, dass irgendwo der Pilgerweg abzweigt. Antje erzählt uns später, sie sei ihm gefolgt und durch eine trostlose Abfalllandschaft gestolpert. Na, da ist man mit der Fernstraße auch nicht schlechter dran.

Einer der Fußgänger vor uns hat doch einen Rucksack auf dem Rücken, wie wir beim Näherkommen feststellen, wohl doch ein Pilger. Ein junger Mann, sieht aus wie ein Niederländer, recht füllig, schwankt daher, als sei er so früh morgens schon am Rande seiner Kräfte. Nein, es sind Blasen, sagt er nach einer kurzen Begrüßung. Aus Malaga stammt er, sieht aber nicht danach aus. Ist in Salamanca gestartet, jetzt schon so gut wie fertig.

Bar und Abkürzung in Roales del Pan

Wir laufen mit ihm zusammen nach Roales del Pan hinein. In der Dorfmitte ein kleiner Markt, unser Freund kauft sich Früchte. Meine Frau möchte auf die Toilette. In der inzwischen kahlen Landschaft gibt es keine Deckung. Man verweist mich nach rechts, zur Fernstraße hin. Wir müssen sie überqueren. Kurz vorher sehe ich eine kleine Asphaltstraße links abzweigen und weit, weit geradeaus weitergehen. Ich vermute, dass sie hinter dem Dorf auf den Pilgerweg stößt, die Beschreibung im Handbuch legt das nahe. So war es nachher auch.

Die Bar hat ein angeschlossenes Schwimmbad. In dieser trockenen Öde ringsum sicher ein beliebtes Ausflugsziel, aber kostspielig zu unterhalten. - Unser erster café con leche, ich bin längst wieder in der Pilgerwelt angekommen. Es fühlt sich herrlich an. Ich freue mich auf die Herberge in Montamarta, die ich noch nicht kenne. Im Neuen liegt der wirkliche Reiz.

Auf dem Rückweg nehmen wir die kleine Asphaltstraße, die ich mir gemerkt habe. Jawohl, kurz hinter den letzten Häusern kommt der Pilgerweg sichtbar von links dazu. Nun geht es "endlos" geradeaus, über leichte Bodenwellen, hinter denen das Dorf schnell verschwindet. Wir sind auf diese kastilische Hochebene eingestellt, es ist der bewusst gewählte Kontrast zu der Landschaft, die wir zwei Tage später erreichen.

Aus dem verblichenen gelben Gras am Wegesrand ragen zwei Beine. Es ist unser Freund aus Malaga, der dort halb im Graben liegt. Er schaut, wie wir vorbeilaufen. "Buen camino!" Der will heute noch bis Riego del Camino. Ob er's geschafft hat oder ob er aufgab, wissen wir nicht. Wir haben ihn nicht wiedergesehen.


Auf der kastilischen Hochebene hinter Roales del Pan Durch Anklicken vergrößern Weit schweift der Blick voraus. Die Farben, gelb und braun, haben ihren eigenen Reiz. In der Ferne eine Baumzeile. Ist es die, bei der man nach rechts abschwenkt? Die Piste zieht sich hin, die vielen Steinchen walken die Füße ordentlich durch. Das habe ich erwartet, versuche, immer eine weniger geröllige Spur zu laufen. - Vorn kommen einzelne Häuser in Sicht. Ist der Bauernhof vor Montamarta schon dabei? Nur keine Hast, wir haben Zeit. Ein Haus bleibt links liegen. Geradeaus ragt ein undefiniertes weißes Etwas weit vor uns auf. Ein Silo oder das, was ich vermute?

Beim Näherkommen wird es zur Gewissheit: Ein riesiges Schild mit einer Übersicht über den Verlauf der Vía. Für mich ein historischer Ort, denn hier hat Manfred vor zwei Jahren Hans und mich eingeholt und uns danach über 500 km bis nach Santiago und Finisterre begleitet. Er hat inzwischen weitere Pilgertouren hinter sich und mehrfach berichtet. Ultreia, Pilgerbruder Manfred! Durch Anklicken vergrößern Infotafel über die Vía de la Plata vor Montamarta

Orientierung in Montamarta

Das Ziel, die Ortschaft Montamarta ist nun zum Greifen nahe. Noch vor ihr, rechts, jenseits der Fernstraße, soll die neue Herberge liegen. In diesem Ort haben sich viele Pilger verlaufen. Etwas ist das Handbuch daran schuld. Es redet nur von einem "kleinen Platz", was ja vieldeutig ist. Dabei ist es so einfach, sich in diesem Ort zu orientieren. Alle Pisten, die links von der Fernstraße in den Ort führen, landen auf dem Rathausplatz (oder allenfalls unweit links davon), wo Kirche, Rathaus und Apotheke sind. Gar nicht zu verfehlen. Vor der Kirche geht man links und trifft nach ca. 50 m auf eine riesige Pelotahalle. Vor dieser geht es rechts in die Senke in Richtung ermita (das Handbuch sagt: Friedhofskapelle) hinunter. Schon von der Halle aus hat man einen sehr schönen Blick.


Tipp:
Wer also nicht in der Herberge übernachten will, wen diese nicht interessiert und wer auch nicht einkaufen oder essen will, der kann an dem erwähnten Schild neben dem Bauernhof einfach geradeaus gehen. Der Pilgerweg geht hier rechts in Richtung Herberge, aber das ist ein unnötiger Umweg. Man folge der Straße La Majada bis zur Kirche. Dort links bis zur Halle und dann rechts, wie oben beschrieben.

Zur Herberge, zu einem Laden (Alimentación) und zum Restaurant Rosa Mari an der Fernstraße folge man aber dem ausgeschilderten Pilgerweg. Der nähert sich zwischen den Gebäuden des Bauernhofs hindurch im Zickzack der N-630. Direkt vor einer Unterführung geht es links in den Ort. Zur Herberge jedoch durch die Unterführung und hinter ihr rechts einen staubigen Weg hoch, dann liegt die Herberge links, leider in unmittelbarer Nähe zur Fernstraße, von der aus sie ebenfalls zugänglich ist.

Eine neue Pilgerschwester

13h40 treffen wir an der Herberge ein. Ich hatte von Hospitalero Jesús gelesen, der hier einige schöne Schilder mit einem Stadtplan u.a. aufgestellt hat; er muss vor kurzem seinen Dienst quittiert haben. Aber aus der Tür schaut eine junge Frau: "Oh, Deutsche!" Sie ist offensichtlich ebenfalls aus Deutschland, aber nicht die Hospitalera, wie wir auf den ersten Blick meinen, sondern Pilger wie wir. Sie freut sich, nicht allein in der Herberge zu bleiben, denn sonst ist niemand hier. Die Herberge hat nur einen einzigen großen Schlafraum.

So lernen wir Antje aus Bonn kennen. Es ist Sympathie auf den ersten Blick, man spürt die verwandte Seele. Sie ist im Alter unserer erwachsenen Kinder, und nach dem, was sie uns später erzählt, gibt es zwischen uns und ihren Eltern auch viele Parallelen. Ich gestehe ihr gleich, ein übler Schnarcher zu sein und wappne mich gegen eine negative Reaktion. Aber Antje macht es nichts aus. Eine echte Pilgerin! ;-) Ich beeile mich, ihr meine Dienste als Wissensschatz über den weiteren Weg anzubieten. Antje wollte mit einer Freundin gehen, die ihr aber vor zwei Wochen abgesagt hat. Da war sie in dem Dilemma, zu Hause zu bleiben oder zu versuchen, allein zu pilgern. Sie entschied sich für das Letztere, aber ganz wohl war ihr dabei nicht. Aber vielleicht traf sie ja andere Pilger, denen sie sich anschließen konnte ... Es lag so auf der Hand, dass wir da goldrichtig waren, eigentlich wie von St. Jakob persönlich geschickt. Einer der vielen kleinen wunderbaren "Zufälle" auf den Pilgerwegen.

Pilgerleben vom Feinsten

Nach dem Wäschewaschen liefen wir erst einmal zusammen in den Ort, um zu "schnüffeln", also herauszubekommen, wo es was zu essen und einzukaufen gab. Nun, das war alles fast direkt am Pilgerweg. Wir gingen sogar bis zur Aussicht an der Pelotahalle. Ein guter Brauch, schon am Tag vorher sich zu merken, wo es am anderen Morgen weitergeht. Wir tranken einen Kaffee in dem Restaurant Rosa Mari an der N-630. Die Speiseangebote waren nicht überzeugend. Wir kauften lieber auf dem Rückweg Obst und Getränke ein, hatten sonst noch alles.


Pilgerherberge von Montamarta Durch Anklicken vergrößern In der Herberge waren inzwischen ein spanisches Paar und ein paar Radfahrer eingetroffen. Wir sind nun 5 Fußwanderer und 4 Radfahrer, bei über 20 Betten kein Problem. Am Spätnachmittag fährt ein Auto mit zwei Männern vor. Einer stellt sich als der Herbergsbetreuer vor, kassiert 5 EUR (aus dem Gedächtnis) und stempelt die Ausweise. Dann kommt noch ein alter Mann und bietet Birnen an. Es geht alles ruhig und friedlich zu. Zeit, Platz und Ruhe: Pilgerherz, was willst du mehr? Sogar die Radfahrer sind rücksichtsvoll. Sie gehen abends essen, kommen aber so leise wieder, dass ich es kaum mitbekomme.

24. August 2007, Freitag: Von Montamarta nach Granja de Moreruela, 23 km (41 km)

Nachts hatte ich Nasentropfen genommen, um vielleicht weniger zu schnarchen. Ich wurde aber oft wach. Gegen 4h40 fiel mir noch das letzte Bier aus dem gekauften Sechserpack ein. War natürlich warm, aber daran gewöhnt man sich schnell. Jedenfalls wirkte es sofort wie ein Schlafmittel.

7h20 raus, es wird schon hell. Wir frühstücken zu dritt und gehen 8h50 los. Irgendwie wird mit Antje nichts verabredet. Es ist einfach klar, dass wir zusammen loslaufen. Wenn irgendwas nicht passt, werden wir uns auch wieder trennen; das ist ja unter Pilgern üblich. Schön ist es, Bekannte abends wiederzusehen, aber auf der Etappe muss man nicht wie Kletten aneinander hängen.


Sonne, einige Wolken, kühler Wind. Wir bewundern die ermita. Da wir uns ja in diesem Jahr Zeit lassen und meine Frau, aber auch Antje, wie sich herausstellt, sehr oft fotografieren, sind wir nicht sehr schnell. Dafür nehmen wir alles Schöne am Wegesrand mit. Heute entdecke ich, dass man auf dem Felsen vor der Kirche links um diese herumlaufen kann. Der Blick auf den ausgetrockneten Stausee ist märchenhaft schön. Weit, weit hinten wird ein schmaler Wasserstreifen sichtbar. Durch Anklicken vergrößern Die "Friedhofskirche" hinter Montamarta

Etwas problematischer Weg um den Stauseeausläufer

Die Wegeauszeichnung mit gelben Pfeilen ist bestens. Es geht einige Kilometer, zum letzten Mal eine Geröllpiste, parallel zur Schnellstraße. Dann ändert sich die Landschaft. Ich erkenne die Stelle wieder. Man schlägt sich durch Büsche zur N-630 hindurch, bleibt eine Zeitlang rechts von ihr, passiert dann die Verzweigung der Nationalstraßen, wo es links direkt nach Tábara geht, und wechselt dann wieder auf die linke Seite in Richtung Stausee. Hinter uns taucht ein Mann mit Rucksack auf, aber er biegt zum See ab, ist wohl ein Angler, kein Pilger.

Bald laufen wir auf die Siedlung vor dem Hauptstausee zu. Weit weg grüßt schon die Burgruine Castrotorafe. Da wird es doch schwierig mit dem Weg. Vor zwei Jahren sind Hans, Manfred und ich ausgeschwärmt und haben die Senke hinter der Siedlung mit einigen Mühen überwunden. Sie ist ja durch einen einlaufenden Bach entstanden, und irgendwo zwischen dem spärlichen Grün kann durchaus ein verdeckter Wasserstreifen lauern. Wir gehen den "mittleren schönen Weg" laut Handbuch, einen Pfad am diesseitigen Rand der Senke entlang nach rechts und schwenken bald wieder auf die Rückseite der Siedlung zu. Freilich geht es im Rechtsbogen unangenehm weit zurück. Bevor wir die Häuser wieder erreichen, biegt ein Sandweg geradeaus auf die Fernstraße zu ab. Sieht so aus, als ob er sich bald verlaufen würde.


Tipp: Dennoch diesen Weg entlang in Richtung Schnellstraße laufen! Wenn er nach rechts biegt, einfach nach links in Richtung N-630 und querbeet bis zur Straßenböschung. (Siehe meine weitere Beschreibung unten, unseren Umweg kann man sich ersparen.)
Wir gehen lieber die Hauptpiste weiter, jetzt parallel zur N-630 endgültig zurück. Hinter den Häusern erreichen wir eine Piste, die links zur N-630 führt. Hier hätten wir gleich herkommen können, sagt auch das Handbuch, wie ich zu spät lese. (Ich empfehle deshalb den oben erwähnten Sandweg.)

Ich wollte möglichst erst direkt vor der Brücke die Straße erreichen. Kurz entschlossen biege ich vor der N-630 noch einmal links ab, einen Weg entlang, diesmal in der richtigen Richtung parallel zur Straße. Als der Weg nach links biegt, merke ich, dass es der Sandweg ist, auf dem wir hätten von vorn kommen können. Jetzt reicht's! Wir laufen durch das braune Gras rechts auf die Straße zu, erklimmen die Böschung, und dann geht's erst noch einen schmalen Fußpfad links an ihr entlang, bald aber direkt neben ihr. Zum Glück ist die Brücke nur wenige hundert Meter entfernt. Puh! Das war nicht die optimale Lösung!

An der Jakobsritterburg

Hinter der Brücke geht es nach 100 m links ab, das kenne ich. Ab jetzt führt das Handbuch auf die riesige Ruine der Jakobusritterburg Castrotorafe zu. Auch hier laufen wir nicht optimal. Wer sie betreten will, sollte die erste Piste nehmen, die links auf einen Eingang zwischen den Trümmern zuläuft. Ich hatte das anders in Erinnerung. Also ziehen wir im Bogen vorbei. Antje braucht eine Pause, ist uns willkommen. Zurückblickend sehen wir, dass in der Burg eine Schafherde weidet, die ab und zu auf den Mauern erscheint. Und in dem Tor, das wir verpasst haben, erscheinen ein-zwei riesige Schäferhunde. Jetzt bin ich gar nicht mehr so sauer, dass ich mich da vertan habe. Ein Hund löst sich und läuft in unsere Richtung. Bei dieser Entfernung kann es eigentlich keine Verteidigung der Herde mehr sein. Tatsächlich merken wir nachher, dass es nur ein Streuner aus dem nahen Dorf ist, der an uns gar nicht interessiert ist, höchstens an unserem Proviant.

Wegänderung vor Fontanillas de Castro

Der weitere Weg nach Fontanillas de Castro ist etwas verlegt. Man läuft nicht mehr an dem Zaun entlang, sondern folgt der bisherigen Piste weiter, die links an dem längst sichtbaren Ort vorbeizulaufen scheint. Dann gibt es aber doch noch eine Kreuzung, und man schwenkt rechtwinklig rechts auf den Ort zu, den man bald erreicht. In dem Ort ein kurzer Schwenk nach rechts zur Kirche. Nicht Besonderes zu sehen außer der üblichen Tafel, dass hier die Vía vorbeigeht. Wussten wir! Dann folgen wieder Geröllpisten, die meinen Fußsohlen immer mehr zusetzten. Das Teilziel dieser Etappe hieß Riego del Camino. Mein Gott, war ich das vor zwei Jahren mal eben so von Zamora in einer Etappe dorthin gelaufen? Jetzt wurde der Weg noch auf der zweiten Etappe lang.


Vor Riego del Camino Durch Anklicken vergrößern Endlich kam die Baumgruppe in Sicht, die einen Wasserlauf ankündigte. Von dort war's nicht mehr weit bis Riego, das wusste ich. Ich schaute nach der Abkürzung aus, die uns ein Mann gezeigt hatte. Auf ihr kann man den Ort rechts liegen lassen, aber wir wollten versuchen, in der Bar Pepe, die ich in guter Erinnerung hatte, ein Mittagessen zu bekommen. In diesen Dingen waren wir mit Antje immer sofort einig, wie gesagt, verwandte Seelen. Keiner von uns wollte mit schweren Magen abends ins Bett gehen, wenn es sich vermeiden ließ.

Mittagessen in der Bar Pepe, Riego del Camino

Es führte die eine oder andere Piste nach links, aber die Abkürzung konnte ich nicht eindeutig ausmachen. Dann erreichten wir die Fernstraße und folgten ihr nach links zur Bar. Es ist 14h50, ideale Mittagessenszeit in Spanien. Wir treten ein, man schaut uns wie üblich neugierig entgegen. Einige Einheimische, wenig Platz. Mit wenig Hoffnung frage ich die Wirtin, ob es etwas zu essen gäbe. Sie bejaht sofort und freundlich, ich bin platt. Wir nehmen natürlich das, was sie haben, und nach Preisen wird auch nicht gefragt. Hier kann man den Leuten vertrauen. Der Wirt schießt um den Tresen herum und führt uns in ein einfaches Nebenzimmer, das als comedor dient. Ja, hier sind Pilger willkommen. Während wir uns ausruhen und auf das Essen warten, rühmt der Wirt das heimische Refugio, "das beste auf der Vía". Wir lachen verständnisvoll, aber es passt ja nicht in unseren Plan. Auch gäbe es von hier eine Abkürzung nach Tábara, versucht er es weiter, mindestens 5 km weniger und gut ausgezeichnet. Ich glaube ihm kein Wort, nicke aber immer freundlich. Später hat mir ein Pilger erzählt, dass es diesen Weg wirklich gibt, aber natürlich kaum ausgezeichnet und auch nicht so viel kürzer. Geht ja auch gar nicht, denn die einzige Brücke über die Esla ist die an der Schlucht, zu der man auch von Granja de Moreruela aus geht. Man kann also höchstens diesen Ort rechts liegen lassen.

Salat, Tomaten, Tunfisch, Kotelett, Pommes, Brot, Wein, Wasser, Apfel. 7,50 EUR. Nichts Besonderes, aber ein Mittagessen. Wir waren schon bald satt und zufrieden und verließen diese Bar mit einem sehr guten Gefühl. Dann nahm uns wieder eine Geröllpiste auf, aber am Horizont kamen Berge in Sicht. Noch nicht Galicien, aber die Berge östlich davon. Ein schöner Anblick, der ankündigte, dass es mit den kahlen Weiten der kastilischen Hochebene vorbei war.


Wenige Kilometer weiter ist Granja de Moreruela in Sicht. Man sieht nur einige Häuser, auf einer Bodenwelle verteilt. Ca. 1 km vorher kommt eine Stelle, an der man eine Piste kreuzt. Hier hat jemand einen irreführenden gelben Pfeil nach links auf einen Stein gemalt. Ein korrekter zeigt geradeaus, und Pilger haben noch einen weiteren aus Steinen gelegt, damit man weiß, welchem Pfeil man folgen soll. Durch Anklicken vergrößern Nicht abbiegen!

Der direkte Weg zur Herberge von Granja de Moreruela

Kurz darauf die erwartete kleine Asphaltstraße vor dem Ort. Nach einem Tipp von Detlef Gehring verlassen wir hier den Pilgerweg, der geradeaus in den Ort führt, und biegen rechts ab, weil wir zur Pilgerherberge wollen. Man überquert die N-630 und geht gleich hinter ihr einen Geröllweg parallel zur Straße hinunter. Rechts kommt in einem Stadtpark ein Informationszentrum der Zisterzienser, dann folgen rechts Häuser, darunter ein niedriges Doppelhaus mit roten Ziegelsteinen.


Herberge in Granja de Moreruela Durch Anklicken vergrößern Das musste meiner Erinnerung nach die Herberge sein, aber sie war überhaupt nicht gekennzeichnet. Einige Treppen führen in den überdachten Mittelteil hoch. Rechts ist eine Bar "Teleclub". Ich melde mich am Tresen. "Ist hier die Pilgerherberge?" - "Ja, hinter Ihnen." Ich muss wohl dumm geguckt haben. Die Frau (sie betreut die Herberge) nimmt mich mit zu dem linken Teil des Hauses und klopft laut an eine Tür. Von innen wird aufgemacht. Es sind Jorge und Sonja, das spanische Pilgerpaar, das wir schon kennen. Tatsächlich haben wir sie schon in Zamora zufällig in einer Kirche gesehen, wie uns Jorge erinnert.

Pilgerleben in der Herberge von Granja de Moreruela

Innen 8 Etagenbetten, sehr eng. Dahinter ein Flur mit zwei weiteren Betten übereinander. Links folgt ein weiterer Flur, von dem zwei Toiletten und zwei Duschen abgehen. Kein Aufenthaltsraum, keine Tische, ein einziger Stuhl. Etwas spartanisch. Zum Glück habe ich eine gute Idee (kommt vor): Ich beziehe das untere der beiden Betten im Flur zwischen den Toiletten und dem Schlafraum. Da werde ich nachts schnarchen können, ohne die anderen zu stören.

Wäsche waschen. Hinter dem Haus stehen Bäume, da geht es rechts zum benachbarten Stadtpark. Wir spannen unsere mitgebrachten Wäscheleinen zwischen die Bäume. Vor dem Haus spricht mich ein Radfahrer an. Ob ich wüsste, wo die Herberge sei. Ich grinse und weise mit dem Daumen über die Schulter. Er zweifelt: "Aber eine Frau hat gesagt, die Herberge sei in dem weißen Haus da drüben." Spinnt der? Der muss doch sehen, dass ich ebenfalls Pilger bin. "Na, dann glaube mal der Frau" sage ich zu ihm, er schwirrt ab.

Als ich kopfschüttelnd die Herberge betrete, sehe ich, dass ein weiterer Fußpilger eingetroffen ist. Ein Spanier aus La Coruña, undefinierbaren Alters, aber nicht mehr jung, hager und sehnig, straffe Haltung, ein Gesicht mit fast griechischem Profil. Er ist mal eben von Zamora bis hierher ... Der muss Flügelschuhe haben. "Hermes" tauft ihn Antje, das passt genau. (Pilger erhalten ja immer Spitznamen.) Später kommt mir eine Idee (das ist schon die zweite heute), aber erst am anderen Morgen drücke ich ihm einen Zettel in die Hand. Einen Gruß für Detlef Gehring, der ja einen Tag vor uns ist. Hermes will über Ourense laufen, und da wird er Detlef sicher einholen und ihm den Zettel geben können. So funktioniert der "Pilgertelegraf" nach vorn ...

Die Tür öffnet sich, und der Fahrradpilger von eben tritt ein. Er schaut zu mir rüber und zuckt verlegen mit den Schultern, ich grinse versöhnlich zurück. Er wurde eben ein Opfer einer "hilfreichen Spanierin", die nicht so genau wusste, wo die Herberge war, aber das zuzugeben, ging gegen ihre Ehre. - Ich winke meine Frau beiseite. Im Schlafraum ist es inzwischen furchtbar beengt. "Da kommen sicher noch mehr" prophezeie ich. Hedwig zieht also zu mir in den Flur nebenan, ich nehme das Bett oben, ein wahres Opfer, mit meinen strapazierten Füßen die Stangen der Leiter hochzuklettern. Aber so haben wir unser kleines Reich für uns, auch wenn alles zur Toilette und zu den Duschen an unseren Betten vorbei muss.

Wo man einkaufen kann

Einkaufen. Zuerst eine ungesicherte Betonrampe rechts an der N-630 entlang. Dann überqueren wir in Höhe der Kirche die Straße und gehen auf die Verzweigung der Vía de la Plata mit dem Mozarabischen Weg zu. Links kommt aus einem unscheinbaren Haus eine Frau mit einer Einkaufstüte. Innen ist tatsächlich ein normaler kleiner Laden. Draußen wie oft keinerlei Hinweis. Nur eine Tür mit dem üblichen Streifenvorhang gegen Fliegen. - Wir essen in dem erwähnten Stadtpark hinter der Herberge zu Abend. Ich hatte übrigens Recht behalten: Inzwischen sind drei weitere Radfahrer eingetroffen. Die Räder stehen links in dem überdachten Vorbau. Jetzt ist die Herberge mit ihren 10 Betten voll belegt.

Die bösen, bösen Radfahrer (1. Teil)

Später kommt die Betreuerin (Stempel gab's im Teleclub) und fragt, ob jemand Abendessen will. Nein, niemand. Sie ist erleichtert. Nachher sei eine Feier, und da habe sie keine Zeit. O ja, es ist ja Freitag, wo halb Spanien auf die Pauke haut. Abends, als wir im Bett liegen, ist es mit der Ruhe vorbei. Im Teleclub ist ein Treffen der örtlichen Frauengruppe, und die steht Männern im Lärm nichts nach. Man singt, trinkt, lacht, kreischt ... und geht nebenan zur Toilette, nur eine Wand von dem Herbergsteil getrennt. Irgendwann waren es dann die Leute wohl Leid, auf dem Weg zum Pott über die abgestellten Fahrräder zu stolpern. Ich bin doch schon eingeschlafen, es muss gegen 23h00 ein. Da öffnet sich die Tür zu unserem Etablissement. Klar, warum nicht? Da muss jemand raus. Aber mit Fahrrad? Ich traue meinen Augen nicht. Da schiebt einer sein Fahrrad in unseren Flur und noch weiter. Gleich dahinter der nächste. Ich glaube, ich träume, einen meiner Albträume von meinen ungeliebten Radfahrern auf dem Pilgerweg, schlafe einfach weiter. Irgendwann muss ich auch raus, turne die Leiter hinunter. Gottseilob gibt es eine schwache Notbeleuchtung, sonst wäre ich in ein Fahrrad gefallen. Ich steige vorsichtig darüber hinweg. Räder stehen in einer der Toiletten, in einer Dusche, versperren den gesamten Flur. Diese verd... Radfahrer! Ich kann gerade eine Kabine benutzen, alles andere ist nicht mehr zugänglich, auch das einzige Waschbecken nicht. Aber ich bin zu müde, um mich wirklich aufzuregen. Seine negativen Vorurteile bestätigt zu sehen, hat ja auch was Schönes.


25. August 2007, Samstag: Von Granja de Moreruela nach Tábara, 27 km (68 km)

Vorgestern 18 km, gestern 23 km, heute 27 km, das steigerte sich ordentlich. Aber zunächst blieben wir an diesem Morgen liegen, bis die Fahrräder entfernt und die meisten auch schon gegangen waren. Soeben konnte ich Hermes noch den Zettel für Detlef Gehring in die Hand drücken. Jorge und Sonja gingen Richtung Astorga weiter, die sahen wir alle nicht wieder.


Antje braucht die Füße versorgt. Ich verpflastere sie, schaue nach meinen eigenen Fußsohlen. O Schreck! Da haben sich mehrere flache Blasen gebildet, aber noch nichts Ernstes. Wunderpflaster drüber! Ich hätte besser daran getan, auch diese kleineren Blasen vorher aufzustechen. Durch Anklicken vergrößern Füße verpflastern am Morgen

Verzweigung der Pilgerwege Durch Anklicken vergrößern Nach einem gemütlichen Frühstück rückten wir um 8h50 in guter Laune ab. Der Himmel war bedeckt, es war ganz schön kalt. Im Wetterbericht war von Gewittern die Rede. Im Ort kamen wir wieder zur Verzweigung der Pilgerwege. Links ging der Mozarabische Weg, den wir gehen wollten, über Ourense nach Santiago, rechts lief die Vía de la Plata geradewegs nach Norden auf Astorga zu. Zum Gasthaus "Peregrino", von dem es aus angeblich eine Abkürzung zur Esla-Brücke am Mozarabischen Weg gibt, hätte man noch ein Stück in Richtung Astorga gehen müssen. Wir wollten aber lieber die mir bekannte Strecke laufen, um nichts zu riskieren. Außerdem hatte ich sie (mit Recht) als landschaftlich schön in Erinnerung, recht grün im Vergleich zu dem, was wir von den Vortagen gewohnt waren, und mit auflockernden Hügeln und Bodenwellen. Links war zwei Mal ein Teich zu sehen, sehr wertvoll in dieser Gegend.

Durch die herrliche Esla-Schlucht

Die mehrfachen Abzweigungen, die das Handbuch ankündigte, waren leicht zu sehen. Bald zogen wir eine Anhöhe hoch, hinter der schon der Fluss Esla lag. Der Blick zurück reichte sogar noch bis Zamora, von dem wir damit endgültig Abschied nahmen. Gegen 10 Uhr hatten wir die Flussbrücke schon erreicht. Wir ließen es langsam angehen, um die Landschaft genießen zu können. Antje und Hedwig fotografierten um die Wette. Der Wasserstand war wohl niedriger als vor zwei Jahren, denn diesmal waren am gegenüber liegenden Ufer bearbeitete Felsen zu sehen, wo im Mittelalter die Pilgerbrücke gewesen war, aber aus der Entfernung waren keine Einzelheiten auszumachen.


Nachdem man eine Senke überwunden hatte, lief der Pfad doch sehr nahe am Wasser entlang, und wir folgten der ersten Abzweigung, die halbrechts nach oben ging. Unten an einem Felsen, der direkt ins Wasser abfiel (so kam es mir vor), sah ich aber noch einen gelben Pfeil. Wie dem auch sei, unser Weg war auch richtig und führte nicht allzu steil nach oben. Bevor wir dem Pilgerweg nach rechts über eine kleine Hochfläche mit einzelnen Bäumen und Ruinenresten folgten, gingen wir noch ein wenig weiter in Richtung Durchbruch und genossen das Bild von oben. Ein Abstecher, auf den wir vor zwei Jahren nicht gekommen waren. Es lohnt sich, diese 200 m zusätzlich zu machen. Durch Anklicken vergrößern Durchbruch des Río Esla

Weiter Weg mit Ausblick

Danach folgte ein langes Wegstück durch Wald bis zum Tor einer Finca, von der man aus auf den Hügelrücken mit den Windrädern zusteuerte, den wir schon gestern gesehen hatten. Der Weg zog sich wieder hin. Endlich erreichten wir eine Höhe, die einen Blick über die Landschaft vor uns erlaubte. Im Hintergrund eine niedrige Hügelkette mit einem deutlichen Einschnitt: da würde morgen unser Weg nach Santa Croya de Tera hindurchgehen, wettete ich. In diesem Jahr habe ich viel auf die Landschaft geachtet und konnte sehr weit vorher schon die Pässe ausmachen, die, wie ich wusste, zu bewältigen waren. Jedes Mal riet ich richtig.

Schräg links, recht aus der Richtung, lagen zwei Dörfer hintereinander, das waren natürlich Faramontanos de Tábara und dahinter Tábara selbst, unser heutiges Ziel, noch ganz schön weit weg. Der Weg bog vor den Hügeln mit den Windrädern nach links ab. Es folgte ein Weinanbaugebiet, in dem man gerade eine große Bewässerungsanlage installierte. Überall lagen große Rohre herum. Bevor es rechts ab nach Faramontanos ging, passierten wir ein nettes kleines Häuschen, von Wein überrankt, in dem wohl Anbaugerätschaften untergebracht waren. Dann folgten mehrere Neubauten, Wochenendhäuser. Erst danach kam die Abzweigung nach rechts, die mehr als 2 km schnurgerade auf Faramontanos de Tábara zuläuft. Die hauten wir mühelos weg.

In Faramontanos de Tábara: Nicht in die Bar Boya, sondern in die Bar Nemesio

Gegen 13 Uhr erreichten wir das Dorf. Rechts von der Straße waren einige Bodegas in den Abhang gebaut. Es war Zeit zum Mittagessen, also zur Bar Boya, die das Handbuch empfiehlt. Die Bar war schnell gefunden. Drinnen einige Einheimische, im Hintergrund ein Raum mit Lebensmitteln, aber keine Einzelheiten zu erkennen. Erst einmal eine Cola bestellt. Ich frage die Tochter des Hauses nach Essensmöglichkeiten, sie verschwindet in Richtung Küche. Dann: Nichts zu machen, was über ein Bocadillo hinausgeht. Was für eine Enttäuschung! Nach der guten Erfahrung mit der Bar Pepe in Riego del Camino hatten wir zu viel gehofft. Wir recken die Hälse nach dem Raum mit den Lebensmitteln. Darf man ihn betreten? Und wie?

Wir beschließen, nur nach Brot zu fragen. Das gibt es auch nicht, aber die Seitenstraße weiter hoch soll eine Bäckerei liegen. Wir verlassen die ungastliche Bar und folgen der Seitenstraße Travesia la Fuente. Links wäscht ein gut gekleideter Mann sein Auto, er winkt mir. Ob wir ein Mittagessen wollten? Dann hier nebenan, Haus Nr. 17, in der Bar Nemesio, die könne er empfehlen. - Ich danke ihm, man kann's ja mal probieren. Die Bar ist recht voll. Ich frage einen jungen Mann. Der nickt, und zwei Minuten später führt uns sein Vater eine Treppe hinauf in einen offenen Speiseraum. Eins ist klar: Denen ist hier an Gästen gelegen, wir werden schnell und gut bedient.

Ensalada mixta mit Spargel und Ei, Filetes mit Pommes, Eis zum Nachtisch und natürlich Brot und Wein. Die Unsitte der Touristengegenden, das unverlangte Brot trotzdem immer extra zu berechnen, ist im Westen Spaniens unbekannt. 7,50 EUR. Alles reell und gut. Wir freuen uns sehr, wieder ein Mittagessen bekommen zu haben. - Als wir gehen, steht unten der Nachbar am Tresen. Ich danke ihm noch einmal, er freut sich sichtlich.

Einige Hinweise auf dem Weg nach Tábara

Dann geht es gestärkt gegen 15 Uhr aus dem Dorf, in dem wir doch recht lange Mittag gemacht haben. Am Ortsrand an der modernen Kapelle finde ich den Weg nicht auf Anhieb. Man muss rechts an der Kapelle vorbei geradeaus, folgt einer unbefestigten Straße, kommt dann auf einen asphaltierten Zubringer zur Landstraße, die man überquert, und folgt dann geradeaus einer Piste.

Ganz schön geröllig, kommt es mir wieder vor. Meine Blasen machen sich bemerkbar. Die Abzweigung nach 2,3 km ist neuerdings sehr leicht zu finden, denn schon von weitem sieht man zwei knatschrosa Häuschen (die evtl. Teil des Bewässerungssystems sind), bei denen es nach links geht. Dann wieder nach rechts. Nach einiger Zeit kommt in der Ferne eine Schafherde in Sicht. Als wir näher kommen, sind gottseilob schon alle Schafe in einem Pferch neben der Piste, und die Hunde kümmern sich nicht mehr um uns.

Der letzte Abschnitt auf Tábara zu geht zum Teil wieder durch Grün. Die Beschreibung im Handbuch ist sehr vage. Einmal muss man eine verborgene kleine Brücke links versetzt finden, sonst landet man geradeaus in einem Wassergraben. Kurz vor dem Ort biegt der Weg nach rechts, aber es ist noch nicht die genannte Abzweigung. Man folgt hier der Biegung, und erst etwas später kommt die T-Kreuzung, wo es links zum Kloster geht und rechts der Pilgerweg weiter verläuft. Besser gesagt: verlief, denn am anderen Morgen entdeckten wir eine neue Wegeführung.

