Im Jahre 2005: Auf dem Camino Francés von León nach Santiago


Herkunftspfad: Übersichtsseite meiner Pilgerberichte >> Von León nach Santiago de Compostela
Autor: Rudolf Fischer
Meine Netzadresse: Rudolf.Fischer@Esperanto.de

Siehe auch einen Bericht über den gesamten Camino Francés aus dem Jahr 2000

Einleitung

Für diese Pilgerfahrt hatte mich mein Schwiegersohn Marek als Führer gewonnen. Ich war etwas gespannt, wie sich dieser Abschnitt, wohl der schönste des Camino Francés, seit 2000, als ich mit meinem jüngsten Sohn Harald unterwegs war, verändert hatte. Deshalb habe ich, wenn es eben ging, alternative Unterkünfte oder Wegvarianten ausprobiert. Das Schwergewicht dieses Berichts liegt deshalb auch auf dem Kontrast, der interessierte Leser sollte auf meine Erlebnisse von 2000 deshalb nicht verzichten.

Bei Marek bedanke ich mich für die fantastisch schönen Bilder, die er gemacht hat. Der Platz erlaubt hier leider nur eine kleine Auswahl.

Das Pilgermaskottchen unten (eine Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist nicht rein zufällig :-)) markiert besonders wichtige Hinweise für die, die sich auf denselben Weg machen wollen.


Einen besonderen Dank sage ich dem Freundeskreis der Jakobuspilger Paderborn, der mir nicht nur immer den Pilgerausweis zusendet, sondern auch noch sehr empfehlenswerte Netzseiten anbietet. Aus den dortigen vielen Informationen zu Unterkünften am Camino Francés (Autor: Jochen Schmidtke) hatte ich mir Auszüge herauskopiert und mitgenommen. Das wurde meine wichtigste Planungsquelle. Zum Dank stelle ich in diesem Bericht Ergänzungen und Korrekturen zur Verfügung, die inzwischen eingearbeitet sind.

Ein Handbuch brauchte ich sonst eigentlich nicht, kannte ja die gesamte Strecke (allerdings ohne einige Varianten). Neulingen empfehle ich mein Standardhandbuch, hier die neuste Auflage:
Michael Kasper(+), Michael Moll: Spanien: Jakobsweg, Camino Francés.
10. Auflage 2007. ISBN 978-3-86686-023-0 Conrad-Stein-Verlag
(Auf den Menüpunkt "Programm" klicken, dann "West-, Süd- & Mitteleuropa" auswählen.)

Wer aber eher auf Karten den Weg samt Höhenprofilen ganz genau verfolgen will, der wird auch von folgendem Buch profitieren:
Dietrich Höllhuber: Wandern auf dem Spanischen Jakobsweg
ISBN 3-7701-5428-2. 2.Aufl. 2002
Reihe DUMONT aktiv, DuMont-Buchverlag Köln
Gibt in der Regel die schöneren Varianten an (aber nicht den Weg über Samos). Im Vergleich zu den Handbüchern von Michael Kasper gibt es sehr nützliche Kartenabbildungen (nicht nur Skizzen). Mit ihrer Hilfe kann man genau feststellen, wo man ist. Außerdem sind Höhenprofile beigefügt.


Anfahrt

16. August 2005, Dienstag: Flug nach Madrid, Übernachtung

Schon im November 2004 hatten wir Flüge von Köln-Bonn nach Madrid und zurück bei der Fluggesellschaft Germanwings gebucht. Das war das Billigste: pro Kopf und Richtung schlappe 40,00 EUR. Die Flugzeiten waren nicht die besten (klar, bei dem Preis): Planmäßiger Abflug um 17h30. Ankunft um 19h55. Also recht spät, so dass wir nicht mehr am selben Tag nach León fahren konnten. Wir buchten also übers Netz in Madrid eine preisgünstige Unterkunft (ca. 33,00 EUR + 5,00 EUR Vermittlungsgebühr für ein einfaches Doppelzimmer).

In Köln wimmelte es von ausländischen Jugendgruppen wegen des Weltjugendtreffens. Der Nahverkehr war aber vorbildlich organisiert. Wir erreichten ohne Schwierigkeiten mit Bahn und S-Bahn den Flughafen. Germanwings ließ mehrfach durchblicken, dass man bei Billigflügen keine Ansprüche stellen kann. Der Abflug verzögerte sich um etwa 1 Stunde. Das war schlecht, denn dadurch kamen wir noch später in Madrid an. Unterwegs gab es natürlich auch keine kostenlose Bordverpflegung, aber darauf hatte ich mich eingestellt.

Diesmal mit Isomatte im Rucksack

In unseren Rucksäcken hatten wir die Isomatten und auch den Pilgerstock unterbringen können. Ich nahm diesmal wieder einen Teleskopstock mit, den man zusammenschieben kann. Das mit der Isomatte klappte so gut, dass ich sie fast die ganze übrige Zeit im Rucksack transportierte, also nicht wie sonst senkrecht oder waagrecht hinten auf den Rucksack geschnallt. Besonders in den Städten (Türen, Busse) war das wesentlich komfortabler. Allerdings waren unsere Rucksäcke (Marek machte es nämlich genauso) dadurch sehr groß, so dass die Leute immer dachten, dass wir da riesige Lasten schleppten. Nein, bei mir waren es wieder nur 8,2 kg + Wasser + einige Vorräte.

Mit der U-Bahn durch Madrid

In dem gigantischen Flughafenkomplex von Madrid suchten wir die U-Bahn. Man muss im Gebäude bleiben. Es ist ganz gut ausgeschildert, aber mehrere hundert Meter weit. Wir zogen Einzelfahrscheine zu 1 EUR aus dem Automaten. Auf Handzetteln war noch der alte Preis (1,15 EUR) angegeben. Es gibt auch Zehnerkarten zu 5,80 EUR. Dafür kann man das riesige U-Bahn-Netz beliebig weit für eine Fahrt benutzen, sehr preiswert und relativ schnell. Die Linie 8 vom Flughafen aus ist wohl verlängert worden (mein Stadtplan zeigt das noch nicht), jedenfalls kamen wir dank der guten Ausschilderung und einem sofort ergatterten neusten Faltblatt bis zur Station Nuevos Ministerios, wo wir in die Linie 6, eine Ringbahn, umstiegen. Diese fuhr direkt zu unserem Zielbahnhof O´ Donnell, wo wir gegen 22h00 ankamen. Orientierungsschwierigkeiten (Dunkelheit und kaum ein Straßenschild), da man aus dem Stadtplan nicht ersehen kann, aus welchem Mauseloch der jeweiligen Station man ans (nicht vorhandene) Tageslicht gekommen ist. Bald war aber alles klar.

Unterkunft im Studentenzimmer

Zu Fuß zu unserer Unterkunft. Eine Art früheres Vorstadtviertel mit ehemals besseren mehrstöckigen Häusern, jetzt etwas betagt, aber noch gut erhalten, viel Grün. Niemand öffnet auf unser Schellen. Tja, wir hatten uns für "ca. 21h00" angemeldet. Aber ich konnte Marek beruhigen, dass wir zwar viel später, aber für spanische Verhältnisse nicht zu spät dran waren. Außerdem ist 22h30 in Spanien (trotz Dunkelheit), was bei uns früher Nachmittag ist.

Zum Glück führt ein Nachbar seinen Hund aus und zeigt uns, dass wir beim Haus gegenüber schellen sollen. (Ein entsprechender Hinweis an der Haustür wäre nicht schlecht gewesen.) Beide Häuser haben äußerlich übrigens keinerlei Zeichen, dass dort Übernachtungszimmer vermietet werden. Es stellt sich zusätzlich heraus, dass mindestens das linke Nachbarhaus noch dazugehört. Außerdem ist das Ganze eigentlich eine Studentenunterkunft, und wir beziehen ein einfaches Doppelzimmer, in dem sonst zwei Studenten wohnen.

Eine freundliche junge Dame zeigt uns alles, kassiert und ist wieder weg. Toilette und Dusche auf dem Flur, sogar zwei Duschen. Alles sauber und ordentlich. Für den Preis sind wir sehr zufrieden und schlafen bald.


17. August 2005, Mittwoch: Mit dem Bus nach León

Morgens kann man sich Frühstück in der kleinen Küche machen. Ist im Preis inbegriffen! I.W. Kekse und Kaffee mit Milch nach Belieben. Die Mikrowelle ist nicht mein Ding. Ehe ich eingreifen kann, läuft der heiße Kaffee innen das Sichtfenster runter. Peinlich! Zwei Studenten erscheinen, reagieren aber mundfaul auf meinen Gruß.

Im Busbahnhof Süd

8h35 laufen wir zur U-Bahn-Station. 9h10 haben wir die Station Méndez Alvaro erreicht, die unterirdisch mit dem Busbahnhof-Süd (Estación Autobus Sur) verbunden ist. Allerdings wieder ein Weg von ca. 500 m. Zum ALSA-Schalter, um Busfahrscheine nach León zu kaufen. Wir bekommen die letzten beiden Plätze in dem Bus, der in wenigen Minuten abfährt. Fahrpreis 18,86 EUR. Ich hatte den Fahrplan schon zu Hause aus dem Netz besorgt. Es gab heute noch genügend weitere Busse nach León. Aber wir wollten ja auch nicht zu spät bei der Herberge dort aufkreuzen. - Im Wetterbericht sagten sie Regen an. Davon haben wir vorerst nichts gesehen.

Busfahrt nach León

In dem üblichen bequemen Bus, obwohl wir auf der letzten Rückbank sitzen, geht es nach León. Unterwegs eine schöne Hügelkette, dann Steppe und reinste Halbwüste. Das sieht alles ganz schlimm aus. Nur entlang von Flussläufen Pinienwälder. Stunden später erreichen wir Mansilla de las Mulas und damit den Camino Francés. Ab jetzt kenne ich alles. Wir sehen viele Pilger neben der Fernstraße laufen. Der Bus fährt zum Schluss eine neue Schnellstraße nach León hinein. Ich verliere die Orientierung, habe aber ja einen Stadtplan dabei.

Ca. 14h00 treffen wir pünktlich am Busbahnhof von León ein. Als erstes kaufe ich Busfahrkarten für den Frühbus von Santiago nach Madrid in ca. 3 Wochen. Wir haben Plätze 4 und 5. Fahrpreis 36,84 EUR pro Person. An den ALSA-Schaltern komme ich immer prima klar. Von dem Kundendienst sollte sich die Deutsche Bahn mal eine Scheibe abschneiden.

Bei blauem Himmel zur Herberge

Von wegen Regen! Es ist heiß. - Der Busbahnhof liegt am Fluss, aber müssen wir nun nach links oder nach rechts? Ich vermute, wo wir auf der Karte sind, liege aber ganz falsch. Trotzdem stimmt die Richtung (links), was ich merke, als wir schon nach kurzer Zeit auf eine große Brücke stoßen, die über den Fluss rechts in die Altstadt geht und die ich kenne. Avenida de Palencia: Jetzt weiß ich, wo wir auf der Karte sind. Das Gebäude des Busbahnhofs ist ebenfalls auf meinem Stadtplan eingezeichnet, aber nicht beschriftet. Deshalb konnte ich es nicht finden. (Im meinem alten Handbuch von Michael Kasper ist der Busbahnhof korrekt eingezeichnet, aber da ich nur eine Ausgabe von 1999 habe, traute ich dem nicht so ganz.)

Wir laufen über die Brücke, aber dann nicht geradeaus in Richtung Altstadt, denn das ist ein Umweg, sondern halbrechts. Mit Hilfe des Stadtplans geht es ziemlich lange durch die Avenida de República Argentina direkt auf einen kleinen Park zu, dann durch zwei Sträßchen zur Pilgerherberge bei den Benediktinerinnen. 15h00 sind wir da. (Von 8h00 bis 11h00 hat die Herberge geschlossen, also nicht mehr wie früher am Nachmittag.)

Im Refugio der Benediktinerinnen

Diese Unterkunft kenne ich, habe sie in schlechter Erinnerung (zu eng, zu stickig). Aber Marek soll die Innenstadt greifbar nahe haben, um alles zu besichtigen, und ich will ihm gleich vorführen, wie das als Pilger in den Herbergen ist. Das gelingt prima. ;-) Wir bekommen zwei Betten, aber es sind "Restbetten", hinten an der Wand und beide oben, das Unbequemste, das der volle Schlafsaal bietet. Aber so wollten wir es ja. Die bereits Eingetroffenen haben allen Platz belegt, ich kann kaum meinen Rucksack abstellen. Es herrscht bei dem Massenbetrieb eine anonyme Atmosphäre. Später schreien sich sogar zwei Pilger an (Spanisch und Deutsch, keiner versteht den anderen), es geht um die Belegung eines Bettes.

Unser Saal hat 37 Betten und ist für Männer reserviert. Nebenan gibt es einen ebenso großen Schlafsaal für Paare. Für beide Säle nur zwei Bäder. Ich verzichte auf das Schlangestehen an den Duschen. Im Souterrain sind weitere Schlafsäle, wohl ebenso groß.

Teurer anfliegen oder einen zweiten Tag für die Anreise

Für das Abendessen finde ich kein Lokal mit günstigem Angebot. Das kleine Restaurant am Anfang der Gasse hat oder ist geschlossen. Am späten Nachmittag geht ein Gewitterschauer nieder. Marek und ich kaufen ein und essen im Hof der Herberge zu Abend, auf einer Bank neben Baumaterial. Wo sonst die Tische und Bänke standen, ist nämlich jetzt eine Baustelle. Die kleine Küche ist immer dauerbelegt, da hat man keine Chance zu sitzen.

Bis spät in den Abend kommen noch Pilger. Eine Gruppe Jugendlicher schläft am Ende auf Matratzen in der Toreinfahrt. Wenigstens haben sie ein Dach über dem Kopf. Ja, wer am gleichen Tag anreist, hat schlechte Karten. Um einen Tag zu sparen, könnte man mit der Iberia direkt bis León fliegen, aber das ist entsprechend teurer.