Ein alter Mann spricht uns an, nuschelt mir vertraulich zu, was ich ein Glück hätte, mit zwei Frauen unterwegs zu sein. Was sich die Spanier immer alles zusammenspinnen, wenn es um Frauen geht! - Wir erreichen die Klosterkirche. Schon viele Kilometer vorher hatte ich einen Turm ausgemacht, der Tábara überragte. Ich dachte, es sei die Klosterkirche, aber es ist der Getreidesilo hinter dem Ort auf einer kleinen Höhe. Zu seinen Füßen liegt die Herberge.

Mit Hilfe von "Por-Aquis" zur Pilgerherberge

Ich war mir ziemlich sicher, dass wir so spät nicht die ersten in der Herberge sein würden. Deshalb fragte ich erst gar nicht, wo man den Schlüssel bekommen konnte. Dazu gab es ohnehin aus diversen Quellen verschiedene Angaben. Der Marktplatz war neu gepflastert. Dahinter wollte ich laut Handbuch die dritte Querstraße rechts gehen, aber ein paar Por-Aquis ließen das nicht zu.


Por-Aqui ist eine Wortneuschöpfung des diesjährigen Pilgerwegs. Es handelt sich um Einheimische, die einen gebeten oder ungebeten weiterwedeln, wenn man nur im geringsten vom Pilgerweg abzuweichen droht oder auch nur stehen bleibt. Sie rufen dann immer "Por aqui!" (hier lang), daher der Name :-)

Hier wurden wir also in die erste Straße rechts gewedelt, die nicht schlecht gewählt war, denn wir kamen an einer Telefonzelle und einem Lebensmittelladen (links) vorbei. Der Laden ist praktisch nicht als solcher zu erkennen. Wir landeten doch an der im Handbuch genannten Viehtränke, und von dort wusste ich den Weg auch so. Trotzdem kamen wir nicht allzu weit, denn noch 200 m vor der Herberge fing uns ein alter Mann ab. Wir müssten den Schlüssel holen, aber wo, das verstand ich nicht. Ich sagte ihm, wir gingen erst einmal zur Herberge, das Gepäck abstellen. Waren wir denn wirklich die ersten? Als wir die Herberge erreichten, war die Tür abgeschlossen, na sowas!

Schlüssel beim Alguacil

Ich konsultierte das Handbuch. Eine der angebotenen Möglichkeiten war, den Amtsdiener, den alguacil, nach dem Schlüssel zu fragen. Richtig, dieses Wort hatte der Mann immer wieder gesagt! Das Haus war nach dem Handbuch leicht zu finden: Zur Tränke zurück, in die Straße gegenüber und dann zu einem Haus auf der linken Seite (Nr. 49), mit auffälligem Blumenschmuck. Ja, "das Haus mit den Blumen", hatte der Mann ebenfalls gesagt, das hatte ich verstanden, aber nicht, wo es lag. Als ich dem Handbuch folgte, von den guten Wünschen des Mannes begleitet, der immer noch am Straßenrand auf einer Bank Wache schob, erkannte ich das Haus sofort. Eine sehr freundliche Frau öffnete auf mein Klingeln, brachte gleich einen Schlüssel mit, sagte mir, ich solle ihn morgens in den Briefkasten der Herberge werfen und bot mir den Stempel für den Pilgerausweis an. Vorsorglich hatte ich natürlich unsere drei Credenciales mitgenommen. Na, so war ja gleich alles geklärt.

Wieder zurück und wieder an dem alten Mann vorbei. Ich winkte ihm mit dem Schlüssel, und er grinste froh zurück, ein echter "Por-Aqui", der den ganzen Tag auf der Bank an der Straße sitzt und die Pilger einweist. Nett von ihm.

Die Herberge war, was die Sauberkeit anging, doch recht vernachlässigt. Die Duschen und Toiletten gingen, aber in den Räumen lag ganz schön viel Dreck. Da musste erst alles gründlich ausgefegt werden, bevor man sich wohlfühlen konnte. In der Küche lehnten wie vor zwei Jahren immer noch die alten, halb kaputten Bettgestelle an der Wand. Ansonsten konnte man gut kochen, und es lagen unglaublich viele Lebensmittel da. Wohl alles von zu üppigen Einkäufen übrig geblieben. Ungeniert bedienten wir uns.

Einkaufen beim Unwetter, Kirchgang

Gegen 19h10 brachen wir zum Einkaufen auf. Kaum hatten wir den erwähnten Laden erreicht, brach draußen ein Hagelgewitter los, das die Spanier entsetzt zum Fenster hinausschauen ließ. Tatsächlich schoss binnen kürzester Zeit ein wahrer Sturzbach die Straße hinunter. Nun, um so mehr hatten wir Ruhe zum Einkaufen. Leider keine Selbstbedienung und auch nicht sehr gut sortiert. Zwieback? Fehlanzeige. Schließlich bringt die Ladeninhaberin ein halbes Paket, wohl aus eigenen Vorräten. Bier? Das muss erst aus dem Lager geholt werden. usw. In diesem großen Ort gibt es sicher noch was Besseres.

Als wir alles hatten, war draußen auch das Unwetter vorbei. Wir besuchten noch kurz eine Bäckerei in der Nähe. Dann (mit allen Taschen) zur Kirche um 20 Uhr in die Vorabendmesse. Es ist ja immer günstig, schon am Samstagabend zu gehen, weil man sonntags zur Zeit der üblichen Messe ja unterwegs ist und nur in den seltensten Fällen (aber auch das ist mir schon passiert) gerade zum Läuten an einer Kirche vorbeikommt. Wie immer nahmen wir uns so abgerissen neben den Leuten im Sonntagsstaat recht merkwürdig aus. Schön, dass Antje auch mit uns bei der Messe zusammen war. Wie gesagt, verwandte Seelen. Deshalb kam es uns auch schon so vor, als seien wir schon lange mit ihr unterwegs.

Ein ruhiger Abend und ein "frommer" Wunsch

Von der Kirche zurück genossen wir in der Herberge unsere Vorräte. Hedwig konnte wieder eine leckere Suppe zubereiten. Zu meinem Erstaunen kam niemand mehr, auch keine Radfahrer. Die waren wohl vom Unwetter erwischt worden, hoffte ich fromm. ;-)


26. August 2007, Sonntag: Von Tábara nach Santa Croya de Tera, 24 km (92 km)

Nachts tobte ein heftiges Gewitter. Merkwürdig, wie gestern auch, das ließ mich alles kalt. Immerhin hatten wir ja unsere Regenumhänge, und Antje war auch vor nichts bange. Gegen 7h20 wach. 9h05 los. Ich freute mich schon auf die Etappe, an der die gemütlichste Pilgerherberge des Weges wartete. Anita und Domingo sorgen für den reinsten Familienanschluss. Ich vergaß ganz, dass es Sonntag war, und da hätten die beiden sicher auch gern einmal Ruhe vor den Pilgern gehabt ...

Streckenänderung ab Tábara

Von der Herberge aus ging zu unserem Erstaunen ein gelber Pfeil zur Straße dahinter hoch. Genau diese Richtung hatte ich in meinem Bericht empfohlen, denn man kann dann auf der kleinen Landstraße ZA-121 jenseits der N-631 erheblich abkürzen, anstatt wie vorher zur Klosterkirche zurück zu müssen. Aber es gab noch eine Überraschung: Bevor wir die N-631 erreichten, zeigte ein Pfeil nach links. Wir folgten ihm, denn ich wollte doch sehen, was das wurde. Kürzer als über die ZA-121 konnte es nicht sein. Nach einiger Zeit bog man wie erwartet rechts ab, überquerte die N-631 und lief dann einen großen Rechtsbogen, um am Ende doch wieder auf die ZA-121 zu treffen. Na, das war aber gegenüber der alten Strecke nicht viel gewonnen.

Nur wenig weiter kam aber schon die Piste der alten Strecke von rechts, und so bog man links ab, um dem ursprünglichen Verlauf des Pilgerweges zu folgen. Wenige hundert Meter weiter wieder eine Pistenkreuzung, auf der man rechts weiterging, parallel zur ZA-121, die auf den Einschnitt in der Hügelkette zuhielt, den wir schon gestern gesehen hatten. Nun kam aber an besagter Kreuzung auch eine breite Piste direkt von Tábara hinter uns. Warum hatte man diese nicht genommen? Dann hätte man doch die ZA-121 ganz gespart. Nun, das war von diesem Standpunkt aus nicht zu klären.


Fazit: Wer den Rechtsbogen abkürzen will, sollte doch von der Straße hinter der Herberge aus einfach auf die ZA-121. Sie war (am Sonntag) so gut wie gar nicht befahren.

Zu diesem Ergebnis kam ich auch per Kontrolle mit dem Satellitenprogramm Google Earth. Dieses zeigt auch, dass die erwähnte breite Piste etwas links von der Stelle, wo man die N-631 nach der neuen Streckenführung überquert, von der Fernstraße abzweigt, dann auf einen schmalen Baumstreifen mit einigen Häusern zuläuft und erst dahinter sich verbreitert. Das wäre als neue Streckenführung optimal, wenn man die ZA-121 vermeiden will. (2015 bin ich diese Variante gelaufen, siehe den Bericht dort)


Wie man Hirtenhunden entkommen kann

Von einer Bodenwelle aus konnte man weit vorausschauen. Ich machte eine Schafherde aus, die unsere Piste überquerte. Misstrauisch, wie ich bin, hielt ich die Viecher im Auge, und richtig: bald querte die Herde in umgekehrter Richtung wieder die Piste. Der Schäfer trieb die Herde im Zickzack auf uns zu, und die dunklen beweglichen Punkte, ich zählte über ein halbes Dutzend, waren Hunde. Auf meinen Warnruf hin gingen wir drei in "Kampfformation" (obwohl Friedensbewegter, der nie bei der Bundeswehr war, liebe ich martialische Ausdrücke), also dicht hintereinander, Hedwig als Kleinste voraus, dann Antje, dann ich, der entbehrliche Mann, als Letzter, denn den beißen ja bekanntlich die Hunde.

Wir passten unsere Schnelligkeit so ab, dass wir gerade mit dem Hirten auf der Piste zusammentrafen. Erst kurz vorher entdeckten uns einige der Hunde und sausten auf uns zu, aber ich konnte schon meinen Kniff anwenden, weil der Hirt bereits in Hörweite war, und laut "Buenos dias!" rufen. Der Hirt reagierte sofort und pfiff seine Hunde zurück. Gottseidank gehorchten sie. Das war ein ganzes Rudel, in verschiedenen Größen. Ich schüttelte dem verdatterten Hirten die Hand, als wenn wir uns lange nicht mehr gesehen hatten. Da scheuchte er nochmal die Hunde zurück, die uns immer noch knurrend umstrichen. Noch ein paar Bemerkungen über das Wetter, dann schieden wir wie alte Freunde, und er trollte sich mitsamt Hunden und Schafen in die Büsche. Uff, das war gut gegangen. Man muss sehen, dass einen die Hunde nicht erwischen, bevor der Hirt aufmerksam wird. Das hatte prima geklappt. - Auf dem ganzen weiteren Weg gab es mit Hunden nur eine weitere, etwas brenzlige Situation.

Die einzigen Regentropfen der diesjährigen Tour

Aber schon drohte neues Ungemach. Links von uns zog sich ein Unwetter zusammen, hinter uns blieb es hell. Blitze zuckten, aber komischerweise war kein Donner zu hören. Die Piste war vom nächtlichen Regen feucht. Zum ersten Mal erlebte ich, wie mir die rote Erde unter den Schuhen kleben blieb. Man konnte übers Gras laufen, um die Schuhe sauber zu halten, was auch wegen der Blasen recht angenehm war.


Ein lustiger Baum Durch Anklicken vergrößern Ein Dauerläufer kam uns entgegen, die Zivilisation konnte nicht weit sein. Wir überquerten den Einschnitt und ließen die Windräder, unsere Wegemarken seit Tagen, rechts hinter uns zurück. Ein urkomischer Baum reizte zum Fotografieren.

Die Wolken links wurden dunkler und kamen näher. Schon hatten wir das Sträßchen erreicht, das rechts nach Bercianos de Valverde zieht, als uns der Rand des Unwetters einholte. Aber die Wolken lösten sich über uns auf und zerfaserten zusehens. Erste dicke Tropfen fielen. Rechtzeitig zogen wir die Regenumhänge über und halfen uns gegenseitig, sie über die Rucksäcke zu ziehen. Es lohnte die Mühe nicht. Wenige Minuten später ließ das Tröpfeln nach, und der Rest der Wolken zog nach links hinter uns ab. Also nahmen wir nach wenigen hundert Metern die Umhänge schon wieder ab, und wir würden sie auch bis Santiago nicht mehr gebrauchen. Die ganze Zeit blieb uns das gute Wetter treu, die Gewitter waren nur ein kleines Intermezzo.


Bar in Bercianos de Valverde stark verbessert

Natürlich wurde in Bercianos de Valverde eingekehrt, eine willkommene Mittagspause. Die Hauptstraße war voll mit sonntäglichen Spaziergängern, die uns gern zur Bar führten. Sie liegt rechts vom Pilgerweg, aber ich wusste nicht mehr, wo genau man abzweigen musste. Es war wohl am zentralen Platz, aber da gingen rechts V-förmig zwei Straßen ab, die halbrechte war die richtige. Außerdem ist an dem Haus jetzt ein Schild "Bar" angebracht. Auch drinnen hatte sich vieles in den zwei Jahren zum Guten gewendet. Die jüngere Generation hatte jetzt das Sagen. Das alte Muttchen, das uns mit selbst aufgegossenem Kaffee ganz schön abkassiert hatte, schlurfte auch noch herum. Ansonsten viele Leute, darunter Jüngere, ein verhätschelter kleiner Junge. Auch der Dauerläufer kam nach einiger Zeit zur Tür herein. Der Innenraum war renoviert, der Kaffee einwandfrei, die Preise normal. Also nur Gutes aus Bercianos de Valverde zu vermelden. Zu essen gab es natürlich nichts, damit hatten wir auch nicht gerechnet. Ich weiß nicht einmal mehr, ob wir danach gefragt haben.

Vom zentralen Platz aus geht es dann links weiter, durch ein grünes Tal, wie der Name des Dorfes sagt, erst auf eine langgestreckte niedrige Anhöhe zu, dann ihr nach links ausweichend, zum Schluss doch rechts ab und steil hoch. Uff, die Sonne brannte inzwischen.


Ein "Refugio" gegen die Sonne

Da kam eine ulkige Bank auf der Höhe gut zustatten. Auf ihr stand "REFUGIO 150 m". Das sollte wohl ein Scherz sein. Nach einer Trinkpause gingen wir der Sache auf den Grund. Rechts erschien eine Hütte, um einen Baum herumgebaut, mit großblätterigen Pflanzen bedeckt und Bänke darin. Nun, gegen Regen schützte dieser "Zufluchtsort" nicht, aber gegen Sonne. Angeblich hat Domingo, der Mann von Anita, diesen komischen Rastplatz gebaut. Ich habe vergessen, ihn danach zu fragen.
Durch Anklicken vergrößern Rätselhafter Hinweis

Casa Anita in Santa Croya de Tera Durch Anklicken vergrößern Kurz darauf ging's ins Tal der Tera hinab. Rechts und links am Abhang Bodegas, und überall Wein und Bewässerungskanäle. Geradeaus kam Santa Croya de Tera in Sicht. Ich wusste, dass es noch ganz schön lange dauern würde, bis man den Ort endlich erreicht, und dann muss man ihn noch nervig lange durchqueren, rechts an einem Seitenarm der Tera entlang, bis endlich am Ortsende die letzten Häuser auftauchen. Die casa Anita fällt gar nicht ins Auge. Erst unmittelbar davor konnte ich das Haus identifizieren. An seiner Fassade waren durchaus ein Schild und weitere Hinweise auf den Pilgerweg.

Neue Preise bei Anita und Domingo

16h50. Ein junges Mädchen stieg bei unserem Anblick aus einem Auto vor der Tür und winkte uns ins Haus. Es war die Tochter des Hauses, sehr nett. Gerade hob sie an, alles zu erklären, als ich abwinkte und ihr sagte, dass ich schon hiergewesen sei. Da sagte sie ganz erleichtert: "Prima, ich wollte nämlich gerade mit meinem Freund nach Zamora. Vater und Mutter schlafen noch. Dann sage ich meinem Bruder Bescheid."

Weg war sie. - Wir richteten uns im vorderen Schlafsaal ein, schön am Fenster zum Hof. Ein junger Mann kam außen die Wendeltreppe hinunter, interessierte sich aber zunächst nicht für uns. Wir brauchten ja auch nichts. Geraume Zeit später begrüßte er uns im Aufenthaltsraum und teilte uns mit, was es gab und was es kostete, Hui, der Übernachtungspreis war von 8 EUR auf 10 EUR gestiegen. Abendessen 8 EUR (Makkaroni, Fleisch, Salat, Melonen und Pflaumen), das war in Ordnung. Aber es gab kein Frühstück mehr. Statt dessen stand da ein Automat, aus dem man Kaffe und Kekse usw. ziehen konnte. "Ist für uns und die Pilger einfacher" sagte Sohnemann. Ich glaubte ihm kein Wort.


Anita (links) und Hedwig Durch Anklicken vergrößern Später kamen unsere Gastgeber herunter. Domingo legte den Kopf schräg: "Du warst schon mal hier." Ich nickte. Wir waren gleich wieder gut Freund, was mit seinem Wein, den Gäste immer noch kostenlos zapfen können, begossen wurde. In der Ecke ein Computer. Ja, man darf auch kostenlos ins Netz. Immerhin ist also nicht nur der Übernachtungspreis gestiegen, sondern auch das Angebot für die Gäste ist verbessert.

Ich zeigte Domingo die Netzseiten mit meinem Bericht über die Casa Anita von 2005. Hm, Anita und er haben in Deutschland gearbeitet und verstehen Deutsch einigermaßen. So konnte er alles lesen, was ich über sie geschrieben hatte. Nun, Schlimmes war es ja nicht, eher im Gegenteil. Durch Anklicken vergrößern Domingo und Antje im Hof

Ich bleibe dabei, dass dies die gemütlichste Herberge des Mozarabischen Weges ist, kann aber verstehen, wenn die Preise inzwischen den Geldbeutel manches Pilgers überstrapazieren, der dann lieber in die Notunterkunft in Santa Marta de Tera nur 1 km weiter geht. Am besten waren die Toiletteneinrichtungen. Domingo hatte auf Vorschläge der Pilger gehört. Die Duschkabinen hatten innen Holzknöpfe, um Wäsche daran aufzuhängen und zusätzlich einen Duschvorhang davor. Vorbildlich!

Inzwischen hatte mir Domingo reinen Wein eingeschenkt, auch im übertragenen Sinn, nämlich, was den Automaten anging. Ich hatte mich ja schon vor zwei Jahren gewundert, dass man das Frühstück abends bezahlte - oder auch nicht - und sich dann am anderen Morgen nach Lust und Laune bedienen konnte. Das hatten nun so viele Gäste (ich vermeide das Wort "Pilger") missbraucht, dass Domingo sich den Automaten für 4.000 EUR anschaffen musste. Eine Schande für den Pilgerweg!

Pilgers Freud, Pilgers Leid

Nun war "mopsen" angesagt, also ausruhen. Die Wäsche hing auf der Leine, sogar mein Hut. Die schwereren Sachen wurden nicht mehr trocken, dafür war es zu spät am Tag. Ein wenig beschwingt vom Wein gab ich im Hof Gesangeskünste zum besten, und Antje spielte dazu auf einer extra für solche Fälle mitgebrachten Blockflöte, zur Freude unserer Gastgeber und einiger Nachbarn. Sie malte auch ein schönes Bild ins Pilgerbuch, in dem ich auch noch unsere Einträge von vor zwei Jahren fand.

Dann kam der Katzenjammer. Im Schlafraum musste ich mir endlich mal meine Füße näher beschauen. Unterwegs tun Blasen ja nicht so weh; erst wenn man sie sich dann anschaut, kann man den Schaden beurteilen. Zwischen Ballen und Zehen hatte sich am rechten Fuß ein zwei-euro-großes Ding entwickelt, stramm voll mit Wasser. Einmal hineingepiekst, und ein dünner Strahl spritzte hoch. Ich versuchte, Heftpflaster darüberzukleben. Am Rand des Elastoplaststreifens, der den Ballen bedeckte, hielt es einigermaßen. Ich war aber doch niedergeschlagen. So schlimm hatte ich es noch nie gehabt und dann an einer Stelle, wo Elastoplast nichts ausrichten konnte.

Wir lernen Vicente kennen

Am Spätnachmittag stellte Domingo uns zwei Spanier vor, die auch mit uns zu Abend aßen. Einer von ihnen, Vicente aus Madrid, hatte sich von dem anderen mit dem Auto herbringen lassen und wollte von hier aufbrechen. Ja, Junge, dann guck dir mal meine Füße an, dann weißt du, was dir blüht, dachte ich. - Vicente war sehr zurückhaltend, so gar kein typischer Macho. Er sprach gut Englisch, was mich erstaunte, bis er erzählte, dass er eine Zeitlang in England gearbeitet hatte. Meine Bemühungen, weiter Spanisch zu lernen, unterstützte er aber sehr. Ein angenehmer Zeitgenosse! Zur Nacht schlug er sein Lager diskret in der entferntesten Ecke des Schlafsaales auf, war früh im Bett und machte null Lärm. War dieser Mann wirklich ein Spanier? ;-) Nein, nein, man trifft schon mehr solcher angenehmer spanischer Mitpilger, nur fallen die lauten, angeberischen mehr auf.

Das Abendessen gab's erst um 21 Uhr, obwohl wir es gern früher gehabt hätten. Warum, wurde nicht klar. Pünktlich lagen wir vier Pilger dann im Bett, wie sich's gehört. Bei manchen Herbergen möchte man wirklich noch etwas bleiben ... Übrigens kann man hier durchaus seinen Urlaub verbringen. Das Haus bietet auch Ferienwohnungen an.


27. August 2007, Montag: Von Santa Croya de Tera nach Ríonegro del Puente, 28 km (120 km)

7h00 raus. In der Diele, die als Aufenthaltsraum dient und die Domingo wunderbar mit Holz ausgestattet hat, Frühstück von Resten, dazu Kaffee auf dem Automaten. Er schmeckt und ist nicht zu teuer. Aber Wasser zum Mitnehmen 1/2 Liter für 0,80 EUR. Vicente ist schon weg. Wir werden ihn wahrscheinlich am Zielort wiedersehen. Heute liegen 28 km vor uns, nicht eben wenig. Ich kann fast nicht glauben, dass wir vor zwei Jahren noch 9 km dazugelegt haben, bis Mombuey, da die Herberge in Ríonegro damals erst noch im Bau war. Heute bin ich heilfroh, das nicht nochmal laufen zu müssen.

Üble Blasen statt kultureller Genuss

8h30 Abmarsch, ohne unsere Gastgeber noch einmal gesehen zu haben. Zunächst nach Santa Marta de Tera, wo natürlich die historische Jakobsfigur besucht werden muss. Links von der Kirche scheint die Notunterkunft zu sein. Ich lasse mich auf einer Bank vor der Kirche nieder, während die Frauen über den Friedhof gehen. Meine Füße tun weh, ich muss sie schon jetzt verarzten. Die Blase unter dem rechten Fuß ist schon wieder stramm voll. Ich steche sie auf und tupfe das Wasser mit einem frischen Papiertaschentuch ab, klebe ein neues Heftpflaster drauf.

Es hat lange gedauert. Die Frauen kommen schon zurück. Ich habe keine Lust mehr, zu der Skulptur zu gehen, wir müssen auch weiter. Au weia, ich humpele entsetzlich. Die anderen beiden laufen mir davon. Das wird an diesem Tag so bleiben. Ich muss öfter meinen Stolz überwinden und hinter ihnen herrufen, dass sie auf mich warten sollen. Jetzt weiß ich, wie das ist, immer der Letzte zu sein. Keine Pilgertour vergeht, ohne dass man etwas Neues lernt, an dem man arbeiten muss.

An der Tera entlang

Die Wegeauszeichnung ist gut, die Flusslandschaft schön. Wir haben wieder Sonne, aber heute ohne den üblichen frischen Wind. Hedwig hat Probleme, dass ihr die Mücken an den bloßen Beinen zusetzen. Sie zippt die Hosenbeine an, kurz darauf aber wieder ab, da sie zu schwitzen beginnt. Ich bin gottseilob die langen Hosenbeine gewöhnt, auch bei drückender Hitze. Und die gibt es heute.

Wenn man nach einigen Kilometern erneut die Landstraße mit einer Brücke über die Tera vor sich hat, muss man nicht den gelben Pfeilen folgen und gleich auf die Straße, sondern wendet sich nach links zur Flussaue, wie das Handbuch empfiehlt. Dort ist ein Rastplatz, und Pilgerfreund Detlef Gehring verweist darauf, dass man unter der Brücke hindurch sogar ein Restaurant erreichen kann. Das habe ich nicht kontrolliert. Kurze Trinkpause, dann die Böschung zur Straße hoch. Diese wird gerade frisch geteert, ein ziemliches Problem bei der Hitze, aber wir kommen ohne "Asphaltsohlen" davon. Hinter der Brücke gleich wieder rechts ab. Etwas später war ein beachtlich gefüllter kleiner Bach zu überqueren, und dann folgte die spannende Stelle, wo wir uns vor zwei Jahren den Weg querbeet durch einen kleinen Wald gesucht hatten. Das war jetzt völlig unproblematisch, denn ein deutlicher Fußweg nahm uns auf und wurde danach im Wald sogar noch breiter. War das neu, oder hatten wir das vor zwei Jahren einfach übersehen?

Zur Orientierung in Calzadilla de Tera

Ich kannte nun den weiteren Weg aus dem Gedächtnis. Ziemlich verschwitzt erreichten wir den großen Kanaldamm vor Calzadilla de Tera, dann lag der Ort vor uns. Wo war die Herberge? Ich wollte doch klären, wie man sie findet. Irgendwie konnte ich sie unter den Häusern links nicht identifizieren. Vielleicht war ja auch einiges neu gebaut. Also liefen wir ganz normal den Pfeilen nach in den Ort. Es war schon Mittagszeit. Das Handbuch sprach von einem Laden. Der kam wie gerufen. Außerdem sollte es in derselben Richtung zur Herberge gehen.

Wir verließen also den Pilgerweg nach links und erreichten bald darauf den Laden rechts. Alles schwer mit Rollläden verschlossen, um die Hitze draußen zu halten. Innen war es fast dunkel. Wir kauften Proviant zum Sofortverzehren, und natürlich eiskalte Getränke. Draußen gab's keine Bank, also ließen wir uns einfach gegenüber auf der Straße im Schatten nieder. Nachdem ich mich etwas erfrischt hatte, ging ich auf die Suche nach der Herberge. Als erstes erreichte ich den kleinen Platz, den wir vor zwei Jahren von links erreicht hatten. Links musste die Herberge liegen, und so war es auch; sie lag etwa 300 m weiter auf der rechten Seite. Ein gelbes Haus, durch nichts als Herberge zu erkennen. Aber ich war mir ganz sicher, es passte alles. Nur den Herweg vor zwei Jahren konnte ich nicht ausmachen, die neue Bebauung hatte doch viel verändert. Fazit: Dem Handbuch folgen, um Laden und/oder Herberge zu erreichen. Die Abkürzung, die ich vor zwei Jahren gelaufen war, ist nicht einfach zu finden und spart kaum etwas.

Bald ging es weiter, nicht den Pfeilen nach, sondern irgendwie nach halbrechts. Ich wusste, wir mussten nur an der Brücke über den Kanal am Ortsrand herauskommen. Das schafften wir auch. Dann ging's den Kanal entlang, der bis an den Rand gefüllt war. Ein alter Mann rief mir übers Wasser zu, er habe in Deutschland gearbeitet. Ich erwiderte ein paar Worte, schon verschwanden die beiden Frauen fast am Horizont. Ich dackelte hinterher, in der prallen Sonne mühsam, aber der Weg ließ sich einigermaßen laufen.


Um 13h00 erreichten wir Olleros de Tera, es war schon wieder Pause angesagt. An der Kirche fragte ich nach einer Bar. Wir mussten spitzwinklig rechts (von der Herkunftsrichtung aus gesehen) zurück (das Bild hält fest, wie wir gerade umgedreht haben) und ein ganzes Stück die Straße entlang, über die die Alternative an der Ermita vorbeiführt. Durch Anklicken vergrößern In Olleros de Tera

Keine Sekunde hatte ich daran gedacht, diesen Weg zu gehen, denn bei dem vielen Wasser im Fluss und im Kanal musste an der kritischen Stelle total "landunter" sein. Auf Abenteuer waren wir heute nicht aus. Erst fast am Ortsrand gab es gleich zwei Bares, "Torero" und "Truta". Kaffee im "Torero" 1,20 EUR. Dann wieder zurück zur Kirche und geradeaus zum Ortsrand. Dort saßen einige Spanier und sprachen uns an. "Schönes Wetter". "Ja, aber es fehlt ein wenig Wind" gab ich zurück. Sie musterten uns neugierig, aber freundlich.

Der Weg wird zur Qual

Von dem kleinen Platz am Ortsrand aus wählt man die Asphaltstraße links. Sie führt bald an Telegrafenstangen entlang, denen man immer folgen sollte. An einem Masten immer noch ein verblasster Pfeil nach links. Den muss man ignorieren, wusste ich vom letzten Mal, es geht weiter geradeaus. Der Weg erreicht ein Wäldchen und biegt dann links ab, parallel zu dem Tal, durch das die Tera fließt. Die folgenden 3,1 km kamen mir endlos vor. Kein bisschen Schatten und vor allem: Wir liefen über Schotter, der an einigen Stellen besonders grob aufgefüllt war. Jeder Schritt war ein Suchen nach einer Stelle, wo ich den Fuß so aufsetzen konnte, dass sich nicht ein Geröllbrocken in eine der Blasen bohrte. Ich kam nur noch ganz langsam vorwärts, schwitzte wie verrückt, brauchte eine Trinkpause nach der anderen. Und Wasser aufgefüllt hatte ich auch nicht! Man macht immer dieselben Fehler.

Einmal brauste ein Trupp dieser vierrädrigen Motorräder an uns vorbei, hüllte uns zu allem noch in eine Staubwolke. Ich behielt die Uhr im Auge, um zu sehen, wann die 3,1 km endlich ungefähr vorbei waren. Welche Erleichterung, wieder auf Asphalt endlich zur Staumauer hinuntergehen zu können. Noch auf der Mauer, im kargen Schatten eines Hüttchens, gab's wieder eine Pause zum Trinken.


Am Stausee der Tera Durch Anklicken vergrößern Danach ging es in leidlichem Tempo weiter, rechts am Stausee entlang, wobei ich nach einer Stelle Ausschau hielt, wo man vielleicht sogar baden konnte. Das musste doch sehr erfrischend sein. Doch das Ufer lag voll mit Abfallholz, wenig einladend und für meine lädierten Füße schon gar nichts. Nach ca. 2 km Pause im Gebüsch am Wasser. Wir legen uns auf unseren Isomatten nieder. Ich muss geschlafen haben, denn Hedwig versichert, ich habe geschnarcht. Nun ja. Jedenfalls habe ich jetzt auch noch Kopfschmerzen, wohl wegen Sauerstoffmangel. Als ein ganz wenig Wind aufkommt, raffen wir uns wieder auf.

Als nächstes kommt Villar de Farfón, wo wir gegen 17h00 eintreffen. Bis hierher waren Manfred, Hans und ich vor zwei Jahren von Calzadilla de Tera aus in eins durchgelaufen, obwohl es auch heiß war. Aber längst nicht so heiß wie heute, oder? Wieder Pause im Schatten eines der Häuser. Wenigstens sind die Kopfschmerzen vom Laufen wieder verschwunden. Mein Wasser geht zur Neige. Hedwig pflegt mir immer von ihrem abzugeben, wenn es kritisch wird, weil sie weniger braucht. Aber ich möchte nicht, dass sie meinetwegen Wasser mit herumschleppt. Ich sollte selbst für mich sorgen. Beim Weitergehen treffen wir am Ortsrand noch eine Frau, die gerade Besucher verabschiedet. Ich bin in Versuchung, sie um Wasser zu bitten, aber irgendwie beachten die Leute uns gar nicht. Vielleicht sind sie Pilgern nicht grün. Ich verpasse jedenfalls die Gelegenheit.


Nun kommt ein Abschnitt, auf dem ich vor zwei Jahren gesungen und gepfiffen habe, leichtfüßig lief ich den beiden anderen voraus, da Manfred damals meine heutige Rolle hatte und Hans fürsorglich bei ihm zurückblieb. Ich schleppe mich stumpf durch die wunderbare Heide, habe nur eines im Sinn: Ríonegro, trinken und schlafen. Nachdem man endlich die Höhe erreicht, sind es immer noch über 3 km Sandwege, bis man den Ortsrand erreicht. Ich bin restlos fertig. Durch Anklicken vergrößern Pilgerweg hinter Villar de Farfón

Am Ortseingang von Ríonegro del Puente neben der großen Brücke baden Leute am Fluss und schauen neugierig zu uns rüber. Sobald wir unter der Brücke außer Sicht sind, breche ich fast zusammen, muss mich auf den Fuß eines Pfeilers setzen. Und das 200 m vor der Herberge! Sowas ist mir noch nie passiert. Werde ich langsam zu alt für solche Touren? Antje läuft voraus, sie ruft von weitem, dass sie die Herberge schon sieht. Ich raffe mich auf und stolpere hinter Hedwig her.

Etwa 19h00. Oben ist tatsächlich sofort vor uns die tolle Herberge. Ich schaue nicht links und nicht rechts, taumele durch den Eingang. Eine Frau spricht mich an. Ich winke ab. Geradeaus in den Schlafsaal. Irgendwo kommt Vicente daher. Ich schmeiße den Rucksack hin, hole die leere Wasserflasche raus. Zurück und rechts in die Küche. Die Frau will, dass ich mich ins Pilgerbuch eintrage, dringt mir noch ins Hirn. Hedwig will einkaufen. Ich gucke nur stur, schlucke einen halben Liter Wasser, aus dem Kran! Ist mir egal, fülle die Flasche erneut und taumele in den Schlafsaal zurück. Bumms, liege ich da, wehre meine Frau ab, die wie immer gleich nach der Ankunft ein Aktionsprogramm zusammenstellen will, und falle in Schlaf.


Neue Herberge in Ríonegro del Puente Durch Anklicken vergrößern 3/4 Stunde liege ich da, komme zwischendurch hoch, trinke insgesamt 1 1/2 Liter Wasser, ich war völlig ausgedörrt. Das war heute mit Abstand die schlimmste Etappe. Langsam nehme ich die Welt wieder wahr, sogar die finstere Miene meiner besseren Hälfte, die findet, ich hätte mich ja nicht sooo anstellen müssen.

Eine wunderbare Herberge

Im Nu ist aber wieder Friede eingekehrt. Die Herbergsbetreuerin hat sich in ihren Lebensmittelladen gegenüber zurückgezogen. Bis 20h30 ist er geöffnet. 21h00 kommt sie wieder, und alle tragen sich ins Buch ein und bekommen Stempel. 6 EUR für die Übernachtung, sehr vernünftig, einen festen Preis zu kassieren, und es ist auch noch preiswert bei dem Gebotenen. Gegen 21h30 bereiten die Frauen ein Abendessen zu. Suppe, Omelett, Gemüse, Früchte, Brot und Käse. Die Küche ist sehr gut und hat zu allem Überfluss sogar einen Kühlschrank, das heißt, mein Schlummertrunk ist ausnahmsweise sogar schön kalt. Kein Wunder, dass Pilgerbruder Rudolf bald wieder der alte ist, nur die Füße haben heute wieder echt was abgekriegt. Ich habe jetzt Blasen an beiden Füßen, an Ballen und Fersen. Mein Elastoplast geht schon zur Neige. Nie hätte ich mir zu Hause träumen lassen, dass es nicht reichen würde.

Vicente hat sich in den Schlafsaal nach oben verzogen, warum bleibt er nicht bei uns? Angeblich, weil unten Toiletten und Dusche nicht funktionieren. Jedenfalls sitzen wir später gemütlich mit ihm zusammen in der Vorhalle und quatschen. Besonders Antje hat mit ihm viele Themen gemein, die beiden reden Englisch miteinander, obwohl Antje auch etwas Spanisch kann. Jedenfalls ist sie sichtlich froh, mal jemanden anderen zum Schwatzen zu haben, nachdem sie jetzt schon einige Tage nur mit uns zusammen ist, sehr verständlich.

Auf der anderen Seite des Ortskerns liegt die Bar Palacio, die im Handbuch erwähnt wird. Dort sieht man Leute, und später wird es dort auch recht laut. Es ist aber auch weit genug weg. Die Herberge hat glatt noch einen Innenhof, zur Straße hin eingezäunt, in den Fahrradpilger ihre Räder stellen können. Auch gibt es dort Wäscheleinen, und unter einem Vordach kann man seine Stinkstiefel auslüften lassen. Diese Herberge ist einsame Klasse. Übrigens schlägt auch hier die Kirchenuhr wie in Tábara und Granja de Moreruela und leider auch noch an vielen anderen Orten in dieser Gegend Spaniens die Stunden elektronisch mit den Klängen des Big Ben in London. Bemerkt denn niemand diese kulturelle Geschmacklosigkeit? Vicente pflichtete mir bei, er konnte das auch nicht verstehen.

Feueralarm

Endlich gegen 23h30 ins Bett. Aber schon kurz darauf reißt mich irgendwas aus dem Schlaf. Zu beiden Seiten der Herberge verlaufen Straßen, kommt von da der Lärm? Es klingt wie eine Alarmsirene. Polizei? Oder wird dort ein Auto geklaut? Ich springe aus den Federn, laufe lauschend in die Vorhalle. Von oben kommt Vicente. Es ist eine Sirene, direkt vor der Herberge. Durch die Fenster fällt flackerndes Licht. Wir haben auf Geheiß der Herbergsbetreuerin die Eingangstür von innen verschlossen, jetzt hämmern von außen Fäuste dagegen. Ich höre Leute von überall zusammenlaufen. Ja, brennt denn die Herberge? Ich schaue mich um, schnüffele, kann nichts feststellen. Als ich den Türriegel zurückschiebe, stürzen ein paar Leute herein. Auf ihre Fragen hin beteuern wir, dass es hier drin nicht brennt.

Draußen flackert aber tatsächlich an der Mauer der Herberge ein Alarmlicht, ein Polizeiwagen fährt vor. Die Leute machen an einem Sicherungskasten herum, der links von der Tür an der Wand hängt. Dort kann man die Sirene abstellen, aber niemand kommt klar. Ich sowieso nicht, denn solche Apparaturen sind meine schwache Seite. Erst der eintreffende Dorfpolizist, der gerade noch draußen seine Zigarette ausmacht, kennt die Kombination der Knöpfe, die zu drücken ist. Er zeigt auch eine Anleitung, die war hinter die Armaturen gerutscht. Nun, es ist also alles in Ordnung. Ein merkwürdiger Fehlalarm, obwohl Antje, die sich auch noch mit zerzausten Haaren zu uns gesellt hat, meint, sie hätte doch etwas Rauch gerochen.

Auf den Spuren von Sherlock Holmes

Bald legt sich die Aufregung. Die Leute gehen, wir schließen wieder von innen ab. Ich überlege im Bett noch kurz, was wohl den Alarm ausgelöst hat, bin aber bald eingeschlafen. Die Lösung finde ich am anderen Morgen, als ich direkt nach dem Aufstehen vor die Tür der Herberge trete und auf Vicente stoße, der gerade seine Morgenzigarette pafft. Der Polizist hatte seine Zigarette sorgfältig ausgemacht, bevor er das Haus betrat. Es musste also innen einen Rauchmelder geben, der schon durch eine Zigarette ausgelöst werden konnte. Nun konnte ich zwei und zwei zusammenzählen und wusste, was passiert war. Vicente hatte sich gestern Abend wohl oben allein im Schlafsaal, ganz unbeobachtet, einen letzten Glimmstängel gegönnt, ohne was von dem Rauchmelder zu wissen ... Und Antje hatte ganz richtig gerochen!

Nun, ich schmunzelte innerlich, war mir sehr sicher, dass es so gewesen war, aber ich behielt diese Erkenntnis doch für mich. Warum den guten Vicente in Verlegenheit bringen? Es war ja letzten Endes nichts passiert.


28. August 2007, Dienstag: Von Ríonegro del Puente nach Cernadilla, 18 km (138 km)

Wenn ich mich in diesem Jahr gewundert habe, warum wir immer so lange unterwegs und so spät am Ziel waren, so lag das nicht nur an den vielen Pausen, sonder auch schlicht daran, dass wir jeden Morgen nicht um 7h00, sondern so wie heute manchmal erst um 9h00 aufbrachen. Zwei Stunden Unterschied machen bis zu 10 Kilometer aus. Zum einen lag das späte Abrücken morgens an der Jahreszeit, es wurde eben vor 8 Uhr kaum hell. Zum anderen war das - wie die Pausen - so gewollt, weil wir ja den Pilgerweg genießen wollten, und am Ziel ist oft nur die große Langeweile. Dann lieber unterwegs die Sehenswürdigkeiten in Ruhe mitnehmen. Es war ja inzwischen klar, dass wir zurzeit so gut wie allein auf dem Mozarabischen Weg unterwegs waren. Nicht einmal Radfahrer störten die Idylle!

Überlegungen zu einer alternativen Etappenplanung

Ab Ríonegro hatte ich zwei Alternativen vorgesehen: entweder Palacios (29 km) - Requejo (25 km), oder Cernadilla (18 km) - Puebla de Sanabria (24 km) - Requejo (12 km). In jedem Fall sollte durch die Übernachtung in Requejo die Etappe nach Lubián auf ein erträgliches Maß (20 km) reduziert werden. Zu Hause hatte ich mit der ersten Möglichkeit geliebäugelt, da ich die private Unterkunft in Palacios erforschen und die berüchtigte Herberge in Requejo testen wollte. Die zweite Alternative erlaubte, das angeblich verbesserte Refugio in Cernadilla auszuprobieren und endlich mal festzustellen, wie man bei den Nonnen in Puebla de Sanabria unterkam. Zudem ließ die Kurzetappe nach Requejo dann einen langen Badeaufenthalt am Fluss Castro zu, sowas wird auf dem Pilgerweg ja nicht alle Tage geboten. Allerdings ging dabei unser Reservetag drauf. - Jedenfalls war heute die relativ kurze Etappe willkommen.

Weise wie ich bin ;-) hatte ich die Entscheidung aber der Situation vor Ort überlassen, und die fiel uns an diesem Tag sehr leicht. 29 km nach Palacios kamen mit meinen Füßen gar nicht in Frage, und auch Antje litt weiter unter Blasen, wenn auch anscheinend weniger schmerzhaft als ich. Es gab einen weiteren Grund: Domingo hatte die private Unterkunft in Palacios bestätigt, sie koste aber 15 EUR pro Kopf. Das ist sehr viel, der Preis für ein einfaches Hotel in dieser abgelegenen Gegend. Hedwig und Antje waren sofort mit mir einer Meinung. Schade war nur, dass wir Vicente verlieren würden, der unbedingt bis Palacios wollte, weil er sonst seinen Ankunftstermin in Santiago nicht mehr schaffte. Er wäre ja wohl gern mit uns zusammen weitergezogen - und wir mit ihm - aber es saß zeitlich nicht drin. Ich wollte auch nicht seinetwegen unsere Etappen verlängern; was sollten wir vorzeitig in Santiago?


9h00 zogen wir also los, ich mit weiterhin heftig schmerzenden Füßen. Vicente war längst auf und davon. Zum Glück gab es heute auch schöne Gras- und Erdwege und - noch besser - es wehte wieder unser helfender frischer Wind. Die Streckenführung hinter Ríonegro hatte sich wegen der Autobahn leicht verändert, aber das ist gar kein Problem. Denn hier hat man den Weg gleichzeitig neu ausgezeichnet: mit blauen Schildern als Wegweiser und außerdem mit neuartigen Quadern mir eingelassener gelber Muschel und gelbem Pfeil. Was für ein Unterschied zu 2005, wo wir doch - das Handbuch vor der Nase - ganz schön hatten suchen und aufpassen müssen! Durch Anklicken vergrößern Neue Quader ab Ríonegro del Puente

Als wir den Tankstellenkomplex am Ortsrand von Mombuey erreicht hatten, kam jemand auf uns zu: Vicente. Er hatte gerade einen Kaffee getrunken, als er uns kommen sah. Wir gingen gemeinsam in die kleine Stadt. An der Straße, die links zum Refugio und der Kirche führt, gab es für uns eine Kaffeepause in einem Eckcafé. Ich wollte noch Wasser kaufen, aber Antje drängte weiter. Nachdem wir das Haus, in dem das Refugio ist, passiert hatten, blieben wir an der Kirche hängen, betrachteten den sehenswerten Turm, der angeblich aus der Templerzeit stammt, und schwatzten mit Vicente. Ich nutzte die Gelegenheit, um doch noch Wasser zu kaufen. War nicht so ganz einfach, der Laden war rammelvoll. Als ich zurückkam, verabschiedete sich Vicente gerade.

Kurz darauf brachen wir ebenfalls auf. Man schlängelt um die N-525 und die Autobahn, bis man wieder in offene Landschaft kommt. Vor Valdemerilla rasteten wir bei frischem Wind im Schatten unter Bäumen. Der Ort hat einen sehr hübschen Dorfplatz. Einige Kilometer weiter erreichten wir schon unser Ziel Cernadilla, etwa um 15h00.

Zur Orientierung in Cernadilla

Im Ort stößt man gleich auf eine Y-Kreuzung, wo die beiden fast parallelen Dorfstraßen sich halblinks und halbrechts trennen. Halblinks (Calle La Ermita) geht es zur Kirche. Bevor man diese erreicht, kommt aber rechts das Haus des Bürgermeisters. Es hat die Hausnummer 3, aus irgendeinem Grund gibt es noch ein Schildchen mit einer "10" drauf, nicht verwirren lassen. Dort zahlt man 3 EUR für die Übernachtung, bekommt seinen Stempel und den Schlüssel für die Herberge.


Vicente (rechts) vor der Bar in Cernadilla Durch Anklicken vergrößern Das wussten wir alles noch nicht und bogen daher in die Straße halbrechts ein, die zu der zentralen Bar mit kleinem integrierten Laden (tienda) auf der rechten Straßenseite führt. Vor der Bar saß Vicente. So recht los wurde man den nicht :-) Wir gingen in die Bar, um kalte Getränke zu bekommen und um nach dem Schlüssel für die Herberge zu fragen. Hinter der Theke tat ein uninteressiertes Mädchen Dienst. Zwei weitere Frauen warteten auf sie mit dem Essen. Da war Dienstleistung auf Sparflamme herunter. Vom Aussehen her passten die drei nicht ins Dorf. Tatsächlich sind es wohl auswärtige Pächter, die nicht in Cernadilla wohnen. Denen waren Pilger sowas von egal.

Mit Mühe bekamen wir Getränke, das war's dann vorerst. Wir warteten mit Vicente draußen, bis die Herrschaften gegesssen hatten, und fragten dann erst nach dem Schlüssel. Och, den hatte der Bürgermeister, und der wohnte da hinten irgendwo, da sollten wir mal die Leute fragen. Der immer hilfsbereite Vicente zog mit mir los, und so hatten wir sehr bald das Haus des Bürgermeisters gefunden, wie oben beschrieben. Es lag ja einfach nur in der Parallelstraße. Der Bürgermeister war klein, aber oho und zog gleich eifrig mit uns los. Beide Straßen münden in eine Querstraße vor einer Häuserzeile, die man an der Kirche vorbei links umrunden kann. Es folgt dann quer eine Bachaue und dahinter die Plaza del Fuente mit einem letzten Ortsteil. Hier geht der Pilgerweg geradeaus weiter. Zur Herberge geht man aber scharf rechts, parallel zu dem so gut wie ausgetrockneten Bach, zu dem letzten kleinen Häuschen vor Bäumen. Das ist die winzige Herberge.

Von der Bar aus muss man nicht zur Kirche, sondern geht bis zum Ende der Straße, wo man den Häuserblock auch rechts umrunden kann. Dann führt eine Brücke ebenfalls über die Bachaue, und man kommt fast unmittelbar links von der Herberge raus. Alles sehr übersichtlich.

Pilger und Schlüssel verschwunden

Der Bürgermeister wollte uns alles stolz zeigen, war aber etwas beunruhigt, da der letzte Pilger den Schlüssel morgens nicht in seinen Briefkasten geworfen hatte. Die Tür der Herberge war, wie erwartet offen, aber innen sah alles nach einem merkwürdig hastigen Aufbruch aus. Nichts war aufgeräumt, Vorräte lagen noch da, darunter eine angebrochene Tafel Schokolade. Sowas lässt man doch nicht liegen! Und etwas Kleingeld auch noch, das der Bürgermeister flink als donativo einstrich. Aber kein Schlüssel weit und breit, so viel wir ihm auch suchen halfen. Der Pilger musste ihn mitgenommen haben. Was war nur passiert?

Zurück zur Bar, wo die beiden Frauen auf uns warteten. Vicente sprach mit den Bediensteten. Ja, es sei ein großer hagerer Pilger gewesen, wohl Deutscher. Der habe einen Unfall gehabt, sich furchtbar den Kopf gestoßen, habe sich eine blutende Platzwunde zugezogen und sei deshalb mit dem Krankenwagen abtransportiert worden. Das erklärte einiges. Weiter erfuhren wir nichts. Hoffentlich hat der Bürgermeister, der todunglücklich war, den Schlüssel zurückbekommen!


Wir zogen nun in die Herberge. Wieder mal Abschied von Vicente, der unbedingt bis Palacios weitermusste. Immerhin tauschten Antje und er die Mobilnummern aus, und er meinte, wir träfen uns noch einmal wieder. Dabei gab es vier Liegen auf dem Boden, das hätte für uns alle gereicht. So klein die Herberge ist, so gemütlich ist sie, und gut eingerichtet, auch mit Kochnische. Zwei Kochplatten, aber kaum Geschirr. Ein einziger Teller. Die Suppe löffelten wir aus unseren Tassen. Die Waschanlage draußen funktionierte nicht, evtl. Wassermangel. Sie beherbergte drei niedliche Eidechsen, die immer in Deckung huschten, wenn einer um die Ecke kam.

Durch Anklicken vergrößern Das Innere der kleinen Herberge

Freund der Pilger in Cernadilla Durch Anklicken vergrößern Zum Abendessen gab es Eingekauftes aus der Tienda in der Bar. Kartoffeln (die roten waren zu matschig), Fischkonserven, Früchte, Gemüse. Dann machten wir noch einen Abendspaziergang durch das kleine Dorf, trafen noch einmal den Bürgermeister, der sich mit mir ablichten ließ. Ich dachte, ich hätte seinen Namen notiert. Peinlich, ihn hier nicht nennen zu können. Ein lieber Mann, dem man für seinen Einsatz dankbar vollen Respekt zollen muss.

Eine einfache Alarmanlage

Dann zurück zu der kleinen Hütte, unserem refugio. Diese Unterkunft ist sehr zu empfehlen, aber nur für maximal vier Leute. Da die Tür nicht abschließbar war und man ja nie wissen konnte, ob nicht doch jemand eindringen würde (etwa betrunkene Dorfjugend) - das Häuschen lag ja sehr abseits - "installierte" ich mal wieder eine sehr simple Alarmanlage: einfach eine unserer Chromstahltassen an die Klinke hängen. Wenn die einer dann von außen runterdrückt, fällt die Tasse auf den Steinboden und macht einen Höllenlärm. Außerdem stellten wir für ganz Eilige noch einen Stuhl hinter die Tür. Natürlich passierte nachts aber nichts, nicht mal Feueralarm ;-) Wir schliefen auf den dünnen Ledermatratzen sehr gut.


29. August 2007, Mittwoch: Von Cernadilla nach Puebla de Sanabria, 24 km (162 km)

Wie immer gegen 7h00 raus und ohne Hast etwa um 9h00 los. Erst ist es wieder sehr sonnig, dann gibt's etwas Wind, und gegen Ende der Etappe kamen sogar Wolken, richtige Regenwolken, aber es fiel kein Regen auf dem Marsch. Heute ist die Etappe durchschnittlich lang. Meine Füße haben sich gestern etwas erholt. Die Blasen werden nicht größer, bleiben vor allem an den Fersen unter der sich nun bildenden Hornhaut. Das lässt hoffen.


Der Weg bietet heute einige nette Kleinigkeiten. Gleich hinter Cernadilla, vor dem Nachbarort mit dem pompösen Namen San Salvador de Palazuelo, stehen links ein paar große Dolmen, die man hier gar nicht vermuten würde. Aber Spanien hat noch viele dieser Andenken an die rätselhafte Großsteinkultur, die nichts mit den Kelten zu tun hat, sondern rund 3.000 Jahre früher existierte.

Im Ort selbst die Santiago-Kirche mit einer breiten Treppe, auf der man zum Turm hochklettern kann. Hatten wir vor zwei Jahren auch gemacht. Der Blick schweift weit umher, im Süden liegt immer noch der zig Kilometer lange Stausee der Tera.
Durch Anklicken vergrößern Santiago-Kirche in San Salvador de Palazuelo

Dann folgt Entrepeñas, danach hielt ich die Augen auf. Hier waren wir meiner Erinnerung nach von Hirtenhunden attackiert worden. Die Stelle war einfach wiederzuerkennen: Links lag ein (jetzt leerer) Schafspferch, den wir 2005 gar nicht bemerkt hatten. Rechts eine große Wiese, wo gut eine Herde weiden konnte. Ja, hier war es gewesen. Jetzt kein Schwanz zu sehen. Direkt dahinter überquert man die Autobahn. Kurz darauf kam die Kirche von Asturianos in Sicht.

Kichernd erzählte ich den Frauen, dass in diesem Ort der mürrische Wirt residierte. Schon Manfred hatte vor zwei Jahren von früheren negativen Erfahrungen mit ihm erzählt, und tatsächlich war er 2005 zu uns wie von Manfred vorhergesagt recht grob. Wir wollten ausprobieren, ob es immer noch so war.

Im Ort bietet uns eine Frau Stempel an, ich lehne ab (weil ich nur Stempel von Orten sammele, wo wir übernachten). Sofort reut es mich etwas, die Frau war doch nur freundlich; ich hätte mich mal über meine Prinzipien hinwegsetzen können. Dann kommt die N-525, und wir machen den Abstecher zur Bar, die etwa 200 m rechts liegt. Davor kam ein Haus, vor dem Stühle mit Bierreklame standen, evtl. auch eine Bar, das merkte ich mir.

Die mürrischen Wirtsleute in Asturianos

Doch nun hatten wir das Landstraßenrestaurant erreicht und betraten forsch, schwitzend und mit den Rucksäcken auf dem Nacken, den recht kleinen Schankraum, in dem etliche Einheimische saßen. Nein, der mürrische Wirt war gerade nicht zu sehen, aber seine Frau schnauzte uns an: "Die Rucksäcke raus an die Straße!", ohne zu grüßen und mit bösem Gesicht. Die Anwesenden schauten erstaunt, als wir in Gelächter ausbrachen, dann "Adios!" sagten und gleich wieder gingen. Jetzt kam auch noch der mürrische Wirt selbst und überzeugte sich von unserem Abgang.

Vor dem Haus mit den Bierreklamestühlen stand eine alte Frau und betrachtete uns. "Ist das hier eine Bar?" Sie verneinte. "Dahinten haben wir nichts getrunken. Sind unfreundliche Leute" sagte ich noch erläuternd. Sie schmunzelte etwas. Ich wette, sie hat es den mürrischen Wirtsleuten erzählt. Deshalb hatte ich es auch gesagt.

In Palacios de Sanabria

Nach dem Abzweig von der Landstraße hinter Asturianos hatten wir vor zwei Jahren Probleme gehabt, die Linksabzweigung "vor einem Zaun" zu finden. Jetzt war das kein Problem, deutliche Wegezeichen. Danach kam aber doch noch ein Abschnitt, der nicht so ganz einfach zu finden war, teils durch hohes Gras. Sobald wir die kleine Straße am Ortsrand vor Palacios de Sanabria erreicht hatten, wichen wir vom Pilgerweg, der geradeaus zur Kirche ging, ab und liefen sie nach links entlang in Richtung N-525. Dort wusste ich mehrere Bares an der Straße, und wir waren jetzt auf einen Kaffee aus. Den gab es dann auch. Im Fernsehen lief eine Reportage aus dem Ort, in dem sich die Leute alljährlich eine Schlacht mit mehreren Tonnen Tomaten liefern. "Und anderswo in der Welt hungern die Leute" sagte die Wirtin zu mir; ich pflichtete ihr bei, dass man mit Nahrungsmitteln nicht so umgehen sollte.


Typisches altes Pflaster auf dem Weg Durch Anklicken vergrößern Nach dem Abrücken vergaß ich, mich nach der Privatunterkunft umzusehen. Dort hatte Vicente evtl. übernachtet. Da war er gestern ja noch ein ganz schönes Stück getrabt. Nur 1-2 km hinter dem Ort kamen wir kurz nach 12 Uhr an die Stelle, wo man auf eine alte Brücke und anschließend auf ebenso altes Pflaster stößt. Hier machten wir Mittagspause und legten uns auf den Matten ins verblichene lange Gras. Es war nicht einfach, dabei zahlreichen Schafskütteln auszuweichen. Während wir dort aßen und anschließend ruhten, kamen einige Spaziergänger vorbei. Ich hätte nicht gedacht, dass dieser einsame Weg heute noch als Verbindung zwischen zwei benachbarten Dörfern genutzt wird. Aber das alte Pflaster sprach ja auch Bände.

Ausgeruht zogen wir weiter. Hinter dem nächsten Ort Remesal de Sanabria erreicht man dann nach einem schönen Stück durch Wald wieder die Autobahn. Hier hing im Ginster ein Zettel: Pilgertelegrafenpost! Vicente ließ uns herzlich grüßen. Den würden wir wohl nicht mehr einholen. Aber er hatte ja versprochen, irgendwo nochmal zu warten. Die erhöhte Stelle erlaubte einen Blick auf die Berge vor uns; sogar den Einschnitt, wo es zum Pass von Pardonelo ging, konnte man deutlich erkennen. Nur Puebla de Sanabria versteckte sich hinter einem vorgelagerten Höhenrücken mit einem hohen Antennenmast darauf. Dieses Wahrzeichen blieb am anderen Tag noch bis zum Aufstieg auf den Pass sichtbar. Durch Anklicken vergrößern Post aus dem Pilgertelegrafen: Grüße von Vicente

Streckenführung vor Otero de Sanabria wieder zurückverlegt

Vor der Autobahnbrücke musste man halsbrecherisch eine kahle steile Böschung hinab. Ich sah mich jeden Moment kopfüber hinunterschießen, aber es ging gut. Hinter der Brücke war vor zwei Jahren die Streckenführung verlegt gewesen, sie ging damals nicht mehr über Otero de Sanabria. Das war inzwischen rückgängig gemacht worden. Wieder schöne Wald- und Sandwege bis zum Ort, gut ausgeschildert.
Fegefeuer-Relief in Otero Durch Anklicken vergrößern

Eher ein Fegefeuerrelief

Wenn wir schon da waren, wollte ich auch das "Höllenrelief" an der Kirche sehen. Bei näherem Betrachten - es war wirklich sehenswert - erinnerte es mich an ein Relief der Kirche zu den Armen Seelen in Santiago, und die Armen Seelen sitzen nicht in der Hölle, sondern im Fegefeuer. Auf Höllendarstellungen sind sonst auch Dämonen zu sehen, die die Leute peinigen. Hier schauen die Dargestellten zum Teil noch voller Hoffnung nach oben und warten mit gefalteten Händen auf Erlösung. Also, man mag mir meine Pedanterie verzeihen: Auch das Relief in Otero zeigt wohl das Fegefeuer und nicht die Hölle.

Immer noch der nervige Umweg hinter Otero de Sanabria

Eine ganz andere Frage war aber von durchaus praktischer Bedeutung: Ging der Pilgerweg von hier nun auch direkt nach Puebla de Sanabria, oder wurde man weiter diesen irrsinnigen Umweg (mit vielen zusätzlichen Höhenmetern) über Triufé geführt? - Ich hatte es geahnt: Letzteres war der Fall. Wer das unbedingt vermeiden will, der müsste unterhalb von Otero die N-525 erreichen, die tatsächlich vor Puebla herauskommt. Diese Route geht schön unten durchs Tal, während der Pilgerweg auf einer kleinen Landstraße von Otero nach Triufé weit, weit unter der Autobahnbrücke her hinuntertaucht und in einem großen Linksbogen dann wieder steil nach oben ins genannte Dorf hochzieht.

Da ich keinen Abzweig zur N-525 gesehen hatte, lief ich maulend den Umweg. Wenigstens war es nicht mehr so furchtbar heiß. Der Wind trieb von Norden her schwarze Regenwolken herbei, die aber bald zerfaserten, nichts kam runter.

Triufé - das neue Klein-Puebla

Triufé, vor zwei Jahren noch zur Hälfte ein Ruinenhaufen, erhob sich gerade wie Phönix aus der Asche. Überall wurde wieder aufgebaut. Gut gekleidete Städter berieten sich mit Architekten und Maurern. In Puebla sahen wir nachher ein Schild zum "urwüchsigen Dorf Triufé" und gleich eine Immobilienreklame dahinter. Da die Altstadt von Puebla schon das reinste Freilichtmuseum ist und wegen der nahen Autobahnabfahrt durch Massen von Touristen leicht zu erreichen, entstand hier in Triufé eine Art "Klein-Puebla", und man muss den Spaniern ja wirklich ein hohes Lob zollen: Renovieren im alten Stil, da sind sie Meister!

Hinter dem Dorf geht es nun über Straße, einige recht öde Kilometer, bald durch die erste Vorstadt, bis man endlich Altstadt und Festung von Puebla de Sanabria über sich aufragen sieht. Vorher besuchten Antje und ich noch eine Apotheke, um Elastoplast-Nachschub zu besorgen, aber Fehlanzeige! Dabei ist es mal in Spanien produziert worden. Aber auf der Packung, die ich zu Hause kaufte, stand inzwischen: Made in France.


Hinter der Brücke über die Tera muss man sich entscheiden: Geradeaus, über 200 steile Stufen hoch, oder die viel längere Weichei-Tour links um den Altstadtfelsen herum? Meine Füße schmerzten nur noch wenig, außerdem war ich noch gut bei Kräften: Also die Treppe hoch! Problemlos geschafft und das Rathaus erreicht.

Durch Anklicken vergrößern Vor Puebla de Sanabria

Unter dem störenden Gaffen zahlreicher Touristen blieben Antje und Hedwig mit dem Gepäck am Rathaus zurück, ich schnüffelte nach der Pilgerunterkunft. Schaute sogar ins Rathaus, aber in dem Zimmer, in dem wir damals übernachtet hatten, war jetzt ein Büro. Das stimmte mit meinen Informationen überein.

Wie man das Colegio Amor de Dios findet

Wo war also das legendäre Colegio Amor de Dios? Das Handbuch gab nur spärliche Auskunft. Ich suchte die Touristeninformation. Sie war nicht mehr unterhalb des Rathauses, sondern jetzt in der Festung, Eingang von hinten. Aber erst ab 17h00 geöffnet, und es war gerade 16h45. Nun, ich fragte einfach einen, der ortskundig aussah, nach der Adresse Calle San Bernardo. "Ah, bei den Nonnen" sagte er gleich. - Es war ganz einfach, man musste es nur finden ;-) Vom Hauptplatz vor dem Rathaus in Richtung des weiteren Pilgerwegs die Treppe hinunter. Bevor man dann weiter hinuntergeht und die Altstadt verlässt, ist links eine Altstadtstraße, nur nach 50 m, aber leider mit dem irreführenden Straßenschild Calle Florida! Das machte es so schwierig. Erst 20 m weiter auf dieser Straße beginnt die Calle San Bernardo.

Ein schweißtreibendes Missverständnis

Nun erhob sich gleich ab der Einmündung, praktisch direkt am Pilgerweg, der hier stadtauswärts hinuntergeht, ein großer mehrstöckiger Gebäudekomplex, und das war schon das Colegio. Nächstes Problem: Wo ist der Eingang? An einer Tür ein Schild, irgendwas von "Conservatorium der Musik". Das konnte doch nicht richtig sein. Ich schellte zur Probe, nichts. Dann ging ich nach links und fand eine weitere Tür, etwas von der Straße weg. Wieder schellen, wieder nichts. Da kommt von hinten eine Nonne und spricht mich an. Die erste Tür war doch richtig, eine alte Nonne ist nur kein Schnellzug. Jetzt folgte ein herrliches Missverständnis. Sie zu mir: "Sind Sie heute schon angekommen?" Ich denke, sie will niemanden, der schon seit gestern hier ist. "Ja, sicher" sage ich, "gerade eben." - "Nein, ob Sie schon hier waren?" - "Ja, vor zwei Jahren, warum?" Sie schaut mich an, als ob ich den Verstand verloren habe, ich schaue genauso zurück. Aufs Geratewohl füge ich noch hinzu: "Wir sind zu dritt. Die anderen beiden sind am Rathaus mit den Rucksäcken." Man weiß ja nie, mit welcher Information man endlich Erfolg hat. Das war jedenfalls richtig, jetzt nickt sie "aha" und winkt mir mitzukommen. Puh, ich atme auf.

Sie läuft auf die erste Tür zu, mit dem Conservatorium-Schild. Ich solle die anderen holen und dann hier schellen. Mache ich. Man kann durch eine enge steile Gasse den Weg zum Rathaus abkürzen. Wenige Minuten später betreten wir das Gebäude und stehen in einem riesigen, aber fast kahlen Saal. Auf einem Tisch das Pilgerbuch. 6 EUR sind zu berappen, und man muss es passend haben. Dann hören wir, dass es keinen Schlüssel für die Pforte gibt. Man muss schellen, wenn man wieder herein will. - Jetzt wird mir schlagartig klar, was das Missverständnis vorhin war. Da ich keinen Rucksack hatte, hielt sie mich für einen Pilger, der schon Quartier bezogen hatte. Sie wollte wissen, ob ich schon untergekommen war oder neu, so dass ich mich anmelden musste. Anderen brauchte sie ja nur die Tür zu öffnen. Sie war nämlich nicht die Schwester, die sich um die Pilger kümmerte, das machte eine andere, die wohl gerade nicht da gewesen war. In dem riesigen Haus gab es nur noch wenige Nonnen.


Im Schlafsaal "bei den Nonnen" (rechts Erhard) Durch Anklicken vergrößern

Ein echter Fahrradpilger

Wir sind fast fertig, als die Schelle wieder geht. Herein kommt ein Radpilger, aber nicht einer von diesen Sportstypen, sondern ein echter Radpilger. Es ist Erhard aus Kehl. Ja, Junge, heute waren die Deutschen mal wieder unter sich! - Im Schlafsaal machen wir uns bekannt. Er freut sich, endlich Landsleute zu treffen. Die Vorbehalte zwischen Fuß- und Radpilgern sind ihm wohl bekannt. Er macht ein paar verbale Kratzfüße, aber wir haben ohnehin kein Problem, ihn zu akzeptieren.

Kein Abendessen im Carlos V

Wir waschen die Wäsche und hängen sie im Hof, der früher für sportliche Ballspiele benutzt wurde, auf. Aber nach wenigen Minuten kommt doch noch ein Schauer herunter, und alles muss oben ins große Badezimmer gebracht werden. Dort hängen bald die Leinen kreuz und quer, einige auch im Schlafsaal. Als wir fertig sind, die Stadt zu besichtigen, hat der Regen schon längst wieder aufgehört. Die Straßen sind voll mit Touristen. Im Restaurant Carlos V in der Unterstadt gibt es erst abends ab 21 Uhr etwas zu essen, außerdem sind keine Preise angeschlagen. Ich habe Hunger. Endlich finden wir ein Café, in dem die junge Frau bereit ist, uns Pizza und Empanada heiß zu machen. Ihr café con leche ist ganz ausgezeichnet. Ich bin kein Kenner, aber das fällt sogar mir auf. Zum Schluss bezahlen wir alle drei zusammen ca. 16 EUR für eine große Pizza für zwei Personen sowie eine Empanada und die Getränke. Da kann man nicht meckern.

In einem Lebensmittelladen decken wir uns bei einer sehr freundlichen Frau mit Vorräten ein. Dann scheucht mich Hedwig, die Unentwegte, noch wieder zur Altstadt hoch. Die Messe um 20 Uhr haben wir verpasst, aber die Festung kann noch bis 21 Uhr besichtigt werden. Ich erkläre, die Einkaufsbeutel beaufsichtigen zu müssen, setze mich auf die Stadtmauer unterhalb der Festung und schaue in die schöne Landschaft. Nur manchmal lange ich nach dem Bier, das ich diskret mit einer Leinentasche getarnt habe. Die Frauen juchzen von ganz oben zu mir herunter, ich juchze zurück.


Weit in der Ferne sieht man den Zugang zum Pardonelo-Pass. Da heute alles so gut gelaufen ist, haben wir schon untereinander angedeutet, morgen nicht lediglich die Kurzetappe bis Requejo zu gehen, sondern den Pass zu bezwingen. An die 32 km bis Lubián (wie in alten Zeiten) denke ich einfach nicht. Dieser Tag war wieder so, wie das Pilgern sein sollte, voll von kleinen Höhepunkten und Erlebnissen, dazu mit mancher Schnurre garniert. Ich trinke dankbar mein Bier. Die Sonne geht in einem sehr schönen Abendrot unter. - Wie lange bei den Nonnen noch Einlass war, weiß ich nicht mehr, aber sicher bis 22 Uhr. Wir hatten jedenfalls kein Problem. Weitere Pilger waren nicht gekommen. Durch Anklicken vergrößern Blick zum Pass von Pardonelo

30. August 2007, Donnerstag: Von Puebla de Sanabria nach Lubián, 32 km (194 km)

Heute schmeißt uns der Wecker früher raus als sonst: 6h30. In einem spartanisch kahlen Raum ein Stockwerk tiefer gibt's Frühstück. Erhard will noch einen Tag hier bleiben, er hat Zeit. Ihm macht es nichts aus, wenn wir im Schlafraum packen. 8h10 brechen wir auf. Irgendwo wird uns Erhard wieder einholen, wahrscheinlich sehen wir uns wieder.