Akklimatisierung ans nächtliche Massenquartier

Nach einem Schlummertrunk in einer Bar jenseits des Platzes entere ich mein Bett und versuche zu schlafen. Marek gibt mir Ohrenstöpsel, die ich ausprobiere. Tatsächlich, das Quietschen der Bettfedern ist nicht mehr zu hören. Nachts muss ich wie üblich raus und turne wie ein Affe aus dem Bett hinunter. Es geht schon irgendwie. Auf der Toilette fragt mich ein Jugendlicher, ob er mir helfen kann. Er denkt, mir sei schlecht. Finde ich nett von ihm. Die Nacht ist schlimm, und Marek hat jetzt einen richtigen Eindruck, wie das ist mit dem Gewimmel auf dem Hauptweg. Er schläft auch mit Ohrenstöpseln, und das kann man nur empfehlen.
Zum Schluss noch einen Auszug aus der Speisekarte der Café/Bar Gala de Oro:
Puré de verduras / Püree von grün
Maccarones con salsa campestre / Nudel tunke wildwachsend
Tallarines a la carbonara / Bandnudels verbrennen

Guten Appetit! :-))


Der Pilgerweg

18. August 2005, Donnerstag: Von León nach Hospital de Órbigo, 36 km (36 km)

Ab 5h30 Gewiggel. Ich habe sogar geträumt, zu schnarchen und die anderen zu stören. Ein Albtraum, zumal er sicher auch Wirklichkeit war. 6h00 raus. Trotzdem keine Chance, sich waschen zu können. Ich stehe Schlange, nur um aufs Klo zu kommen. Frühstück am Brunnen auf dem Platz vor der nahen Kirche. Dort hatte man wenigstens Ellenbogenfreiheit. Das Wetter ist gottseilob weiter trocken.

Weg bis Virgen del Camino nicht so schlimm

7h00 abrücken. Marek schwingt froh seinen Stock, auch er freut sich, dass wir dem Massenbetrieb entfliehen können und (scheinbar) allein unterwegs sind. Wir gehen nicht den Pilgerweg, sondern direkt zum Parador am Altstadtrand, wo der Pilgerweg über eine Fußgängerbrücke führt. Danach durch die Vorstädte. Über diese Strecke wird viel gejammert, ich finde sie nicht so schlimm, kenne da ganz andere Beispiele (z.B. die Vorstädte von Gijón). Wir passieren eine Gruppe niederländischer Pfadfinder. Ach, bei ihnen ist der junge Mann, der mir nachts helfen wollte.

Als die Ausfallstraße nach recht abbiegt, geht es geradeaus auf eine Fußgängerbrücke, die eine Bahnstrecke überquert. Kurz darauf kreuzt man die Fernstraße, kürzt diesmal aber einen großen Schwenk nach links ab, kommt so an den Bodegas vorbei, die ich 2000 erwähnt habe. Dann wieder die Fernstraße und Virgen del Camino. In der Kirche ist eine Messe, so kann ich nur ein kurzes Gebet sprechen. Ich komme mit zwei Pilgerinnen ins Gespräch: Petra aus Deutschland und ihre Freundin aus Tirol. Vor uns liegt ja die Verzweigung. Die beiden wollen sich lieber an die Fernstraße halten, wie Harald und ich 2000 das auch gemacht haben. Diesmal will ich aber die alternative Strecke ausprobieren. Es geht ein Stück links an der N120 entlang. Dann kommt die Abzweigung, aber auf dem Asphalt sind wirre Hinweise in Gelb: Reklame für Bares und die Richtung halblinks nach Villar de Mazarife deutlich durchgestrichen. Hier war ich als "Führer" gleich mit meinem Latein am Ende.


Wer die Alternative laufen will: An der genannten Abzweigung trotz durchgestrichener gelber Pfeile halblinks nach Villar de Mazarife abbiegen.

Zur Vorsicht weiter geradeaus, entschied ich. Nach ca. 500 m zweigte links eine kleine Asphaltstraße ab. Ein Schild wies auf Fresno del Camino (glaube ich mich zu erinnern), und da wollten wir hin. Es musste dieselbe Straße sein, die man ohnehin erreicht, wenn man vorher halblinks abbiegt (und die durchgestrichenen Pfeile ignoriert). Wohl gab es hier kein Zeichen. Trotzdem, was sollte schon passieren, wenn der Zielort einer derjenigen war, die wir durchqueren mussten? - Ein Katalane bleibt stehen, hört sich meine Argumente an, möchte auch lieber nach Villar de Mazarife, aber traut meinem Entschluss nicht, geht langsam weiter geradeaus.

Marek vertraut mir, und wir biegen nach links auf die Asphaltstraße ab. Schon nach 500 m kommt ein Fußpfad von links: das muss der Pilgerweg sein. Und Leute (keine Pilger) laufen dort auch, also muss er begehbar sein. Kurz darauf die im Handbuch angekündigte Autobahnunterführung. Na also, alles im Lot! In Fresno del Camino richten wir Mareks Rückengurte. Da kommt der Katalane daher. Er ist umgekehrt, hat sich doch entschlossen, meinem Ratschlag zu folgen, und ist nun gut zufrieden. Die nahe Fernstraße sei schrecklich gewesen.

Weiter über eine kleine Landstraße nach Oncina de la Valdoncina. Hier habe ich einen kleinen Rastplatz am Dorfausgang in Erinnerung, wo wir eine Trinkpause machten. Die nächsten Kilometer sind einsam.


Es muss hier irgendwo gewesen sein, wo eine Pilgerin belästigt wurde, ein sehr seltener Vorgang. Ich hörte davon in Palas de Rei. Ein Mann ist nackt aus einem Auto gestiegen und hat sich der Pilgerin in unzweideutiger Absicht genähert. Diese hat ihn mit Schreien und Schimpfen in die Flucht geschlagen, sich das Autokennzeichen gemerkt und die Polizei verständigt.

Dieser Einzelfall - der letzte, von dem ich hörte, liegt 5 Jahre zurück - sollte nicht hochgespielt werden. Aber es ist schon besser, wenn sich Frauen, die unbedingt allein pilgern wollen, auch auf diese extreme Möglichkeit einstellen. Verrückte gibt es überall.


Nicht im Handbuch: eine Bar und ein Schlenker

Der nächste Ort, wo wir den Katalanen wieder einholten, könnte Chozas de Abajo gewesen sein. Er suchte nach einer Bar, und die fand sich auch an der nächsten Einmündung auf eine größere Ortsdurchfahrtstraße. Es war einfach die Casa de cultura, in der ich mir eine Cola einverleibte. Draußen saß eine deutschsprachige Pilgerin, die aber absolut jeden Kontakt abblockte. Nochmal: Auf dem Camino Francés geht's trotz - oder wegen? - des Trubels anonym zu.
Wichtiger ist, dass der Pilgerweg hier einen ganz unvermuteten Schlenker machte (wohlgemerkt, wenn das in diesem Ort war), von dem im Handbuch von M.K. nichts zu lesen ist. Es ging nämlich nicht die größere Straße geradeaus weiter, sondern im Gegenteil zurück (spitzwinklig rechts, von der Richtung aus gesehen, die man gekommen war; links, wenn man aus der Casa tritt).

Erst einige hundert Meter weiter kommt eine Abzweigung nach links auf eine schnurgerade Landstraße, die nun viele Kilometer geradeaus führt. Dieses ebene Gebiet mit viel niedrigem Grün nennt sich Páramo.

Ich merkte schon, dass mein Schwiegersohn Marek mein Tempo locker durchhielt und die Kilometer herunterspulte, als ob er nie etwas anderes gemacht habe. Zu Hause waren wir nur einmal einen Trainingsmarsch (mit Gepäck) von 15 km gelaufen ... Heute trafen wir so schon um 12h30 bei strahlendem Sonnenschein und viel Hitze in Villar de Mazarife ein.

Die Unterkünfte in Villar de Mazarife

Gleich am Ortsanfang liegt rechts die erste Herberge (wohl "San Antonio de Padua"), sehr neu, privat. Einige Pilger saßen schon in der Sonne, winkten uns, dort ebenfalls einzukehren. Das war uns zu früh. Im Ortskern dann ein Hinweis auf die bekannte "alte" Privatherberge, die uns nach den Informationen unserer Unterlagen aus Paderborn nicht lockte. Es wurde aber noch eine dritte Herberge "Tio Pepe" angekündigt, zu der man nach links abzweigen musste. Dort drehte unser Freund, der Katalane, der uns inzwischen wieder eingeholt hatte, ab. Wir gingen an einem Lebensmittelladen vorbei bis zu einem kleinen Park rechts und machten Mittagspause. Einige wenige Pilger ließen sich ebenfalls dort blicken. Bald kam auch der Katalane wieder und erzählte, er sei doch nicht bei Tio Pepe geblieben. 5 EUR kostet dort die Übernachtung. Das war nicht zu viel, aber ihm grauste es, den Rest des Tages in diesem verschlafenen Nest mit Nichtstun zu verbringen.

Wir unterliegen einer Versuchung

Uns grauste es bei dem Gedanken auch. Marek und ich schauten uns an. "Wie weit ist es noch bis Hospital de Órbigo?" fragte er. Zu Hause hatte ich lange mit dem Kopf gewackelt, ob man nicht gleich am ersten Tag ... aber das war mir doch zu vermessen vorgekommen. Und unklug, man denke an seine Füße! Andererseits: Marek war heute wie ein alter Hase gelaufen, und vor weiteren 14 km hatte er keine Angst. Ich wusste aber aus Erfahrung, dass einen so eine (wenn auch kürzere) zweite Hälfte - in glühender Sonne! - kaputt machen kann. Dann, kurz entschlossen: Doch, wir gehen mit unserem katalanischen Freund weiter.

Endlos geradeaus, der Katalane plaudert, zeigt uns einige Pflanzen (Dill) und erzählt was dazu. Ich verstehe höchstens die Hälfte. Als wir eine Trinkpause einlegen, zieht er davon.

Begegnung mit Pilgerfreunden R.

Vor Villavante holen wir langsam ein Pilgerehepaar ein. Es sind Deutsche. Gemeinsam schwenken wir scharfrechts in den Ort und machen an einem kleinen Platz mit Wasserkran Pause. Sie wundern sich über unsere großen Rucksäcke. Ich kläre sie über die Isomatten darin auf. Ein angenehmer Tag heute, erzählen sie, warm, aber nicht zu heiß. Bis León hätten sie wochenlang brütende Hitze gehabt. Na, uns reichten die Temperaturen heute durchaus.

Inzwischen haben diese Pilgerfreunde meine Berichte im Netz gesehen, sich gemeldet und mir sogar ein Bild geschickt. Auch konnten Sie mir noch einige Tipps mitteilen, die ich gern einarbeite. Vielen Dank, Bernd und Ursula R.!

Zur Orientierung in Hospital de Órbigo

Ohne Schwierigkeiten kommen wir an die Autobahn vor Hospital de Órbigo, erreichen kurz darauf die N120, überqueren diese und laufen auf die Stadt zu. Bald sind wir auf der berühmten Brücke. Am jenseitigen Ufer geht es rechts zum städtischen Refugio. Wir laufen aber weiter geradeaus, kommen an der Herberge "Karl Leisner" (rechts) vorbei und erreichen kurz darauf in derselben Straße (links) die private Herberge "San Miguel", die ich testen will. Locker haben wir die 36 km bis hierhin weggesteckt, gleich am ersten Tag eine Doppeletappe gemacht und damit unseren Zeitplan umgeworfen.

Beschreibung der Herberge "San Miguel"

Die Albergue "San Miguel" hat zwei Schlafräume mit 22 bzw. 18 Betten. Als wir um 16h30 ankamen, waren im ersten Schlafsaal unten schon alle Betten belegt, aber im zweiten konnten wir uns die besten aussuchen. 6 EUR für die Unterkunft. Frühstück 3 EUR. (Wir nahmen es nicht, aber es ist zu empfehlen.) Sehr gute Einrichtungen: 3 Toiletten, 3 Duschen, einige Waschbecken. Waschmaschine und Trockner (je 3 EUR). Gemütliche Pilgeratmosphäre. Großer Innenflur. Eine Ecke, in der man sich künstlerisch als Maler betätigen kann. Große Küche, in der morgens zur Selbstbedienung alles rumsteht, Kaffee, Milch, Tee, sogar Käse, Fruchtsaft ... Jede Menge Steckdosen, so dass ich mir Kaffee machen konnte. Es hat niemand etwas dagegen, wenn man Mitgebrachtes auspackt. Kühlschrank mit Getränken, die man kaufen kann. Großer Innenhof. Alles mit sehr viel Holzverkleidung und sehr gut durchdacht. Das Beste ist aber, dass man nicht kontrolliert wird, man kann sich loslassen, wie man will. Und vorne an der Anmeldung ist immer jemand ansprechbar. Von 5h00 - 8h30 kann man morgens abrücken. Abends wird um 22h30 geschlossen. Diese Unterkunft ist sehr zu empfehlen!


Zur Bettensituation in Hospital de Órbigo

Inzwischen gibt es im Ort ein Überangebot an Pilgerbetten. Wir schauten kurz in die Pfarrherberge "Karl Leisner": großer malerischer Innenhof. Auch alles sehr pilgergemäß, aber mit deutlichen Abnutzungsspuren. Im Ort trafen wir beim Einkaufen unseren katalanischen Freund, der in dem kostenlosen Gemeinderefugio am Fluss ganz allein war. Er kapierte gar nicht, warum wir unbedingt 6 EUR hatten loswerden wollen. Das Pilgerehepaar R., das wir natürlich ebenfalls wiedersahen, pries die Pfarrherberge. Überall blieb wohl genug Platz, obwohl in unserer Unterkunft noch sehr viele Radfahrer einkehrten.
Durch Anklicken vergrößern Plausch nach dem Einkauf (Bild: B.R.)


Empfehlung zum Abendessen

Abends zum Essen (von der Herberge aus gesehen) vor der Brücke nach rechts. Es ist ein "Mesón Perrona" ausgewiesen, aber wir gingen in das Restaurant "Los Angeles". Auch dort waren wir fast die einzigen Gäste. Menü 7 EUR, von 19h00 bis 23h00. Fischsuppe, Fleisch mit Pommes, Eis. Halbe Flasche Wein, weil Marek keinen Alkohol trinkt. Er bekam Wasser, war kein Problem. Empfehlenswert.

Satt und zufrieden zurück zur Herberge. In unserem Schlafsaal blieben einige Betten frei. Obwohl unsere Fenster zur Straße hinausgingen, haben wir gut geschlafen.


19. August 2005, Freitag: Von Hospital de Órbigo nach Astorga, 16 km (52 km)

6h30 raus, die Radfahrer schlafen noch, aber die meisten Fußpilger sind schon weg. Frühstück in der Küche. Der Herbergsvater überzeugt sich, dass alles da ist, holt notfalls nach. Aber wir haben ja eigene Vorräte. 8h07 los. An der Abzweigung kurz darauf gehen erstaunlich viele geradeaus, den etwas längeren und viel schlechteren Weg. Wir gehen natürlich rechts ab nach Villares de Órbigo. Unterwegs hat Marek Probleme mit dem Rucksack und mit seiner Hose. Er kündigt an, von Astorga aus einige Kilo, vor allem Bücher/Reiseführer, nach Santiago vorauszusenden.

Bar unterwegs in Santibáñez de Valdeiglesias

Der Weg ist wirklich schön. In Santibáñez de Valdeiglesias biegt man an der Kirche rechts ab, und da liegt gleich eine Bar. Ich genehmigte mir einen Kaffee, die Bar war voller Pilger. Unterwegs machten wir noch einmal eine längere Pause, wir hatten ja Zeit. 11h20 erreichten wir das Kreuz oberhalb von Astorga. Der Weg in die Stadt ist besser als in meiner Erinnerung. Ich hatte den Feldweg hinter San Justo de la Vega vergessen und erwartet, dass es die ganze Zeit auf Asphalt entlanggeht. Dann erreichten wir gegen 12h30 die Schnellstraße vor Astorga. Ich habe wieder einen Stadtplan zur Hand, der uns jetzt zugute kommt.

Sachen vorausschicken: kein Problem

Wir gehen direkt zum Postamt. Marek kramt seine entbehrlichen Sachen zusammen. Ein freundlicher Postbeamter packt alles zusammen in genormte Päckchen. Versand nach Hause ca. 20 EUR. Äh, dann doch lieber nach Santiago. Ca. 5 EUR, schon besser. "Hier schicken wohl öfter Pilger etwas voraus?" frage ich den Beamten. "Fast jeder" nickt der, für ihn gehört das zum Alltag. Marek bekommt eine Quittung. In Spanien ist alles gut organisiert.

Eine tolle private Unterkunft

In der Stadt laufen wir zur privaten Herberge "San Javier", die der Paderborner Pilgerführer empfiehlt. Ein wahrer Volltreffer! Die Leute freuen sich über jeden, der kommt. Übernachtung 6 EUR. Wir bekommen ein Doppelstockbett im 1. Stock. Es sind 16 Betten im Zimmer, recht eng gestellt, aber da muss man sich ja nicht lange aufhalten. Es bleibt auch einiges frei, so dass man Platz für seine Sachen hat. Nebenan ist noch ein 16-Bett-Zimmer und ein weiteres, kleineres. Ein Stockwerk höher sind noch mehr Schlafräume. 9 sehr gute Duschen, außerdem ein Zimmer nur mit Waschbecken, 8 Toiletten. Ich bin entzückt über eine Steintreppe, die von einem Balkon hinunter in den Innenhof führt. Getränkeautomaten. Tische und Stühle. An den Innenhof anschließend ein weiterer großer Platz mit Brunnen, Waschanlage, Wäscheleinen. Im Erdgeschoss eine offene Küche, daneben breite Stufen, auf denen man sich zwangslos lagern kann, im Halbkreis um ein Herdfeuer, das man jetzt im Sommer natürlich nicht braucht. Kühlschrank. Den ganzen Nachmittag ruhen sich hier Leute drinnen und draußen aus, lesen, klönen, urgemütlich. Hier kommt man auch ins Gespräch. Eine echte Pilgeratmosphäre. Ruckzuck, habe ich meine Wäsche gewaschen und auf der Leine. Draußen knallt die Sonne.
Albergue de Peregrinos San Javier, Calle Portería, 6, E-24700 Astorga
Tel. 987 618 532, Netzpost: alberguesanjavier@hotmail.com

Bischofspalast in Astorga Durch Anklicken vergrößern

Abendessen 08/15, aber früh und günstig

Nachmittags besuche ich das Museo Romana. Marek ist auf eigene Faust unterwegs. Er will auch oft abends nicht mit zum Essen. So gehe ich allein zur Bar Júcar in der Straße Húsar Tiburcio. (Von der Herberge aus links zur Hauptstraße, wo der Pilgerweg nach rechts geht. Dann die 4. Straße links, wo auf der Ecke eine kleine Grünanlage ist.) Es gibt schon ab 19h00 Abendessen, habe ich mich vorher erkundigt. Der Wirt schmunzelt, als ich Punkt 19h00 aufkreuze. Bin wieder der einzige Gast, der etwas isst, sitze deshalb auch in der normalen Gaststube anstatt im Esssaal. Beste Bedienung. Menü (etwa 7 EUR): Ensalada mixta, Fleisch mit Pommes, Eis. Also das Übliche.


20. August 2005, Samstag: Von Astorga nach Foncebadón, 27 km (79 km)

6h00 raus, ich habe gut geschlafen. Die Versorgungseinheiten (so nenne ich immer Waschräume, Duschen und Toiletten) sind nicht überlaufen. Bei uns im Zimmer war eine ungarische Familie, samt Oma, die mit dick verbundenem Bein nur noch humpeln kann. Zu meiner Überraschung überholen wir sie später. Sie humpelt, geht wortwörtlich am Stock, aber sie läuft mit zusammengebissenen Zähnen weiter. Ein erwachsener Sohn bleibt geduldig bei ihr.

Wieder schönes Wetter

7h40 kommen wir los. Zu meiner Freude ist schönes Wetter. Gerade auf dieser landschaftlich einmaligen Etappe ist das wichtig, denn nur so kann man das herrliche Bergpanorama ringsum genießen. 1998 war alles in Wolken und Nebel. Bald unterqueren wir die Autobahn. Auf dieser werden wir auf dem Rückweg nach Madrid zurückfahren. Kurz in eine alte Kapelle links am Wege geschaut. Eine Frau hält Wache, winkt uns freundlich herein. Morgengebet. Vor und und hinter uns Pilger, soweit das Auge reicht. Das wird heute nicht so einfach mit dem Übernachten werden, denn ich steure entschlossen das neue Refugio in Foncebadón an, dessen 18 Plätze + 7 Matratzen sicher nicht reichen werden. Notfalls werde ich anbieten, einfach in der Kapelle auf dem Fußboden zu schlafen. Ich kam mir bei diesem Gedanken sehr erfahren und flexibel vor, ahnte nicht, dass der Kapellenfußboden jede Nacht schon für die 7 Matratzen diente ... =:-O


Seit 2006 hat sich die Lage in Foncebadón schon wieder entschärft. Es gibt eine neue Pilgerherberge "Monte Irago" mit ca. 60 Betten gegenüber dem "Mesón Medieval". Die ersten Berichte lauten sehr positiv. Es gibt sogar eine Mini-Tienda mit bescheidenen Einkaufsmöglichkeiten.
Pilgerfreund Michael Marx schreibt im November 2007 außerdem: "In Foncebadon gibt es eine relativ neue kirchliche Herberge im oberen Teil des Ortes, gleich anschließend an die Kirche. Heißt "Domus Dei". Es wird ein gemeinsames Abendessen gekocht. Freiwillige Spende erbeten ." - Danke für den Hinweis!

Der Schwenker durch Castrillo de los Polvazares

Am Ortsausgang von Murias de Rechivaldo schwenkte ich entschlossen nach rechts, auf eine der beiden Herbergen zu. Aber wir wollten nur die Landstraße nach Castrillo de los Polvazares erreichen. Links neben der Asphaltstraße führte eine ganz annehmbare Piste direkt auf den Ort zu; kurz vorher musste man noch einmal nach rechts wechseln. In diesem bekannten Touristenort hatten Harald und ich den Weg quer zur Pilgerroute nicht gefunden. Schuld ist ein undeutlicher gelber Pfeil, der schon bald an einem Kreuz nach links weist: ignorieren! (Im Handbuch ist ein Pfeil an einem Kreuz als Signal zum Linksabbiegen angekündigt, aber dieses erste Kreuz ist damit nicht gemeint.) Wir besichtigten in Ruhe das schöne Städtchen, indem wir einfach die Hauptstraße geradeaus entlangliefen (mit Kurzabstecher zur Kirche links). Endlich gab es eine deutliche Y-Verzweigung, und dort wies ein gelber Pfeil, diesmal am richtigen Kreuz, nach halblinks. 2000 waren wir einfach zu früh nach links abgebogen. Die Pfeile führten uns sicher weiter: Zunächst am Ortsrand links auf eine Landstraße, dann in einer Linkskurve halbrechts ab auf eine Piste, dort gleich wieder links. So kam man praktisch ohne Umweg kurz vor Santa Catalina de Somoza wieder auf den Pilgerweg. Diese Variante kann ich nur empfehlen.

Durch Santa Catalina und El Ganso

In Santa Catalina wimmelte es von Pilgern, die vor den Bares saßen und die Vorüberziehenden musterten. Wir suchten uns abseits oberhalb der Landstraße eine ruhige Bank mit Aussicht auf das Gebirge und nahmen ein zweites Frühstück ein. Später im nächsten Ort El Ganso gleich nochmal Pause in der linken Bar von den beiden benachbarten. Die winzige Toilette war erstaunlich gut und sauber. Ich holte mir eine Empanada und ließ Marek probieren. Auf einmal kamen Petra und ihre Begleiterin, die wir in Virgen del Camino getroffen hatten. Wir erkannten uns gegenseitig sofort wieder und blieben noch eine Weile zusammen sitzen.

Wieder unterwegs, fällt mir auf, dass der Pilgerweg nicht mehr die ganze Zeit über die Landstraße führt. Man hat für die Pilger einen Pfad parallel zur Straße, rücksichtslos durch Gebüsch und Wald gebahnt. Die arme Natur!

Durch Rabanal del Camino

13h00 kommen wir an den Stadtrand von Rabanal del Camino, biegen halbrechts ab. In der Nähe des Ladens links liegt auch die Posada "El Tesin", aber gleich daneben ein einfaches Refugio mit Doppelstockbetten, ab 14h00 geöffnet. Der Betreuer möchte uns gern dabehalten, aber wir wollen ja weiter.
Posada "El Tesin", Tel. 652 277 268 und 918 717 407, Doppelzimer 40 EUR
Albergue "El Tesin", Tel. 650 952 721 und 696 819 060, Übernachtung 5 EUR

Oben im Ort wird die "englische" Herberge belagert. Ich schlüpfe in die Kirche, singe ein Lied. Gerade will ich mit dem zweiten beginnen, da strömen geräuschvoll viele Pilger herein. Na, dann nicht.

Ein neues Kloster für geistliche Einkehr

Zu Rabanal del Camino ist noch Folgendes nachzutragen: Petra erzählte mir in Palas de Rei, dass sie dort mehrere Tage in einem neuen kleinen Benediktinerkloster verbracht hat, in dem nur zwei Mönche leben. (Es ist ein Haus gegenüber der Kirche.) Man findet dort nur Aufnahme, wenn man dort eine geistliche Auszeit sucht, also nicht nur einmal übernachten, sondern mindestens drei (höchstens zehn) Tage bleiben und an den Gottesdiensten teilnehmen will. Auch gibt es auf Wunsch geistlichen Zuspruch, Beichtgelegenheit, usw. Man hat eine Kochmöglichkeit und zahlt für den Aufenthalt eine Spende. Petra äußerte sich sehr zufrieden. Die zwei Mönche sind Spanier, aber einer von ihnen spricht auch sehr gut Deutsch.

Ansturm in Foncebadón

Den folgenden Weg nach Foncebadón hatte ich auch etwas anders in Erinnerung, dachte, man liefe bald wieder auf der Straße. Es ging aber meist über relativ breite und bequeme Pisten. 14h30 in Foncebadón. Wir laufen durch den Ort, kommen am "Mesón Medieval" und einem Hostal vorbei (beides rechts), bis wir offenbar am Refugio sind. Gerade fahren die Frauen vor, die die Herberge betreuen, wir kommen zur Öffnungszeit genau richtig. Aber ein Blick umher: ganze Völkerstämme lagern ringsum und begehren Quartier. Ich zähle kurz ab, keine Chance. Na, da ich habe ja noch den Trumpf mit dem Fußboden der Kapelle im Ärmel (dachte ich). Vor uns werden Ausweise einkassiert: ... und 18, so, die bekommen Betten. Dann noch ca. 18 von uns. Immerhin nehmen sie die Ausweise an, müssen also was haben. Man führt uns in die benachbarte Kapelle. Mir klappt der Unterkiefer herunter: Hier ist das Matratzenlager. Die ersten 7 bekommen Matratzen, wir übrigen 11 nur Isomatten und Decken. Ja, Junge, du wolltest es ja nicht anders. Zum Glück lehne ich gleich innerlich die Schnapsidee ab, nach Manjarín weiterzulaufen.

Der alte Mann und die Matratze

Ich greife nun den Ereignissen vor. Abends durften wir die Bänke in der Kapelle an die Seite schieben. Als Licht blieben nur die Altarkerzen. Es gibt keine Fenster, Frischluft kommt durch die Tür. Es ist schon eine besondere Atmosphäre, die ich dann doch ganz spannend fand. Zu den glücklichen Matratzenbesitzern gehörten ein süddeutsches Ehepaar und zwei weitere Deutsche, Mutter und Tochter. Ich hole mir noch eine Isomatte, lege meine darauf, richte mich sorgfältig ein. Alle Kleinutensilien, die ich nachts brauche (Uhr, Brille, Taschentuch, Nasentropfen, Wasserflasche, Taschenlampe, Ohrenstöpsel) in Reichweite, merke mir im Dunkeln mit Probegriffen, wo alles genau ist. Das ist meine abendliche Routine, wenn es kein Licht gibt. Die vier Deutschen rutschen auf ihren Matratzen zusammen und bieten mir einen besser gepolsterten Liegeplatz an. Sehr nett, aber ich will das nicht, liege gerade so gut und eingerichtet. Aber Marek nimmt das Angebot gern an.

Wir liegen so gegen 22h00 alle gerade flach, da kommen die drei Helferinnen herein. Ich muss ziemlich alt und gebrechlich wirken, jedenfalls reißen sie die Augen auf, als sie mich da auf dem Fußboden liegen sehen. Nein, zetern sie los, so geht das ja nicht. Sie herrschen Marek und die vier Deutschen an, gefälligst zusammenzurücken, damit ich noch Platz habe. Mann, ist mir das peinlich! Ich will das doch nicht, ich protestiere. Sie argumentieren zuerst lautstark, weisen, gestikulieren, ich schüttele den Kopf. Als ich dann auch auf theatralisches Flehen nicht reagiere, merke ich, dass sie mich gleich hinüberschleifen werden, wie mich die Polizei in Ahaus von den Gleisen holte. Es geht einfach gegen ihre Ehre, einen alten Mann auf dem Boden liegen zu lassen, notfalls wird der mit Gewalt zu seinem Besten gezwungen. Ich kann gerade noch meine nächtlichen Siebensachen zusammenraffen. Inzwischen sind die anderen fünf vor Schreck so zusammengerückt, dass ich fast eine ganze Matratze für mich allein habe. Man stelle sich vor: fast eine ganze Matratze für mich allein, so ein unerhörter Luxus! :-)) Ich denke an meinen Vater, der immer erzählt, wie sie als Kriegsgefangene eine Zeitlang so eng in Betten untergebracht waren, dass man sich nur gemeinsam umdrehen konnte. (Kein Witz!) - Ich bedanke mich auf diesem Wege nochmal bei meinen vier Landsleuten, die dieses Spiel geduldig mitgemacht haben.