Der Weg aus der Stadt

Der Pilgerweg geht ganz urig aus der Altstadt steil hinunter, mit schönem Blick auf die Landschaft vor einem, aber auch ein Blick zurück lohnt. Oben thront das Kloster recht majestätisch, wir haben nur rechts in einem Anbau übernachtet. Schade, wenn das alles zerfallen sollte. - Unten läuft man ein Stück die Landstraße entlang, dann kommt eine Brücke über die Tera, unweit der Einmündung des Nebenflusses Castro. Neben der neuen schwingt sich die alte Brücke malerisch hinüber. Antje und ich laufen über sie, es ist fast kein Umweg. Hedwig gegenüber fotografiert das Baudenkmal und uns. Vielleicht geht der Pilgerweg hier ausnahmsweise über die neue Brücke, damit man die alte besser sieht.

Neue Wegeführung am Fluss Castro entlang

Nur etwa 1 km laufen wir den Zubringer zur N-525, als uns in einer Kurve ein Schild links auffällt. Dort steht einwandfrei was von Pilgerweg. Es ist eine neue Wegführung, bei der man die N-525 fast ganz vermeidet und statt dessen eine schöne grüne Piste den Fluss Castro entlanggeht. Nach geraumer Zeit biegt die Piste rechts vom Fluss ab und führt auf die N-525 zu. Kurz vor der Straße erreicht man eine T-Kreuzung. Kein Zeichen! Sollte man doch irgendwie am Fluss weiter? Habe ich eine unscheinbare Abzweigung übersehen? Manchmal ist es ja so, dass man sich von einer breiten, abbiegenden Piste mitziehen lässt, während man den Pfad geradeaus übersieht. Ich laufe also bis zum Fluss zurück. Eine Art verwilderte Allee zieht sich das Ufer entlang, aber nichts, was mehr als ein Karnickelpfad ist. Auch ist hier offenbar eine Furt, aber kein Zeichen, und am jenseitigen Ufer, das man schwerlich erreicht, ohne bis an die Knie nass zu werden, ist auch kein deutlicher Weg zu sehen. Also zurück!

An der T-Kreuzung biegen wir links ab, das muss ja die richtige Richtung sein, passieren eine Ruine, die von weitem aussieht wie eine Brücke, die jemand in der Landschaft vergessen hat. Dann kommt eine Art Baumateriallager, hinter dem der Weg vorbeiführt. Zwei große Wachhunde springen bellend näher, bleiben aber an der Grenze des Grundstücks stehen. Gut erzogen. Dann erreichen wir die Fernstraße. Gegenüber geht es von der N-525 rechts ab nach San Miguel de Lomba, das zur Orientierung. Wir müssen zum Kilometerstein 88, da sind wir schon vor zwei Jahren in Richtung Fluss abgebogen. Um unsere Chance zu vergrößern, bis Lubián zu kommen, wollte ich heute auf Umwege verzichten. Nur wenig weiter kam schon der erwartete Kilometerstein 88. Die Straße war wenig verlockend, obwohl wegen der parallelen Autobahn nicht viel Verkehr ist. Die Frauen bogen ab. Na, mir war's recht. Merkwürdig, ich hatte dieses Zickzack am Castro entlang weiter und mühevoller in Erinnerung. Vielleicht lag's am Wetter. Noch war es nicht heiß. Wir fanden alles ohne Mühe, hatten aber natürlich nicht die Muße, ein Bad zu nehmen, wie ich es für eine Kurzetappe bis Requejo als Alternative angedacht hatte. Das Refugio für Fischer war demoliert und ausgeräumt wie vor zwei Jahren schon. Die Frauen staunten über das nun folgende Steilufer des Castro mit seinem Abbruch. Am Ende dieses Schlenkers durch die Natur passte ich genau auf, ob diesmal die Beschreibung des Handbuchs passte. Der Baum mit dem Storchennest war einwandfrei zu erkennen, aber dann fand ich wie 2005 den Weg laut der Beschreibung nicht mehr. Wir gingen einfach zur nahen N-525.

Nach Requejo und durch die grüne Schlucht hoch

Bis zum Kilometerschild 91 war es noch ein Stück, mehr als die im Handbuch erwähnten 200 m. Keine Ahnung, wo man da noch hätte parallel laufen sollen. Ein Fuchs überquerte die Straße. Dann bogen wir rechts ab und hatten den landschaftlich schönen Abschnitt bis Terroso. 10 km lagen schon hinter uns, niemand war müde. Auch meine Füße taten heute nicht so weh. Wir liefen den ausgeschilderten Pilgerweg, der die Autobahn bei Terroso kreuzt, nach einiger Zeit einen sehenswerten Hohlweg entlangführt, bis man zum Schluss vor Requejo wieder über die Autobahn zurückgeht. Die beiden Dörfer sind sicher auch direkt verbunden, aber der Umweg lohnt wohl.

In Requejo gleich zur Bar jenseits der N-525. Sie war wegen einer Beerdigung ziemlich voll. Nach einem guten café con leche ging's weiter. Ich freute mich sehr auf das kommende Stück. Vor zwei Jahren war ich allein und hatte ein etwas mulmiges Gefühl, mich zu verlaufen. Aber jetzt waren wir zu dritt, und ich konnte alles genießen. Doch zunächst ging der Weg steil nach unten, weil man einen Bach überqueren musste. Etwas nervig, weil man nachher um so mehr und steiler wieder hochlaufen muss. Der Weg durch die dicht bewachsene Schlucht hoch war nicht so überschwemmt wie 2005. Damals im Frühjahr musste ich dauernd ins Gebüsch ausweichen, was auch recht mühsam war.

Ich hielt nach der Raststelle links am Bach Ausschau. Irgendwo an einem Felsen war da ein gelber Pfeil gewesen. Ich fand die Stelle nicht wieder. Plötzlich, nach meinem Gefühl viel früher als 2005, waren wir schon an der Stelle, wo der Weg den Wald verlässt und man spitzwinklig rechts steil nach oben laufen muss. Geradeaus liegt eine Ruine. Dort hatte Helmut Pause machen wollen, erzählte er uns später, und stieß mitten auf dem Weg auf ein Wildschwein. Die beiden haben sich aber nichts getan :-) Etwas weiter machten wir im Gebüsch Mittagspause, denn, wie ich wusste, hörte der Bewuchs bald endgültig auf. So war es auch.


Vor dem Pass von Padornelo Durch Anklicken vergrößern Wenig später liefen wir in voller Sonne zur alten Nationalstraße hoch. Jetzt war ich doch etwas angeschlagen. Laut Handbuch nur 1,3 km, kam mir viel länger vor. Auf dem vergammelten Sträßchen, das langsam wieder zuwuchert, windet man sich in riesigen Linksbögen den nächsten Berg hoch, bis man endlich oben die alte Nationalstraße an dem Bergwerk erreicht. Allerdings gibt es dauernd einen schönen Blick auf die umliegenden Berge und zurück nach Puebla de Sanabria. Die Stadt war im Sonnenglast nicht auszumachen, aber der erwähnte Antennenmast auf der benachbarten Höhe blieb als Wahrzeichen sichtbar.

Ab dem kleinen Bergwerk bleibt man auf der alten Nationalstraße, die auch von der Natur zurückerobert wird. In der Oberfläche klaffen schon große Löcher. Schade um das nicht wiederverwertete Baumaterial. Man dachte, dass man nach der grünen Schlucht schon fast die Passhöhe hatte, aber das ist weit gefehlt. Ein Stück weiter auf der alten Straße blickten wir erstaunt zurück, wie weit unten die Gebäude des Bergwerks schon hinter uns lagen. Nun kam langsam Wind auf, was uns den weiteren Aufstieg erheblich erleichterte. Am Wind ist doch alles gelegen, wenn man so viel Sonnenschein hat wie wir in diesem Jahr.

Über die malerische alte Passstraße

Dann kam die Verzweigung, wo man rechts zur N-525 hoch kann. Hier endet die alte Nationalstraße vorübergehend, durch die neu gebaute zerschnitten. Diesen Weg hatte ich 2005 genommen. Um so gespannter war ich jetzt auf die Variante, bei der man auf der alten Nationalstraße bleibt. Ich nehme es vorweg: Sie ist viel schöner als die Variante durch den Tunnel. Warum das Handbuch die malerische Passstraße mit der Bemerkung "keine besonderen Sehenswürdigkeiten" herunterspielt, kann ich nicht nachvollziehen.

An der erwähnten Verzweigung geht man halblinks nach unten, denn man muss unter der neuen Nationalstraße und der Autobahn her, bis es dahinter wieder hochgeht und man auf die Fortsetzung der alten Nationalstraße stößt. Unter der Autobahn lag ein großes Stück Fertigbauteil aus Beton im Gebüsch. Wohl beim Bau abgestürzt und einfach liegen gelassen. Im Materialverschwenden sind die Spanier groß. Dann kam ein riesiger Linksbogen, der soweit anstieg, dass man schon höher als die neue Nationalstraße war, aber unter der Autobahn blieb. Davor geht man über eine rostige Brücke (Wie lange wird diese wohl halten?), unter der ein kleiner Bach in die Tiefe tost. Rechts, 50 m entfernt, zwischen Felsen ein kleiner Wasserfall. Vielleicht eine Stelle für Romantiker. Ich weiß nur nicht, wie groß sie ist und ob sie durch und über die Felsblöcke problemlos erreicht werden kann. Möge ein abenteuerlustiger Pilger es ausprobieren und berichten!

Hinter der Autobahn floss ein Wasservorhang von oben rechts die Böschung herunter, wohl kaum so geplant. Eine Betonrinne führte aber das meiste ab, trotzdem ist der Weg gefährdet. Es geht noch einmal steil hoch, da man ja noch höher als die Autobahn herauskommen muss. Ein überraschender Fußpfad rechts kürzt laut Handbuch zwei Serpentinen ab. Er ist nicht sehr beschwerlich. Oben kommt man wieder auf die alte Nationalstraße und hat bald die Höhe von 1.360 m erreicht. Letzter andächtiger Blick zurück. Also, das war wirklich ein Erlebnis! Vor uns tauchte schon der Pass von Canda auf. Nicht zu glauben, dass wir da - so weit weg - morgen auch schon wieder sein würden.

Ein Patzer im Handbuch

Wir waren guter Dinge und erstaunlich frisch. Das ist heute eine Etappe! Wie das Handbuch halte auch ich sie für die schönste des Mozarabischen Weges. Nun ging es steil hinunter wie erwartet. Unten traf man auf die neue Nationalstraße, die von halbrechts dazukommt. Hier ist ein Patzer im Handbuch! Dort steht, dass man an "dieser Stelle, wo die Wege aufeinander treffen", eine "Betonpiste" halblinks steil hinunter nach Padornelo abbiegen soll. Wahrscheinlich ist damit ein Weg 500 m weiter hinter der Autobahnbrücke gemeint. Die Piste, die direkt nach dem Zusammentreffen von alter und neuer Nationalstraße halblinks steil nach unten geht, ist keine Betonpiste. Von oben sah es aus, als ob sie sich unten vor der Autobahn sogar totläuft, aber inzwischen hat Pilgerfreund H.S. mir mitgeteilt, dass man unten durch eine Unterführung hindurch Padornelo erreichen kann. Also ist dieser Weg zu empfehlen, weil man dann das Stück auf der neuen Nationalstraße vermeidet. Wir wussten das nicht und gingen den Weg über die Autobahnbrücke. Da der Verkehr gleich Null war, auch nicht so schlimm.


Hinweis: Wie im Handbuch beschrieben, sofort nachdem man auf die neue Nationalstraße stößt, halblinks auf eine Piste abbiegen, die steil nach unten führt, obwohl es (zunächst) keine Betonpiste ist.
Noch ein Tipp: In Padornelo nicht bis zum Ortsende laufen, wenn man in der örtlichen Bar oben an der N-525 einkehren will. Man kommt am Ende nämlich wieder auf die N-525, muss aber einige hundert Meter zurück zur Bar. Statt dessen sollte man, sobald man eine Tienda-Reklame rechts oben sieht, die Dorfstraße verlassen und gleich zur N-525 hochlaufen. Dann kommt man gegenüber der Bar raus.

16h10 kehren wir dort ein, sind bester Stimmung. Wir werden es heute bis Lubián schaffen und damit u.a. auch wieder einen Reservetag zur Verfügung haben. Auch hoffen wir, am Ziel Vicente einzuholen, der wahrscheinlich in Requejo übernachtet hat. Wollte er uns etwa in Lubián wiedersehen? Ab da sind ja die Etappen praktisch vorgegeben, und man muss schon Doppeletappen laufen, um davon abzuweichen.

Die gefährlichen Asphaltkanten

Nach einem erfrischenden Getränk in der Bar, deren Wirtin uns kaum beachtete, weil sie mit einem Vertreter schwatzte, zogen wir weiter. Der frischeste war ich nicht mehr. Mein Notizbuch sagt: "Mühsam weiter, Füße schmerzen". Nun, das war ja nicht neu. Erst ging es weiter die N-525 entlang, die hier ein Stück mit der alten Straße identisch ist. Man sieht es an gelegentlichen abbrechenden Teilstücken der alten Trasse. Auch war hier mehrfach eine Asphaltschicht über die andere gewalzt worden, was hässliche Ränder ergab. Hinter mir ertönte auf einmal ein Schrei. Hedwig hatte so eine Asphaltkante übersehen, war der Länge lang gestürzt. Antje und ich halfen ihr hoch. Hände und Unterarme aufgekratzt, Blut lief herunter. Gottseilob war sie nicht mit dem Gesicht aufgeschlagen, und hatte sich auch nicht den Fuß verstaucht. Ich kenne solche Unfälle aus eigener Erfahrung. 2005 war ich so vor Utera gestürzt und 2006 auf einem Probemarsch zu Hause. Immer diese verd... Asphaltkanten! Wir verpflasterten Hedwig, die außerdem noch leichte Abschürfungen am linken Bein und heftige Prellungen am rechten Oberschenkel abbekommen hatte. Später entzündete sich die Wunde am kleinen Finger der linken Hand und machte ihr noch viele Beschwerden. Aber insgesamt war sie noch einem mit einem blauen Auge, will sagen: Oberschenkel, davongekommen. Ich ließ mir das eine Lehre sein, achtete ab da wieder mehr auf die Straße und blieb zum Herumschauen oder Ins-Handbuch-Gucken lieber stehen.

Durch Aciberos nach Lubián

Bald zweigten wir rechts ab, das war die alte Nationalstraße, die über die Dörfer zieht und dabei einen sehr ausladenden Linksbogen macht, weil ein Bachtal zu umrunden ist. Der Pilgerweg ist laut Handbuch 2,5 km kürzer, aber dafür hat er es in sich. Man muss eben nach und nach steil ins Bachtal hinunter und dahinter ebenso steil wieder hoch. Abert es lohnt sich. Sehr bald verließ man die alte Nationalstraße, und dann kam auch gleich die überschwemmte Stelle vor Aciberos, die manchem Pilger viel Mühe gemacht hat. Aber wir hatten ja schon anderenorts, zum Beispiel hinter Requejo, erfahren, dass es zu unserer Jahreszeit nun nicht mehr so viel Wasser gab wie im Frühjahr. So war es auch hier. Wir balancierten ohne Schwierigkeiten auf kleinen Steinen durchs Wasser, kein Problem.

Der weitere Weg, durch Aciberos, und dann durch das Bachtal verlief ohne Zwischenfälle, wobei das Handbuch ein guter Führer war. Als wir kurz nach 18 Uhr unterhalb der Herberge von Lubián herauskamen, waren wir aber alle drei doch ziemlich kaputt. Wegen der vielen Waldwege heute und auch vom Asphalt waren meine Füße aber nicht so mitgenommen wie von den Geröllpisten. Deshalb ging es mir leidlich.


Die schöne Herberge rief ein freudiges Ah! hervor, aber leider war sie geschlossen. Vicente war also nicht drinnen, da waren wir enttäuscht. 2005 war ich hier etwas überraschend auf Ingrid und Renate aus Österreich gestoßen, mit denen ich mich übers Netz irgendwo auf dem Weg verabredet hatte. Eine solche Freude blieb heute aus. Später stellt sich noch zu allem Übel heraus, dass Vicente tatsächlich auf uns gewartet hatte. Aber gegen 16h00 hatte er nicht mehr geglaubt, dass wir es bis hierhin schaffen würden. Das Pilgerfernweh packte ihn, und so war er weitergezogen. Das erfuhr Antje alles aus ihrem elektronischen Postfach. Sie hatte Vicente überraschen wollen und deshalb unterwegs ihr Mobil nicht angestellt. Das war nach hinten losgegangen. Nun gab es nur noch eine Chance in A Gudiña. Dorthin wollten wir morgen. Vicente konnte das heute nicht mehr erreichen und würde dafür morgen eine sehr kurze Etappe haben. Ich verstand nicht recht, warum er überhaupt weitergelaufen war. Besser als Lubián waren die folgenden Käffer auch nicht. Durch Anklicken vergrößern Herberge in Lubián

Wo man den Schlüssel bekommt

Trotz steifer Knochen und natürlich etwas schmerzender Füße machte ich mich auf die Suche nach dem Schlüssel. An der Herbergstür hing eine Skizze. Daraus entnahm ich zumindest, dass man den Schlüssel nicht mehr bei Marisa in der Calle Cruz 1 bekommt. Auf dem Feld neben der Herberge arbeitete ein altes Bauernpaar. Der Mann musste wohl gerade nach Hause, ging mit seinem Hund vor mir die Straße hoch, langsam und wackelig, schwerer als ich; die schwere Feldarbeit hatte seine Gelenke in Mitleidenschaft gezogen. Der Hund hatte vor mir Angst, ich beruhigte ihn. Der Bauer sagte mir ganz freundlich, dass er mir zeigen wollte, wo es den Schlüssel gibt. Oben kam die T-Kreuzung, wo der Pilgerweg links weitergeht. Dort wendet man sich nach rechts. Das 3. Haus rechts hat einen auffälligen Briefkasten und ein Schild, dass es hier den Schlüssel gibt. Ein großer schwarzer Hund traut mir nicht, knurrt und bellt pflichtbewusst, aber er ist alt, und Kinder laufen auf ihn zu und spielen mit ihm: harmlos. Ich schelle an dem Haus. Eine sehr nette Damen bittet mich ins Wohnzimmer, mich, den stinkenden, schwitzenden Pilger. Beachtlich! Ich habe vergessen zu notieren, was ich bezahlt habe, ich glaube 3 EUR pro Person.

Gemurkse mit der Herbergstür

Mit der Herbergstür gibt's ein Problem. Antje kriegt die Tür nicht auf. Ich werde es schon gar nicht schaffen, Schlüssel und Automaten sind mein Albtraum. Trotzdem versuche ich es. Irgendwie schließt der Schlüssel, aber die Tür lässt sich nicht öffnen.


Hinweis: Man muss den Schlüssel "falsch herum", also nach links drehen, um die Tür zu öffnen. Zudem klemmt sie noch und geht nach innen auf! Deshalb hatte alles Zerren zuerst nichts gebracht.

Oben im Schlafssal sind jetzt 12 Betten, unten im Aufenthaltsraum weitere 4. Leider hat ein Wasserschaden von der Dusche aus das Gebäude arg mitgenommen. Oben im Schlafzimmer waren die Holzfenster vor den Minibalkonen verzogen und ließen sich nicht öffnen, um frische Luft hereinzulassen. Aber der Balkon an der Frontseite, wo der Pilgerweg den steilen Abhang heraufkommt, war sehr schön, schon, um Wäsche zu trocknen. Draußen sah man den Bauern und seine Frau auf ihrem Acker schuften. Aber wenn man vorbeiging, grüßten sie freundlich und lächelnd.

Einkaufen im Supermarkt

Wir gingen noch einkaufen. Rechts liegt die Casa de Irene, da rührte sich nichts. Zur T-Kreuzung hoch, dann nach links. Dort verzweigt sich der Weg. Musste man halblinks oder halbrechts zum Zentrum weiter? Diesmal waren Por-Aquis willkommen: halblinks. Halbrechts scheint es zu der immer wieder erwähnten Bar zu gehen, steht so im Handbuch. Halblinks also, etwas nach unten, dann kommt man zu Marktplatz und Kirche. Dort ist auch links der Supermarkt. Der Besitzer begrüßte uns freudig. Wir durften lange herumsuchen, bis wir alles hatten. Derweil fragte ich ihn nach Vicente. Er hatte ihn nachmittags vorbeilaufen sehen. Alle Leute im Dorf grüßten freundlich und sagten ein paar nette Worte. Hier sind Pilger willkommen.

In der Herberge kochten Hedwig und Antje anschließend ein gutes Abendessen: Makkaronis, Tomatensoße mit Paprikastückchen und Erbsen, Tunfisch drüber. Die Portion war zu groß, aber ich erklärte sofort, morgen früh den Rest zu essen, so gut schmeckte es. Gegen 21 Uhr kam die Herbergsbetreuerin. Sie wollte wohl schauen, ob noch mehr Pilger gekommen waren, um den Obolus zu kassieren. Dass die Küche gewürdigt wurde, gefiel ihr. Sie beklagte nur den Wasserschaden, der im Flur großen Schaden angerichtet hatte. Da hatte sie Recht, aber es funktionierte ja alles. Wir trösteten sie und bedankten uns für die tolle Herberge. So endete unsere längste Etappe auf diesem Weg mit einem vollen Erfolg. Drei Tage vorher hatte ich nicht an sowas zu denken gewagt.


31. August 2007, Freitag: Von Lubián nach A Gudiña, 25 km (219 km)

7h00 raus. Wir frühstücken alle unten den Rest des Nudelgerichts vom Abend vorher. 8h50 abrücken. Wir bringen den Schlüssel zurück, laufen durchs Dorf. Ein schwarzer Hund schließt sich uns an, bleibt aber etwas außerhalb des Dorfes an einer unsichtbaren Reviergrenze zurück. Steil bergab auf die Autobahn zu. An einer Brücke ein Trupp von Leuten, die den Weg frei schneiden, darunter auch Frauen. Wegen der Wettermäntel, der Ohrenschützer und Schutzbrillen sehen sie aus wie aus einer anderen Welt, lassen uns schauend und nur kurz wiedergrüßend vorbei. Die Sonne scheint schon, aber es weht ein kalter Wind. Gut für uns. Hinter uns der Trupp steht immer noch unbeweglich da. Die haben die Hektik nicht erfunden.


Blick auf den Pass von A Canda Durch Anklicken vergrößern Unter der Autobahnbrücke hindurch erreicht man einen großen Rastplatz links. Er gehört schon zu der Wallfahrtskirche Santuario La Tiuza, bei der wir uns vor zwei Jahren so übel verlaufen haben. Man lässt das Bauwerk links liegen und geht einfach geradeaus auf der Asphaltstraße weiter. Den irreführenden Pfeil nach links gibt es auch nicht mehr. Dann geht der Pilgerweg an der Autobahn entlang. Man passiert eine Kapelle, dann biegt das Sträßchen nach links. Vor einem liegt schon der Pass. Eine Baumgruppe liegt etwas links von der Mitte, winzig klein. Sie bleibt das Wahrzeichen, ist auch von der anderen Seite her noch viele Kilometer lang auszumachen.

Nach einem Gefälle verlässt man die Straße halblinks. Die nächsten Pfeile sind auch nicht mehr grün, sondern gelb, wie sich das gehört. Bald hat man die Verzweigung erreicht, wo die alte Wegeführung von links kommt. Dann fängt rechts der steile Aufstieg an, darauf war ich gefasst. Beim ersten Teil sieht man wenig, es geht durch Wald. Der Pfad ist teils sehr schmal, wird von talwärts hinabschießendem Wasser bedroht. An einer Stelle ist mehr als der halbe Weg weggerissen. Eine andere ist überschwemmt. Ich will mich am Rand des Gebüsches vorbeiquetschen. Dabei bleibt ein Hosenbein an dem Stumpf eines Astes hängen, den man kurz über dem Boden abgeschnitten hat, um den Weg frei zu schneiden. Bauz, liege ich auf der Nase, aber Glück gehabt: Weich gefallen und nicht einmal in die Matsche. Dann scheint der Weg in einem Bach aufzuhören. Jenseits des Wassers sehe ich eine schmale Stelle, die weiter bergauf führt. Aber das ist falsch. Man muss in dem seichten Bachbett nach rechts abbiegen und hat dann die Fortsetzung des Weges, der jetzt breiter wird, vor sich. Es ist also mehr eine Furt. Endlich wird der Weg flacher, man kommt aus dem dichten Bewuchs heraus und sieht den Pass schon viel näher. Aber man ist noch längst nicht oben, das täuscht wieder sehr.


Es geht noch lange, aber nicht allzu anstrengend weiter nach oben. Die Strommasten, von unten waren sie so klein, werden fast erreicht. Dann verlässt man wieder den Wald und kommt auf eine breite Piste. Jetzt lohnt es sich schon zurückzuschauen. Aciberos ist zu sehen, aber Lubián nicht. Weit hinten liegt der Pass von Padornelo. Ein wunderbarer Blick. Dann konnten wir die letzten Meter in Angriff nehmen, bis wir um 11h05 die erwähnte Baumgruppe erreichten. Hier wurde in nun sehr heißer Sonne ausgiebig Pause gemacht und die Aussicht genossen. Auch Lubián war nun zu sehen und vor allem das breite Band der Autobahn, die sich durchs Tal hier hochzieht. Dann hieß es Abschied nehmen von Kastilien und León, das grüne Galicien begrüßte uns mit einem Fernblick zur anderen Seite. An der ersten schönen Wegweiserskulptur machte Antje von Hedwig und mir, den Bezwingern des Passes von A Canda (1.260 m), ein Bild. Durch Anklicken vergrößern Auf der Passhöhe

Gut 3 Stunden für 7 km sind nicht berauschend, aber der schwierigen Strecke angemessen. Was soll nur die Bemerkung im Handbuch "Gehzeit zum Pass ca. 1 Stunde"? Das soll doch mal einer vormachen! Der muss ja buchstäblich den Berg hoch rennen. Muss irgendein merkwürdiger Fehler sein.

Immerhin lagen jetzt noch 18 km vor uns, allerdings ohne große Anstiege. Es ging ja im Allgemeinen nur bergab. Von diesem Teil unserer Tour habe ich nicht mehr viel in Erinnerung, während ich die Einzelheiten des Vortags wie einen Film vor meinen Augen ablaufen lassen kann. Ich muss 2005 wohl viel mit Ingrid und Renate geschwatzt und nicht auf Details geachtet haben. In diesem Jahr fiel mir der Weg schwer. Meine Füße meldeten sich wieder, sie hatten die Mammutetappe von gestern auch nicht spurlos weggesteckt. Die Hitze machte uns ebenfalls zu schaffen.

Eine freundliche Spanienreklame

Hinter A Canda der erste Eukalyptusbaum. Die Abzweigung von der Landstraße war neu ausgebaut, aber irgendwie turnten wir zu früh über die Leitplanke. Hinter dem Eisenbahntunnel kommt man an eine Brücke mit einer Santiagofigur. Das ist noch nicht die im Handbuch erwähnte. Deshalb kam mir der letzte Kilometer bis Vilavella so weit vor. Hier hat Vicente in einem Hostal übernachtet. Im Dorf fragen wir nach einer Bar, es ist ja Mittag. Man verweist uns rechts vom Pilgerweg weg, über eine Wiese zur Nationalstraße, wo rechts, etwa 200 m entfernt, sowohl ein Lebensmittelladen als auch eine Bar liegen. Ein Frauentrio bedient uns, wohl Mutter, ältere und jüngere Tochter. Letztere sieht aus wie aus der Spanienreklame entstiegen, meint auch Hedwig. Kaum vorzustellen, dass sie hier in diesem Kaff versauern soll. Ihr Gesichtsausdruck stimmt dem zu, aber sie ist freundlich zu den Gästen. Wir bekommen sogar jeder eine Empanada, das ist wirklich super.

Wir müssen weiter, haben erst die Hälfte der Entfernung für heute geschafft. Mein Körper meint dagegen, dass er auch schon gern Feierabend hätte. Daraus kann nichts werden. Wir liefen ein Stück die Nationalstraße bis zu der dichteren Bebauung zurück, bogen dann links zum Dorfkern hin ab und erreichten so wieder den Pilgerweg. Es folgte ein aufgeschütteter Weg durch ein Sumpfgebiet, extra für Pilger angelegt. Kurz vor O Pereiro liegt links eine Loreto-Kapelle. In deren Schatten gab es eine Trinkpause. Immer noch 10 km. Puh! An diesen Ort kann ich mich nicht erinnern. Wohl aber an das Felsengelände, das nun folgt. Vor zwei Jahren habe ich es genossen, jetzt musste ich zu sehr auf meine Füße achten. Es ging sehr, sehr langsam vorwärts, und es wollte kein Ende nehmen.

Erfrischungen in O Cañizo

Wo die urige Steinbrücke ist, machten wir natürlich wie 2005 ein Foto, aber ich war nur halb bei der Sache, konnte die schöne Landschaft nicht so recht genießen. Nach 3 km war auch das Felsengelände überstanden. Auf besseren Sträßchen ging es nun nach O Cañizo, dem letzten Dorf vor unserem Ziel. Etwa noch 5 km. Ich hatte nichts mehr zu trinken, aber hier sollte eine Bar sein. Ein paar alte Männer auf einer Bank verweisen nach rechts. Es war ganz schön weit, zu weit. Allein bis zur Nationalstraße lief man schon etliche Minuten, und dann lag die Bar in weiter Ferne rechts. Die spinnen, die alten Galicier! Müde wandten wir uns nach links, die Frauen waren jetzt auch fertig. An der N-525 entlang, die der Pilgerweg ohnehin hinter dem Dorf erreicht, wie ich wusste. Ein paar Halbwüchsige, die links vor einem Haus sitzen, frage ich nach einer Bar, denn im Dorfzentrum, so verstehe ich das Handbuch, müsste auch was sein. Nein, aber etwas weiter käme ein Laden. Wie weit ist "etwas"? frage ich misstrauisch, denke an die alten Männer. "100 metros!" sagt der eine, "Quilometros" scherzt der andere. Ich lache mühsam mit. Nach gut 100 m kommt wirklich links ein Laden mit Eisreklame.

Nichts los. Die Inhaberin sitzt mit Töchterlein vor dem Haus im Schatten, als wir Gestalten uns heranschleppen. Sie holt glatt für uns einen weiteren Stuhl aus dem Haus, damit wir alle Platz finden. Dann lege ich los, gönne meinem lechzenden Körper zwei eiskalte Colas und ein herrliches Eis. Mann, tat das gut! Auch Hedwig und Antje erfrischen sich. Nach gut einer Viertelstunde bin ich schon wieder obenauf. So ein Glück, diesen Laden zu finden! Wir scherzen mit dem Töchterlein, denken an unseren Enkel, den kleinen Martin, in Heidelberg.

Engel statt Bärbeiß

Der restliche Weg bis A Gudiña war noch anstrengend genug, aber merkwürdigerweise stöhnten hauptsächlich die Frauen. Wir passierten in voller Sonne auf der Straße die Höhe von Cañizo (1.085 m). Tatsächlich ist diese noch viele Kilometer hinter A Gudiña deutlich zu sehen. Wir hatten nur nicht bemerkt, wie hoch wir immer noch waren. Danach senkte sich die N-525 aber ins Tal hinab, wo man A Gudiña schon liegen sah, immerhin noch auf 900 m Höhe. Doch mussten wir erst noch die Autobahnbrücke überqueren und dann lange durch eine Vorstadt. Am Haus des Roten Kreuzes hing natürlich ein Schild, dass sie dort schon ab 15h00 Feierabend hatten. Man sollte gar nicht versuchen, dort den Schlüssel zu bekommen.

Rechts liegt eine Autowerkstatt, die einem "Rodolfo ..." gehört. Also gibt es meinen Vornamen doch in Spanien. Man muss halbrechts in die Stadt abbiegen und soll sich nicht durch Schilder verwirren lassen, die Autbahnauffahrten anzeigen, und "Friedhof", aber nicht "Stadtzentrum". Es ist richtig, immer geradeaus. Nun kommt man am Bahnhof vorbei doch sehr bald in den hässlichen Ortskern. Links liegt das Restaurant Oscar. Dann die Kreuzung, wo der Pilgerweg halbrechts auf der alten Hauptstraße, parallel zur N-525, weiterführt, zur Herberge aber muss man rechts abbiegen, hinter der Eisenbahnunterführung nochmal rechts, und dann liegt links die Herberge. Ca. 19h00 sind wir da, haben über 10 Stunden gebraucht und sind ganz schön fertig. Wenn jetzt noch der miese Herbergsvater uns scheuchen will, gibt's Ärger.

Eine Frau tritt aus der Tür (zu der man um das Gebäude herumlaufen muss) und sagt zu uns auf Spanisch: "Wo kommt ihr denn her? Sind doch nur 6 Stunden von Lubián!" Ich verstehe, dass sie wohl die Betreuerin ist, mache ein grimmiges Gesicht und sage, dass man bei der Hitze ja wohl mal Pause machen darf. Später merken wir, dass diese Stichelei der Standardwitz der Hospitalera ist, die in Wirklichkeit sehr nett ist und im Vergleich zu ihrem Vorgänger, dem preußischen Bärbeiß, der reinste Engel.

"Schö, schö, schö"

Kaum sind wir die Treppe zum Schlafssaal hoch, zeigt Antje freudig auf zwei wohl bekannte Rucksäcke. Nicht nur Erhard, der nette Radpilger aus Puebla ist hier, sondern auch Vicente. Er hat sein Versprechen wahr gemacht. Aber noch ist niemand zu sehen, wir gehen einkaufen. Achtung: Die Geschäfte schließen hier schon um 20 Uhr! Mit Mühe können die Frauen noch etwas ergattern, während ich versuche, in der Casa Nuñez, in Campobecerros, unserem morgigen Ziel, Zimmer zu bestellen. Ich hasse Telefongespräche auf Spanisch immer noch, aber dieses war wirklich eine Katastrophe. Ich wähle, die Verbindung wird hergestellt und ich höre ein schwaches "Schö", das sich ein paar Mal wiederholt. Ich vermute, ein kaputter Anrufbeantworter, lege auf, wähle erneut. Es tönt weiter "Schö". Mit einem Mal kommt mir ein Verdacht. "Ist dort die Casa Nuñez?" - Antwort: "Schö" - Menschenskinder, das soll "Si" heißen, und der Unbekannte am anderen Ende, sicher ein nuschelnder zahnloser Greis, wartet auf meine weiteren Einlassungen. Ob Zimmer für morgen frei sind? Immerhin ist morgen Samstag, und da ist oft wegen Familienfeiern oder Festen alles belegt. Das weiß er nicht, die chica, die dafür zuständig ist, ist nicht da, und ich solle in einer halben Stunde wieder anrufen. Wenigstens das habe ich verstanden. Dass ich fast einen Kilometer zu der Telefonzelle gelaufen bin und kein Mobil habe, auf den Gedanken kommt ein Spanier nicht. Was soll's? Ich setze meine Hoffnungen auf Vicente.

In der Herberge zurück können wir Vicente und Erhard begrüßen. Hedwig und Antje bereiten ein Bauernfrühstück aus dem Gekauften. Die anderen beiden steuern Wurst und Wein bei. Ich habe meinen Biervorrat, den niemand mit mir teilen will. Die Hospitalera gesellt sich dazu. Wir essen, trinken und singen alle zusammen. Bombenstimmung, trotz meiner lädierten Füße. Vicente ruft in Campobecerros an, reserviert ein Zimmer für Hedwig und mich. Antje ist noch unentschlossen, ob sie nicht weitergehen will, bis Laza. Obwohl sie heute so kaputt war und auch die ganze Zeit Blasen hat. Wir verstehen, sie möchte mit Vicente weitergehen. Das ist in Ordnung, junge Leute gehören zu jungen Leuten.

Ein "pilgermäßiger" Abend

Wir schwenken die Tassen. Die Hospitalera ist ein Pilgerweg-Junkie, selbst zig-mal unterwegs gewesen. Nun wohnt sie sogar im Behindertenzimmer der Herberge, um dem Weg, den Pilgern nahe zu sein. Für die Herberge ein ungeheurer Gewinn! Wir möchten ihr eine Spende geben: nein, darf sie nicht annehmen. Alle reden ihr zu, dann einfach was für die Herberge zu kaufen. Am Ende nimmt sie zögernd unsere Spende an, für Kleiderhaken in den Duschkabinen. Junge, das war der pilgermäßigste Abend der ganzen Tour! Uns hatte es wieder alle erwischt, so verschieden wir waren. Das sind die Momente, die "Promi-Pilger" nicht erleben. In drei Sprachen ging es durcheinander. Vicente taufte mich "Don Rodolfo de Sanabria". Erhard gestand zögernd, dass er früher Zahnarzt war, jetzt Rentner. Na und? - Ja, die Leute meinten dann immer, er sei Millionär und rückten von ihm ab. - Nein, hier ist jeder Pilger, und wer sich wie ein Pilger benimmt, wird angenommen, egal, was er zu Hause im Alltag ist.

Ich habe aus Nostalgie dasselbe Bett genommen wie vor zwei Jahren. Keine gute Wahl! Ein Kamin verdeckt die halbe Seite, so dass ich mich seitlich aufs Lager quetschen muss. Zudem stehen von der Befestigung des Geländers am oberen Bett zwei Schrauben recht weit hervor (das habe ich auch anderswo gesehen), eine davon reißt mir die Kopfhaut auf, blutet ganz schön. Ein wenig Tupfen, dann geht's wieder. Selig liegen wir alle diese Nacht in unseren Schlafsäcken, das heißt, Erhard nicht. Er hat sich von zu Hause seine Bettwäsche mitgenommen und wickelt sich darin ein. Ein Trick, sich in der Ferne nicht so ganz weit weg vom gewohnten Lager zu fühlen. Nicht schlecht, das war neu.

Heute hatten wir übrigens entfernungsmäßig Halbzeit. Dabei waren wir erst 9 von 20 Etappen gelaufen. Das hieß mit anderen Worten: Ab jetzt würden wir im Durchschnitt weniger Kilometer am Tag laufen, eine hoffnungsvolle Aussicht für meine Füße. Es lag aber an den Abständen der Herbergen, die bis jetzt eben teilweise größere Etappen erforderten.


01. September 2007, Samstag: Von A Gudiña nach Campobecerros, 20 km (239 km)

7h00 machten wir verabredungsgemäß das Licht an. Wenn ich an die vielen Morgen am Camino Francés denke, auf dem die "Knistertüten" ab 4h30 im Dunkeln ihr Unwesen trieben ... Auf dieser Südstrecke war alles so gemütlich. Frühstücken ohne Hast, heute haben wir nicht nur die Unterkunft sicher, sondern es lockt das reinste Pilgerparadies: Doppelzimmer mit eigener Dusche und Toilette usw. Muss eben auch mal sein.


Antje und Vicente beim Aufbruch Durch Anklicken vergrößern Hedwig und ich ließen uns Zeit. Vicente war schon aufbruchbereich. Sieh da, Antje war sonst auch nicht schneller als wir, aber heute war sie ganz fix fertig. Na, dann sollten sie mal schon losgehen! Ganz zufrieden zogen die beiden ab, obwohl sie 36 km vor sich hatten. Das wäre mit meinen Füßen nicht zu machen gewesen.

Gegen 9h00 kamen wir los. Gleich hinter der Stadt kommt der Aufstieg auf die Berge dahinter, bis man wieder ungefähr bei 1.000 m Höhe ist. Diese erste Hälfte von der Strecke bis Campobecerros ist landschaftlich wieder einmalig, da man die ganze Zeit die schönste Fernsicht nach rechts und links und hinter sich hat. Immer noch grüßt aus der Ferne der Pass von Canda, eine deutliche Kerbe in dem Bergpanorama hinter einem. Der Wind, der natürlich pausenlos über diese Höhen pfeift, war an diesem Tag nicht so eisig wie beim ersten Mal vor zwei Jahren.


Ein Radfahrer kommt hinter uns her, ganz langsam, strampelt mühsam. Es ist Erhard. Wir begrüßen ihn freudig. Er erzählt, dass er oft schieben muss, ist ja wie wir nicht mehr der Jüngste. Dann schwingt er sich wieder auf sein Gefährt und winkt noch einmal zum Gruß. Wahrscheinlich hat er die anderen in Laza wiedergesehen. Bald hatten wir die Alto do Espiño (1.088 m) geschafft. Ein letzter Blick zum Pass. Dann ging's weiter. Den Schwenk durch das Dorf Venda do Espiño ersparten wir uns. Einige Kilometer weiter biegt man links auf das Dorf Venda Teresa zu ab. Man gewinnt damit etwas, denn die Landstraße, die man bis dahin gelaufen ist, führt auf der anderen Seite runter zum Stausee, und man hätte dann ohnehin links abiegen müssen. Durch Anklicken vergrößern Letzter Plausch mit Erhard

Ein riesiger Hund am Weg

Vor zwei Jahren gab's hier ein Problem mit einem Hirtenhund, der sich auf einmal von seinen Leuten abgeschnitten sah. Das geht mir gerade durch den Kopf, als ich links im Schatten des ersten Gebäudes einen riesigen Hund am Straßenrand liegen sehe. Er hebt den Kopf und bellt auf. "Oh, da gehen wir nicht lang" sagt Hedwig vor mir und stockt. - "Doch, gehen wir wohl!" Ich weiß selbst nicht, woher ich den Mut nehme. Wir gehen wie gewohnt hintereinander ruhig geradeaus, aber ich bereite mich innerlich darauf vor, den Hund anzubrüllen, sobald er auf uns zu will. Lächerlich, dafür hätte der keine Sekunde gebraucht, ich hätte gar nicht so schnell reagieren können. Ich plaudere halblaut irgendeinen Unsinn, um dem Hund zu signalisieren, dass wir wenig beeindruckt und außerdem harmlos sind. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass er tatsächlich den Kopf wieder auf die Pfoten gelegt hat. Er lag da so gemütlich, und jetzt sehe ich auch, dass er ganz alt ist. Hat nur einmal gebellt, um seine Schuldigkeit zu tun, und im Übrigen gehofft, dass ihn diese beiden Gestalten in Frieden lassen. Sind ja nicht die ersten heute.


Aufstieg hinter Venda Teresa Durch Anklicken vergrößern Hinter dem Dorf geht's auf einer gerölligen Piste weiter, die meinen Füßen gar nicht gut bekommt. Aber bald erreicht man die Landstraße, die von der Abzweigung hinter dem Dorf hochsteigt. Rechts unten liegt jetzt der Stausee vor einer imposanten Bergkulisse, die bis über 2.000 m aufragt. Der Höhenweg wird jetzt abwechslungsreicher. Man sieht öfter Abschnitte der Eisenbahnstrecke von Ourense nach Puebla de Sanabria, die hier von einem Tunnel in den anderen saust. Diese wichtige Strecke verbindet ganz Südgalicien mit dem Osten, besonders Madrid. Die ganze Gegend war damals beim Tunnelbau eingesetzt, wie Fotos in der Casa Nuñez und hier und da Gedenktafeln zeigen.

Hinter dem nächsten Ort Venda de Capela, der sogar einen Bahnhof hat, liegt links eine verlassene Eisenbahnarbeitersiedlung. Im Schatten der Ruinen machen wir Pause für ein zweites Frühstück. Welche Pläne hatte es wohl mit dieser Zeile von Reihenhäusern gegeben? Jedenfalls hatte die Bahn die Menschen hier doch auf Dauer nicht ernähren können , und so waren sie weggezogen. Noch keine Anzeichen, dass man die Häuser wieder aufbauen wollte.

Ein paar Kilometer weiter wieder ein winziges Dorf, Bolaño. Ein kleiner brauner Hund liegt in der Sonne und beobachtet uns. Ich locke ihn, er kommt sofort gesprungen und lässt sich von mir streicheln. Das Bild steht am Anfang dieses Berichtes. Nein, ich habe keine Hundephobie. Im Gegenteil, ich mag Hunde und komme normalerweise gut mit ihnen aus.

Hier muss man sich entscheiden

Entfernungsmäßig hatten wir längst die Hälfte unseres heutigen Pensums hinter uns. Aber jetzt kam der schlechtere Teil der Strecke. Hinter Bolaño kommt man nochmal an einen Sattel, der von ein paar zerzausten Bäumen markiert wird. Erst wenn es schon etwas hinuntergegangen ist, kommt ein Schild mit einem Fotoapparat. Hier ist dann die Abzweigung nach links, bei der man sich gut überlegen sollte, ob man sie geht. Antje hatte ich gewarnt. Vor zwei Jahren war es furchtbar gewesen, da auf dem schlimmen Abstieg der durch die Schieferplatten gebahnte Weg von den Frühjahrsgüssen weggerissen war. Inzwischen mochte er ja wiederhergestellt sein, aber auch so hatte man bei diesem Schlenker Mühe. Man handelte sich etliche zusätzliche Höhenmeter ein, denn man stieg ja noch ein ganzes Stück hoch, während die Straße sich ab der Abzweigung stetig steil nach unten senkt, bis Campobecerros. Das muss man also alles wieder bis zu diesem Ort zusätzlich hinunter. Das war in diesem Jahr nichts für mich!

Wir blieben also auf der Straße, die sich nun in endlosen Kehren um die Berghänge wand. Lange, sehr lange, konnten wir hinter uns die zerzausten Bäume des kleinen Sattels sehen, die immer wieder auftauchten, wenn wir bei einer Kehre den äußersten Punkt zum Tal hin erreicht hatten. Es kam mir doch sehr lang vor. Tatsächlich war es vielleicht ein wenig weiter als über die Höhe, aber eben ungleich leichter zu laufen, wohl etwas eintönig. Nur der Blick ins Tal entschädigte etwas. Mein linker Fuß schmerzte fürchterlich, der rechte meldete sich ebenfalls. Nachdem ich schon ein paar Mal nach vorn geschaut hatte, weil das Rinnsal, das den Stausee speiste, unten immer dünner wurde, dauerte es doch lange, ehe ein-zwei Häuser in der Ferne auf einem Berghang sichtbar wurden. Ja, sie gehörten zu Campobecerros, das sich nur sehr zögernd blicken ließ.

Durch Campobecerros zur Casa Nuñez

Dann sahen wir das Dorf auf dem gegenüber liegenden Hang vom Tal her aufsteigen. Ich konnte ungefähr die Casa Nuñez ausmachen, eines der am höchsten gelegenen Häuser im Hintergrund. Bald kam aber von schräg links vorn der Pilgerweg herunter. Er macht hier noch einen langen Bogen in die falsche Richtung zurück. Dann hielt uns aber nichts mehr, und bald hatten wir den Dorfrand erreicht. Wir hielten uns an der Kirche halblinks und gingen so über die alte Dorfstraße, bis ich rechts in einer Seitenstraße schon unser Ziel, die Casa Nuñez sah.

Etwas verschwitzt und müde traten wir ein, waren froh, dass wir es für heute hinter uns hatten. Ich versprach meinem Körper alle Wonnen der Ruhe eines halben Tages. Es war gegen 14h00. Ich hoffte so sehr, dass meine Füße hier abheilen würden. Morgen kam ja noch eine Kurzetappe. Wir hatten jetzt weit über 200 km weg, da hat man eigentlich keine Blasen mehr, sondern nur noch Hornhaut. Aber was hilft die Spezialistenweisheit, wenn die Realität anders ist?


In der Bar feierten etliche einheimische Männer Wochenende; konnte man ihnen, die nach schwerer Arbeit aussahen, auch nicht verdenken. Kein Mensch hinter der Theke, man weist mit dem Daumen auf die Tür zum Speiseraum. Ich stecke den Kopf hinein, da sitzt die ganze Familie beim Mittagessen. Also nicht stören. Ein alter Mann (sicher der "Schö"!) schlurft heraus und gibt uns Getränke. Ich entschuldige mich wegen der Störung, sage, dass wir das Zimmer bestellt haben, es eile aber nicht. Das war falsch! Durch Anklicken vergrößern Wirtin der Casa Nuñez

Ein unverhofftes Wiedersehen

Wir genossen also unsere Getränke und ließen die Beine von den hohen Hockern herunterbaumeln. Mann, jetzt hätte ich mich doch gern lang gelegt! Ab und zu kam eine alte Frau durch die Tür herein, gab ein paar Bier aus und war wieder weg, ohne uns zu beachten. Ich rufe: "Können wir jetzt die Zimmer sehen?" Nein, die Zuständige ist noch beim Essen. Sch... !

Nach gut einer halben Stunde kommen auf einmal Antje und Vicente durch besagte Tür herein. Die hatten wir unter den vielen Leuten gar nicht beim Essen gesehen. Sie wollen natürlich weiter, aber ich sage Vicente noch, dass man uns hier hängen lässt. Er spricht nun auch das Personal an, ohne dass das erst was bringt. Endlich kommt eine energische Frau in mittlerem Alter, die ich wiedererkenne. Bei ihr laufen die Fäden hier zusammen, das merkt man. Antje und Vicente verabschieden sich. Sie waren trotz meiner Warnung den Umweg gelaufen und hatten das bereut, erzählten sie. Dann ziehen sie davon. Wir haben sie danach nicht wiedergesehen und sehr vermisst. Gelegentlich stand für uns ein Gruß in einem Herbergsbuch. Danke euch beiden!

Die junge Wirtin entschuldigt sich, dass wir solange warten mussten. Dann haben wir ruckzuck unser tolles Doppelzimmer, das man über die Terrasse erreicht. 25 EUR einschließlich Frühstück. Genauso stand's in A Gudiña in der Herberge angeschlagen. Sehr preiswert!

Wir duschen und schlafen erst einmal die Erschöpfung weg. Später erkunden wir das kleine Dorf. Viel gibt's nicht zu sehen. Leider keine Abendmesse, sehr schade. Eine Herde Ziegen wird über die Dorfstraße getrieben. Es gibt Reklame für Wintersport. Ja, das könnte Leute in diesen abgelegenen Ort locken. Immerhin ist er durch mehrere Straßen zu erreichen.


Piliqueiro Anton (mit Pilger) Durch Anklicken vergrößern

Woher kommt der Piliqueiro?

Ein Denkmal zeigt eine volkstümliche Figur, den piliqueiro oder peliqueiro, anderswo auch cigarrón genannt. Man trifft ihn in Abwandlungen in mehreren Gebieten Galiciens. Im Volksmuseum in Santiago waren mehrere solcher Figuren. Wen oder was er wirklich darstellt, habe ich bis heute nicht herausgefunden. Irgendjemand hat mir erzählt, das sei ein Steuereintreiber gewesen. Daher dann auch die komischen Blechbüchsen um die Hüfte, in der wohl die Steuereinnahmen landeten, der hohe Generalshut und die Peitsche, mit der er die Leute bedroht. Evtl. haben sich die einfachen Menschen früher mit dieser Karikatur über den unbeliebten Steuereinnehmer lustig gemacht. Hm, wenn die Deutung als Karikatur stimmt, dann könnte damit auch zusammenhängen, dass diese Sitte unter Franco verboten war. Ich meine, wir hätten in Montamarta auch eine ähnliche Skulptur an der Kirche gesehen. Der Piliqueiro tritt heutzutage in der Karnevalszeit auf. Er trägt Glöckchen, die vor seinem Kommen warnen, denn er macht den Kindern Angst und scheucht die Jugendlichen. Wen er erwischt, den bearbeitet er mit seiner Peitsche oder seinem Stock. Natürlich wissen die Kinder, dass es nur ein verkleideter Mann ist, aber wie ist das in Deutschland mit dem Nikolaus oder gar Knecht Ruprecht? Mir fiel ein, dass es früher in Deutschland bei den Schützenfesten einen Narren gab, der es den Leuten mit der Pritsche besorgte. Hört sich sehr parallel an.


20h00 Abendessen: Kichererbsensuppe, Fleisch und Pommes, Salat, Wein, Wasser, Brot, Mandarinen. (7 EUR, Standard, aber in Ordnung). Leider nicht die Forellen aus den Becken im Garten. Nach einem guten Schlummertrunk ging's ins Bett. Man kann sich ans Faulenzen gewöhnen. Heute hatten wir übrigens mit der 10. Etappe die Hälfte der geplanten hinter uns.


02. September 2007, Sonntag: Von Campobecerros nach Laza, 16 km (255 km)

Überflüssig zu sagen, dass wir herrlich geschlafen haben. Unten in der Bar war so früh morgens noch nicht viel los, aber die einzigen Gäste waren wir auch nicht. Wir bekamen das übliche karge Frühstück, Milchkaffee und Magdalenas, aber der Kaffee wurde in zwei hohen Gläsern serviert und schmeckte nach mehr. Ich bestellte also zwei Portionen nach, sie wurden nicht einmal berechnet. Das Frühstück war ja in der Übernachtung inbegriffen.

Gegen 9h00 rückten wir ab, wie üblich. Hinter Campobecerros geht die Hauptrichtung links aus den Bergen heraus, aber der Pilgerweg steigt geradeaus steil bergan. Zwei Frauen aus dem Ort dackelten ebenso wie wir da hoch und hielten ein Morgenschwätzchen. Sie hatten kein Ziel, kehrten oben einfach wieder um. Laufen, um sich fit zu halten, greift in Spanien um sich. Wir haben mehrere solcher Beobachtungen gemacht, vor allem von Frauen.


Gerade haben wir die Höhe gewonnen, da kommen uns ein paar Gestalten entgegen, die zwar gleich als Pilger zu identifizieren sind, aber als sehr ungewöhnliche. Erstens laufen die drei jungen Männer ja "verkehrt", nämlich von Santiago weg. Zweitens tragen zwei von ihnen eine Art Morgenrock als Kutte. Drittens haben zwei bloße Füße in Sandalen und auch nicht sehr viel Gepäck. Fröhlich begrüßen sie uns. Es sind drei Italiener, die mal eben so von Santiago nach Gibraltar unterwegs sind. Nein, Ahnung vom Weg haben sie nicht viel, auch fast kein Geld, schlafen oft draußen. Mir bleibt die Spucke weg. In sechs Wochen wollen sie Gibraltar erreicht haben. Hans und ich haben zwei Monate gebraucht (allerdings minus 4 Tage, die wir nach Finisterre gingen). Wir reden in einem Gemisch aus Spanisch und Italienisch, mit ein paar französischen Brocken garniert. Sie wollen i.W. wissen, ob noch "viel Straße" kommt. Das Pflastertreten sind sie Leid. Tja, einerseits kann ich sie beruhigen, es kommen ja lange Geröllwege, hahaha, andererseits auch viel Asphalt. Ich überlasse ihnen meine Übersichtskarte bis Salamanca. So unbekümmert, wie sie gekommen sind, ziehen sie weiter. An mancher Abzweigung habe ich mich dann kopfschüttelnd gefragt, wie man das umgekehrt laufend finden kann. Mit den Seinen ist wohl der Herr ... Hut ab vor diesen wirklich ganz echten Pilgern! Durch Anklicken vergrößern 3 Pilger im Gegenverkehr

Pilgerkreuz hinter Portocamba Durch Anklicken vergrößern Bald ist das nächste Dorf, Portocamba erreicht. Dahinter kommen wir zu einem Holzkreuz, an das ich mich von 2005 dunkel erinnere. Sonst ist kaum was von der Strecke damals in meinem Gedächtnis geblieben, ich muss wohl viel mit den Mitpilgern geschwatzt haben. - Jetzt beginnt die lange Abwärtsstrecke aus dem Gebirge heraus.

Wieder Blasen und Schmerzen

Die Sonne fängt an zu brennen, meine Füße halten das für eine gute Idee und fangen auch an zu brennen. Der Weg windet sich nun in langen Kehren wie gestern abwärts. Nach ein paar Stunden halte ich es nicht mehr aus, setze mich in den Straßengraben und verpflastere mir die Füße neu (siehe das Bild im Einleitungsteil). Den linken Ballen mit dem letzten Rest des "Wunderpflasters", alles Übrige mit Heftpflaster, sonst habe ich ja nichts mehr. Die ehemals große Blase zwischen Ballen und Zehen des rechten Fußes ist abgeheilt. Dort ist jetzt ein blutunterlaufender fester Hautklumpen, der mir in die Zehen kneift. Auf beiden Hacken haben sich tief unter der Hornhaut zwei kleinere Blasen gebildet. Ich muss sehen, nicht auf einen Stein zu treten, der sich gerade dort hineinbohrt. Mein Problemzeh (2. am linken Fuß) muss auch wieder eingewickelt werden. Nun, das ist immer so. Der Nagel ist etwas nach hinten geschoben worden, fängt an, sich blau zu färben. Jetzt, fast 3 Monate später, wo ich dies schreibe, ist er immer noch nicht ganz abgegangen, aber ein frischer Nagel schaut unter ihm hervor. Auch Antje hat geschrieben, dass sie einen Zehennagel verloren hat.


Nach der Versorgung geht's besser. Spitze Steine gibt es hier nicht. Hinter dem Dorf Eiras ist ein Pilgerrastplatz angekündigt, und der kann sich wirklich sehen lassen. Trinkwasser, Bänke, Tische, sogar teils überdacht, Abfallbehälter und eine tolle Aussicht. Hier machen wir lange Pause, haben heute schon fast die Hälfte hinter uns und viel Zeit. Touristen parken unweit. Ein Vater kommt mit seinem Töchterchen und spielt mit ihr. Er sagt uns, dass er auch schon Pilger gewesen ist. Sonntägliche Idylle. Durch Anklicken vergrößern Pilgerrastplatz hinter Eiras

Dann folgten weitere 4 km bergab, bis unten im Tal unser heutiges Ziel, Laza, auftauchte. Es liegt in einem breiten flachen Tal. Nach vier Etappen durch die hohen Berge nahmen wir nun Abschied von ihnen. Auch die schönsten Etappen lagen hinter uns. Aber das, was noch kommt, ist auch nicht schlecht; man ist nur durch die Pässe und die Höhenstraße der letzten Tage verwöhnt. Kurz vor Laza zweigt man noch einmal rechts auf eine steile Piste ab, die dann im Zickzack die restlichen Meter hinunter ins Tal führt. Bald hat man eine Landstraße erreicht, die einen in den Ort führt. 14h25 sind wir da.

In Laza: Durch die rechte Nebentür!

Hier hatte ich alles deutlich in Erinnerung. Links an der Straße lag das Lokal (Restaurante-Bar Blanco Conde), in dem wir vor zwei Jahren abends gegessen hatten. Rechts ging's zur Polizei, um den Schlüssel zu holen. Auch sonntags war dort besetzt. Wir trugen uns ein, bekamen die Stempel und den Schlüssel. Morgens braucht man ihn einfach nur durchs Fenster in die Wache zu schieben. Zur Herberge muss man weiter die Straße hoch. Vor einem gelben Haus geht es links, und dann liegt - hinter einer Mauer - das Sportgelände vor einem, als erstes die Herberge selbst, ein Gebäude um einen kleinen Innenhof, alles mit riesigen Glasfenstern bis auf den Boden. Der Schlüssel schloss mal wieder nicht bei der Eingangstür geradeaus. Des Rätsels Lösung: Er passt tatsächlich nicht, man muss die Nebentür rechts davon benutzen. (Muss einem ja bloß gesagt werden.) Wir haben das letzte Zimmer rechts, 8 Betten, winziges Fenster. Zu den anderen Schlafräumen passt der Schlüssel nicht, und wie wir nach und nach merken, auch zu den zahlreichen anderen Glastüren nach draußen nicht.


Herberge von Laza Durch Anklicken vergrößern Diese Herberge ist eigentlich sehr, sehr gut. Aber der, der den Architektenwettbewerb dafür gewonnen hat, hatte sicher niemals in einem solchen Haus gewohnt. Außerhalb der Schlafzimmer, die wegen der Hitze verdunkelt sind, ist alles sonnendurchflutet - und grauenhaft heiß! Ich setze sämtliche Fenster auf Kippposition. Bringt nicht viel. Da die Pilger natürlich sonst die Türen aufmachen würden, um Durchzug zu schaffen, und da diese dann vom Wind zugeknallt und zerdeppert würden, darf keine aufschließbar sein. Daran hat der Architekt nicht gedacht. Bei Sonne kann man sich eigentlich nur im Freien aufhalten. Zur Waschstelle - eine abgeschlossene Dependance (dafür gibt es einen zweiten Schlüssel) muss man um das ganze Haus herumlaufen. Nun ja.

Aber sonst ist die Herberge sehr gut eingerichtet, auch die Küche und - täterätä! - sie hat sogar einen (funktionierenden) Kühlschrank. Ja, sowas gibt's nur ganz selten. Ich schaue hinein: ein paar zurückgelassene Vorräte, darunter - mich narrt ein Spuk - eine Dose Bier. Na, die zischt jetzt gleich hinunter. Ich habe ganz schwer Erhard in Verdacht, dass er das für seinen lieben Pilgerbruder Rudolf zurückgelassen hat, als kleine Überraschung. Erhard, die ist gelungen! Im Herbergsbuch stand er wie erwartet mit Antje und Vicente eingetragen.

Einkaufen am Sonntag

Die sehr freundliche Polizistin hatte uns gesagt, wo man auch am Sonntag noch einkaufen kann. Es geht einfach bei dem gelben Haus geradeaus (also von der Herberge aus gesehen, dahinter scharf links). Dann kommt nach etwa 300 m ein eigener Ortsteil, Cimadevila ("Oberdorf"). Von der Höhe des Pilgerweges hatte ich das alles schon überblickt, auch die große grüne Sporthalle, neben der die Herberge liegt. - Links kommt dann die Bar Cimadevila mit einer Tienda. Dieser Wirt war freundlich und geschäftstüchtig. Er winkte uns zu, einen Moment Geduld zu haben. Erst versorgte er seine Stammgäste, und dann stand er uns zur Verfügung. Wir durften sogar hinter den Tresen und seine Vorräte in Augenschein nehmen. Nun, wir tranken einiges und kauften noch mehr. Hedwig wollte wieder kochen, und so hatten wir es wieder nicht nötig, zum Abendessen auszugehen.

Dann ins Ortszentrum, um eine Telefonzelle zu suchen. In der Taberna do Ardillas, unweit des Rathauses, wurden wir fündig. Dort gab es (innen) ein Münztelefon. Dummerweise haben wir uns nicht den Verlauf des Pilgerweges gemerkt. So sollte ich mich wie vor zwei Jahren anderntags hier verlaufen, das hatte ich wohl verdrängt. Zurück zur Herberge, an der Kirche vorbei. Leider hatten wir heute keine Messe gehabt.

Zwei neue Pilgergeschwister

Ich rechnete damit, dass ab ca. 19 Uhr Langläufer von A Gudiña kommen würden. 19h05 hörten wir Stimmen: Karlijn und Wilko aus den Niederlanden, ein junges Paar, das ich in vielem bewundert habe. Beide konnten auch Deutsch, aber ich bemühte mich, auch meine Niederländischkenntnisse anzubringen. Wilkos Niederländisch konnte ich sehr gut verstehen, mit Karlijns hatte ich Mühe, sie sprach wohl weniger Hochsprache als er. Wilko und Karlijn kamen von A Gudiña und waren recht kaputt. Wir erklärten ihnen, wo die Wäscheleinen sind, wo man einkaufen kann, usw. Abends gingen sie essen und waren etwas enttäuscht, dass wir uns nicht anschlossen.

Hm, auch sie hatten einen Schlüssel zu "unserem" Zimmer. Wir schauten uns zu viert an und dachten alle dasselbe: Das hätte doch nicht sein müssen! Da gibt es vier Schlafräume, und dann quetschen sie die ersten Pilger alle in einen. Mir kam eine Idee. Weil ich so schlimm schnarche, erklärte ich, ziehe ich in den Tagesraum. Karlijn sagte gerührt: "Wat lief!" Nun, wenn sie aber Zweisamkeit gesucht hatten, war das immer noch nicht gegeben, und Hedwig wollte durchaus im Schlafraum bleiben. Wie recht sie damit hatte, sollte ich abends herausfinden. Während draußen längst eine frische Nachtluft herrschte, war es bei mir im Tagesraum immer noch brüllheiß, im Schlafraum dagegen wegen der Verdunkelung des einzigen kleinen Fensters erträglich. Also, das war daneben gegangen. Die halbe Nacht wälzte ich mich schwitzend und lautlos schimpfend auf dem Schlafsack rum. Sowas mache ich nicht nochmal!

Das bekannte Problem mit dem Licht

Hinzu kam noch das Lichtproblem der modernen Herbergen in Galicien. Ich habe es schon einige Male geschildert. Es gibt keine Lichtschalter. Wenn man Glück hat, geht die Beleuchtung nachts automatisch (bis auf die Notbeleuchtung) aus. Hier schien mir im Tagesraum eine Lampe so lange genau ins Gesicht, bis ich den Sicherungskasten fand und den Hauptschalter umlegte. Jetzt gab's aber auch kein Licht mehr auf dem Klo! Nun, bis Karlijn und Wilko vom Essen zurück waren, ließ ich die Nachtbeleuchtung an. Auf einmal schaltete sie sich dann doch ab. Nun hatte ich "nur" noch das Licht der Straßenlaternen. Die Fenster verhängen, ging wegen der Hitze nicht. Nun, irgendwann habe ich dann doch geschlafen.


03. September 2007, Montag: Von Laza nach Vilar de Barrio, 20 km (275 km)

7h00 raus. Wir waren gerade beim Frühstück, da ging 7h20 das Licht automatisch aus. Die spinnen, die Galicier! Wie 2005 in Portomarín saßen wir da im Dunkeln. Langsam wurde es dann hell. Gegen 8h40 liefen wir los, Wilko und Karlijn lagen noch in den Federn. Es war 13,5 Grad. Ansonsten Sonnenschein wie immer.

So verläuft der Pilgerweg aus Laza heraus

Man geht an der Polizeiwache vorbei rechts um den großen Platz, wenn man den Schlüssel wegbringen muss. Sonst ist es an der Kirche entlang kürzer. Egal, ich lief sowieso wieder wie vor zwei Jahren blind geradeaus bis zur Fernstraße. Richtig ist, hinter dem Platz (oder an der Kirche vorbei), rechts abzubiegen und dann immer geradeaus durch das Dorf zu laufen, bis man am Ende im spitzen Winkel von rechts auf die Fernstraße kommt.

Peinlich, schon wieder hier falsch gelaufen!

Den Wegeverlauf von vor zwei Jahren noch (falsch) im Kopf überquerte ich statt dessen die Fernstraße, brummelte, dass ein Pfeil fehlte (mir fiel immer noch nichts auf) und lief noch über die nächste Kreuzung geradeaus bis zu einer Brücke. Erst da merkte ich, dass wir falsch waren, und so langsam dämmerte es mir: Mann, seit dem Verlaufen vor zwei Jahren hatte ich nichts dazugelernt!

Ein Tipp für eine Alternative

Der Witz ist: Eigentlich kann man auch so laufen, wenn man ca. zwei Dritteln der Landstraße entkommen will, und es ist nur ca. 200 m weiter. Links der Straße verlaufen nämlich gleich drei schöne Pisten parallel zu ihr, eine vor dem Bach und zwei dahinter. Die letzte schlängelt sich an der Waldgrenze entlang und muss sehr schön sein. Sie kommt erst kurz vor dem nächsten Dorf Soutelo Verde wieder auf den Pilgerweg, während die anderen beiden Wegalternativen noch früher wieder auf die Landstraße münden. Alles das stellte ich zu Hause mit dem schon erwähnten Satellitenprogramm Iberpix fest. Vielleicht probiert ein Pilgerfreund diese Alternative mal aus und schreibt mir dann.

Nun, wir latschten also ergeben die Landstraße, so schlimm war es auch nicht. In einer leichten Linkskurve zweigt der Pilgerweg geradeaus ab, geht aber schon 30 m weiter nach links über eine Brücke auf die OU-113 zurück. Ohne besondere Ereignisse passierten wir Soutelo Verde. Danach verlässt man die Landstraße halbrechts und läuft lange durch ein schönes grünes Tal bis Tamicelas. Dort waren ganze Gruppen von Menschen auf den Feldern und ernteten Kartoffeln. Hinter dem Ort wand sich der Weg den ersten Abhang hoch. Wir machten Trinkpause, um uns zu stärken.


Nach einigen hundert Metern durch den Wald begann dann der eigentliche Aufstieg, sehr steil über Felsen hoch, aber noch hatte ich genug Puste. Oben ging es noch lange bergauf, zwar meist nicht so steil, aber doch stetig und gehörig, über schöne Pisten und Wege, dazu brannte längst die Sonne wieder. Bald schaute ich doch nach links zur nahen Fernstraße, ob wir diese nicht bald erreicht hatten. Das Panorama beim Blick zurück auf Laza hinter uns unten und Eiras weit oben in den Bergen war allerdings sehr sehenswert. Mein linker Fuß meldete sich wieder. Kurze Pause im Schatten. Etwas außer Atem kamen wir nach fast 3 km auf der Straße an. Vor zwei Jahren war ich so fit, dass ich diese Steigungsstrecke gar nicht richtig registriert hatte. Durch Anklicken vergrößern Steiler Aufstieg auf dem Weg nach Alberguería

Im Rincón del Peregrino Durch Anklicken vergrößern Kurz darauf kamen wir nach Alberguería (das Handbuch sagt "Albergaría"). Ich freute mich auf die bekannte Bar Rincón del Peregrino, wo uns ein netter Wirt bedient hatte. Wir traten ein, und da war er hinter der Theke, ein Stück älter und dicker, als ich ihn in Erinnerung hatte. Außer einem Gast waren wir allein. Der Wirt versorgte uns mit Getränken und einigen Bananen. Ohne zu fragen, gab er uns auch eine Muschel, damit wir unsere Namen darauf schrieben. Sie wurde an die Decke gehängt, zwischen Hunderte anderer. Antje und Vicente grüßten im Gästebuch. Am Ende will der Wirt von mir nur 2,60 EUR (3 Colas, 2 Bananen und ein Obolus für die Muschel?). "Das kann doch nicht sein", entfährt es mir. Er schaut irritiert auf. "Zu wenig" erkläre ich und zähle auf, was wir gehabt haben. Er hatte nur 2 Colas gerechnet und die Muschel sei ein Geschenk. Ich gebe ihm 5 EUR, bedanke mich. Hedwig macht noch ein Bild von uns beiden. Hoffentlich hält der Wirt das hier wirtschaftlich durch.