Ab 23h45 ist es ruhig in der Kapelle, und ich schlafe sehr gut. Von draußen kommt frische, eiskalte Luft herein. Nachts muss ich wie üblich raus, aber kein Gedanke, ins dunkle Refugio zu schleichen. Ich halte es einfach in die Ruinen gegenüber. Es ist grauenhaft kalt, wahrscheinlich um den Gefrierpunkt. Aber mein Schlafsack mit einer Decke darüber reicht aus.

Hostal und Mittelalterkneipe in Foncebadón

Nachzuholen ist nun noch einiges über das lokale Hostal und die Mittelalterkneipe. Im Hostal "El Covento" kostet das Doppelzimmer 66 EUR, nicht eben wenig. Aber es gab genug Touristen, die in Foncebadón Station machten. Am Hostal draußen ein Getränkeautomat. Frühstück ab 7h00 (oder früher, sagte der Wirt). Nebenan eine urige Mittelalterkneipe "Mesón Medieval", in der wir 6 Deutschsprachigen (bevor wir auch noch Matratzenkameraden wurden) zusammen zu Abend aßen. Die Wirtin, eine attraktive Frau etwa Anfang 40, war ebenfalls Deutsche und sorgte für uns auf das freundlichste. Alles war mittelalterlich eingerichtet, bis hin zur Toilettentürbeschilderung. Dort wollte mich eine Dame aus der Herrentoilette werfen, weil das Schild an der Tür einen Mann im Rock zeigte, den sie als Frau gedeutet hatte. Der Wirt hinter der Theke sah aus wie aus einem Fantasieroman, der im Mittelalter spielt, entsprungen. Seine Bassstimme passte prima dazu. Wir aßen ein Pilgermenü zu 9 EUR: Hirschgulasch (sehr große Portion), Wein+Wasser, Eis als Nachtisch und natürlich Brot. Nicht das billigste Essen, aber dafür, dass es etwas Besonderes war, doch preiswert. (Am Mittag war die Kneipe gerammelt voll mit Ausflüglern gewesen.)

Später erfahren wir, dass auch im Refugio für alle gekocht worden ist, aber die Nachrichten kommen nicht zu uns bis zur Kapelle. Außerdem erklären die Helferinnen alles nur auf Spanisch und das sehr schnell. Wenn jemand bittet, können sie aber auch unverständliches Englisch ;-) Na, machte ja nichts. Der Platz im Refugio war auf 18 Leute ausgelegt, und mit uns "Kapellenschläfern" wäre es auch zum Essen für alle fürchterlich eng geworden. - Im Übrigen gab es (damals) in Foncebadón keinerlei Einkaufsmöglichkeit.

Der Säbeltanz des Tempelritters

Mein Notizbuch vermerkt noch lakonisch: "Manjarín, Jasmin, 37 Leute". Dahinter steckt die Antwort auf die Frage, wo denn alle die armen Schweine blieben, die noch nach uns ab 14h30 den ganzen Tag mehr oder minder fertig hier ankamen. Sie wurden einfach weitergeschickt, und die meisten wussten ja, dass noch irgendwo "Manjarín" folgte. Das Mädchen Jasmin hat mir in Ponferrada erzählt, wie es ihr als einem dieser armen Schlucker gegangen ist. Manjarín hat bekanntlich kaum Platz und so gut wie keine Einrichtungen. Dort landeten an diesem Tag 37 Versprengte, die nicht mehr weiterkonnten; Acebo ist zu weit, den Pass hätten sie nicht mehr geschafft. Man schärfte ihnen ein, nur den Abtritt draußen zu benutzen, aber laut Jasmin verzogen sich die meisten doch lieber heimlich in die Büsche. Irgendwie lagen nachts alle im Hauptgebäude und in den Nebengebäuden mit Decken und Schlafsäcken kreuz und quer durcheinander. Es sei eine schlimme Nacht gewesen. Na, dagegen war unsere Kapelle ja das reinste Ritz! - Also, nichts gegen Manjarín: bei so einem Ansturm wären auch andere kleine Refugios untergegangen. Der Gipfel sei gewesen, als der gute Tomás, der das Leben der Tempelritter weiterführen möchte und den inzwischen aber die Jahre eingeholt haben, frühmorgens, vor Schwäche (und Restalkohol) recht schwankend, die aufgehende Sonne mit einem Säbeltanz begrüßt habe. Da hätte mancher die Backen aufgeblasen, um nicht herauszuplatzen. Soweit der Klatsch im Pilgertelegraf.

21. August 2005, Sonntag: Von Foncebadón nach Ponferrada, 27 km (106 km)

Bis 6h15 gut geschlafen. Dann stehen praktisch alle gleichzeitig auf. Gestern sind die letzten sehr spät gekommen, haben ihre Sachen im Dunkeln über unsere auf die Bänke gelegt. Jetzt am Morgen - immer noch dunkel - hebt im Schein von Taschenlampen und der Kerzen am Altar ein Suchen an. Aber erstaunlich diszipliniert, kein Chaos, kein Schimpfen. Auch der letzte vermisste Gegenstand findet sich irgendwo, nachdem die meisten Sachen von ihrem Besitzer eingesammelt worden sind. Waschen fällt bei dem Getümmel in dem kleinen Bad des Refugios aus, aus dem gleichen Grund das angebotene gemeinsame Frühstück. Lieber ins Hostal "El Convento", wo uns um 6h55 ein alter, sehr freundlicher Mann bedient. Man kann sogar etwas diskret eigene Vorräte verzehren. Aber das Angenehmste ist der Gang auf die tadellose Toilette: Platz, Ruhe und Papier! (Das Pilgerleben hat schon seine speziellen Höhepunkte.)

Cruz de Hierro, Manjarín, Acebo

7h32 brechen wir auf, wieder bestes Wetter. Was haben wir für ein Glück! Ich hatte wieder in Erinnerung, dass es lange über die Landstraße geht, aber es sind nun schöne Bergpfade und Pisten. Am Cruz de Hierro singe ich vor der Kapelle ein dankbares Morgenlied. Bald danach Manjarín. Wir schauen nur kurz rein, kein Glockenläuten zur Begrüßung. Zwei Männer in Templerkostümen schauen nach dem Rechten, während die Pilger herumwimmeln. Hier gibt es keine Beschaulichkeit mehr, keine private Begrüßung.

Pause für ein zweites Frühstück auf einer Bergwiese. 11h00 erreichen wir Acebo. Auf dem letzten Stück dahin ist der Pilgerweg verlegt worden. Es geht nicht mehr abrupt sehr steil hinunter, sondern der Weg macht noch einen großen Schwenk nach links, um dann auf einer Piste wesentlich sanfter ins Dorf zu führen.

Ein möglicher Abstecher

Ohne Aufenthalt durch Acebo. Am Ortsende zweigt eine kleine Asphaltstraße nach links ab. Dazu erzählte mir ein Pilgerfreund später: Er ist auf Empfehlung diesem Sträßchen gefolgt und kam in ein Dorf (dessen Namen er nicht mehr wusste), wo es ein privates "Refugio" gab. Es war das Haus einer Künstlerin, die gern Pilger bei sich unterbringt (Übernachtung 6 EUR). Es kämen aber nur einige wenige pro Jahr, und der Grund dafür ist auch klar, denn anderntags muss man denselben Weg wieder zurück. Wer also einen Tag erübrigen kann, um eine wunderschöne Bergwelt, ein bequemes Quartier und die Gesellschaft der Künstlerin zu genießen, dem kann man das empfehlen.

Natur in Not

Die gewaltigen Maronenbäume vor Riego de Ambrós sind leider zum Teil vertrocknet. Im Ort kommt man direkt an dem äußerlich ansprechenden Refugio vorbei. Die Natur hat überall gelitten, es ist zu trocken. Der herrliche Lavendelduft, den ich von 1998 und 2000 in Erinnerung habe, ist nicht mehr zu spüren.

Mittagessen in Molinaseca

Schon 12h40 sind wir an der Brücke vor Molinaseca. Hier steht eine Gruppe von deutschen Radfahrern (keine Pilger), die im "El Convento" übernachtet haben. Man erkennt uns und staunt, wie weit wir heute zu Fuß schon gekommen sind. Wir lassen uns draußen vor dem Hostal "El Palacio" nieder, erst in der Sonne, da wird's zu warm, dann im Schatten, da ist es doch sehr kühl. Ich habe Schwierigkeiten, die Bedienung auf uns aufmerksam zu machen. Als offensichtliche Einmalgäste sind wir nicht so wichtig. Das hat aber auch seine Vorteile, wie sich nachher herausstellt. Zunächst bekommen wir aber das angebotenen Pilgermenü für 7,50 EUR: Fischsuppe (sehr lecker), Merluza mit Pommes (geht so), Vanilleeis. Kein Problem, Wein und Wasser zu bestellen. Da uns wie gesagt der Ober nicht weiter beachtet, lasse ich eine halbe Flasche Wein in einer meiner beiden Feldflaschen verschwinden.

Zur Herberge von Ponferrada

Ca. 14h00 weiter. An der mir wohlbekannten Herberge von Molinaseca vorbei. Dort scheint noch kaum jemand zu sein. Aber ich will ja das Refugio in Ponferrada kennen lernen und testen. Es ist noch ein gutes Stück Weg, bis wir über die alte Brücke in die Stadt hineinkommen. Der Pilgerweg biegt links ab, aber zum Refugio geht es geradeaus, später rechts auf einen Ring (Avenida del Castillo) und von dem aus nochmals halbrechts (Calle de la Loma).

Es ist gut ausgeschildert. Das Refugio ist ein großes, relativ neues Gebäude, wie man sagt, die Stiftung eines reichen Schweizers. Der hat 4-Betten-Zimmer vorgesehen, die aber für den täglichen Pilgeransturm im Sommer nicht ausreichen. Unsere deutschen Pilgerfreundinnen (Mutter und Tochter) sind gegen 14h00 eingetroffen, erzählen sie, und haben noch Platz in einem dieser kleinen Zimmer bekommen.


Tipp zur Unterkunft in Ponferrada: Bis 14h00 eintreffen. Fragen, ob es noch Platz in den 4-Bett-Zimmern gibt, bevor man bezahlt. Falls nein, lieber in eine Privatunterkunft oder weiterziehen.

Nun, wir reihen uns in die Schlange der Wartenden ein. Eine Helferin bietet kostenlos kalten Tee zum Empfang an, das wird allgemein gelobt. Man kassiert pro Nase 3 EUR (Spende, es darf natürlich mehr sein). Dann weist uns ein alter Mann unsere Schlafplätze an.

Massenquartier im Keller

Durch die Benutzung zweier riesiger Kellerräume - ohne Fenster! - hat man die Bettenzahl vervielfacht. Ich zähle in dem ersten, einem bunkerartigen Gewölbe, 54 Betten in 4 Reihen, nebenan nochmal dasselbe. Bei unserem Eintreffen ist etwa die Hälfte belegt. Wir bekommen zwei Betten an der Wand, beide unten. Das war sogar noch Glück. Die Doppelbetten stehen so eng, dass nicht einmal ein Rucksack Platz hat. Man muss sich seitlich aufs Lager quetschen. Etwas später werden uns gegenüber zwei deutsche Radfahrer auf oberen Betten untergebracht (die unteren sind inzwischen alle weg). Sie klettern hoch, schauen ungläubig umher. Dann wälzt sich der eine vor Lachen auf der Matratze, sowas hatten sie sich nicht träumen lassen, nahmen es aber von der lustigen Seite.

Luft gibt es nur durch die Tür, die nachts wenigstens mit einem Keil offen gehalten wird. Die Enge ist schlimmer als in León, aber für eine Nacht geht das alles. Nur muss man sich psychisch darauf einstellen - oder ganz früh, evtl. von Acebo aus, eintreffen. Das Übrige der Herberge ist vorbildlich: Gute Wasch- und Duschanlagen (leider überfüllt), ein großer zentraler Aufenthaltsraum mit Automaten. Draußen viele Sitzgelegenheiten und - direkter Zugang zur nahen kleinen Kirche (Iglesia del Carmen).


An der Wand der zentralen Halle ein Stadtplan von Ponferrada, auf dem der Pilgerweg - man glaubt es nicht - total falsch eingezeichnet ist. Heute geht es nicht mehr den Camino de Santiago, später: Avenida de Santiago zum Tor hinaus. Das war vielleicht früher einmal. - Dieser Fehler irritierte mich, da ich überlegte, ob der Weg seit 2000 verlegt worden war. Er war es nicht, die Karte war veraltet. Durch Anklicken vergrößern Die rekonstruierte Templerburg


Eine Kirche um die Ecke

Vor der Herberge kommt man mit vielen ins Gespräch. Hier erzählt mir Jasmin von Manjarín. Zu meiner Freude gibt es abends um 20h00 einen Gottesdienst (steht auf einem Zettel an der Kirchentür). Außer mir sind an Pilgern nur einige Italiener und zwei Franzosen anwesend. Der Priester fragt alle Fremden, woher sie kommen. Später muss jeder in der Messe urplötzlich das Vaterunser in seiner Muttersprache vorbeten (pro Sprache jeweils einer). Ich schwitze etwas, bekomme es aber hin. (Ich kenne diese paradoxe Situation vom Vorbeten zu Hause her: Bewusst ein Gebet vor vielen Leuten zitieren, fällt schwer, auch wenn man es viele tausend Mal mit anderen zusammen gebetet hat. Der Verstand ist einem da im Weg. Genauso geht es mir mit dem Krawatte-Binden: "Automatisch" kein Problem, aber wenn ich jeden Handgriff bewusst durchführen will, kann ich es nicht mehr. Soweit zu Automatismen.)

Ich bekomme Konkurrenz

Nachts merke ich, dass ich einen Oberschnarcher direkt rechts neben mir habe. Er sägt, dass es durch den Keller dröhnt. Gesegnet seien die Ohrenstöpsel. Ich bin offenbar nicht die einzige "Geißel des Camino" ;-) Es wurden übrigens alle Betten belegt, über uns landeten zwei Radfahrer. Die Luft war bei dieser Menschenmasse natürlich zum Schneiden.