Der weitere Weg nach Vilar de Barrio

Hinter Alberguería läuft man ein ganzes Stück einen schönen Weg weit links von der OU-113, bis man eine Asphaltstraße überquert und dann fast bis zur OU-113 kommt. Es geht aber an ihr links entlang bis zu einer Kreuzung. Dort quert man und erreicht nach etlichen 100 m wieder ein hohes Holzkreuz. Wie ließen es rechts liegen und liefen geradeaus weiter, bis wir wieder auf die OU-113 stießen. So kürzt man einig Schleife ab. Nun folgt man der Straße, aber nur einige 100 m weit. Dann zweigt ein Waldweg links ab, und danach geht es ganz steil nach unten, auf einem übel gerölligen Weg. Ich passe höllisch auf, habe keine Lust, auf die Nase zu fliegen. Unten Weidegelände. Ich brauche schon wieder eine Pause, aber wir haben ja auch Zeit. Schläfchen auf einer Wiese. Jeden Moment müssten Wilko und Karlijn auftauchen, aber die lassen sich jeden Tag sehr viel Zeit. Warum sollte man auch in den Herbergen rumhängen, wo es draußen in der freien Natur so herrlich ist? Da haben sie wirklich Recht. Ja, jung und romantisch müsste man noch sein!

Wieder einmal ein böser Sturz

Wir biegen an einer Mauer rechts ab und kommen auf eine kleine Landstraße heraus, aber es ist nicht wieder die OU-113, wie das Handbuch behauptet. Die schlängelt sich weit oberhalb noch durch die Hänge, das kürzt der Pilgerweg ab. Links ab, und nach einigen hundert Metern eine Abzweigung halbrechts, weil die kleine Straße sich nach Süden wendet, und dann ist man auf einer größeren Asphaltstraße (OU-1104), die von Süden kommt. Vor uns ist der Ort. Ich versuche mich zu orientieren - und vergesse auf der sicheren Straße meine übliche Vorsicht. Bauz - schlage ich lang hin. Genau wie vor Utrera, geht mir durch den Kopf. Mal wieder ein schadhafter Asphaltrand und ich mit dem Handbuch vor der Nase ... Ich spüre wie befürchtet, dass ich wieder mit dem linken Fuß umgeknickt bin und mir den Knöchel verstaucht habe. Das kann's gewesen sein. Der restliche Schaden ist bald erhoben: Die Knie nur etwas unter der Hose aufgeschrammt, aber mal wieder eine Klinke im rechten Hosenbein. Die Hände haben fast nichts abbekommen. Die hintere Muschel von meinem Hut liegt zerschmettert auf dem Asphalt. Naja, die hintere ist nicht so schlimm. Alles in allem wäre das eine Bagatelle, wenn die Verstauchung nicht wäre. Ich trete vorsichtig auf. Es tut weher als damals vor Utrera. Man kann zusehen, wie der Knöchel links anschwillt, es sieht schlimm aus. Das konnte es wirklich gewesen sein.

Wo man in Vilar de Barrio einkaufen kann

So humpele ich ca. 15h30 nach Vilar de Barrio rein. Man wird zuerst noch einen Rechtsschlenker durch einen ersten Ortsteil geführt, kommt aber bald wieder auf die Landstraße zurück. Hier dirigiert einen das Handbuch rechts zum zentralen Platz. In dieser Richtung liegt links der Supermercado Milagros. Man sieht aber nur ein Schild "Piensos", das zu dem Geschäft daneben gehört. Jedenfalls kann man dort gut einkaufen, besser als in dem Kramladen oben jenseits den Platzes. Die Pilgerwegzeichen sagen aber nicht "rechts ab", sondern lassen einen die Straße überqueren. Man kommt so ebenfalls zum zentralen Platz, aber näher an der Tankstelle heraus, wo es den Schlüssel gibt. Aber erst passieren wir unten am Platz links eine Bar. Gäste glotzen. Ich beiße die Lippen zusammen und laufe stur geradeaus auf die Grünanlagen des zentralen Platzes zu, die gegenüber steil ansteigen. Wenn man statt dessen hier an der Bar links um die Ecke biegt, kommt nach 100 m rechts ein Geschäft, das noch besser sortiert ist als der Supermercado Milagros.


Zur Tankstelle muss man also die Treppen hoch zur OU-113, die hier als Hauptstraße von rechts durch den Ort führt. Eine Frau betreut die Tanksäulen, sitzt aber meist in der Bar links oben auf der Ecke. Sie kommt gleich, stempelt die Ausweise und gibt uns den Schlüssel. Weiter rechts die Hauptstraße (OU-113) hoch liegt links die Herberge. Sie soll heruntergekommen sein, hieß es. Zuerst gingen wir an der Herberge rechts die Treppe hoch, bahnten uns einen Weg durch die erstaunte Dorfjugend dort und schlossen die obere Tür auf, wie vor zwei Jahren. Die untere ist ja immer abgeschlossen, hatte ich damals gelesen. - Kurze Inspektion: Tatsächlich, die Damenduschen sind nicht zu gebrauchen, es hat einen gehörigen Wasserschaden gegeben. Durch Anklicken vergrößern Pilgerherberge von Vilar de Barrio

Wasserschaden in der Herberge

Überall hängen auf Zetteln Lobeshymnen auf María del Carmen, das Muttchen von gegenüber (Hausnummer 17, verblichenes Fantaschild), herum, das vor zwei Jahren noch ein Geheimtipp für die Beköstigung war. Na, die war ja inzwischen voll in das Pilgergeschäft eingestiegen. Mühsam humpele ich die steile Treppe nach unten. Küche, in die es durch die Decke heruntertropft, wenn oben doch bei den Damen geduscht wird, und daneben das Behindertenzimmer hinter einer Schiebetür. 4 Betten und nebenan Klo und Waschbecken (Dusche allerdings kaputt). Das war ja das reinste Sanatorium! Gleich nahmen wir das Zimmer in Beschlag.

Ein junges argentinisches Paar

Einkaufen in dem kleinen Laden oben am Platz. Der hat kaum was anzubieten. Erst später erinnern wir uns an das Geschäft unten, wo man in den Ort hereinkommt. 18h15. An der Tankstelle sind zwei jugendliche Radfahrpilger vorgefahren. Ich schlendere vorsichtig hin, habe ja den Herbergsschlüssel in der Tasche. Ich konnte schwören, die beiden schon in Sevilla gesehen zu haben, aber sie behaupteten, dort nicht gewesen zu sein. Dabei fallen sie sehr auf. Es ist ein Pärchen aus Argentinien, beide mit Rastazotteln, dunkelbraun gebrannt. Das Mädchen schätzte ich auf höchtens 16 Jahre, klein und zierlich, mit blitzenden Augen, sah gut aus. Der junge Mann mochte zwei Jahre älter sein, evtl. waren sie auch Geschwister. Ich bewunderte, wie die beiden ihre schwer beladenen Fahrräder beherrschten. Ich sagte ihnen, dass die Tür der Herberge offen sei, und meinte die obere Tür. Dann zockelte ich hinter ihnen her. Sie saßen etwas missmutig vor der Herberge, hatten mich wegen der oberen Tür nicht verstanden. Ich wollte ihnen demonstrieren, dass der Schlüssel unten nicht passt, und sah auf einmal, dass ich zwei Schlüssel hatte. Der zweite passte doch tatsächlich unten. Die obere Tür scheint gar nicht mehr benutzt zu werden. Die beiden Argentinier mussten denken, dass ich sie auf den Arm nehmen wollte. Peinlich! Dabei war es nur "Handbuchblindheit".


Hinweis: In Vilar de Barrio kann jetzt auch die untere Tür benutzt werden.
Eine halbe Stunde später kamen auch Wilko und Karlijn. Für beide Paare gab es oben einen eigenen großen Schlafraum, alle machten zufriedene Gesichter. Unsere niederländischen Freunde hörten sich meinen Unfall an. Einen Bus nach Ourense hatte ich schon in Erfahrung gebracht. Außerdem waren wir nebenan in der Apotheke gewesen, aber wieder kein Elastoplast zu bekommen. Ich hatte mir ein Papiertaschentuch, getränkt mit Sportlersalbe, um den Knöchel gelegt und dann eine Wickelverband darum. Ich musste ihn zweimal lockern, um laufen zu können. Wilko und Karlijn schauten entsetzt auf mein dick geschwollenes Gelenk, immer noch wie ein halber Tennisball. Nun, jammern half nicht.

Essen gegenüber: kein besonderer Tipp mehr

Statt dessen lieber zu Doña Maria del Carmen, um was Gutes zu essen. Eigentlich waren wir gar nicht so hungrig. Mit Mühe konnten wir verhindern, dass sie wieder viel zu viel anschleppte. Auch gab es wieder Schnaps, aber es war kein Eichelschnaps, wie ich vermutet hatte, sondern selbst gebrannter aus Kaffee und Zucker. Mir schmeckte er wohl, aber Hedwig weniger. Dazu lagen ihr die fettigen Pommes die halbe Nacht schwer im Magen. Außerdem nahm die gute Alte uns je 10 EUR ab, trotz reduziertem Programm. 2005 waren es noch 8 EUR gewesen. Der Pilgerweg verdirbt die besten Sitten ;-) Tja, sooo einmalig ist es also nicht mehr bei ihr. Bei der gut eingerichteten Küche in der Herberge kann man auch gut selbst kochen.

Die halbe Nacht wälzte ich mich mit Sorgen auf der Matratze hin und her. Außerdem war es heiß, und es plagten sogar ein-zwei Mücken. Erst gegen 4 Uhr morgens schlummerte ich richtig weg. Gut, dass wir wenigstens eine eigene Toilette um die Ecke hatten.

Abschließend zur Herberge

Die Herberge ist arg mitgenommen und auch nicht die sauberste. Hier müsste dringend renoviert und ein Putzdienst eingerichtet werden. Die Pilger zahlen dafür gern einen festen Betrag, denn hier wollte die Dame von der Tankstelle wieder nur eine Spende haben, die man aber noch richtig aufdrängen musste.


04. September 2007, Dienstag: Ruhetag in Vilar de Barrio

6h00 geht der Wecker, damit wir um 7h25 den Bus nach Ourense erreichen. Die Bushaltestelle ist nur wenige Meter weiter am Platz. Ich kontrolliere meinen Knöchel. Die Sportlersalbe hat wieder Wunder gewirkt. Er ist zwar immer noch dick geschwollen, aber er schmerzt nicht, auch nicht bei Auftreten. Dem Himmel sei Dank!

Wir müssen nicht abbrechen!

Also beschlossen wir: Wir legen hier einen Ruhetag ein, damit sich der Knöchel erholen kann. Meinen Blasen wird das auch gut tun. Gottseilob war so ein Reservetag ja eingeplant. Wir brauchen nicht abzubrechen, das ist das Wichtigste!

Bekommt ein Pilger so einen Ruhetag rum, ohne wahnsinnig zu werden? - Doch, es geht, wenn man die Notwendigkeit einsieht. Wenn ich morgen noch nicht laufen kann, nehmen wir einen Bus nach Xunqueira. Wenn es den gibt! Evtl. fährt der Bus von hier nach Ourense gar nicht über Xunqueira. Sonst können wir froh sein, dass ohnehin morgen nur eine Kurzetappe mit 14 km ansteht. Viele Pilger laufen von Laza gleich in einem Tag dorthin (34 km).

7h20 brechen die Argentinier noch im Dunkeln auf. Ganz schön gefährlich, die Räder scheinen kein Licht zu haben. Gegen 10h40 gehen wir zur Tankstelle, ich erkläre die Situation. Die Betreuerin ist sofort einverstanden, dass wir noch bleiben. Das war nicht selbstverständlich. Ich war ihr sehr dankbar.


Wilko und Karlijn vor dem Aufbruch Durch Anklicken vergrößern Wilko und Karlijn kommen erst um 8h30 aus den Federn, die haben's nie eilig. Wir frühstücken gemächlich, erzählen unseren Entschluss. Werden wir sie wiedersehen? 11h00: Wilko und Karlijn rücken ab. Es wird heiß. Meinen Füßen geht es besser: Der rechte Fuß ist so gut wie abgeheilt, der Problemzeh schmerzfrei. Nur unter dem Pflaster des linken Fußes ist noch Druckschmerz, da muss noch eine Blase darunter sein.

Hedwig hat immer noch Kopf- und Leibschmerzen von dem fettigen Essen gestern. Auch der Schnaps ist ihr nicht bekommen. Ich habe keine Schwierigkeiten. Mittags macht sie Fischsuppe, abends ein Omelette. Über die Verpflegung kann ich wirklich nicht klagen.

Gegen 14h00 taucht ein spanisches Pärchen auf. Sie wollen aber nur Siesta machen und ziehen später um 17h30 weiter. Rumhängen. Selbst Siesta machen. Etwas das Dorf besichtigen. Dabei finden wir den dritten Laden. Hinter dem Ortsausgang nach Westen zweigt eine Straße in die Ebene vor den Bergen ab; schnurgerade verläuft sie, soweit das Auge reicht. Vilar de Barrio ist eigentlich ein ganz netter Ort, auf zwei Seiten von steilen Hügeln umgeben. Dort muss man gut wandern können. Wir fühlen uns etwas einsam in der Herberge. Niemand kommt mehr. Schon 21h30 liegen wir im Bett.


05. September 2007, Mittwoch: Von Vilar de Barrio nach Xunqueira de Ambía, 14 km (289 km)

7h00 sind wir aufgestanden und kamen 8h20 los. Zuerst brachten wir der Betreuerin an der Tankstelle den Schlüssel zurück und bedankten uns bei ihr. Sie machte keine Anstalten, nach einer Spende zu fragen. Ich gab ihr 20 EUR, und sie freute sich. Danach ging es zum Dorf hinaus.

Durch eine schöne Heidelandschaft am Rand der Berge

Vilar de Barrio liegt am Rande der Berge und des Limiatales. Hier folgt der Pilgerweg zunächst diesem Grenzbereich, wobei links das sehr breite Tal mit Bergen im Hintergrund liegt, rechts immer die Höhen ansteigen. Eine ideale Lage für Ansiedlungen, die hier auch eine nach der anderen in Form von kleinen, langgezogenen Dörfern folgen. Noch am Ortsausgang von Vilar will es ein Kläffer wissen. Ich probiere mal die Ultraschallabwehr aus, er prallt tatsächlich zurück und hört verwirrt auf zu bellen. Naja, notwendig war der Einsatz nicht.

Wir durchqueren Bóveda und danach Vilar de Gomareite, alles auf Asphalt. Danach verlässt man den Schutz der Höhen und läuft ins Tal hinunter. Von einer kleinen Landstraße zweigt links eine der vielen Pisten ab. Diese geht schnurstracks geradeaus bis zum Horizont, 3,5 km sagt das Handbuch. Diese Strecke bleibt vielen Pilgern in Erinnerung, weil es so lange geradeaus geht. Aber anstrengend ist es nicht, auch landschaftlich schön und einsam. Der Sandboden schont meine Füße. Ich bemerke auf einmal, dass ich zum ersten Mal nach vielen Etappen keine Schmerzen mehr habe. Nicht einmal der immer noch geschwollene Knöchel, den ich nicht einbandagiert habe, macht sich bemerkbar. Oh, was bin ich glücklich!

Rechts ab nach Bobadela, das wir 10h30 erreichen. Hier liegt links an der Hauptstraße eine Bar, in der uns eine alte Frau 2005 ganz schön abgezogen hat. Wir laufen gar nicht so weit, denn Kaffee brauchen wir (noch) nicht, und der Pilgerweg biegt schon vorher rechts ab ins Ortszentrum. An dem winzigen zentralen Platz mit Brunnen lassen wir uns auf einer Bank vor einem Haus nieder. Hier ist ein Schild "Jacobea 2004", also extra ein Rastplatz für Pilger ausgewiesen. Eine Frau lugt aus der Tür, sie hat unsere Stimmen gehört. Ach so, nur harmlose Pilger. Zweites Frühstück mit Apfelsine. Das ist ein herrlicher Tag. Pilgern und doch ausruhen! Diese Kurzetappe schickt der Himmel.


Wieder ein Lob dem, der den Pilgerweg ausgesucht hat. Man läuft wunderschöne Fußwege, im Schlängel zwischen Dörfern hindurch. Bald geht es auch wieder die Höhen am Rand des Tales hoch. Aber alles keine schlimmen Steigungen. Hinter Padroso passiert man eine Felsengruppe, von der man aus einen schönen Blick zurück und ebenso auf der anderen Seite ins nächste Tal hat. Der Zielort Xunqueira de Ambía liegt irgendwo jenseits des neuen Tales, kann nicht mehr weit sein. Durch Anklicken vergrößern Am Rand des Limiatales

Wir kommen unten in dem kleinen Bauerndorf Cima de Vila heraus, nach ein paar wilden Abzweigungen schmaler Steinwege. Hier frage ich mich, wie die drei Italiener das in der umgekehrten Richtung gefunden haben. Am Dorfweg liegt ein Schäferhund. Ich habe ihn völlig übersehen. Er schaut nur dösend, dass ihm keiner was tut. Der weitere Weg besteht wieder aus ausgesuchten Pfaden in unmittelbarer Nähe einer Fernstraße, aber man kann sie ausblenden. Hinter Quintela hat man wieder Asphalt.

Zwei Bäuerinnen stehen am Straßenrand und sehen uns halb entsetzt an. Wie kann man bloß so zu Fuß unterwegs sein, das wäre nichts für sie, sagt die eine Frau so laut, dass wir es hören können. Dann, halb mitleidig an uns gerichtet: die Herberge sei nicht mehr weit. Wir bogen wieder von der Landstraße ab. Einige hundert Meter weiter mussten wir Platz machen, da ein kleiner Firmenbus von hinten kam. In ihm saßen die lauffaulen Frauen und winkten uns zu. Dann ahnten wir schon den Ort vor uns.

Schlüssel in der Bar Retiro

Unter Bäumen biegt man rechts ab auf die oberhalb des Dorfes gelegenen Sportanlagen zu. Zwischen einem Haus und der großen Sporthalle liegt die Herberge. Wieder hat hier ein moderner Architekt seine Hand im Spiel gehabt. Er hatte es mit Metallaußenwänden, die inzwischen schützenden Rost angesetzt haben, was - für meine Begriffe - entsetzlich aussieht.

12h20. Natürlich niemand da. Wir versteckten unsere Rucksäcke unter Büschen hinter der Herberge und liefen an der Sporthalle vorbei in den Ort hinunter. Ich konnte mich an alles gut erinnern. Unten geht es auf einer Landstraße nach links, unterhalb eines Gebäudekomplexes, der ziemlich verwahrlost aussah. Irgendeine Sportbildungsstätte einer staatlichen Einrichtung. Man kommt an die Bebauungsgrenze. Der Pilgerweg zweigt etwas vorher auf einen Fußweg rechts von der Straße ab. Man kann aber auch erst, wenn man die Häuserzeile vor einem erreicht hat, rechts herumgehen.

Ein "Por-aqui" hängt aus dem Fenster und winkt wie wild, wir sollten nach links. Nun, nach links geht es gleich in den Ortskern, aber ich wollte rechts herum und dann geradeaus zur Bar Retiro, wo man den Schlüssel zur Herberge bekommt. Da kann ich ganz schön bockig sein. Jawohl, wir fanden die Bar problemlos. Die Wirtin rückte den Schlüssel heraus und stempelte die Ausweise. Wir bestellten noch Cola, die war ganz schön teuer (1,30 EUR). Ourense wirkte preislich wohl schon bis hier. Ich war immer noch heilfroh, dass mein Knöchel durchgehalten hatte und meine Füße nicht schmerzten. So ein Ruhetag kann doch Wunder wirken.

Einkaufen und Essen in Xunqueira de Ambía

Von der Bar aus, an der der Pilgerweg anderntags vorbeiführt, gingen wir ein wenig zurück, dann rechts in eine Gasse, und bald hatten wir den zentralen Platz mit der Kirche und dem Kloster erreicht. Der Laden an der Ecke ist nicht zu empfehlen. Die Besitzerin saß uns im Nacken, als wenn wir danach aussahen, was klauen zu wollen. Tipp: Besser rechts die Straße hoch zu einem zweiten Platz. Dort liegt rechts am Ende ein Supermarkt. - Links von der Kirche die Bar Saboriño mit Menü für 7,50 EUR. Ich wollte da gleich Mittag machen, aber Hedwig hatte keinen Appetit, litt noch unter den Nachwirkungen der Magenverstimmung von gestern. Allein hatte ich aber auch keine Lust, essen zu gehen. Also notierten wir uns nur an der Kirche die Zeit, wann Abendmesse war, und gingen dann zurück zur Herberge.

Wenn man sie betritt, liegt links der Aufenthaltsraum mit Küche. Die Fenster lassen sich gottlob öffnen, denn auch hier war wegen der Sonneneinstrahlung wie in Laza eine Brüllhitze. Geradeaus ein Gang, von dem links drei Schlafräume und rechts die Toilettenanlagen abzweigen. Alles bestens in Schuss. Hedwig und ich schnappten uns den ersten Schlafraum mit nur 4 Betten, wieder mal das Behindertenzimmer. Dort waren vor zwei Jahren die 3 Frauen (Ingrid, Renate und Engracia, die Frau von Jean-Pierre) untergekommen. Den Gang schloss ein schwerer Kunststoffvorhang ab, als Schutz gegen die Sonne. Die Schlafräume hatten große Schiebetüren. Insgesamt gut eingerichtet, aber wehe, wenn der Vorhang gefehlt hätte! So war die Temperatur im Innern der Herberge ganz erträglich, und im Aufenthaltsraum konnte man für Durchzug sorgen.


Helmut und ich vor der Herberge in Xunqueira de Ambía Durch Anklicken vergrößern Siesta und Nachmittagskaffee. Mein Gott, hatten wir es gut! Gegen 17h00 auf einmal Bewegung draußen. Ein Pilger stapft herein, den Kopf mit einem Tuch umwickelt, etwa in meinem Alter. Das ist endlich Helmut aus den Niederlanden, den ich schon ein paar Mal erwähnt habe. Er hat die Doppeletappe von Laza nach hier gemacht und stöhnt noch von dem Aufstieg vor Alberguería. Wir sind gleich auf du und du. Er spricht Deutsch wie ein Wasserfall, dabei mit einer herrlichen niederländisch verschobenen Idiomatik. Da sieht man mal, dass Niederländisch und Deutsch gar nicht so einfach austauschbar sind. Mein Niederländisch musste in seinen Ohren genauso deutsch klingen. Der muttersprachliche Akzent bleibt ja außerdem auch.

Niemals im Sommer durch die Extremadura!

Etwas zum Leidwesen von Hedwig hatten sich jetzt die richtigen beiden gefunden, denn sowohl Helmut als auch ich dürfen als "mitteilungsfreudig" gelten, und wir hatten uns auch auf den kommenden Etappen manches Interessante zu erzählen. Hedwig möchte auch mal schweigend laufen, dazu musste sie in den nächsten Tagen uns Männer besser für sich lassen. Helmut war in Sevilla aufgebrochen und hatte in glühender Sommerhitze die Extremadura durchquert. Davon wird mit Recht immer dringend abgeraten. Man sollte meinen, dass zum Ausgleich die Herbergen dann weniger frequentiert sind, aber erstens sind ja auf der Via ohnehin nicht viel Leute unterwegs, und zweitens waren viele Refugios im Sommer sogar geschlossen, da selbst die Einheimischen vor der Gluthitze in andere Landesteile flohen. Helmut hatte große Schwierigkeiten mit den Unterkünften gehabt. Am meisten schimpfte er über seinen Landsmann, der die Bar (ehemals Miramar, danach Lindamar) oberhalb des Tajo-Stausees vor zwei Jahren wieder in Betrieb genommen hat. Es muss ihm wohl nicht gut gehen, denn er sei sehr unfreundlich und überhaupt nicht hilfsbereit gewesen. Nicht einmal etwas zu trinken hatte es gegeben. Das hatten wir 2005 ganz anders erlebt.

Gegen 18h30 gingen wir ins Dorf zum Einkaufen. 20h00 in die Abendmesse. Als wir zurückgingen, saß Helmut in der Bar Saboriño beim Essen. Hedwig wollte aber lieber wieder kochen, und das tat sie denn auch. Das Essen sei aber gut gewesen, berichtete Helmut später. Nach einem gemeinsamen Abendplausch im Aufenthaltsraum gingen wir dann zeitig in die Betten.


06. September 2007, Donnerstag: Von Xunqueira de Ambía nach Ourense, 23 km (312 km)

Ausnahmsweise habe ich nicht einmal notiert, wann wir aufbrachen. Helmut schloss sich uns natürlich an. Ich glaube, wir haben den Schlüssel zur Bar Retiro zurückgebracht. Jedenfalls passierten wir sie, stießen am Ende der Gasse auf den zweiten Stadtplatz, wo die Hauptstraße und die Beschreibung der Route laut Handbuch von links dazukommen. Wir bogen also rechts ab auf die Landstraße Richtung Salgueiros. Man verlässt sie sofort wieder links ab und geht steil hinunter am Gesundheitszentrum und einem Sportplatz vorbei, kommt am Ende hinter einer Brücke wieder auf die Landstraße zurück, folgt ihr nach links. Bald soll man aber rechts abbiegen. Ein alter Mann, typischer "Por-aqui", zeigt uns durch eifriges Wedeln mit den Armen, dass wir auf der Straße bleiben sollen, der ausgeschilderte Weg sei doch unzumutbar. Das kannte ich schon. Wir dankten und bogen, als hätten wir nichts verstanden, natürlich doch rechts ab, und siehe da, es war einer dieser alten schönen Pflasterwege, der letzte vor Ourense.

Ab wo alle Pilger mit dem Bus fahren

Den Rest der Tagesstrecke konnte man landschaftlich abhaken. Bald waren wir endgültig auf Asphalt und blieben es, an einer Reihe von Dörfern vorbei. Es muss in A Castellana gewesen sein, in dichter Bebauung, als uns diesmal ein weiblicher Por-aqui wieder wedelnd vom Weg abbringen will. "Die Bushaltestelle ist dort drüben." - "Wie bitte? Wir wollen doch gar nicht mit dem Bus fahren, wir sind Pilger." - "Aber alle Pilger fahren von hier mit dem Bus nach Ourense." - "Wir nicht." - So, so, schau an, ab hier wurde also häufig gemogelt. Der Grund war bald zu erkennen. Kurz darauf erreichten wir ein wirklich ätzendes Industriegebiet. Aber es wartete auf uns auch eine Belohnung, ausgerechnet hier.

Endlich einmal wieder Fisch!

Inmitten schlimmster Bautätigkeit lag rechts an der Straße auf einmal eine Bar, einschließlich Menü-Schild draußen. Es gab angeblich sogar merluza (Seehecht), mein Leibgericht. Auf dieser Tour hatten wir noch nicht ein einziges Mal Fisch als Menügang gehabt. Ich fragte den Wirt, ob wir hier zu Mittag essen könnten. In 15 Minuten. Solange gab es draußen schon mal Eisgekühltes, denn längst war wieder "das übliche Wetter": pralle Sonne, und dazu in diesem Viertel Lärm vom Verkehr und Staub.

Alle drei waren wir nach dem Essen sehr zufrieden. Hedwig hat in ihrem Tagebuch notiert: Außer Seehecht mit Salzkartoffeln ein guter gemischter Salat, Eis zum Nachtisch und zum Schluss noch Kaffee (neben Wein, Wasser, Brot). 7,50 EUR, sehr ordentlich. Die Bar lebte wohl von den vielen Bauarbeitern. So hat alles seine Vor- und Nachteile.


Nach einem weiteren ätzenden Stück Industrie wurde es hinter Reboredo noch einmal pseudoländlich, weil man einen Sandweg links von der Straße ging. Kurz vor Seixalbo überquert man auf einem Pfad die Gleise einer Bahnlinie und läuft dann schnurstracks auf den Ort zu. Das Zentrum ist wirklich sehr nett. 15h08 sind wir auf der Plaza Mayor . Hier setzen meine Aufzeichnungen des Tages ein. Jetzt kam die spannende Stelle, wo wir vor zwei Jahren weder den Pilgerwegzeichen noch der Empfehlung des Handbuchs gefolgt waren. Würde ich den Einstieg in den Spazierweg den Fluss entlang wiederfinden? Durch Anklicken vergrößern In Seixalbo

Wo ist die schöne Flusspromenade?

Nach den im Handbuch erwähnten 900 m bergab kamen wir auf eine größere Straße, die alte N-525. Rechts liegt gegenüber eine große Peugeot-Werkstatt. Ich war schon auf Verdacht auf die linke Straßenseite gewechselt, obwohl ich nichts wiedererkannte. Aber dann fiel mein Blick auf ein kleines braunes Schild "Paseo Fluvial Rio Barbaña", das nach links wies. Da war der gesuchte Spazierweg! - Wir liefen also links ab bis zum Flüsschen und bogen rechts in den Uferweg ein. Was für ein Kontrast zu dem miesen Industrieviertel vorher! - Nach wenigen 100 m Metern mussten wir noch einmal zu einer Straße hoch, weil der Uferweg unterbrochen war; jenseits der Straße ging es aber endgültig weiter am Fluss entlang. Gelb-weiße Zeichen wiesen darauf hin, dass wir uns auch auf einem Wanderweg befanden. Einmal war geradeaus gesperrt, aber man wurde nur kurz ein Stück links am Fluss entlang geleitet, bis es rechts über eine Brücke wieder auf die rechte Seite zurückging.


Tipp: Unbedingt diesen schönen Weg in die Innenstadt nehmen! Es ist auch alles leicht zu finden. Hier folgt eine genaue Beschreibung.

16h14 hatten wir das Ende des Uferwegs erreicht, also nach einer guten Stunde. Der restliche Weg bis zur Touristeninformation ist auch auf der Karte im Handbuch deutlich zu verfolgen. Der Uferweg endet rechts von der Einmündung eines Baches, der von links kommt (auf der Karte im neueren Handbuch leider nicht mehr zu sehen). Man geht unter einer Hochstraße her (gelber Pfeil!), überquert das Flüsschen auf einer Brücke und läuft nun links von ihm. Dann entfernt man sich vorübergehend etwas von dem Flusslauf. Den gelb-weißen Zeichen folgen. Links kommt die Bar Castaña. Dann ist man wieder unmittelbar links vom Rio Barbaña. 16h22, also nur 8 Minuten nach dem Verlassen der Uferpromenade, erreicht man eine Brücke (siehe Karte). Ein Schild verweist darauf, dass hier der "Paseo" wieder weitergeht. Als Pilger biegt man jedoch rechts ab über die Brücke, und läuft so auf den Platz mit den Thermen zu, wo links das Oficina de turismo ist. 16h26 waren wir da. Perfekt!

Zur Kathedrale und zur Herberge

Ich holte gleich Stadtpläne für alle. Danach kamen wir ohne Schwierigkeiten zur nahen Kathedrale (inzwischen wieder auf dem im Handbuch beschriebenen Weg). Hedwig und Helmut waren in der Hitze kaputter als ich, den der Erfolg beschwingte, alles so gut wiedergefunden zu haben. Die beiden pusteten unter meiner Führung steile Straßen und Treppen hoch, immer direkt auf die Pilgerherberge im Kloster zu. Endlich hatten wir einen Hof unterhalb des Stadtrings erreicht, an dem das Kloster liegt. Ich schaute auf die Altstadt unter uns zurück.

Jenseits des Talkessels lag gegenüber ein klosterähnliches Gebäude, wohl ca. 5 km und etliche 100 m rauf und runter entfernt. "Nein, das gibt's ja wohl nicht! Da hinten liegt ja das Kloster mit der Herberge!" rief ich scheinbar verzweifelt, "Ich bin doch glatt an der falschen Seite hochgestiegen." Helmut neben mir, dem der Schweiß in Strömen übers Gesicht lief, brach bald zusammen. "Was???" rief Hedwig und schaute sich nach einem geeigneten Instrument um, um mich wegen mangelnder Führungsqualitäten zu maßregeln. Verdient hatte ich es ja, die beiden so in Angst zu jagen. Sie musterte mich scharf und sah, dass meine Bartenden um den Mund herum verdächtig zuckten. "Oh, du bist doch ein Idiot! Ich habe es mal wieder geglaubt!" rief sie dann halb wütend, halb erleichtert. Ich brauchte einige Minuten, um Helmut zu erklären, dass man in meiner Gesellschaft jederzeit mit solchen Narrenstreichen rechnen muss. Er war nicht amüsiert.


Vor der Herberge in Ourense Durch Anklicken vergrößern Jenseits des viel befahrenen Ringes steigt man zu dem Kloster hoch, in dem die sehr schöne Herberge untergebracht ist. Eine blonde Freizeithospitalera, Mariann aus der Schweiz, begrüßte uns mit einem kühlen Trunk. Es gab einen Kühlschrank hier! Außer ihr war noch eine ältere Spanierin zur Betreuung der Pilger da. Sie schlief unten im Behindertenzimmer, während Mariann draußen auf dem Platz in ihrem Auto nächtigte. Sie wohnte auf Dauer in Spanien, war auch Pilgerin gewesen und verbrachte ihre Urlaubswochen hier. Donnerwetter!

Wir lernen Peter kennen

Ein lächelnder stiller Mann in sauberer Pilgerkleidung wurde uns als Peter aus Deutschland vorgestellt. Er hatte Urlaub in Spanien gemacht und wollte zum Abschluss die Strecke ab Ourense nach Santiago laufen; dafür gibt's ja eine Compostela. Er fragte uns später vorsichtig, ob er sich uns anschließen dürfe. Meine Führung würde ihm sehr helfen, meinte er, zumal er auch kein Spanisch konnte. - Nun, er machte einen so netten und unkomplizierten Eindruck, dass wir gern zusagten. Sonst war nur noch ein einzelner Spanier da, den wir vorher und nachher nicht gesehen haben. Evtl. lief er ja umgekehrt.

Anschließend Stadtgang mit obligater Besichtigung der Kathedrale. Kein Gedanke, die heißen Quellen zu besuchen. Zu weit weg und keine Zeit. Dann Einkauf in der teuren Stadt. Es war gar nicht so einfach, einen Supermarkt in der Innenstadt zu finden. So konnten wir unser Abendessen selbst machen und mussten nicht essen gehen. Wir hätten Helmut mal einladen sollen. Er kam später schimpfend vom Stadtausflug zurück, hatte wenig und nichts Tolles gegessen, aber der Preis war sehr hoch. So wurde meine Information bestätigt.

Die bösen, bösen Radfahrer (2. Teil)

Außer uns war fast niemand da, keine Fußpilger, aber die unvermeidlichen Radfahrer. Eine Gruppe von fünf Jungen, die auch wohl neu auf dem Pilgerweg waren. Da Hedwig schon geduscht hatte und sonst keine Frauen Schlange standen, durften sie auch die Frauendusche mitbenutzen. Soweit war ja noch alles ganz friedlich. Ich ziehe hier aber schon die Ereignisse bis zum anderen Morgen vor. Jetzt kommt nämlich von der Fortsetzungsgeschichte "Die bösen, bösen Radfahrer" der zweite Teil. :-) Die spanische Hospitalera erklärte uns allen: 22h30 hat man in der Herberge zu sein, 23h00 wird das Licht ausgemacht. Zentral, natürlich. - Kurz vor 22h00 wollen die Radfahrer zur Tür hinaus, zum Essengehen, wie sie das gewohnt sind. Die Hospitalera verweist warnend auf die Zeiten. Das schaffen sie lässig, meinen sie.

Ich wettete sofort, dass sie es nicht schaffen würden. In Ourense gibt's keine Würstelbuden um die Ecke. Wir sind um 22h30 so gut wie fertig und in den Federn, von den Radfahrern keine Spur. Unten wird laut die Haustür abgeschlossen. Junge, die Alte greift durch! Etwas ärgerlich legen sich alle nieder. Was nützt ein Versuch einzuschlafen, wenn jeden Moment der Tanz losgehen kann, dass die Radfahrer an die Tür böllern und die Hospitalera sie auszankt, dass es durchs Haus schallt? Es passiert aber nichts. Ich schlafe irgendwann unruhig ein.

Gegen 6h00 in der Früh rucke ich hoch. Die Hospitalera unten schreit "Socorro! Socorro!" Das heißt "Hilfe! Hilfe!", erinnere ich mich dunkel. Ich springe aus dem Bett, höre sie dann aber unten hustend und würgend zur Toilette rennen. Die muss schlecht geschlafen haben, und vielleicht ist ihr was nicht bekommen. Gegen 6h30 stehen wir auf, sind 7h00 unten. Nun klopft es an die noch immer verschlossene Tür. Die alte Hospitalera sitzt im Eingangsbereich, der zugleich Aufenthaltsraum ist und atmet schwer. Dann schließt sie die Tür auf. Herein spazieren mit gesenkten Köpfen die fünf Radfahrer, ein Bild des Jammers. Die Alte brüllt sie an: "Ausweise!" Einer holt die Pilgerausweise der Gruppe. Schnapp, die sind eingezogen. Ich setze mich bequemer hin. Hier geht's ja echt rund. Nach und nach erfahren wir von Mariann, was passiert ist.

Die fünf Unglücksraben waren so spät vom Abendessen zurück, dass sie nicht mehr zu klopfen wagten. Wahrscheinlich waren sie auch völlig perplex. Wo gibt's denn sowas in Spanien, dass jemand sagt "Um 22h30 ist die Tür zu!", und dann ist sie es wirklich? War in Salamanca reines Gerücht. So haben sie sich in ihren dünnen Polohemdchen die ganze Nacht zitternd in der Stadt herumgetrieben; nachts ist es nämlich lausig kalt. Um 6h00 waren sie dann wieder vor der Tür, halbtot und ziemlich verzweifelt. Leider keine Knistertüte von Fußpilger, die so früh im Dunkeln aufbrechen wollte und aufmachte. In ihrer Not sahen sie dann rechts vom Eingang ein Fenster offen stehen. Räuberleiter, und einer klettert hoch, schwingt den Fensterladen nach innen auf, springt in den dunklen Raum -- und landet neben dem Bett der alten Hospitalera. Die natürlich "Einbrecher!" denkt und "Hilfe!" schreit. Sauber! - Sie hatte so einen Schock, dass sie sich übergeben musste.

Für die fünf ist die Pilgertour zu Ende. Der offizielle städtische Betreuer der Herberge ist schon benachrichtigt. Die Hospitalera will auch noch die Polizei eingeschalten, wie sie ankündigt (Hausfriedensbruch? Körperverletzung wegen dem Schock?). Jetzt tun die Radfahrer sogar mir Leid, so schlimm war es doch auch nicht. Einfach nur eine Riesendummheit und sehr viel Pech. Die Hospitalera erlaubt ihnen, sich endlich hinlegen zu können. Als wir oben unsere Rucksäcke packen, liegen sie in voller Montur auf den Betten und schlafen tief und fest. - Soweit der zweite Teil der Fortsetzungsgeschichte "Die bösen, bösen Radfahrer", ein dritter folgt noch. Natürlich mit Augenzwinkern!


07. September 2007, Freitag: Von Ourense nach Cea, 23 km (312 km)

Nach der morgendlichen Aufregung mit den Radfahrern rückte Helmut als erster ab. Er war es ja gewohnt, allein zu laufen. Warum nicht? Peter, unser neuer Begleiter, zog mit uns gegen 8h00 los. Wir liefen zunächst den Ring etwas nach rechts, bogen dann nach dem Stadtplan links in die erste große Straße ab, die einfach immer geradeaus durch die Altstadt nach unten zum Fluss und zur Römerbrücke zieht. Wo der Pilgerweg genau hergehen sollte, war mir egal. Dies ist von der Herberge die kürzeste Verbindung zu der schönen alten Brücke, über die der Mozarabische Weg verläuft.


Entgegen meinen Gewohnheiten wollte ich heute keine Alternative ausprobieren, sondern wieder die im Handbuch empfohlene Kombination der besten Abschnitte zweier Alternativen laufen. Das hatte sich vor zwei Jahren als sehr guter Tipp herausgestellt. Der Aufstieg hinter Ourense geschah zwar wieder im Sonnenschein, aber die Luft war noch kühl. Überall kläffende Hunde, aber keine frei laufenden. Ich hatte in Erinnerung, dass es hinter dem Bauernhof mit dem Steigen vorbei war, aber es ging noch ein ganzes Stück höher. Von einer links einmündenden Piste aus hatte man einen herrlichen Blick zurück auf die Stadt tief unten im Tal. Durch Anklicken vergrößern Blick zurück auf Ourense im Tal

Die Querverbindung der beiden Alternativen

Zum weiteren Verlauf der Strecke ist zu vermerken, dass es keinen irreführenden Pfeil mehr nach links gibt, bevor man auf die Landstraße trifft. Hier kommt man an die Verzweigung. Rechts geht es gleich mit der ersten Alternative in einen Feldweg ab, aber wir blieben auf der Landstraße, die die Querverbindung zur zweiten Alternative ist. Wie gesagt, so kombiniert man die beiden landschaftlich schönen Abschnitte und vermeidet die beiden weniger ansprechenden. Leider trübte mir wieder eines die Laune: Meine Füße, die die gestrige Etappe ganz gut bewältigt hatten, fingen auf dem Asphalt wieder an zu schmerzen.

Die 2,4 km nach Cabeanca kamen mir sehr lang vor. Zudem war das Laufen auf der schmalen Straße gefährlich. LKWs und sogar Busse sausten knapp an uns vorbei. Endlich erreichten wir den Ort und bogen an der zentralen Kreuzung rechts ab. Vorher gab es ein Schild mit einem Hinweis auf eine Bar, aber die sahen wir nicht und hatten auch keine Lust zu suchen. Es lag links ein kleiner Stadtpark mit Bänken unter Bäumen, und dort erholten wir uns, hatten ja alles mit. Ich nahm mir sorgfältig meine Füße vor und verpflasterte sie neu. Nicht zu fassen, dass das nach 300 km immer noch nicht aufhörte!

Helmut taucht wieder auf

Etwas mühsam zog ich mit den anderen beiden auf der Landstraße weiter. Kurz vor Liñares kam in einer Rechtskurve die zweite Alternative von links dazu. Erst hinter diesem Ort gab es wieder schöne Feldwege in herrlicher Landschaft. Ich lechzte längst wieder nach einer Cola und tröstete mich, dass bald in Mandrás eine Bar auf uns wartete. Der Weg davor durch den Wald ist wieder typisch für Galicien. Wer von Süden gekommen ist, weiß das Grün und das Wasser zu schätzen. Nach einem letzten steilen Aufstieg von einem Bach hoch durch Ponte Mandrás erreichten wir endlich Mandrás selbst und stürzten beinahe in die Bar. Wer saß dort schon an der Theke? Helmut! Er habe sich furchtbar verlaufen, klagte er, den Rest wolle er lieber mit uns gehen, und ein Schwätzchen mit anderen kam ihm auch gelegen. Bald machten wir uns wieder auf den Weg, aber schon einige Kilometer weiter ließen wir uns an der N-525 in der Bar von Casasnovas eine Empanada schmecken. Der Rest war dann kein Problem mehr.

Vor dem Ortsrand von Cea passierten wir das Restaurant, in dem es zwei Jahre zuvor Überraschungen mit den Preisen gab. Ich war erstaunt, wie viele Gäste vorgefahren waren, aber es war ja auch Freitag. Einige draußen glotzten uns an. Der Ort selbst ist ein fürchterliches Labyrinth. Ein paar Mal hatten wir im Laufe des weiteren Tages Mühe, die Herberge wiederzufinden.


Restaurierte Herberge in Cea Durch Anklicken vergrößern Aber zunächst langten wir an, kein Mensch da. Doch, auf einem Sofa im zentralen Aufenthaltsraum lag der Hospitalero, wartete auf Kundschaft und pennte. Bei unserem Eintreten fuhr er gleich hoch, war sehr freundlich und zeigte uns alles. Die Herberge ist ein Juwel. Ein altes Haus, aber so toll im alten Stil hergerichtet und doch auch zweckmäßig für die Bedürfnisse der Pilger. Große Terrasse zum Wäschetrocknen, Waschraum, Fahrradabstellraum.

Hier trafen dann noch mehr Pilger ein. Zwei spanische Radfahrer, ein sehr seltsamer Deutscher und vor allem noch eine kleine, offenbar sehr schwer kranke Spanierin, mit kahlem Kopf, zerbrechlich und schwach. Ihr weniges Gepäck trug ein Minipferd, das einige erst für einen Hund gehalten hatten, aber einen kleinen Dackel hatte sie auch noch dabei. Sie zog von Santiago südwärts, das scheint Mode zu werden. Essen lehnte sie ab, brauchte wohl Spezielles wegen ihrer Krankheit. Meinen Stadtplan von Ourense nahm sie aber dankbar entgegen. Armes Wesen! Niemand wagte, sie Näheres über ihre Situation zu fragen.

Eine gute Nachricht: Neue Herberge in Castro Dozón

Da nachts das Licht per Bewegungsmelder an und aus geht und in den vorderen Teil des Schlafraumes scheint, machten wir uns es im hinteren Teil gemütlich. Immerhin sorgte der Herbergsvater aber abends selbst dafür, dass die Beleuchtung überhaupt ausgeschaltet wurde. Sonst war alles in Ordnung. Wir kauften in Ruhe ein. Es gibt mehrere Läden, einen davon rechts in Richtung der Fernverkehrsstraße. An dieser gibt es auch noch weitere Möglichkeiten. Abends saßen wir noch in netter Runde zu einem Schlummertrunk zusammen. Meine Füße hatten's auch überlebt. Der Herbergsvater überraschte uns noch mit einer guten Nachricht: In Castro Dozón gebe es neuerdings eine Herberge. - Na, wunderbar! Dann war das Entfernungsproblem mit dieser Etappe gelöst, und da Peter mit uns laufen würde, konnten wir auch den einsamen Weg über das Kloster Oseira machen. Pilger, was willst du mehr?


08. September 2007, Samstag: Von Cea nach Castro Dozón, 20 km (356 km)

In bester Laune brachen wir 8h10 auf. Das Bild zur vorigen Etappe ist direkt vor unserem Abmarsch gemacht. Man sieht noch den Morgendunst, während sonst tagsüber ja alles eher im Sonnenglast liegt. Helmut schloss sich uns an, hatte keine Lust, sich erneut zu verlaufen. Man muss im Ort zunächst zum zentralen Platz mit dem sonderbaren, isoliert stehenden Glockenturm. Von dort zur Fernstraße und gegenüber weiter. Es sind deutliche Wegezeichen vorhanden. Man läuft gut 5 km Umweg, wenn man das Kloster besuchen will. Aber der direkte Weg nach Castro Dozón ist durch den Bau der neuen Autobahn schwer beeinträchtigt. Diese 5 km Umweg lohnen wirklich, und da jetzt ja eine Pilgerunterkunft am Zielort besteht, ist die lange Doppeletappe von 39,6 km bis Laxe (unser Rekord vor zwei Jahren) nicht mehr nötig.

Die richtige Abzweigung erwischen

Aufpassen am Ortsrand: Hier biegt der Weg, den man hinter dem Stadion betritt, in einem Linksbogen verführerisch breit herum, aber man muss in dieser Kurve auf eine unscheinbarere Piste halb rechts abzweigen. Wie vor zwei Jahren wäre ich hier fast falsch gelaufen und nicht abgezweigt. Dann kommt ein Stück mit wenig Steigungen, nur Wald und Einsamkeit. Nicht lange, und man erreicht die bekannte, total überschwemmte Stelle. Diesmal wusste ich, dass man einfach oben auf der Mauer links die Stelle passieren kann. Es war auch viel weniger Wasser da als vor zwei Jahren im späten Frühjahr.


Die heutige Etappe verlief streckenweise wieder über uralte Wege mit antikem Pflaster, wunderbar anzusehen, aber eine arge Strapaze für meine Füße, die gerade dabei waren abzuheilen. Besonders gemein war ein Stück, auf dem fein vermodertes Laub eine Schicht über spitzen Steinen bildete, die somit nicht auszumachen waren. Hin und wieder trat ich also genau mit einer Stelle, bei der unter der Hornhaut eine Blase war, auf so ein Hindernis, was ganz schön schmerzte. Einmal rutschte ich auch aus und fiel lang hin, aber recht harmlos nach hinten auf meine gut gepolsterte Seite. Ich lief deshalb immer abrupt langsamer, wenn wir altes Pflaster erreichten, und dann war ich bald nicht nur der Letzte, sondern die anderen, Hedwig voran, kamen sogar außer Sichtweite und mussten später auf mich warten. Diese Rolle liebte ich überhaupt nicht. Durch Anklicken vergrößern Auf altem Pflaster

Kloster Oseira Durch Anklicken vergrößern Ohne besondere Vorkommnisse kamen wir gegen 10h30 zum Kloster. Erst einmal einen café con leche. Von den zwei Bares wählten wir die Bar Escudo, weil ich glaubte, die freundliche Besitzerin wiederzuerkennen. Wahrscheinlich stimmte das, denn wir wurden äußerst zuvorkommend begrüßt. Nach dem zweiten Kaffee (1 EUR) schlug die Klosteruhr 11h00, gottseilob mal nicht im Big-Ben-Ton. Da machte uns die Wirtin aufmerksam: "Jetzt können Sie ins Kloster. Sie dürfen gern die Rucksäcke hier lassen." Das war ja noch netter! Wir kamen ihrem Rat nach, obwohl ich nicht viel Lust hatte, bei den Mönchen zu schellen. Aber es war ganz anders, als ich erwartete. Das Kloster, so erfuhren wir, war vom Staat komplett neu aufgebaut worden und stand deshalb als Sehenswürdigkeit der Region den Touristen zur Besichtigung offen. Zum anderen waren nur noch wenige Mönche anwesend und spielten eher eine Statistenrolle.

Kurz nach 11h00 strömte ein Touristenhaufen nach draußen, darunter - Wilko und Karlijn, die hier übernachtet hatten, so dass wir sie wieder einholen konnten. Es sei sehr spartanisch gewesen, erzählten sie später, nicht zu empfehlen, und die beiden waren ja alles andere als pingelig. Kein Wasser, nichts zu sehen, naja. Wenn keine Frau dabei ist, kann man mit etwas Glück in die besser ausgestatteten Unterkünfte für zahlende Besucher, heißt es.

Führung im Kloster Oseira

Eine blonde Frau im mittleren Alter schaute sich suchend um. Es war die Fremdenführerin, die nach Kundschaft Ausschau hielt. Nun, da waren nur wir vier, Hedwig, Peter, Helmut und ich. Nein, das war ihr nicht zu wenig, sie führte uns gern. Ganze 2 EUR kostete der Spaß, obwohl die Führung eine volle Stunde dauerte und sehr interessant war. Lustig war die Verständigung. Die Fremdenführerin konnte kein Wort Englisch. Sowas will einem zu Hause niemand glauben. Nur etwas Französisch, das aber auch nur Helmut und Hedwig verstanden. Also besser auf Spanisch, und ich musste dolmetschen. Ging ganz gut, weil es immer um dieselben Themen ging: "Diesen Teil hat Alfons der Soundsovielte im soundsovielten Jahrhundert erbaut ..." usw. Wenn ich statt zwei Drittel auf einmal nur noch ein Drittel verstand, war sie zwischendurch ins Französische gewechselt.

Die Frau war sehr kirchenhörig. Oh, was haute sie die bösen antikirchlichen Kräfte in die Pfanne, die das Kloster, seinerzeit nur noch eine Ruine, hatten ganz abreißen wollen. Sie zählte sie alle auf, immer mit einem abschließenden: "... schmort jetzt auch in der Hölle." Besonders dieser eine, von einer ganz finsteren Gesellschaft, die sich verschworen hat, die Kirche zu zerstören. Ich verstand nur was von "mauern". Na gut, war der Mann eben ein Maurer gewesen, das ist doch nicht verboten. Die anderen rieten mit, was sie wohl meinte. Auf einmal kamen wir auf die Lösung: Freimaurer! Sie meinte die Freimaurer. "Ach, ich glaube nicht, dass die die Kirche zerstören wollen." sagte ich friedlich zu ihr. Fast hätte ich dafür auch in der Hölle geschmort.

Als wir am Ende der Führung wieder im Touristenladen anlangten, war dieser voll von Wartenden. Wir hatten gerade eine Zeitscheibe erwischt, wo kein Bus vorgefahren war. Glück gehabt! Wir bedankten uns bei unserer Führerin, die sich sehr freute, jetzt auch eine Führung in fremder Zunge gehalten zu haben. Na, eigentlich war es ja meine gewesen. :-) Wir kehrten zurück in die Bar Escudo und tranken noch einen Abschiedskaffee. Der freundlichen Wirtin war es natürlich recht.


Dann kam wieder der Ernst des Lebens, denn hinter dem Kloster geht der Pilgerweg sehr steil nach oben. Dafür ist der Ausblick zurück und hinunter auf das Kloster doch wieder einmal auf dieser Tour etwas Besonderes. Dieser zweite Teil des Weges ist nicht ganz so einsam wie der Hinweg zum Kloster, auf dem man nur ein Dorf streift. Hier passiert man mehrere, aber es geht dazwischen über zwei-drei Höhenzüge, die einen ganz schön pusten lassen. Es war das übliche Spiel: Die Sonne brannte, ich musste wegen meiner Füße höllisch aufpassen, wo ich sie aufsetzte und zudem noch steil hoch und hinunter. Endlich in Gouxa wieder eine Bar. Der Pilgerweg führt direkt hinter ihr einen steinigen Hohlweg hinunter, aber man muss vorher schon halb links, um den Eingang zu erreichen. Durch Anklicken vergrößern Landschaft beim Kloster Oseira

Narben vom Kartoffelsammeln?

Hier saßen auch Wilko und Karlijn wieder. Ein einheimischer Landarbeiter ließ sich gerade ordentlich volllaufen - es war ja Wochenende - und erzählte mir, mangels anderen Publikums, wie sehr er alles im Griff habe. Man sollte keine Kartoffeln spritzen, dann würden die erst recht faul. Er wiederholte das mir unbekannte Wort so oft, bis ich es im Wörterbuch nachschlug. Dann zeigte er noch einige Brauschen und Narben vor. Von Wirtshausschlägereien? Ich verstand nicht, womit er angeben wollte. Eigentlich nervte er, aber ich war vorsichtig, denn er hätte ja auch im Suff gewalttätig werden können. Solche Narben gibt's nicht vom Kartoffelsammeln. So versuchte ich, alles zu verstehen, und auch die anderen nickten immer beifällig, um ihn nicht zu reizen. Gottseilob fuhr draußen bald ein Auto vor, mit irgendwelchen Kumpels von ihm. Er fiel ihnen fast ins Fahrzeug.

Schon von der ersten Höhe hinter dem Kloster aus sieht man einen rot-weiß gestrichenen Turm. Er weist die ganze Zeit den Weg und steht auf einer Anhöhe, über die sich die Nationalstraße quält, die man das letzte Stück bis Castro Dozón laufen muss. Links verläuft die neue Autobahn, fertig, aber nicht befahren. In Santiago las ich in einer Zeitung, dass es da ein Problem gibt. Soweit ich es verstand, blockiert Castro Dozón die Eröffnung, weil eine Abfahrt nicht so gebaut worden ist, wie das Dorf als Grundbesitzer es wollte.

Bares und eine Tienda in Castro Dozón

Nun, der Pilgerweg hat mit der Autobahn nichts zu tun, allenfalls auf der direkten Route. Im Ort lag links eine Bar, in der sichtlich Pilgeralarm ausgelöst wurde, als wir uns näherten. Man kam nach draußen, um uns zu begutachten, ähnlich wie vor Cea. Ein alter Mann erbot sich aber, uns zur Herberge zu bringen. Gleichzeitig muss jemand dem örtlichen Refugiobetreuer Bescheid gegeben haben, dass Kundschaft im Anmarsch sei. Rechts folgt dann eine zweite Bar, in der Manfred Hans und mich vor zwei Jahren erwartet hatte. Sie hat inzwischen im Keller einen respektablen Laden, am besten vom Hinterhof her zu erreichen. Zur Herberge muss man auf der Fernstraße bleiben und gut 1,5 km aus dem Ort heraus steil nach oben dackeln, bis links die Sportanlagen liegen. Das hatte ich mir schon gedacht. Dort liegt auch das Hostal Ruta Jacobea, das immer wieder als geschlossen, dann wieder als geöffnet gemeldet wurde.

Die neue Behelfsherberge von Castro Dozón

Unmittelbar davor hat man drei große Container zu einer Behelfsherberge, wirklich mehr ein Refugio errichtet. Bei unserem Eintreffen gegen 16h30 kam auch gerade der alarmierte junge Betreuer im Auto vorgefahren. Er zeigte uns alles stolz. Nun, von zwei Schlafabteilen und zwei Badabteilen war jeweils eines geschlossen, um Putzkosten zu sparen. Sieht man ja ein. Die Wäsche sollte man nicht am Haus aufhängen, da das der Holzverkleidung schaden könne, sondern steil unten, 200 m weiter, neben der Bar. Auf meine Frage hin bejahte er, dass die Bar mit dem Hostal Ruta Jacobea identisch war. Hatte ich es mir doch gedacht!

Nachdem wir uns eingeschrieben und Quartier bezogen hatten, nicht ohne ihm ein paar Mal zu versichern, dass das doch toll sei, dass es hier jetzt eine Herberge gebe, stellten wir fest, dass das Wasser in den Duschen nicht lief. Er begleitete Helmut und mich dann zum Hostal, um zu fragen, wie es dort mit der Wasserversorgung stehe. Helmut und ich wollten jedoch ein Abendessen für alle bestellen. Noch saßen wir voller Erwartung an der Theke, denn man kann sich ja außerdem auch ein Bierchen gönnen, als die Wirtin mir stark genervtem Blick hereinrauschte. "Nein," winkte sie gleich barsch ab, "hier gibt's nichts zu essen, jetzt nicht und heute Abend auch nicht." Der Herbergsbetreuer schaute betroffen, wir auch. Helmut und ich tauschten einen Blick: Bei solchen Leuten trinken wir auch kein Bier, verstanden wir uns gegenseitig sofort. "Adiós", kein "Hasta logo", die Alte konnte uns mal. Sie hatte Kopfschmerzen und ebenfalls Wasserversorgungsprobleme. Da fuhr unser Betreuer ins Dorf, um den zuständigen Techniker hochzuscheuchen. Also, dieser junge Mann war wirklich pflichtbewusst und hilfsbereit. Er wollte auch wohl nichts auf seine neue Herberge kommen lassen.

Pilgerfeindliche Nachbarin

Kurze Zeit später lief das Wasser wieder. Wir duschten und wuschen die Wäsche. Inzwischen trudelten auch Wilko und Karlijn ein. Niemand hatte Lust, den Steilabhang hinuter- und wieder hinaufzuklettern, um unten die Wäsche aufzuhängen. Man muss ja auch ein paar Mal kontrollieren, was schon trocken ist, um Platz auf der Leine zu schaffen. Nun, wir wussten uns zu helfen. Wir spannten einfach unsere eigenen Leinen auf, weit weg von der empfindlichen Holzwand.

Nicht lange, und der Herbergsbetreuer fährt wieder vor. Hat seine ausnehmend hübsche Freundin im Schlepp. Warum wir unsere Wäsche nicht unten aufgehängt hätten? Die Nachbarin habe sich beschwert. - Häh? - Ja, die Wirtin wolle den Anblick der Pilgerwäsche nicht, das verschandele die Gegend. (300 m weiter zur anderen Seite flatterte an einem Bauernhof Wäsche zuhauf im Wind.) Jetzt kam es also heraus! Es ging nicht um die empfindliche Holzwand, sondern um die streitsüchtige Nachbarin, der die Herberge ein Dorn im Auge war. Irgendwie nicht einzusehen. Wenn sie regelmäßig für Unterkunft gesorgt hätte, wäre kein Bedarf für Konkurrenz gewesen. Außerdem könnte sie doch mit Speis und Trank ein Geschäft machen. Nein, sie ist sauer, und wenn sie jetzt den Pilgern in die Suppe spucken kann, dann tut sie es.

Unser Betreuer ist sehr verlegen. Evtl. ist seine Freundin sogar die Tochter der Wirtin. Diese sitzt unterhalb der Herberge an der Zufahrt zum Hostal und passt auf, was passiert. Wir nehmen die Wäsche nicht ab. Später finden wir sie samt Leinen hinter der Herberge über ein Geländer gelegt. So einen Druck hatte die Alte dem Betreuer gemacht. Ich schrieb im Ausländerspanisch ein paar sehr deutliche Worte ins Herbergsbuch, zusammengefasst etwa: "Betreuer nett, Nachbarin kotz!" ... schmort bestimmt bald auch in der Hölle. :-)


Beim Abendessen vor dem Refugio von Castro Dozón Durch Anklicken vergrößern Daraufhin ging niemand von uns mehr abends in die benachbarte Bar, auch wenn es fast 2 km runter ins Dorf bis zu der Kneipe mit Tienda im Keller waren. Dort wurde ordentlich eingekauft, und abends aßen wir alle zusammen, drei Niederländer und drei Deutsche, mitten in Spanien. Es war ein sehr netter Abend.

09. September 2007, Sonntag: Von Castro Dozón nach Laxe, 19 km (375 km)

Der Rest bis Santiago war von den Anstrengungen her im Vergleich zu vielen Etappen vorher das reinste Zuckerschlecken, denn das Bergland besteht nur noch aus niedrigen Höhenzügen, so dass man kaum mehr anstrengende Steigungen hat. Dafür hat man auf der anderen Seite aber auch die schönste Landschaft hinter sich gelassen; die Etappe über Oseira ist die letzte, die einem im Gedächtnis bleibt. Auch sind die restlichen vier Etappen recht kurz, und mancher läuft sie in zwei Tagen. Das musste nicht sein. Schon vor zwei Jahren hatten wir uns ab Laxe Kurzetappen gegönnt, um Santiago ohne Hast näherkommen zu lassen. In diesem Jahr bewirkten die leichten Wegestrecken, dass meine Blasen endlich abheilten, was mir das alte Pilgerglücksgefühl zurückbrachte. Peter war erstaunt, wie "gut drauf" ich auch sein konnte, nachdem ich ab Ourense sonst nur überwiegend gestöhnt hatte.

8h40 rückten wir zu viert ab, Wilko und Karlijn brachen kurz danach auf, und eine Zeitlang überholten wir uns im Wechsel, bis wir sie endgültig aus den Augen verloren. Ich glaube, sie sind nach Lalín gegangen und nicht nach Laxe wie wir.

Einige Bemerkungen zum Weg und zu Bares

Beim Aufbruch muss man von der Behelfsherberge erst ein Stück hinunter zum Dorf, um an der Kirche den Pilgerweg wieder aufzunehmen. Man kann alternativ auch die N-525 weitergehen, denn auf diese kommt die Route sowieso hinter einem Industriegebiet zurück. Mir lag etwas auf der Seele, dass wir in Cea nicht in die Kirche gekommen waren, irgendwie vergessen. Heute am Sonntag hatten wir kaum eine Chance, unterwegs gerade zu einer Messe an einer Kirche vorbeizukommen, und so war es denn auch.

Endlich, nach gut 3 km an Geschlängel um die N-525 herum kam die endgültige Abzweigung von der Nationalstraße (halblinks), und es ging durch viele Dörfer, die mir nicht im Gedächtnis geblieben sind. Das Wetter war mal wieder "das übliche". 11h10 vermerkt das Tagebuch eine Bar rechts an der Landstraße in Pontenoufe, nach 11 km und damit schon mehr als der Hälfte die richtige Gelegenheit, um einen Kaffee zu trinken. 5,5 km weiter in Donsión abermals Einkehr in einer Bar, die direkt am Pilgerweg liegt. Hier trat auf einmal ein "Edelpilger" zur Tür herein, in schnieker sauberer Kleidung, offenbar Spanier, evtl. ein "Wochenendpilger". Er würdigte uns keines Blickes.

Kurz vor Laxe muss man hinter einem Bach aufpassen, wo wir auch 2005 Schwierigkeiten hatten. Das Handbuch sagt nur "300 m bergauf zur Autobahn", aber es gibt noch zwei Verzweigungen: zunächst links (Muschelstein), dann an der nächsten überhaupt kein Zeichen, aber man hält sich geradeaus und geht nicht halb rechts, wie wir das 2005 gemacht haben. In jedem Fall passiert kein Unglück: Man landet ohnehin oben am Zaun der Autobahn, aber mit der richtigen Trasse weiter links nach Laxe hin.

Laxe wird von der N-525 zerschnitten und hat außerdem noch direkt daneben die Autobahn. Da wundert es einen, dass man in der vorbildlich im alten Stil hergerichteten Herberge nicht viel Lärm hört. 14h05 trafen wir schon ein. Meiner Erinnerung nach war vorn der Eingang zur Straße verschlossen, aber rechts an der Seite, wo auch der Haupteingang ist, ließ sich die Tür aufklinken. Wir bezogen oben links den "Frauenschlafraum", weil er größer ist. Der Edelpilger quartierte sich im rechten ein. Sonst kam niemand mehr, Wilko und Karlijn haben in Lalín oder in freier Natur übernachtet, was sie nach eigenem Bekunden öfter machten.


Wir genossen die Einrichtungen der Herberge. Die große Küche hatte immer noch kein Geschirr. Ein Waschbecken war mit fettigem Spülwasser verstopft, ein Gruß von den Vorgängern. Aber wir konnten uns Kaffee machen, duschen und die Wäsche im Waschraum waschen. Bald flatterte sie hinter dem Haus auf den zahlreichen Leinen. Alles echter Luxus. Durch Anklicken vergrößern Pilgerherberge von Laxe

Ein unverhofftes "Abendessen" am Nachmittag

Helmut und ich, die Unruhigen, gingen bald zur Bar, die immerhin 400 m entfernt auf der Höhe der N-525 am Ortsausgang links liegt. Wir fragten die junge Wirtin nach einem Abendessen, obwohl wir zur Not mit unseren Vorräten auch so ausgekommen wären. Jeder weiß ja, dass es in Laxe nichts zu kaufen gibt. Trotzdem waren wir doch sehr enttäuscht, als es hieß: "Nein, ich mache gleich zu. Heute fahren alle zur Fiesta nach Lalín." Helmut wurde richtig sauer, auch in Erinnerung an die böse Wirtin in Castro Dozón. Zu meiner Verwunderung lenkte die Wirtin auf seinen Protest hin ein und sagte: "Nun gut, aber dann müsste ich gleich was machen." Wir nickten beide so schnell wie Obelix, und ich rannte fast zur Herberge zurück, um Peter und Hedwig zu holen. Die kamen auch gleich mit. Ende gut, alles gut: Die Wirtin servierte uns ein prima Essen und war dabei sehr freundlich. Sie hätte ja auch genervt sein können, aber sie nahm den Umsatz doch auch gern mit. Ensalada mixta, Fleisch+Pommes, Eis. 9 EUR. Alle waren gut zufrieden.

Woodoo am Automaten

Um 20h00 tauchte eine Hospitalera in der Herberge auf. Ich sagte ihr, dass ich vergeblich mit dem Getränkeautomaten gekämpft hätte. Der nahm keine 20-Cent-Münzen, gab andererseits kein Wechselgeld heraus. Der Edelpilger wollte es dann vormachen, schaffte es aber auch nicht. Sie half uns, einige Dosen Bier als Schlummertrunk zu bekommen. Man muss die Münzen an der Wand reiben und aufladen, dann gelingt es. Klingt wie Woodoo.

Am Abend saßen wir alle friedlich hinter der Herberge auf den Holzbänken, genossen die Ruhe und den Ausklang des stressfreien Pilgertages. Meinen Füßen ging es prima.


10. September 2007, Montag: Von Laxe nach Bandeira, 17 km (392 km)

In Laxe wird man morgens um 7h00 geweckt, da die Bewegungsmelder dann eingeschaltet werden und Licht gemacht wird. Nachts war es wegen der Siestaböllerei sehr unruhig gewesen. Erneut kämpfte ich mit dem Automaten, vergeblich; so konnte ich nicht genügend Wasser mitnehmen, denn aus dem Kran nehme ich ja nur in Notfällen was. Nun, wir hatten nur eine Kurzetappe vor uns, und spätestens in Silleda konnte man alles kaufen. Die Strecke hatte ich gut in Erinnerung. Ich war sie 2005 mit Jean-Pierre und Engracia gelaufen, weil Hans und Manfred auf der Suche nach einem Frühstück zurückgeblieben waren. Es war teilweise recht sumpfig, aber nicht so schlimm wie 2005: der schon mehrfach erwähnte Unterschied von Frühjahr und Herbst.

Abschied von Helmut

8h00 gingen wir mit Peter los. Helmut hatte sich nach dem Frühstück endgültig verabschiedet und war schon weg. Er wollte eine Doppeletappe machen und einfach im Eiltempo die N-525 entlang, weil sein Flugzeug einen Tag eher von Santiago aus abging als unseres. Ich gab ihm Grüße an Doña Josefina mit, dass el alemán de la barba wieder anrücke und ein Doppelzimmer brauche.


Eine alte Römerbrücke Durch Anklicken vergrößern Wir jedoch machten gern den Umweg über die Römerbrücke, was die einzige Sehenswürdigkeit auf dieser Etappe ist. In Trasfontao vor Silleda passte ich nicht auf. Die Dorfstraße, an der rechts ein altes Kloster liegt, läuft auf eine Hecke an einer T-Kreuzung zu. Hier ging ich fäschlicherweise nach rechts; man muss nach links und im Rechtsbogen um das Landgut herum, wie im Handbuch richtig vermerkt ist. Aber es fehlte ein Wegezeichen.

In Silleda Nostalgie: Pause in demselben Café wie 2005. 12h38 erreichten wir hinter Silleda die Abzweigung zur Herberge am Campingplatz. Sie scheint doch kein Provisorium zu sein. Ein Schild weist unübersehbar auf sie hin. Ich hatte keine Lust zu riskieren, dort telefonieren zu müssen. Beim letzten Mal war das Telefon kaputt gewesen. Außerdem muss man wegen Vorräten ohnehin nach Bandeira rein.