22. August 2005, Montag: Von Ponferrada nach Villafranca de Bierzo, 22 km (128 km)

6h00 stehen fast alle auf. Fast! Das Licht wird angemacht, dann wieder ausgemacht! Das geht noch ein paarmal so, begleitet von einem erregten Wortwechsel. Endlich bleibt es an. Ich finde sogar im Waschraum und oben in dem zentralen Aufenthaltsraum etwas Platz. Allerdings kann ich mir keinen Kaffee machen.

Die bekannte Strecke stadtauswärts

7h07 brechen wir noch fast im Dunkeln auf. Das Wetter ist wieder perfekt: trocken, warm, aber nicht zu heiß. Wir folgen den Pfeilen durch die Innenstadt. Auch ohne meinen Stadtplan kenne ich mich inzwischen gut aus. Gestern war genug Zeit, alles gründlich zu erkunden und zu besichtigen. Die Templerburg war allerdings verschlossen. Der Weg aus der Stadt heraus ist der mir bekannte. Erst jetzt bekomme ich Gewissheit, dass auf dem Stadtplan in der Herberge eine veraltete Route eingezeichnet war.

An einer Kirche vorbei verlässt man das Einzugsgebiet von Ponferrada endlich und läuft lange eine Piste immer geradeaus. Hier waren früher viele Störche rechts in den Flussauen zu sehen, in diesem Jahr nichts.

Bar in Fuentes Nuevas

Kurz vor Fuentes Nuevas überholen wir eine kleine blonde Italienerin mit ihrem Freund. Sie watschelt, als ob sie jeden Moment umkippen würde. Ich grüße freundlich, und alle die Male später, wenn wir irgendwo auf die beiden treffen, ruft sie: "Guten Tag!", um ihre Deutschkenntnisse unter Beweis zu stellen. Im Ort liegt rechts eine Bar, in der Harald und ich schon 2000 Station gemacht haben. Ringsum lagern wieder Pilger. Ich genehmige mir einen Kaffee.


Weinberge hinter Camponaraya Durch Anklicken vergrößern Durch Camponaraya, über die Autobahn und durch ein Weinanbaugebiet. Die Früchte verleiten zum Naschen. Wir holen die deutschen Pilgerinnen (Mutter und Tochter) ein. Da kommt ein Weinbauer daher. Er lädt uns ein, sich von den blauen Trauben zu bedienen. Wir nehmen zögernd ein paar. Nein, nein! Nicht die halb verdorbenen am Pistenrand! Er geht ins Feld, pflückt mehrere Hände voll der schönsten Trauben und schenkt sie uns. Wir bedanken uns sehr und genießen die Früchte.


Cacabelos, Rast am Flussufer, in Sichtweite einiger heruntergekommener Gestalten. Auf einmal erscheint Polizei, schaut prüfend umher, zieht wieder ab. An der Herberge vorbei geht's weiter.


Neuer Wegverlauf hinter Cacabelos

Auf dem folgenden Abschnitt ist die Route verändert. Man läuft nicht mehr 4 km die Fernstraße, sonder nur noch 2 km, bis Pieros. Dahinter geht es schon rechts ab, später im Linksbogen durch ein weiteres Dorf. Erst da merke ich, dass dieser Weg neu ist. Es geht noch einige Höhenrücken auf und ab, das strengt ganz schön an. Endlich bin ich sicher, dass hinter der nächsten Welle Villafranca del Bierzo liegt.

Villafranca del Bierzo: In Jatos Herberge "Ave Fénix"

So ist es, aber man sieht es nicht. Da ich die städtische Herberge schon kenne und auch schon auf dem Zeltplatz übernachtet habe, bleibt diesmal das Refugio "Ave Fénix" von Jato. Ich bin gespannt. 13h15 sind wir da, werden freudig begrüßt. Eine hübsche junge Dame geleitet uns zum Empfangstisch. 6 EUR die Übernachtung. Man kann kein Abendessen mehr bekommen! (Nur noch etwas Salat und Tomaten.) Kaffee und Getränke gibt es laufend zu kaufen, ebenfalls Knabbersachen. Ich gehe in den Hof, inspiziere die Anlage. Sie ist nach und nach im Halbrund entstanden, das meiste als Holzkonstruktion. Verwinkelt und nicht das Schickste, aber recht urig und gemütlich. Wir erhalten zwei Betten in einem kleineren Schlafraum für Über-40-Jährige, eine super Idee. 15 Betten, von denen nur 10 belegt werden. Die Herberge liegt exponiert hoch, der Wind pfeift durch Ritzen an den Fenstern und an der Tür, nichts für Anti-Frischluft-Fanatiker. Vom Hof aus gibt es auch noch einen eigenen Schnarcherraum. Hm, danach bin ich nicht gefragt worden. Zwei große Bäder, in einem noch Stehklos, sonst ganz passabel. Man kann im weiteren Hof Wäsche waschen, und Leinen zum Aufhängen gibt es genug. Waschautomat. Internet gegen Spende.

Obwohl die Besitzer offensichtlich das Geld brauchen, wird die Herberge nicht bis zum letzten Platz vollgeknallt. Einigen wird sogar eine andere Unterkunft empfohlen. - Irgendwann wird auch die benachbarte Kirche geöffnet. Ich bemerke es fast zu spät. Singen kann ich deshalb nicht, weil Minuten später die Öffnungszeit schon wieder endet, aber es langt zu einem ruhigen Gebet.

Supermarkt, Zeltlager

Nachmittags erkunden Marek und ich die Stadt. Ich finde diesmal einen Supermarkt, der etwas näher liegt. Man muss aber auf jeden Fall bis zum Marktplatz nach unten, dann in die linke Straße geradeaus. Ich gehe auch wieder die rechte Straße geradeaus, dann die erste rechts hoch und die nächste links: so erreiche ich das Zeltlager, für das anscheinend überhaupt keine Reklame gemacht wird. Es ist aber in Betrieb, ich spreche kurz mit den jungen Diensthabenden. Sie haben nichts zu tun, dabei ist die Unterkunft in den Zelten weiterhin kostenlos.

Pilgerleben in Jatos Herberge

Am Marktplatz bieten mehrere Bares Menüs zu 9 EUR an. Ich habe aber abends keine Lust mehr, so weit hinunterzugehen. Außerdem herrscht abends im Hof von Jatos Herberge munteres Pilgertreiben. Man isst gemütlich, was man hat, plaudert und nimmt seinen Schlummertrunk ein. Die kleine blonde Italienerin ruft wieder "Guten Tag", als sie mich sieht, winkt mich heran, und wir unterhalten uns kurz in einem Gemisch aus Spanisch und Englisch. Sie scheint die Füße nicht ernsthaft beschädigt zu haben. Blasen haben natürlich viele. Die Nacht verläuft sehr ruhig.


23. August 2005, Dienstag: Von Villafranca de Bierzo nach La Portela, 18 km (146 km)

6h00 wird es laut. Wir dösen noch etwas im Schutz der Ohrenstöpsel. So merken wir gar nicht, dass bis auf zwei französische Ehepaare alle im Zimmer schon aufgestanden sind, bevor wir uns erheben. Gemütliches Frühstück aus eigenen Vorräten, nur den Kaffee habe ich mir gekauft. (Große Portion 0,50 EUR) 8h12 brechen wir auf.

Der Umweg über Pradela

Ich hatte Marek gewarnt: Heute wird's anstrengend, denn ich will wieder den Weg an der lauten Autobahn vorbei durchs Tal vermeiden, und so steigen wir in Richtung Pradela hoch. Marek hält sich wieder tapfer, ist aber heilfroh, als wir die schlimmste Steigung hinter uns haben. Die ganze Zeit Ausblicke ins Tal, leider auch auf die Verwüstungen, die die Autobahn angerichtet hat. Zu allem Überfluss hat der Hang links von uns gebrannt. Bagger haben eine Brandschneise quer durch den Wald gewühlt und dadurch für eine weitere tote Zone gesorgt.

Wir stoßen auf zwei blondgelockte Valencianer, die einzigen Pilger auf diesem Schwenk. Das ist verständlich. 1998 hatten wir uns von Villafranca aus durchs Tal bis zum Cebreiro hochgeschleppt, mit letzter Kraft, obwohl wir nur Tagesrucksäcke trugen. Vor Erschöpfung blieb fast kein Blick für die tolle Landschaft auf diesem Aufstieg. Aus diesem Grund hatten Harald und ich schon 2000 die Strecke geteilt. Das kostet zwar einen Tag, dafür kann man aber auch diesen Schwenk über Pradela machen, der sich bei gutem Wetter wegen der erwähnten tollen Ausblicke wirklich lohnt.

Etwa 2 km vor Pradela kommt ein Punkt mit einer besonders schönen Aussicht. Danach folgt mitten im Maronenwald eine Y-Verzweigung, wo wir keine Zeichen gesehen haben. Wir hielten uns links, was evtl. falsch war, denn wir kamen ca. 1 km vor Pradela auf der kleinen Landstraße heraus, die gleich nach links wieder ins Tal führte. Ich meine mich zu erinnern, dass wir uns 2000 dem Ort mehr genähert haben. Er liegt in einer kleinen Talfalte geschützt und gut versteckt. Das Handbuch spricht (wohl bei der Y-Verzweigung) von "geradeaus", mir sah es eher nach "halbrechts" aus. In jedem Fall kann man sich nicht verlaufen. Auf dem Weg ins Tal hinunter verlässt man die kleine Asphaltstraße rechtsab und läuft in einem großen Linksbogen auf einer Piste weit zurück in die falsche Richtung, was ganz schön irritiert. Es geht aber nicht anders, ein direkter Weg wäre viel zu steil. Oberhalb von Trabadelo stößt man wieder auf die Asphaltstraße, die von links kommt; weit oben sieht man den erwähnten schönen Aussichtspunkt. Hier weisen Pfeile nach links, zu einem weiteren Schwenk in den Ort hinunter, aber wie 2000 verzichtete ich dankend und folgte stattdessen der Asphaltstraße nach rechts in Richtung Cebreiro. Es dauert eine ganze Weile, bevor man die Talstraße erreicht.

Im Tal geht es auf einem neuerdings per Leitplanke abgetrennten Pilgerweg links an der neuen Nationalstraße entlang. Was nervte, waren Radfahrer, die einen an die Seite scheuchten, weil sie meinten, auch den Pilgerweg und nicht die Straße benutzen zu müssen. Es folgte nun rechts die Raststätte, wo man uns 2000 nicht bedient hatte. Immerhin kann man dort telefonieren und auf die Toilette. Ich wartete aber auf die Gaststätte "El Peregrino", die kurz darauf auf der linken Seite, am Anfang des Dorfes La Portela folgt.


Neue private Albergue "El Peregrino" in "La Portela"

12h15 trafen wir dort ein. Siehe da, wir wurden wieder nicht nur freundlich in der Gaststätte empfangen, sondern sie hatte sich inzwischen zu einer Albergue gemausert. Ein Schild an der Straße weist darauf hin. Kaum hatte ich grundsätzliches Interesse bekundet, schleifte uns der Wirt durch die ganze Einrichtung. Ich kam aus dem Staunen nicht heraus. Unten kommt zunächst ein kleiner Raum mit Internetanschluss (Stunde 2,00 EUR), dann ein Aufenthaltsraum mit Fernsehen. Geradeaus folgt ein riesiger Raum zum Wäschewaschen, mit allen Einrichtungen. Davor eine kleine Terrasse oberhalb des Flüsschens, das durch das Tal rauscht.

Vor dem Aufenthaltsraum geht es links eine Treppe hoch. Diese ist auch durch einen separaten Eingang direkt zu erreichen. Oben gibt es einen Flur mit 4-Betten-Zimmern und jeweils eigenem Bad! (Etwa 7 Räume, die genaue Zahl habe ich nicht notiert.) Übernachtung 6 EUR. Kurzentschlossen sagte ich zum Wirt: "Wir bleiben hier." Wir nahmen dann das erste Zimmer geradeaus, das das vorgeschrieben "Behindertenzimmer" war. Es war etwas größer als die übrigen. Raffiniert die Raumausnutzung in dem kleinen Bad: links abgeschlossene Dusche, geradeaus Waschbecken, rechts abgeschlossene Toilette. Und alles neu, 2004 errichtet. Also, das ist die Lösung, wie man sich den Weg zum Cebreiro aufs Angenehmste aufteilen kann. Alternativen sind Vega de Valcarce (dazu unten mehr) und Ruitelán, führen aber zu zwei ungleich langen Etappen.

Impressionen beim Herumhängen

Der Nachteil von La Portela ist, dass man nun in einem winzigen Dorf, das von der neuen Nationalstraße und der Autobahn in die Zange genommen wird, sehr lange herumlungern muss. Nun, das nahmen wir bewusst in Kauf. Zwischendurch stattete ich der kleinen, sehr schön renovierten Kirche (ab 16h00 geöffnet) einen Besuch ab. Während Marek sich auf dem benachbarten Spielplatz in die Sonne legte, saß ich im Übrigen vor der Albergue, ließ mir den einen oder anderen halben Liter Bier schmecken und sah dem Zug der Pilger zu. Die Bedienung war nachmittags lausig: Dienst hatte die halb erwachsene Tochter des Wirtsehepaares, und die ließ deutlich durchblicken, dass sie zu Höherem geboren war, als die blöden Gäste zu bedienen. Nur mit Mühe gelang es mir, ihr die Bierchen abzuschmeicheln, aber gar ein Lächeln: nein, das war vergebene Liebesmüh.

Außer Fuß- und Radpilgern kamen auch Pilger zu Pferd vorbei, einmal drei mit Packpferd, einmal ein einzelner. Die armen Tiere machten einen ziemlich erschöpften Eindruck. Der Gastwirt hat sogar an der Straße eine Tränke angelegt. - Dann fiel mir auf, dass die Polizei wie wild herumpatroullierte. Man suchte einen Strolch, der die Gegend unsicher machte. Zum Glück passte die Beschreibung nicht auf mich. :-)

Wenig Verkehrslärm

Man sollte meinen, dass es im Hause ziemlich laut sein musste, wo die Nationalstraße nur 30 m gegenüber und die Autobahn in Höhenlage ca. 150 m hinter dem Haus vorüberführten. Das war aber nicht der Fall. Unser Zimmer ging nach hinten raus. Die Autobahn hat eine Lärmschutzwand, und so übertönte das Rauschen des Flüsschens angenehm einschläfernd den fernen Verkehrslärm. Also auch von daher kein Problem.

Abendessen im "El Peregrino"

Außer uns kam nur noch ein spanisches Pilgerehepaar und bezog natürlich ein eigenes Zimmer. Abends machte die Wirtin ein einfaches Abendessen. Die Spanier bekamen Caldo Gallego, einen schönen Kohl-Eintopf mit Kartoffeln und Fleisch. Wir selbst nahmen ein Tellergericht: Spaghetti Marineira für 4,00 EUR. Es gab kein Menü. Ich fragte dann noch nach der Frühstückszeit, merkte aber, dass der Wirt lieber länger schlafen wollte. War auch kein Problem. Es gab eine Steckdose neben dem Waschbecken auf unserem Zimmer. Man hätte auch in dem großen Waschraum frühstücken können, denn dort standen Tische und Stühle; oder in dem Aufenthaltsraum, oder - wenn es nicht zu kalt war - auf der Terrasse. Jedenfalls kann man die Herberge jederzeit durch die erwähnte Nebentür verlassen. Gut durchdacht! - Die Nacht war herrlich!

24. August 2005, Mittwoch: Von Portela nach O Cebreiro, 15 km (161 km)

Erst 6h50 wurden wir wach, auch ohne Ohrenstöpsel. Ach wie war das schön: in aller Ruhe duschen, frühstücken, packen. 8h05 machten wir uns auf den Weg. Es war kühl, aber nicht ausgesprochen kalt, wieder mal bestes Wanderwetter.

Zu Unterkünften in Vega de Valcarce

Da wir nicht hatten einkaufen können, waren unsere Rucksäcke besonders leicht. Mit strammen Schritten liefen wir durch die Dörfer. Es gab viel Reklame für die folgenden Herbergen, besonders für die private Albergue Aparecida do Brasil, die rechts am Anfang des langgestreckten Dorfes Vega de Valcarce liegt. Wir sprachen mit Leuten, die dort übernachtet haben. Insgesamt ist die Herberge nicht schlecht, aber sie liegt weit vom Zentrum des Ortes entfernt (Bares, Läden). Man ist so auf Vollverpflegung im Haus angewiesen, und da läppern sich die Ausgaben zusammen. Im Zentrum gibt es noch die städtische Herberge. Es scheint dieselbe zu sein, aus der Harald und ich 2000 geflohen waren (so dreckig und heruntergekommen war alles), aber laut späteren Pilgerberichten ist sie wohl renoviert worden.


Zum Cebreiro hoch

Bis Ruitelán hat die Autobahn alles im Tal zerstört, dann schwenkt sie endlich ab, später auch die Nationalstraße. Links auf der Höhe thront eine Burgruine, hatte ich schon vergessen. Endlich geht es das alte, evtl. noch aus der Römerzeit stammende Pflaster nach La Faba hoch. Marek steckt alles wieder ohne große Schwierigkeiten weg. Als wir hinter einer Kehre (mit Wieseneinfahrt) auf den ersten Bauernhof rechts stoßen, weiß ich, dass der Ort nur noch 200 m entfernt ist. 10h15, wir sind da. Rechts ein Brunnen. Drei Spanierinnen, die wir noch ein paarmal sehen werden, bitten mich, ob ich ihre Trinkflasche aufbekomme. Es ist meine gute Tat des Tages. Etwas weiter, 100 m rechts vom Pilgerweg, eine kleine, ganz neue Bar. Niemand drin. Ich spähe hinein, da macht doch eine alte Frau auf. Etwas sterile Atmosphäre. Hier irgendwo muss auch das bekannte Refugio sein.

Durch Anklicken vergrößern Hinter La Faba


Grenze nach Galicien Durch Anklicken vergrößern Wir ziehen weiter, langsam und genüsslich. Die Berge und Hänge liegen im Sonnenschein, der aber immer wieder von Wolken unterbrochen wird. So war es geplant: diesen wunderbaren Aufstieg muss man genießen können. Am Grenzstein nach Galicien das traditionelle Foto. Das Bild macht ein Landsmann von Marek, ein junger Tscheche. Endlich kann mein Schwiegersohn auch mal seine Muttersprache sprechen. 11h45 haben wir den Ort O Cebreiro erreicht.


Doch nicht so "zivile Preise"

Hier hatte ich in der "Hospedería San Giraldo de Aurillac" neben der Kirche telefonisch ein Zimmer reservieren wollen, aber die im Pilgerführer von Paderborn angegebene Nummer 982 369 025 ist nur der Faxanschluss. Es soll "wunderschöne Zimmer mit Bad zu zivilen Preisen" geben. Also erst einmal dorthin, bevor alles ausgebucht ist. Am Empfang ist niemand, keine Schelle. Ich versuche es später noch einmal. Aha, rechts um die Ecke erscheint ein Mädchen. Sie weiß nicht, ob Zimmer frei sind, es ist zu früh am Tag, überall wird noch geputzt. Aber den Preis für ein Doppelzimmer weiß sie: 50 EUR. - Nein, das ist nicht das, was ich unter "zivilen Preisen" verstehe. Bis 40 EUR wäre in Ordnung gewesen. Also doch zum Refugio, das ich nicht in bester Erinnerung habe (sehr enge Zimmer, überfüllte Einrichtungen, Schimmelbefall).
Durch Anklicken vergrößern Eine Palloza aus keltischer Zeit


Positive Überraschung im Refugio von O Cebreiro

13h00 ist Einlass. Wir sind Nr. 6 und 7, kommen mit dem ersten Schwung Pilger ins Haus und werden nicht in die engen Zimmer links geführt wie beim letzten Mal, sondern es geht in einen von zwei sehr großen, geschickt gegliederten Souterrainräumen, in dem Nischen 4-Bett-Zimmer simulieren. Wir nehmen einen Doppelstock ganz hinten rechts. Da sind wir am Fenster, haben eine Nische für uns und außerdem noch abschließbare Fächer unseren Betten gegenüber. Zusätzlich ist das Bad in unmittelbarer Nähe: mehrere abschließbare Duschen und Toiletten sowie zusätzliche Waschbecken. Alles ganz passabel, viel besser als 2000. Ich bin sehr angenehm überrascht. Vor allem ist genug Platz da für alle. An den Wänden gibt es noch Schimmelspuren, aber nichts Arges. Im Flur oben entdecke ich ein Schild "Washing maching" an der Wand. Tja, das ist wohl "European" ... Die Herberge läuft bis abends wie üblich voll, so dass oben die Matratzen den Boden bedecken, aber uns unten im Souterrain ficht das nicht an.

Tipp zum Mittag- bzw. Abendessen

Zum Mittagessen (ab 13h00) ins "Mesón ..." (habe vergessen den Namen zu notieren) vor der Herberge. Zwei freundliche und flotte junge Mädchen bedienen. Menü 8,50 EUR: Ensalada mixta, Schmorfleisch mit Kartoffeln, Flan. Marek nimmt 3 kleine Forellen als Hauptgang. Die Preise in den anderen Etablissements sind wegen des Touristenansturms heftig. Auch der einzige Lebensmittelladen hat horrende Preise.

Ein kleiner Ausflug

Ich habe leichtsinnigerweise zu Mittag die ganze Flasche Rotwein allein geleert und bin doch ziemlich angeschlagen. Mit Marek klettere ich auf den Aussichtspunkt am Kreuz oberhalb der Herberge, wir setzen uns ins Gras. Der Rundblick auf die herrliche Landschaft berührt einen innerlich. Voll des guten Weines erkläre ich Marek noch einmal ernsthaft Gott und die Welt und falle bauz! hintenüber zu einem längeren Mittagsschlaf. Wieder wach (Marek hat geduldig bei mir ausgeharrt), muss ich was gegen meinen Brummschädel unternehmen: Ich steige allein auf die gegenüberliegende Höhe mit den Sendemasten, denn dort war ich noch nie. Auf halbem Wege liegt rechts ein geheimnisvolles Grundstück mit hier ungewöhnlichem, dichten Wald, umgeben von einer übermannshohen Mauer, die bei ihrer Höhe und Länge enorme Baukosten verschlungen haben muss. Welcher Besitz mag sich dort verbergen? Man kann ohne Schwierigkeiten eine seitliche Pforte überwinden, aber ich bin doch zu vernünftig, um auf fremdem Privatbesitz herumzustrolchen. Der Gedanke an frei laufende Hunde reicht schon, um mich zurückzuhalten. Das Ziel meines Ausflugs ist etwas enttäuschend. Es gibt einen Blick nur in eine Richtung (zurück), der nicht viel Neues offenbart. Aber mein Kopf ist wieder klar! :-)

25. August 2005, Donnerstag: Von O´ Cebreiro nach Triacastela, 21 km (182 km)

Wie üblich, rücken die ersten schon um 5h45 ab, 6h00 sind wir fast allein. Es gibt zu meiner Überraschung sogar noch Toilettenpapier, ein weiterer Hinweis, dass die Versorgungseinrichtungen (im Souterrain!) nicht überlastet waren. Auch in der Küche ist Platz. Ich kann mir in aller Ruhe einen Kaffee machen. 8h00 fertig.

Der erste Regentag

Wir schauen aus der Tür: Es regnet! Na, da haben wir aber bisher Glück gehabt, vor allem die letzten Tage in den Bergen und noch gestern mit schönster Aussicht nach Westen und Osten. Der Weg ist zu Anfang neu ausgezeichnet: Was 2000 noch als Tipp gehandelt werden konnte, ist jetzt der normale Verlauf: Man geht den untersten der Wege von der Herberge in Richtung Wald, früher wurde man ja über die Straße geführt. Auch dieser Weg kommt nach einem landschaftlich schönen Abschnitt an der Schotterpiste heraus, die nach rechts unten zur Landstraße führt. In Liñares, dem ersten winzigen Dorf, Bar und Einkaufsmöglichkeit, für uns zu früh.


Pilger und Pilgerdenkmal Durch Anklicken vergrößern

Passhöhe San Roque mit Pilgerdenkmal. Marek posiert, ich fotografiere. Eine leichte Piste parallel zur Straße. Brombeeren. Ein Engländer überholt uns. Hospital da Condesa: Wir kommen am Refugio vorbei. Dort brechen gerade die letzten auf. Padornelo, eines der unzähligen Dörfchen heute. Sie sehen alle gleich aus und bleiben nicht in Erinnerung, vor allem, wenn man gar nicht genau weiß, wo man ist, da meistens die Ortsschilder fehlen. Lediglich das Handbuch hilft zuweilen weiter.


Hinter diesem Ort auf einmal abrupt links der steile Aufstieg zum Alto do Poio, mit 1.337 m immerhin 44 m höher als der Cebreiro-Pass, aber weit unter dem Rabanal (1.532 m). Hier holt uns der Engländer, der in Hospital da Condesa Pause gemacht hatte, wieder ein und stiefelt mit seinen langen Beinen betont lässig an uns vorbei die Höhe hinauf. Widerlich! Das war doch sonst meine Rolle!

Ca. 10h00 Oben an der Straße hatte ich schon die Einkehr ins Wirtshaus eingeplant. Wir ließen die Regenumhänge zum Trocknen draußen unter dem Vordach. Innen war wie üblich alles voller Pilger. Mit dem Engländer tauschten wir einige flapsige Scherze aus. Kaffee 1 EUR, in Ordnung.


Später ließ der Regen nach, während wir bis zu unserem Ziel sehr viel an Höhe verloren, da wir das Gebirge verließen. Ab Fonfría folgt eine Reihe von ortsschildlosen kleinen Dörfern, mit kotigen und matschigen Straßen, aber zuweilen sogar mit einer Unterkunft. Zunächst nach ca. 2-3 km Biduedo (oder "Viduedo"), das wohl mit dem im Handbuch genannten "Vilar" identisch ist. Dahinter: 3 km bis Filloval und 1,5 km weiter bis As Pasantes, an dem Tunnel zu erkennen, den man vorher durchquert; 1,5 km bis Ramil und direkt dahinter die Herberge von Triacastela. Durch Anklicken vergrößern Galicien im August


Unterkünfte in winzigen Dörfchen

Jedenfalls kam man hier, wie gesagt, mehrere Male an neueren Unterkünften vorbei, wo auch einige Pilger hängen blieben. Mir grauste es aber bei der Vorstellung, hier begraben zu sein. Im Paderborner Führer empfiehlt ein Pilger die Casa Nuñez in Fonfría, weil man da auch essen kann. Nun ja.

Ständig stießen wir auf andere Pilger, in As Pasantes kamen wir an den niederländischen Pfadfindern vorbei. Jedenfalls liefen wir ohne Schwierigkeiten bis Triacastela, wo wir schon 13h00 eintrafen. Ich wollte hier wieder eine neue private Unterkunft ausprobieren, jedenfalls nicht das Refugio mit den Pendeltüren, die ich in unangenehmer Erinnerung hatte. Der Regen hatte ganz nachgelassen, am Himmel aber noch große dunkle Wolken. Ein Pilgerfreund erzählte später, er habe direkt unten am Fluss sein Zelt aufgeschlagen und am Busen der Natur geschlummert. Nötig war das nicht, denn es gibt im Ort jede Menge guter und billiger Unterkünfte.

Ein Werber kommt uns in Höhe der Kirche entgegen und will uns ins "Aitzenea" locken. Das liegt an der Fernstraße, macht mit einem Fahrrad an der Wand Reklame, für mich abschreckend. Wir bleiben geradeaus auf der Dorfstraße, passieren das Restaurant Rio, von dessen Speisekarte ich 2000 eine zwerchfellerschütternde deutsche Übersetzung abschrieb und gehen auf der Rúa Camilo José Cela bis zur Bank Caixa Galicia, die auf der rechten Straßenseite liegt. Daneben ist die private Unterkunft Berce do Camino.

Albergue "Berce do Camino"

Hinein. Niemand am Empfang. Aber links um die Ecke sitzt ein Mädchen gelangweilt vor einem Computer und macht Hausaufgaben. Nur widerwillig nimmt die Dame von uns Notiz, wie die Tochter des Hauses in La Portela. 7 EUR die Übernachtung, in Ordnung, aber ich will erst die Zimmer sehen. Seit dem Reinfall in Zafra im Frühjahr bin ich vorsichtig geworden. Sie reißt die Augen auf, Gäste gibt's! Sie führt uns dann doch durch einen Aufenthaltsraum mit Kochnische, Kühlschrank, usw. in einen Flur, von dem zwei Schlafzimmer und zwei Bäder abgehen. 8 bzw. 6 Betten in großen Zimmern, im zweiten außer zwei Doppelstockbetten sogar zwei Einzelbetten, die aber schon belegt sind. Ein Blick in die Bäder: alles neu und vom feinsten! Wir tragen uns am Empfang ein, die junge Dame rauscht ab, wir sind wieder Luft für sie.