Also liefen wir geradeaus zu unserem Etappenziel; es lag vor uns, scheinbar in Greifweite, war aber noch noch ein Stück weg, wenn man das laufen muss. 13h10 ziehen wir durch Bandeira, die Hauptstraße entlang. Im Ort ein großes Schild, das auf die Abzweigung zur Pilgerherberge verweist, sogar mit korrekter Entfernung (gut 3 km). Peter hatte einen Hinweis auf das Hotel Victorino (zwei Sterne) gesehen. Es lag etwas weiter links. Wir schauen hinein: Drinnen essen Einheimische. Das ist eine Empfehlung. Menu del día für 10 EUR: Linsen bzw. Gemüseplatte, Fleisch mit Pommes, Tarta de Santiago usw. Ich frage den Wirt nach Zimmerpreisen. Doppelzimmer 30 EUR "für euch Pilger". Klang ja gar nicht schlecht, sogar pilgerfreundlich. Der Preis war natürlich kein Sonderrabatt für Pilger, sondern der übliche, der in der Nachsaison eben vom offiziellen abweicht. Aber die Geste blieb trotzdem einladend.

Vergebliches Telefonieren

Wir gingen aber doch noch in den Ort zurück, um wegen dem Campingplatz anzurufen. Gegenüber dem Hotel zweigte eine Straße ab, die zu einem großen freien Platz, circa 100 m rechts von der Hauptstraße führte. Hier machten Peter und Hedwig es sich zu einer Banksiesta bequem, während ich nach einem Telefon suchte und es auch an der Hauptstraße fand. Ich wählte die erste im Handbuch angegebene Nummer und sagte "Zwei deutsche Pilger für die Herberge", als sich eine Männerstimme mit dem üblichen "Si" meldete. Zur Antwort grunzte der Mann nur ein unverständliches Wort und legte auf. Wahrscheinlich war die Nummer falsch, obwohl ich sie mir aus der Neuauflage des Handbuchs hatte bestätigen lassen. Also rief ich die zweite Nummer an, da nahm man gar nicht erst ab. Jetzt hatte ich die Faxen dick und ging zu den beiden anderen zurück. Später erzählten Wilko und Karlijn, dass sie am selben Tag am Campingplatz untergekommen waren. Ich wollte aber jetzt ins Hotel, die anderen waren einverstanden.

Hotel Victorino: zu empfehlen

Der Hotelier strahlte, als er uns zurückkommen sah. Nun gab es noch wahrscheinlich ein Missverständnis. Ich fragte, was ein Einzelzimmer kostete. "El precio mismo." Also der gleiche Preis wie ein Doppelzimmer. 30 EUR, das fand ich happig. "Und für Pilger?" - "No, el precio mismo." Mist! Letzter Versuch: "17 EUR?" Er nickte erstaunt. Später kam mir der Verdacht: "El precio mismo" sollte wohl "der gleiche Preis pro Kopf" heißen, also 15 EUR. Da handele ich und biete einen höheren Preis. Kein Wunder, dass er erstaunt guckte. Aber Peter war auch mit 17 EUR gut zufrieden gewesen. Die Zimmer waren sehr gut und sauber, wie in Spanien gewohnt. Eigene Dusche und Toilette bei zwei Sternen selbstredend. Man konnte auch ohne weiteres auf dem Zimmer zu Abend essen, was wir auch taten. 20h00 gab's unten noch einen fröhlichen Absacker zu dritt. Dieses Hotel kann man wirklich empfehlen.


11. September 2007, Dienstag: Von Bandeira nach Santiaguiño, 19 km (411 km)

Zum Frühstückskaffee trafen wir uns unten um 8h30 mit Peter. 9h00 Aufbruch. Sonne, aber Wind und einige Wolken, also ideales Wetter, wieder einmal. Der Weg verläuft zunächst durch eine hügelige ländliche Gegend, nichts Spektakuläres. Hinter San Martín de Dornelas sah ich wieder den Hinweis auf die Bar América an der Nationalstraße, aber wir hatten weder Hunger noch Durst.

Tischfußball in Seixo

11h24 kamen wir in Seixo an, Zeit für eine Mittagspause. Wir setzten uns hinter die Kirche auf einen kleinen Rasenplatz mit Bänken, obwohl gleich nebenan eine Bar war, direkt am Weg. Als wir schon wieder gehen wollten, entdeckten wir zwei Pilgerrucksäcke vor der Bar. Das konnten nur die von Wilko und Karlijn sein. So war es. Wir freuten uns, sie wiederzusehen und tranken noch eine Tasse Kaffee mit ihnen. Die beiden waren versessen auf Tischfußball und spielten eine Runde gegen Peter und Hedwig. Na, die beiden hatten keine Chance gegen die jungen Profis. Dann zogen wir weiter, während Wilko und Karlijn noch nicht genug hatten. Sie erzählten, dass sie in jeder Bar hängen blieben, wo es Tischfußball gab.


Dann folgte ein malerisches Stück Landschaft, ein Tal, in das sich der Fluss Ulla ganz tief eingeschnitten hat. Dabei musste er sich auch durch Felsen sägen, was eine fantastische Schlucht schuf, über die sich jetzt eine Eisenbahnbrücke spannt. Im Hintergrund sieht man immer den markanten Kegel des Pico Sacro, des Heiligen Berges, der in der Jakobussage eine bedeutende Rolle spielt. 533 m hoch. Möchte ihn mal ersteigen. Kann nicht schwierig sein, denn eine Straße führt hoch, wie man sieht, und oben sind auch Gebäude. Durch Anklicken vergrößern Malerisches Ulla-Tal

Im Jahre 2010 erfüllte ich mir diesen Wunsch. Der Berg ist noch toller, als er von weitem aussieht, weil er 360° Rundumsicht bietet (aber es weht ein heftiger Wind).
Hier die Beschreibung unseres Ausflugs zum Pici o sacro
Aussichtspavillon vor Ponte Ulla Durch Anklicken vergrößern

Zum Miradoiro de Ulla

Bevor sich die Straße steil nach unten wand, kamen wir hinter einer Ortschaft an einem großen Pavillon aus Stein vorbei, der abseits des Weges auf einer Felsspitze über dem Tal thront. Ich war so gut gelaunt wegen meiner Füße, die endlich mal nicht mehr schmerzten, dass ich vorschlug, zum Pavillon hochzusteigen. Das ist weiter, als man wieder vom Augenschein her denkt. Ein paar hundert Meter flach auf den Bergkegel zu, dann in einem großen Linksbogen steil ansteigend hoch; unterwegs sieht man nichts. Aber oben ist die Aussicht fantastisch. Leider ist der Heilige Berg von dieser Seite nicht so gut zu sehen, da er halb von einem vorgelagerten Höhenzug, den außerdem noch Abraumhalden entstellen, verdeckt wird. Aber sonst hat man nach drei Seiten freien Blick. Oben wehte ein heftiger Wind, so dass es trotz Sonne kühl war. Nachts musste es bitterkalt sei. Tatsächlich entdeckten wir im Pavillon sogar eine richtige Herdstelle mit Kamin.

Jung mit Schwung

Auf einmal sah ich, dass unten auf der Straße zwei kleine Gestalten mit Rucksack daherzogen. Wilko und Karlijn! Ich stieß mein bestes Indianergeheul aus der Kinderzeit aus und schwenkte meinen Stock. Auch Hedwig und Peter winkten und riefen. Tatsächlich hielten die beiden an und schauten um sich, sahen uns sehr bald und winkten zurück. Ich deutete mit Gesten, dass sie doch zu uns hochkommen sollten. Sie waren schon ein Stück die steile Straße hinunter, längst an der Abzweigung zum Pavillon vorbei. Aber wie ich mir fast gedacht hatte, die beiden waren spontan genug, nach sehr kurzer Beratung umzukehren und ebenfalls zum Pavillon hochzusteigen. Nach ihrer Ankunft freuten sie sich, dass sie meiner Einladung gefolgt waren, und waren von dem Fleck ganz begeistert. "Ihr könnt ja hier übernachten." scherzte ich. Karlijn nickte sofort. Da Wilko und sie immer auf meine Späße eingingen und selber solche machten, dachte ich mir nichts dabei. In Santiago, wo wir uns in der Bar La Campana verabredet hatten, erzählten sie dann später zu meiner Verblüffung, dass sie tatsächlich dort oben die Nacht geblieben sind. Es sei toll gewesen, obwohl Karlijn beim Holzsammeln in die Dornen gefallen war. Mein Gott, das waren die richtigen Abenteuer! Ich bewunderte sie grenzenlos. Dafür müsste man nochmal jung sein.

Seltene Tiere im Fluss

Zu fünft zogen wir dann die Straße hinunter bis Ponte Ulla. Ich war an der Brücke endlich mal wieder den anderen, die viel fotografierten, voraus und sah vier braune Tiere im Wasser planschen. "Bisamratten!" rief ich, "Kommt doch mal her!" Die anderen waren nahe genug, dass ich Hedwig sagen hörte: "Ach was, der spinnt mal wieder." Dabei hatte ich noch untertrieben. Welche Bisamratten liegen auf dem Rücken im Wasser und spielen miteinander? Nein, es waren Otter! - Zur Strafe für ihren Unglauben haben die anderen sie nicht gesehen, denn die scheuen Tiere verschwanden, sobald sie mein Rufen und die sich nähernden Stimmen gehört hatten.

Schlemmen im Restaurant Ríos und Einkaufen

Es war 13h30. Hinter der Brücke kam rechts das im Handbuch viel gepriesene Restaurant Ríos. Nun, wir wollten's mal versuchen. Recht vornehm. Wir setzten uns an einen Tisch ans Fenster mit schönem Blick auf den Fluss. Siehe da: der Wirt war tatsächlich pilgerfreundlich und bot uns gern ein Menü für 9 EUR an. Zu meinem Entzücken gab es sogar cipriones con arroz (Babytintenfische in Reis), eine Köstlichkeit, die ich von Arzúa und vom Casa Manolo aus Santiago kannte. Dazu Caldo gallego und zum Nachtisch Empanada. Oh, da wurde geschmaust und dazu einen halben Liter Bier für mich, Herz, was willst du mehr? So schieden wir vom Restaurant Ríos mit den besten Empfehlungen, das Handbuch hatte Recht. Man kann hier auch übernachten.

Nun suchten wir nach einem Laden, denn an unserem Zielort sollte es ja nichts geben. Es gibt am Ortsausgang von Ponte Ulla, wenn man die Brücke der neuen Nationalstraße unterquert, einen Supermarkt Dia%, der von uns recht geplündert wurde. Wilko und Karlijn blieben zurück. Ich hätte nie daran gedacht, dass sie die steile Straße, die wir gekommen waren, zurücklaufen würden, um oben im Pavillon zu nächtigen. Aber, wie gesagt, genau das haben sie gemacht.

Restlicher Weg bis Santiaguiño

Der folgende Aufstieg, erst an der N-525 entlang, dann den Höhenzug rechts hoch, war in der brennenden Sonne mühsam. Kurz nachdem man durch einen Tunnel und dann mehrere 100 m weiter hochgegangen ist, kommt man an eine Kreuzung mit mehreren Häusern an einer kleinen Straße. Hier sagt das Handbuch einfach "300 bergauf", ohne anzugeben, dass man rechts abbiegen muss. Danach macht man einen Linksbogen, und man hat das Gefühl, dass man den hätte abkürzen können, zumal nach einiger Zeit eine Piste von links den Hang hochkommt. Aber, wie man mit Hilfe des Programmes "Google Earth" kontrollieren kann, das täuscht. Es wäre eine Alternative, ja, aber keine kürzere, und so ist man früher im Wald. Danach wird man lange eine schnurgerade Piste hochgeführt, eine gute und direkte Verbindung zum Ziel. Nur zum Schluss bricht die Piste im Wald ab, und dann gibt es noch einen Linksbogen bis zu einer kleinen Asphaltstraße, die nach Santiaguiño führt.

Nun, wir marschierten tapfer und nicht zu schnell, hatten ja Zeit genug. Gegen 17h00 kamen wir endlich in Santiaguiño, unserem heutigen Ziel, an. Es sind nur ein paar verstreute Bauernhöfe in völliger ländlicher Einsamkeit. Das Zentrum bilden eine Kapelle und ein Brunnen. In der Nähe liegt auch der Bauernhof, in dem die Herbergsbetreuerin wohnt. Links geht es zur N-525 hinunter. Dort liegt im Tal das Restaurant O Agro, das ich in schlechter Erinnerung hatte; außerdem soll es auf diesem Weg nach unten neuerdings eine Tienda geben. - Nun, das haben wir nicht überprüft, da wir ja alles von Ponte Ulla mitgebracht hatten; meinen Schlummertrunk transportiere ich in Vorfreude gern. Nur 200 m weiter liegt die supermoderne Herberge rechts. Wer dort nicht nächtigt, hat was verpasst. Ich kann das nur sehr empfehlen, zumal die Entfernung nach Santiago am anderen Tag auch so ist, dass man schon gegen 11h00 an der Kathedrale sein kann. Dazu muss man nur früh genug aufstehen und etwa 7h00 abrücken. Wir hatten das allerdings nicht vor, wollten uns auch morgen Zeit lassen.


Diese Herberge ist im Gegensatz zu anderen auch sehr pilgerpraktisch eingerichtet, noch besser als die von Laxe. Die großen Fenster lassen zwar die Sonne ein, aber davor gibt es Metalllamellen, die man von Hand beliebig drehen kann. In den beiden Schlafsälen (je 16 Betten) sind am Ende Heizkörper für den Winter angebracht. Eine gut eingerichtete Küche, mit Geschirr; Hedwig konnte ausgiebig kochen. Aber kein Kühlschrank. Getränkeautomaten: 1/2 Liter Cola 1,20 EUR, leider kein Wechselgeld (eine weit verbreitete Unsitte). Prima Räume mit Toiletten, Nischen mit Waschbecken. Draußen Wäscheleinen vor der Herberge, aber wir spannten lieber unsere mitgebrachten im Hof auf. Eine Nische mit 2 Betten für Behinderte (etwas weit von den Versorgungseinheiten entfernt). Im Empfangsraum Stempel zur Selbstbedienung. Draußen sogar gepflegte Grünanlagen, wohl dank der Hospitalera. Sowas habe ich noch an keiner anderen Herberge erlebt. Durch Anklicken vergrößern Supermoderne Herberge in Santiaguiño

Als wir eintrafen, begrüßte uns ein älterer Fußpilger, den wir noch nicht gesehen hatten. Die Hospitalera wohne in dem Bauernhof. Ich sagte, dass wir sie gar nicht brauchten. Das sah er sofort ein. Später kam ein älteres spanisches Pilgerpaar, das den anderen Fußpilger kannte, dazu. Die Gruppe hielt sich abseits. Am Ende schliefen sie in dem einen und wir drei Deutschen in dem anderen Schlafraum.

Wie man das Licht ausschalten kann

Die Herberge liegt recht exponiert auf der Höhe. Draußen wehte ein heftiger Wind, der nachts fast in Sturm überging. Trotzdem wurde unsere Wäsche nicht so recht trocken (zu spät aufgehängt). Abends kam noch die Herbergsbetreuerin und zeigte uns die Hauptschalter, mit denen man das Licht in den Schlafräumen ausschalten konnte. Vor zwei Jahren hatten wir suchen müssen. Um 23h00 fragte uns ein Spanier, ob er das Licht ausmachen könnte. Höflich. Nachts ist die Haupteingangstür verschlossen, so dass niemand eindringen kann. Dafür kann man durch eine Nebentür hinaus, aber - Vorsicht! - nicht wieder hinein. Den entsprechenden Hinweis auf Spanisch, Englisch und Französisch ergänzte ich um die deutsche und die Esperanto-Fassung. Wir wunderten uns noch, dass Wilko und Karlijn nicht gekommen waren ... Die Nacht war ruhig, der Wind wirkte eher einschläfernd und ließ einen sich gemütlich in den Schlafsack kuscheln.


12. September 2007, Mittwoch: Von Santiaguiño von Santiago de Compostela, 17 km (428 km)

Diese letzte Etappe muss man zelebrieren. Lange verbirgt sich Santiago hinter einem unscheinbaren Pass mit nur wenigen Häusern darauf. Das letzte Stück in die Stadt hinein ist dann viel schöner als vom verkehrsumbrausten Monte do Gozo aus. Aber auch die letzten 17 Kilometer wollen gelaufen sein.

Morgens konnte man das Licht einschalten. Wir verließen nach dem Frühstück natürlich als Letzte die Herberge, mussten die Nebentür nur hinter uns zuziehen, keinen Schlüssel wegbringen. Vorher hatten wir überall das Licht ausgemacht und auch sonst für Ordnung gesorgt. 8h40 zogen wir los. Mein rechter Fuß war weiterhin verpflastert. Immer noch sickerte Sekret aus einer Wunde am Zehansatz. Das war evtl. auch eine Folge von Fußpilz, mit dem ich sonst auf Pilgerwegen nie Last gehabt habe. Jedenfalls tat es kaum weh, und ich konnte prima laufen.

Einige Bemerkungen zum Wegesverlauf

Erst führt der Weg auf der Höhe durch Eukalyptuswald, wobei mehrfach rechts der Pico Sacro auftaucht, zum Schluss recht nahe. Wenn man hinter der letzten Herberge in Santiaguiño die 2,2 km durch den Eukalyptuswald gegangen ist, kommt man bei zwei Villen und ca. 100 m Asphalt an eine T-Kreuzung, wo der Pilgerweg der kleinen Asphaltstraße nach links runter folgt.


Anmerkung von 2010: Abstecher zum Picro Sacro.

An der T-Kreuzung gehe man zu dem Muschelstein gegenüber am Straßenrand und schaue dann nach rechts: Der Pico Sacro ist zum Greifen nahe zu sehen. Sollte er wegen Morgennebel nicht sichtbar sein, lohnt auch kein Abstecher.

Ansonsten folge man für den Abstecher einfach der Asphaltstraße rechts und dann immer geradeaus nach oben, bis man einen Sattel erreicht, von wo eine Asphaltstraße links abzweigt und direkt den Gipfel ansteuert. Einsiedelei. Eine Treppe führt auf die Spitze. 360 Grad Rundumsicht, einmalig! Santiago samt Kathedrale deutlich sichtbar.

Zeit: ab der geschilderten Einmündung ca. 45 Minuten hoch und 35 wieder herunter.

Als Ausflug von Santiago aus: Siehe meinen Bericht von 2010.


An der Verzweigung vor Rubial, wo es früher Pfeile gab, die fälschlicherweise geradeaus deuteten, ist die Auszeichnung jetzt korrekt so, dass es rechts weitergeht. - Es könnte im Dorf Deseiro de Abaixo gewesen sein, jedenfalls noch vor Susana, wo uns eine Frau ansprach und sagte, man könne von hier aus schon die Kathedrale von Santiago sehen. Evtl. von einer Anhöhe hinter dem Dorf aus? Man sollte auf ein Turmpaar (ich denke, halb rechts) achten, wir selbst haben es nicht gesehen. Im Handbuch wird das Dorf übrigens als Sergude bezeichnet; es ist evtl. ein Ortsteil, denn das Zentrum von Sergude liegt gut 3 km entfernt und wird gar nicht berührt.


Bemerkung von 2010: (Siehe Ausflug zum Pico Sacro)
Tatsächlich ist die Kathedrale bei klarem Wetter schon viel eher zu sehen. Schon nachdem die kleine Asphaltstraße sich hinter der T-Kreuzung ins Tal hinuntergesenkt hat, muss man, wenn sie scharf nach rechts verlässt, nach den Antennen auf den Höhen hinter Santiago Ausschau halten. Es müssen drei sein, ziemlich rechts. Darunter kann man dann klar die 3 Türme der Kathedrale sehen.

Vor Susana erreicht man eine stark befahrene Landstraße, auf der man nach links in den Ort geführt wird, wo man die N-525 recht gefährlich überqueren muss. Links an der Ecke der Kreuzung liegt eine Bar, die aber wohl endgültig geschlossen ist. Da wir eine Toilette suchten, gingen wir ca. 150 m links die N-525 weiter, also nicht den Pilgerweg, und fanden eine Bar auf der linken Seite. Anschließend mussten wir dann eben bis zur Kreuzung zurück. Auf dem Rückweg gingen wir in die Apotheke, die unweit der Kreuzung liegt. Peter brauchte Kopfschmerztabletten, ich fragte mal wieder vergeblich nach Elastoplast. Immerhin wäre es wahrscheinlich viel billiger als in Deutschland gewesen.

Eine Abkürzung, bei der man Susana links liegen lässt

Wer nichts im Ort benötigt, für den weiß ich eine Abkürzung, die den Rechtsbogen durch Susana vermeidet. Ich hatte schon vor zwei Jahren vermutet, dass man die stark befahrene Landstraße einfach überqueren sollte; dort weist ein Schild zum Bahnhof. Am Ortsende läuft man ja über eine Eisenbahnbrücke, und davor kommt ein breiter Weg von rechts: ich war ganz sicher, dass man den für eine Abkürzung benutzen kann. Das Programm Google Earth zeigt deutlich, dass das stimmt.


Tipp: Wenn man vor Susana die stark befahrene Landstraße erreicht, dieser nicht nach links zur Kreuzung im Ort folgen, sondern die Straße überqueren und geradeaus einem Weg in Richtung Bahnhof (Schild!) folgen (rechts um ein Haus herum). Schon nach 20 m halblinks abzweigen (Rúa de Arredillo) und zwischen Häusern hindurch. Nach 150 m macht der Weg einen Knick nach halblinks und stößt 50 m weiter auf einen Weg, der von links, ebenfalls von der Landstraße herkommt. Diesem nach rechts folgen, bis fast zu den Bahngeleisen, aber vor dem Tunnel links abbiegen. Ab hier einfach immer geradeaus, parallel zu den Gleisen. Rechts folgt bald eine Häusergruppe. Man könnte hier als eine Variante nach rechts abzweigen, zwischen den Häusern hindurchlaufen, muss dann aber vor der Eisenbahnbrücke (das ist die falsche!) wieder nach links, parallel zu den Geleisen weiter. Wer diese Variante nicht laufen will, zweigt nichts rechts ab, sondern läuft weiter immer geradeaus, an einer Reihe von Häusern, die links liegen, vorbei. Beide Alternativen kommen kurz vor der richtigen Eisenbahnbrücke zusammen. Hier kommt gleichzeitig der Pilgerweg von unten links hoch. 50 m weiter führt die Brücke rechts über die Geleise. Ich schätze die Wegeersparnis auf 800 m. Viel ist es nicht, aber man vermeidet den dichten Verkehr im Ort. Sicher hat man den Pilgerweg mitten durch Susana geführt, damit mancher Pilger noch etwas Geld dort lässt. (2010 bin ich diese Abkürzung gelaufen.)
Hinter der Brücke über die Eisenbahnlinie geht es an der nächsten Kreuzung links, 300 m hinunter, dann links ab und im Rechtsbogen steil nach oben. Von dieser Höhe aus ist nun klar rechts die Kathedrale unterhalb eines markanten Paares von Sendemasten zu erkennen. (Anmerkung von 2010: ein dritter kleinerer ist rechts davon.) Weiter links ist städtische Bebauung auf einem Höhenzug. Ich habe das vor zwei Jahren für Santiago gehalten. Es ist nicht ganz falsch, die Häuser müssen zum Universitätsviertel gehören. Wer aber in Richtung Innenstadt blicken will, muss sich wesentlich mehr nach rechts orientieren, wo die genannten Sendemasten (nicht ein einzelner, den gibt es auch noch viel mehr links auf einer Höhe) zu sehen sind.

Auf dem Weg, der das richtige "Pilgergefühl" vermittelt

Meine Erinnerung setzt erst wieder ein, als wir endlich auf die unten im Tal liegende Kapelle Santa Luzía zu laufen. Wenig später beginnt der Camino real, also ein alter Königsweg, eine Fernverbindung, die auf Santiago zuläuft. An Häusern mit Weinreben vorbei, dann einen schönen Hohlweg hoch. Langsam wendet man sich immer weiter nach rechts, denn der Pass in die Stadt liegt nicht dort, wo die Autobahn die Höhe schneidet, sondern noch einmal ein Stück weiter rechts, wie gesagt, eine unscheinbare Kerbe mit ein paar Häusern. Kommt man näher, verliert man den Überblick. 12h00 stapfen wir hier hoch, zu spät für die Pilgermesse. Dafür hätten wir früher aufstehen müssen, aber das wussten wir vorher.

Anmerkung von 2010: Ab der Autobahn ist 2010 der Pilgerweg durch eine riesige Baustelle zerschnitten. Man wird stressig nach links (steil an der Autobahn hoch!) in einem Rechtsbogen durch die Bebauung zur alten Strecke zurückgeleitet und kommt in Angrois vor der Bar raus. 2010 war die Bar geöffnet.


Alter Pilgerweg zur Altstadt Durch Anklicken vergrößern Hinter der Autobahn auf dem kleinen Pass eine Bar in Angrois, sogar geöffnet, aber wir sind nicht mehr zu bremsen. Endlich schon in geschlossener Bebauung geht geradeaus jenseits einer Straße der camino real mit alter Pflasterung weiter. Nach 50 m sieht man unten die Kathedrale liegen. Hier halten alle Pilger an und machen ein Foto, wir taten das auch. Nostalgie: Wir passierten das Schuhreparaturgeschäft, in dem Hans seine Sohlen wieder angeklebt bekam. Vor einigen Wochen hat Jean-Pierre angerufen und mich gefragt, ob ich mich daran erinnere. Ich erzählte ihm, dass wir genau dort in diesem Jahr vorbeigekommen sind und ich Hedwig alles gezeigt habe. Er amüsierte sich darüber sehr.

Ich führte dann quer durch die Altstadt, erst nach Gefühl, dann, weil ich mich auskannte. Nochmal: Dieser Weg in die Stadt auf dem camino real ist viel mittelalterlichgemäßer als vom Monte do Gozo her. Ich bin traurig, dass ich ihn nie wieder so in gespannter Erwartung gehen werde, denn dieses Glücksgefühl stellt sich nur bei ersten Mal ein, vielleicht wie jetzt bei zweiten Mal noch einmal, aber danach ist alles nur noch Routine, unwiederholbar in der Erwartung des Neuen, ein Problem, mit dem viele Pilger zu kämpfen haben, wenn sie nicht zum ersten Mal nach Santiago ziehen. Kurz nach 13h00 sind wir an der Kathedrale. Wir freuen uns mit Peter, dass wir gut angekommen sind. Durch Anklicken vergrößern Wieder heil angekommen

Doña Josefina Durch Anklicken vergrößern Dann kommt der Gang, auf den ich mich schon den ganzen Tag freue: Auf zu Doña Josefina und zur Bar "La Campana", wo ich wie immer unterkommen will. Aber als Don Pepe uns sieht, strahlt er gar nicht wie üblich, und seine Mutter Doña Josefina begrüßt uns eher rmit Klagegeschrei als mit Freudenrufen. Was ist los? Sie hat keine Betten für uns. Das gibt's doch nicht! Es ist fast Mitte September, längst abseits der Hochsaison, da müssten alle Betten frei sein. Noch nie habe ich mich vorher angemeldet, und warum hat Helmut, der Kerl, uns nicht angekündigt, wie ich ihm eingeschärft habe? Und vor ihm waren Antje und Vicente da, die sicher meine Grüße bestellt haben.

Die bösen, bösen Radfahrer (3. und letzter Teil)

Erst lange im Nachhinein kann ich rekonstruieren, was passiert ist. Es ist der dritte Teil von "Die bösen, bösen Radfahrer", die aber eigentlich weniger Schuld sind als die (sagen wir mal) Geschäftstüchtigkeit der guten Doña Josefina. Diese behauptet, nicht gewusst zu haben, dass wir kämen. Don Pepe händigt uns aber einen Zettel von Helmut aus, der an diesem Morgen Santiago verlassen hat. (Schade, wir hätten so gern noch mit ihm Abschied gefeiert.) Da kann also was nicht stimmen, Helmut ist nicht Schuld. - Die Betten sind alle von Radfahrern belegt, die doch glatt ihre Räder im Keller vor den Toiletten untergebracht haben. Ja, die kamen zwei-drei Stunden vor uns an, und da musste sich unsere gute Wirtin entscheiden: Entweder jetzt die Betten sofort und sicher belegt haben oder darauf vertrauen, dass "el alemán de la barba" zuverlässig wie angekündigt erscheint (im September etwas riskant). Angerufen habe ich ja nicht, also geht sie auf Nummer Sicher und gibt den Radfahrern die Betten. Jetzt tut es ihr ehrlich Leid. - Noch mehr Leid tut es ihr am Abend, als wir zum Essen wiederkommen. "Que día mal!" (Was für ein mieser Tag!) ruft sie ein übers andere Mal. Was ist jetzt wieder passiert? Wie gesagt, "die bösen, bösen Radfahrer"! Die wollten an diesem Mittag Bahnfahrkarten für morgen kaufen, aber zu ihrem Entsetzen war der Zug ausgebucht. Aber wenn sie noch heute fuhren, kam alles noch hin. Also sind sie zu Doña Josefina zurück und haben ihre Räder aus dem Keller geholt. Die Zimmer brauchten sie auch nicht mehr. Kein Wunder, dass Doña Josefina im Quadrat sprang. Da hat sie sich blamiert, ihrem Stammgast nicht vertraut zu haben und auf die Radfahrer zu setzen, und jetzt stand sie da mit leeren Betten. Schlimmer konnte die Katastrofe nicht sein! Ich musste ihr hoch und heilig versprechen, beim nächsten Mal vorher anzurufen. Ja, wenn es ein nächstes Mal geben wird ... Ich hoffte nur, dass die Radfahrer doch noch was bezahlen mussten, denn in Deutschland heißt es ja: "Bestellt ist bestellt." Sonst war es auch ein finanzieller Verlust für sie gewesen.

Ein weiteres gutes Hostal

Aber zurück zu der Situation, dass wir ohne Betten da standen. Eines funktioniert zwischen den Bettenvermietern in Santiago gut: Hat jemand Gäste, aber nichts mehr frei, vermittelt er fix an die befreundete Konkurrenz, beim nächsten Mal wird diese sich revanchieren. So fragte Doña Josefina nur kurz, ob wir mit 30 EUR einverstanden seien? Dann rief sie ein anderes Hostal an.


Hostal Victor, As Carretas 20. Doppelzimmer 30 EUR, Einzelzimmer 15 EUR.
Bestens gelegen: gleich am Reyes Católicos die Treppe hinunter (wo man sich zum Pilgeressen anstellt), dann gleich um die Ecke in die nächste Straße, 50 m weiter rechts ist es.
Dieses Hostal kann ich sehr empfehlen, aber vielleicht war der Preis auch schon wegen der Nachsaison reduziert. Eine alte, sehr freundliche Dame zeigte uns die Zimmer, sprach gebrochen deutsch. Alles war bestens. Eigentlich genauso gut gelegen wie "La Campana" und noch bessere Zimmer. Doña Josefina, da hast du zweifach verloren.

Wilko und Karlijn tauchen wieder auf

15h30 schlemmen wir im Casa Manolo, obwohl dort der Preis jedes Jahr schneller steigt. Jetzt 8 EUR, damit immer noch ein Schnäppchen. Ich habe die Auswahl der Gerichte gezählt: 25 verschiedene pro Gang! Und der halbe Liter "Bock" unverändert 1,80 EUR! Fast hatte ich den Eindruck, dass der Empfangschef mich wiedererkannte. Nachmittags ins Pilgerbüro. Peter holt sich stolz seine Compostela. Wer steht hinter uns in der Schlange? Wilko und Karlijn! Was für eine Freude! Quartier? Kein Problem, ich führe sie nach schräg gegenüber zur Pension "San Jaime", wo ich im Herbst 2005 mit Marek übernachtet habe. Das klappt, aber es war ihnen dann doch zu spartanisch (kann ich verstehen), und am anderen Tag sind sie umgezogen. Peter ist übrigens noch mehrere Tage bei Doña Josefina untergekommen (15 EUR); eigentlich hätte er auch im Hostal Victor bleiben können, aber ich wollte Doña Josefina etwas trösten, und Peter hatte deshalb auf meine Bitte hin schon vorausbezahlt. Na ja, war ja auch nicht schlimm.

Irgendwie ist der Wurm drin

Abends essen wir im "La Campana", aber auch das wurde ein Reinfall, weil das Essen zwar gut war, aber Doña Josefina ihrem Sohn die Abrechnung überließ. Das ist immer ein Risiko, denn Rechnungen sind nicht seine Stärke, und so hatte ich nachher den Eindruck, zu viel bezahlt zu haben. Dass uns anderntags Doña Josefina noch eine große Santiagotorte zum Abschied schenkte, sah auch etwas nach schlechtem Gewissen aus.


Mit Wilko und Karlijn feierten wir am Abend zu fünft Abschied, besuchten auch noch die Studentenkapelle "La Tuna", aber irgendwie war der Wurm drin. So schienen mir die Studenten, die ich vom Gesicht her fast alle kannte, doch etwas in die Jahre gekommen zu sein. In der Bar "La Campana" fühlte ich mich nicht mehr so wohl wie sonst, Santiago verließ ich gern wieder, und bei der Rückschau auf die Pilgertour standen meine kaputten Füße und mein klägliches Hinterherlaufen hinter den anderen im Vordergrund. Auch vermisste ich Antje und Helmut, wenn die wenigstens da gewesen wären! Gegen 23h00 lagen wir in den Federn. Durch Anklicken vergrößern Abschiedsfeier neben der Bar "La Campana"

Rückfahrt

13. September 2007, Donnerstag

Frühstück bei Doña Josefina. Schmiss einen auch nicht um. Irgendwie meckerte ich an allem rum. Ich hatte das dumpfe Gefühl, nie wiederzukommen. Gebe ich das Pilgern auf? Doña Josefina überrascht uns mit einer riesigen Tarta de Santiago als Abschiedsgeschenk, wie schon erwähnt. Sie wollte wohl was reparieren.


Pilgermesse mit Botafumeiro Durch Anklicken vergrößern Wir lassen die Rucksäcke bei ihr, sitzen schon um 11h00 in der Bank in der Kathedrale, um beim Pilgergottesdienst um 12h00 in der ersten Reihe zu sitzen. Das klappt. Sogar Botafumeiro, aber ein neuer, kleinerer. Im Gebet finde ich etwas Ruhe; Gott ist wie immer da, zuverlässig, unverändert, das ist tröstlich. Ein schöner Abschied, immer noch mit Peter zusammen. An den kann man sich auch gut gewöhnen. 13h02 Mittagessen im Casa Manolo, zeitlich riskant. Merluza, chipriones a la plancha ... ich lange nochmal richtig zu.

Dann müssen wir im Laufschritt zum Busbahnhof, treffen ca. 14h00 dort ein. Bussteig (anden) 7-10. Dort ist auch eine Säule mit Aufschrift "Aeropuerto", aber der Bus hat ein Schild "Lugo - Santiago - Hijuelas", also keineswegs "Aeropuerto". Abschied von Peter.

Abfahrt 14h10 (der nächste Bus fuhr erst um 16h00), Fahrtzeit immerhin ca. 20 Minuten. Das Flugzeug startet mit 35 Minuten Verspätung. Das ist immer so, wenn man gehetzt hat. Wir schaffen es wieder, am Schalter um einen Fensterplatz zu bitten und 10A zu bekommen. A ist normalerweise ein Fensterplatz (ebenso F), aber 10A ist die einzige Stelle in einer Boeing 727, wo kein Fenster ist. Macht nichts, es wurde sowieso bald dunkel. Wir waren froh, als wir ziemlich kaputt zu Hause ankamen, wo uns unser Schwager am Flughafen erwartete. Mit einem Sprung ist man aus dem Pilgerleben wieder zurück im Alltag.


Letzte Änderungen: 24.08.2021