Abgesehen von dieser unfreundlichen Bedienung ist dieses Haus erstklassig. Weitere Zimmer im 1. Stock. Dort auch schöne Dachterrasse mit Wäscheleinen. Benutzen der Waschmaschine 3 EUR, Trockner 4 EUR. Abends lässt das Mädchen den Computer an, so dass Marek und ich kostenlos nach Hause schreiben können. Einzige Reklamation: Der Rahmen des Bettes über mir ist gesplittert, so dass ich Angst habe, Marek fällt mir auf den Kopf. Er zieht daraufhin ins Nachbarbett, in unserem Zimmer kommt sowieso niemand mehr unter. Unsere beiden spanischen Zimmerkameraden aus Asturien sind rücksichtsvoll und angenehm.

Mittagessen und Einkauf

Zum Einkaufen gibt es zwei Supermärkte an der parallelen Fernstraße, einer davon dem erwähnten Aitzenea gegenüber. Unweit des Restaurants "Rio" die Hospedaje O´Novo, wo Harald und ich 2000 geschlafen haben. Macht keinen sehr einladenden Eindruck. Gegenüber dem "Rio" (ich will einfach Alternativen testen) die Parillada Xacobeo, wo wir zu Mittag essen. Menü 7,50 EUR: Paella, Churrasco, Eistorte; große Auswahl, flotte Bedienung, große Portionen in einem gut besuchten Speisesaal. Empfehlenswert.

Richtige und falsche Pilger

Abends 19h00 zur Pilgermesse. Der Pfarrer Augusto Losada López war mir schon von einem belehrenden Aushang an der Kirche von 2000 in Erinnerung. Nun, er ist inzwischen im Netz zu erreichen, also kein Muffel gegen das Moderne. Das kleine Mittelschiff der Kirche ist recht voll, ca. 20 Pilger aus Spanien, Italien, Frankreich und Deutschland. Nur zwei Deutsche, die Pilgerschwester darf eine Lesung vorbeten, aber was für eine! Soweit ich das Spanisch des Pfarrers verstehe, gibt's gleich, nachdem die verschiedenen Nationen ausgemacht sind, eine einleitende Andacht mit Predigt, in der er die verfallende Moral auf dem Pilgerweg beklagt. Er teilt die Pilger in verschiedene Klassen ein: Leistungssportler, Abenteuerlustige und natürlich Fromme. Letztere werden aber immer weniger. An der passenden Stelle der Messe eine zweite Predigt derselben Art. Man merkt, wie er seine Lebensphilosophie ausbreitet, da hört er sich immer wieder gern. Ich reagiere innerlich regelrecht aggressiv, denn die anwesenden Pilger scheinen mir nicht die richtigen Adressaten für Ermahnungen dieser Art zu sein. Aber vielleicht war meine Reaktion übertrieben. Wenn man seine Texte im Netz liest, sind sie wohl fromm und nicht nach meinem Geschmack, aber geschimpft wird darin nicht. Evtl. habe ich einfach zu wenig verstanden.

22h00 liegen wir mit Ohrenstöpseln im Bett. Noch eine Reklamation: die Schaumstoffmatratzen sind übel durchgelegen.


26. August 2005, Freitag: Von Triacastela nach Samos, 11 km (193 km)

In der Nacht habe ich die Ohrenstöpsel entfernt, stecke sie um 5h45 aber wieder in meine Lauscher, da die Asturier munter werden. Beim nächsten Wachwerden ist schon heller Tag. Ein Blick auf die Uhr: 7h45! Die Asturier sind natürlich schon weg. Wann wird man hier wohl rausgeschmissen? Ich inspiziere das Haus: in dem andern Schlafsaal noch ein paar Nachzügler, sonst alles leer, die Haustür offen. Das Wetter: Wolken bis auf den Boden, aber kein Regen. Bei der heutigen Kurzetappe haben wir ja viel Zeit. Frühstück um 8h45 mit Kaffee. 9h32 Abrücken. Zur Vorsicht mit Regenumhängen, aber das ist nicht nötig.

Vamos a Samos

Die ersten Kilometer links auf einem Streifen neben der Landstraße entlang. Hin und wieder ein Lastwagen, sonst praktisch kein Verkehr. Rechts und links Bergkulisse mit Klippen. Hinter dem Dorf San Cristobol beginnt ein herrlicher Fußweg auf halber Höhe das Flusstal entlang. Die Straße ist auf der anderen Seite des Tales und stört etwas durch Lastwagenlärm, sonst paradiesisch. Auf halbem Wege quert man das Tal in einem Linksbogen, geht kurz oben zur Straße hoch und biegt gleich wieder halbrechts auf Fußwege ab. Mehrere winzige Dörfer, zwei renovierte Kapellen (geschlossen). Einmal am Wege ein uriges Hüttchen aus Steinplatten, war das mal ein Schäferhäuschen?


Kloster Samos Durch Anklicken vergrößern Es wird doch wieder etwas feucht, wir ziehen die Umhänge wieder über. Brombeeren gibt es zu naschen. Ein zahnloser alter Mann schwabbelt auf uns ein, ich verstehe kein Wort. Oberhalb des Klosters kommen wir heraus, es liegt steil unter uns im Tal am Fluss. In einem großen Rechtsbogen geht es, schon Mauern entlang, hinunter. Wir erreichen die Rückseite des Klosters. Vor uns Wasserläufe mit Enten. Wir wenden uns nach links zur Straße, hätten das Kloster aber auch rechts umrunden können.


Mittagessen und eine uralte Kapelle

An der Hauptdurchfahrtsstraße, direkt am Kloster, eine kleine Tankstelle. Links daneben der Eingang zur Pilgerherberge. 12h30 treffen wir ein. An der Tür ein Schild: "14h30 geöffnet". Wir gehen in die einzige Dorfstraße schräg gegenüber. Auf der Ecke eine Bar. Aber ein Einheimischer weist uns auf die Taberna O´Gayo Parillada hin, wo man gut zu essen bekäme. Marek will kein Mittagessen, aber ich. Etwa 13h00, der Speisesaal ist gut besucht für diesen abgelegenen Ort. Menü 8 EUR: Nudelsuppe, Forellen, Eistorte.

Wir treffen uns an der uralten Kapelle wieder, die einige hundert Meter weiter hinter einer Linkskurve liegt. Daneben steht eine tausendjährige Zypresse. Man darf die kleine, fast schmucklose Kapelle unter den wachsamen Augen einer jungen Dame besichtigen. Die hat einen lauen Lenz. Marek und ich sitzen später oberhalb der Kapelle im Gras und genießen die Sonne. Da keine Besucher mehr kommen, macht sich's auch die junge Dame unten im Gras unter Bäumen gemütlich.

Die Klosterherberge in Samos

Pünktlich 14h30 am Tor der Herberge. Außer uns sind noch 3-4 andere da, darunter ein Ehepaar, wahrscheinlich Engländer. Zwei ältere Männer, die das Refugio betreuen - eher Angestellte als Mönche, vermute ich - winken uns herein. Ein riesengroßer Raum, ein Gewölbe, mit 68 Betten, vor denen aber Platz ist. Kein Aufenthaltsraum, nur zwei kleine Tische, 4 Stühle. Links ein weiterer großer Raum mit Duschen, Waschbecken und Toiletten, nicht nach Geschlechtern getrennt. Da die Pilger heute nach und nach eintreffen, gibt es kein Gedränge.

Ich habe günstige Betten für uns ausgeguckt und will gleich belegen, da winken uns die Männer streng heran. Schlange stehen und anmelden, und die Betten gibt's der Reihe nach rigide zugeteilt. Wir gucken blöd. Wollen wir die Erklärungen auf Spanisch? Nein, wehren die Engländer ab. Gut, für die Ausländer auf Englisch (das übliche, kaum zu verstehende). Nun protestiere ich. Der Engländer merkt sich, dass ich kein Englisch verstehe. Ich lasse ihn in dem Glauben. - Wir bekommen die schlechtesten Betten, direkt neben der Tür zum Badezimmer, wo alles vorbeiläuft. Auch keine Kopfkissen, die es sonst praktisch in allen Herbergen gibt. Ich schlucke etwas. Dann müssen wir noch mit einer Pilgerin tauschen, um überhaupt denselben Doppelstock beziehen zu können.


Zur Übernachtung in Samos: Bei dieser Herberge sollte man zusehen, dass man nicht unter den ersten 12-18 ist, die Betten zugewiesen (!) bekommen, denn die sind in der ungünstigsten Ecke des Schlafsaales. Es bleiben nämlich in der Regel Betten frei. Wenn man also doch Betten am Fenster (nachts zu helle Straßenbeleuchtung) oder an der Badtür (viel Herumgelaufe, kein Platz fürs Gepäck) erwischt, kann man abends einfach umziehen, sobald die beiden Angestellten verschwinden.

So ein blödsinniges System, wie in Burgos. Der Engländer schnappt sich einen der wenigen Stühle und vertieft sich in eine Lektüre. Der Rest der Welt kümmert ihn nicht mehr, seine Frau packt aus, macht die Betten und wäscht gleich die gesamte Kleidung.

Wäsche waschen, einkaufen

In den Waschbecken kann man Wäsche waschen. Aber die zugehörigen Leinen sind in dem kleinen Park, dem Kloster gegenüber. Man muss dazu die Fernstraße überqueren, und die wenigen Autos heizen ganz schön um die Kurven. Zum Einkaufen muss man ziemlich weit in Richtung Sarria die Straße hoch; dann liegt ein Geschäft auf der linken Seite. Unterwegs kommt man an dem Eingang zur großen Kirche vorbei. Am Nachmittag schauten wir dort noch in den kleinen Touristenladen. Ein Pater und die Verkäuferin schwatzten etwas mit mir. Als der Pater hörte, dass ich auch Esperanto spreche, war er ganz begeistert. Er konnte selbst ein paar Wörter und schwallte die Angestellte zu, wie schön es doch wäre, wenn alle Menschen Esperanto könnten und es keine Verständigungsschwierigkeiten gäbe. Ich musste einige Wörter und Sätze sagen, und sie freuten sich, wie viel dem Spanischen doch recht ähnlich war.

Visperas und Messe

Bis 16h00 sind in der Herberge 42 Betten belegt, danach kommen nur noch 2 Pilger um 20h30. 19h30 besuche ich die Visperas. Es gibt noch relativ viele Mönche, ca. 20, und sie singen ganz ordentlich. 20h00 Messe. Wie gewöhnlich nehmen nur wenige Pilger teil, aber viele Einheimische. Ich bin froh, in dieser schönen Klosterkirche eine Messe genießen zu dürfen. Später noch ein ruhiges Bierchen in dem Park gegenüber dem Kloster. Ich will einen kleinen Karton entsorgen, der die Gegend verschandelt, da finde ich in ihm doch glatt noch zwei unberührte Bierdosen. Ich hatte aber genug getrunken und verschenkte sie.

Gestörte Nachtruhe

Als es dunkel wird und wir schon in den Betten sind, merke ich, dass wir auch noch neben den Fenstern liegen, so dass das Licht der Straßenlaternen störend hereinscheint. Nachts kriege ich so halb mit, dass einige Schläfer sich in die dunkle Ecke gegenüber im Saal verziehen. Kann ich verstehen.

Wer den Bericht über diese Etappe hauptsächlich wegen der Herberge gelesen hat, sollte den Nachtrag vom folgenden Morgen beachten.


27. August 2005, Samstag: Von Samos nach Sarria, 16 km (209 km)

Mit Ohrenstöpseln bis 6h00 geschlafen. Überall tobt schon das Chaos. Ein junger Pilger mir gegenüber trifft den Nagel auf den Kopf: "Sag mal, spinnt ihr alle? Wir sind doch nicht auf der Flucht!" Ich grinse. Das vergeht mir aber ganz schnell, als der Engländer auf mich zeigt und gestikuliert, dass er mich am liebsten erschießen möchte. Oha, ich muss wohl schlimm geschnarcht haben. Jetzt weiß ich auf einmal auch, warum die Pilger neben mir nachts die Betten geräumt haben. Nicht wegen dem hellen Fenster ... Ich zeige auf meine Ohrenstöpsel (weiß nicht, was das auf Englisch heißt); ich war doch wie üblich nicht der einzige, der schnarchte.

Noch im Dunkeln rausgeschmissen

6h30 soll Pilgersegen in der Kirche sein. Dazu musste man sich gestern schon in eine Liste eintragen, niemand tat es. Wie soll man das schaffen? Um 6h45 kommen die beiden Angestellten von gestern rein, fangen doch glatt an, die wenigen Stühle auf die noch weniger zahlreichen Tische zu stellen, wollen uns schon zur Herberge raus haben. Das ist ja wohl der Höhepunkt der Gastlichkeit hier!

Sobald ich mich angezogen und gewaschen habe, schaue ich die beiden Männer grimmig an und nehme zwei Stühle von dem einen Tisch wieder herunter. Man kann kaum frühstücken, an Kaffeemachen ist nicht zu denken. 7h30 stolpern wir aus der Herberge, es ist draußen noch stockdunkel. Da bin ich doch ganz schön sauer.

Nach Sarria wieder ein schöner Weg

An der Hauptstraße in Richtung Sarria sind aber schon zwei Bares geöffnet und lauern auf Pilgerkunden, die es auch reichlich gibt. Ich genieße den Kaffee. Dann rücken wir ab, ca. 2,5 km auf einem breiten Seitenstreifen, es wird langsam hell. Dann kommt rechts eine Abzweigung und wieder wunderschöne Wege das Tal entlang, wie gestern. Der Himmel ist bedeckt, aber es ist ausreichend warm, kein Regen. Das Handbuch lässt die Radfahrer auf der Landstraße. Ich meine ausnahmsweise, dass man diese breiten Wege auch mit dem Fahrrad befahren könnte, freue mich aber, dass es niemand macht.

Man durchquert wieder mehrere winzige Dörfer. Hinter dem Dorf Sivil irreführende Pfeile! Nicht ablenken lassen: Man folgt einfach weiter der kleinen Asphaltstraße hoch, über die Höhe zu einem letzten Dorf vor der Landstraße. Gegen 10h00 kommen wir dort durch, entdecken eine Bar, in der Pilger sitzen, brauchen aber keine Pause. Die letzten 3 km geht es auf einem breiten Pilgerweg rechts neben der Landstraße entlang. Unverständlich, warum das Handbuch von "verwirrenden Wegen mit ständigen Richtungswechseln" spricht. Auch ist die Route auf der Übersicht zumindest im letzten Teil falsch eingezeichnet.

Bedingungen für die "Compostela" erschwert

Wir kommen sehr früh nach Sarria rein und entdecken rechts ein Informationszentrum für Pilger. Dort gibt es einen Stadtplan und bereitwillig Auskunft über billige Unterkünfte mit Preisangabe. Außer dem (zu kleinen) Refugio gibt es jede Menge private Herbergen zu 6-8 EUR. Aber dann eine Mitteilung, die mich ungläubig die Augen aufreißen lässt:
Ab Sarria muss man sich jeden Tag mindestens zwei Stempel holen, um die "Compostela" zu bekommen, einen von der Unterkunft und einen unterwegs. Damit, so erklärte man mir später auf meine Rückfrage im Pilgerbüro in Santiago, soll den "Buspilgern" das Mogeln erschwert werden. - Es wird immer verrückter!

11h30 haben wir schon die Herberge erreicht. Dort steht noch kein Rucksack, aber überall wimmeln Pilger umher. Ich habe eine private Unterkunft Los Blasones laut dem Paderborner Pilgerführer ins Auge gefasst. Nun haben wir Pech. Zunächst ist die Adresse falsch: nicht Rúa Mayor 32, sonder 31, auf der gegenüberliegenden Seite. Auch kann man mir in der Bar "López" nicht weiterhelfen. Wir haben zwar jetzt das Haus gefunden, aber es ist verschlossen. Um 12h00 werde geöffnet, meinten sie in der Bar.

Wer was Neues ausprobiert, fällt auch mal rein

Wir warten auf dem kleinen Rathausplatz ca. 100 m links. Etwas weiter liegt die Herberge Don Álvaro, Rúa Mayor 10, die einen sehr guten Eindruck macht. Als sich bis 12h15 in Los Blasones immer noch nichts rührt, will ich an der belebten Kreuzung (hier muss man höllisch aufpassen), wo das Don Álvaro liegt, nicht in diese Herberge (die im Paderborner Führer gut beschrieben ist), sondern links ab in die Rúa Conde de Lemos zur Nr. 23, wo eine weitere private Unterkunft mit dem klangvollen Namen Albergue dos oito marabedís (Tel. 629 461 770) liegt. "Marabedís" müssen irgendwelche Kugeln sein, denn die zeigt die hübsche Visitenkarte, die ich wohl in Triacastela mitgenommen hatte. Ein großes Schild weist uns den Weg. Damit ist die Herrlichkeit aber auch erschöpft. Schon vorab: Diese Unterkunft empfehle ich nicht.
Pilgerfreund H.Sch. hat mir inzwischen mitgeteilt, dass "marabedís" mittelalterliche Münzen waren. Danke für die Aufklärung!

Ein nichtssagendes, mehrstöckiges Haus. Eine misstrauische Frau öffnet uns, zeigt uns im zweiten Stock ein karges Zimmer. 18 EUR. Nein, danke. Wo sind die Pilgerbetten? Die sind im Keller. Recht neu eingerichtet. Großer zentraler Raum im Souterrain, Balkon, Wäscheleinen. Waschmaschine, Trockner. Küchenzeile (am Herd steht wie an der Waschmaschine: "Nicht anrühren", aber nur der Backofen ist defekt). Ein alter Mann am Krückstock humpelt hinter uns her und hält eine nicht erbetene, vernuschelte Predigt über Wassersparen. Zwei Badezimmer mit Duschen und Toiletten, klein, aber sauber, und alles funktioniert. 3 Zimmer: 2x 6 Betten (Doppelstock) und 1x 3 (1 Doppelstock und ein einfaches). Ich bestehe auf dem 3-Bett-Zimmer, aber da nörgelt die Wirtin, dann bekämen wir aber noch einen señor dazu. "Wenn einer kommt ..." ergänzte ich still. Endlich lassen sie von uns ab. Die Übernachtung soll 6 EUR kosten, das ist in Ordnung.

Marek macht ein unzufriedenes Gesicht. Was ich übersehen habe: die drei Zimmer sind nach oben offen, man hat nur ein Pseudoseparee. Ich muss zugeben, das Don Álvaro wäre wohl besser gewesen. Auch bekommen wir keinen Hausschlüssel. Wir müssen immer schellen, und dann kommt jedes Mal der alte Mann die Treppe heruntergehumpelt und mustert einen misstrauisch. Wohl fühlt man sich hier nicht.

Stadtbummel

Zum Mittagessen gehe ich in die Bar, in der ich damals auch mit Harald gewesen bin. Es gibt zwei an der Hauptstraße, nun habe ich mir den Namen der richtigen nicht notiert. "Richtig" wegen der Nostalgie, aber es ist dort auch preiswerter, mit netten Wirtsleuten. Im Los Blasones ist endlich jemand. Sie heißt Tita, grinst mich fröhlich an und streichelt meine Hand. Als Deutscher denkt man leicht, was wunder für eine Eroberung man da gemacht hat, aber in Spanien bedeutet das nur: "Na, du bist ja ein ganz ulkiger Zausel." Wir bedauern beide, dass Marek und ich hier nicht abgestiegen sind. Tita streicht einiges im Paderborner Führer durch: Die Telefonnummer ist nun 600 512 565. Die private Herberge in der Rúa Nova ist inzwischen geschlossen. Die 2. Adresse von "Los Blasones" (Rúa das Amenerizas 13) ist schon lange veraltet; ich vergewissere mich, dass es nicht etwa eine andere Unterkunft gleichen Namens ist. Als ich später noch einmal auf der Straße vorübergehe, sehe ich Tita innen wieder lebhaft winken.


Stadtbummel. Vor der Bar gegenüber dem Refugio winkt mir schon wieder eine Frau zu. Ich muss erst genau hinschauen, ob ich wirklich gemeint bin. Dann erkenne ich sie: es ist Petra, die wir in El Ganso zuletzt gesehen hatten und die in Rabanal del Camino zurückgeblieben war. Ich schwatze etwas mit ihr. Ich glaube, sie war im Don Álvaro und ganz zufrieden.

16h30 treffen in unserer Unterkunft 3 spanische Pilger, eine Familie, ein. Unsere Wirtin schärft uns ein, in der Stadt weitere Leute auf ihr einmaliges Etablissement aufmerksam zu machen. Ja, damit sie uns noch jemanden auf unser Zimmer einweisen kann! Wir sind doch nicht blöd. Ich hätte diese wie die Richterskala nach oben offenen Zimmer sowieso niemandem angedient.

Durch Anklicken vergrößern Festungsturm in Sarria


Die meisten Betten bleiben leer

Zum Einkaufen in die Unterstadt. Marek kauft sich einen Strohhut, der gegen die Sonne schützen soll. Er hatte gedacht, ohne Hut auskommen zu können. Es ist gar nicht so einfach, aus dem unteren Geschäftsviertel wieder in die Altstadt nach oben zu finden, es gibt kaum eine Querverbindung. Da ist der Stadtplan von großem Nutzen.

Unsere Mitbewohner, die spanische Familie, sind in Ordnung. Natürlich ist niemand mehr gekommen. Wir essen abends zusammen an dem kleinen Tisch. Früh geht's in die Betten, wie es sich für Pilger gehört.


28. August 2005, Sonntag: Von Sarria nach Portomarín, 22 km (231 km)

6h00 geht der Wecker nebenan. Ich habe ganz gut geschlafen. Langsam raus, die andern rücken schon ab.

Zum berühmten Kilometerstein 100

Frühstück. 7h41 aus dem Haus, einfach die Haustür zuziehen, einen Schlüssel hatten wir ja nicht. Ich glaube, die Strecke fast auswendig zu kennen, werde aber gleich am Ortsausgang von Sarria von einem Zickzack-Schwenk überrascht. Den habe ich nicht in Erinnerung. Dann kommt aber der Weg an der Bahnstrecke entlang, den ich vom Zug aus 2003 meiner Frau gezeigt habe. Einige Kilometer weiter ist die kleine Bar am Kilometerstein 100. Wir machen kurz Pause. Die Toilette ist sauber und auch sonst in Ordnung.


Knorrige Eichen am Wege Durch Anklicken vergrößern

Von dem Pilger, der seine Muschel verlor

Weiter. Regenwolken, aber nicht sehr kalt. Überall sind Pilger unterwegs. Zwischendurch ziehe ich mal den Regenumhang über. Dann kommt mir zu Bewusstsein, dass irgendein Hintergrundgeräusch fehlt: Meine Muschel klappert nicht gegen das kleine Pilgerkreuz aus Holz und den Fingerrosenkranz, den ich seit Jahren beim Pilgern trage. Der Schreck ist groß: Ich habe Muschel, Kreuz und Rosenkranz in der Unterkunft gelassen. Am wandseitigen Bettpfosten aufgehängt.


Bevor wir gingen, habe ich noch sorgfältig auf das Bett und darunter geschaut, aber nicht hochgeguckt. Ich kämpfe den Schmerz des Verlustes nieder: Es waren nur Erinnerungsstücke, nichts Wertvolles. Den Gedanken an Umkehr verwerfe ich sofort. Evtl. kann man ja mit Zug oder Bus von Portomarín aus zurück. Gab es da überhaupt einen Bahnhof? Ich meine mich zu erinnern, ja (das war falsch). Ein Pilger, der seine Insignien verliert ... Wäre ich etwas abergläubisch, müsste ich jetzt die Panik bekommen. Als ob Gott mich des Pilgerns nicht mehr würdig ansähe ... Ich horche in mich hinein. Sicher, ich bin zum x-ten Mal unterwegs, das einmalige Gefühl des ersten Erlebens ist längst verblasst. Meine Handlungen sind auf glatten Ablauf und reibungslose Versorgung abgestimmt. Einzig, dass ich doch regelmäßig und gern die Kirchen besuche, spricht noch für den echten Pilger. Marek schaut mich fragend an, er würde mit umkehren. "Nichts da," sage ich, "wir laufen ganz normal weiter."

Wildwest in Ferreiros

Zum Streudorf Ferreiros berichtet Pilgerfreund Michael Marx über Unterkunft und Verpflegung: "Renovierte und gepflegte städtische Herberge; Küche vorhanden, jedoch kein Geschirr und Besteck, nur ein Wassertopf. Warmes Essen gibt es in einem von fast allen Pilgern wegen seiner strategisch günstigen Lage besuchten Restaurant Mesón Casa Cruceiro. Allerdings ist es dort immer sehr voll und niemand weiß, dass es nur ca. 100 m weiter - direkt am Camino nach Portomarin neben einer romanischen Kirche -ein weiteres, sehr empfehlenswertes Restaurant O Mirallos gibt. (Das stellt man erst am nächsten Morgen fest, wenn man daran vorbeiläuft. ) Da es sich in einer Talsenke befindet, kann man es - ebenso wie die Kirche - erst erkennen, wenn man fast davor steht. Leider gibt es keinerlei Hinweisschilder zu diesem Restaurant; diese lässt der Besitzer des Mesón nach guter Wildwest-Manier immer gleich entfernen." - Danke für die Hinweise!

"Der Schnarcher!"

Marek holt sich (wohl im Mesón Casa Cruceiro) einen Stempel, sonst halten wir uns nicht lange auf. Wir überholen die Engländerin, die auf einer Wiese nach Pflanzen sucht, wie es aussieht. Etwas weiter gelangen wir an eine Hochfläche, an die ich mich erinnere: es ist nicht mehr weit bis Portomarín, das vor uns in einem eingeschnittenen Flusstal liegt, trotz hoher Uferlage für uns nicht sichtbar. Links am Weg steht der Engländer und ruft gleich ohne Begrüßung "The snorer" (der Schnarcher) und zeigt auf mich. Ich blecke abweisend die Zähne, Marek ist empört über dieses Benehmen. Ich muss zugeben, dass ich mich getroffen fühle. "Der soll Ohrenstöpsel verwenden wie wir auch!" meutere ich, aber, weil ich nicht weiß, was "Ohrenstöpsel" auf Englisch heißt, nur innerlich. Das wohlbekannte Unbehagen darüber, andere mit meinem Schnarchen zu belasten, das ich auf meinen ersten Pilgertouren empfand und das zu überwinden ich als meine Aufgabe erkannt hatte, stellte sich wieder ein.

Kein Zug, kein Bus

In einem großen Linksbogen geht es ins Flusstal hinunter. Bald laufen wir über die Brücke. Das Wasser steht rekordmäßig niedrig. So manche Ruine des früheren Portomarín ist aus den Fluten aufgetaucht. Links gegenüber am Ufer soll ein großes gelbes Haus eine neue private Herberge sein, schlecht auszumachen. Hinter der Brücke laufen wir auf einen Torbogen zu, durch den es eine Treppe hinauf in den Ort geht. Ich spreche einen Mann wegen der Verkehrsverbindungen an: Nein, kein Bahnhof. Heute auch kein Bus nach Sarria, weil Sonntag ist. - Da bin ich doch etwas enttäuscht, hatte mir noch etwas Hoffnung gemacht, Kreuz und Muschel wiederzubeschaffen.

Oben ca. 100 m hinter der Treppe weisen gleich zwei Schilder links auf private Pilgerunterkünfte hin. Ich merke mir das. Inzwischen ist die Sonne herausgekommen und knallt gleich wieder. Wir laufen im Schatten der hohen Häuser zielstrebig ans entgegengesetzte Ortsende, um die Pilgerherberge zu erreichen. Die habe ich nicht in bester Erinnerung. 12h51 sind wir da.


Die Herberge in Portomarín wurde im Juni 2004 völlig neu errichtet und ist jetzt tadellos und sehr zu empfehlen.

Ich reibe mir die Augen. Da wo die Herberge war, steht jetzt ein sehr modernes großes Gebäude. Jugendliche hängen davor rum. Wir müssen hier richtig sein. Am Haus ein Schild: Diese Pilgerherberge wurde im Juni 2004 völlig neu gebaut. Na, das ist eine Überraschung! Auch im Paderborner Pilgerführer steht davon noch nichts.

Innen niemand am Empfang. Selbstbedienung. Herbergsbuch und Stempel liegen am Eingang auf einem Tischchen. Dahinter ein großer Aufenthaltsraum mit Küchenzeile. Geradeaus nach Geschlechtern getrennte Toiletten und Duschen. Das ist auch gut so, denn die Duschkabinen haben keine Türen. Oben sind zwei weitere Toiletten, insgesamt im Haus je 3 pro Geschlecht, etwas knapp. Im Obergeschoss zwei große Schlafsäle mit je 38 Betten. Außerdem 2 kleinere Zimmer (je 6 Betten), aber die bleiben verschlossen. Es sind noch kaum Pilger da, da um diese Zeit noch alle weiterlaufen. Wir begrüßen die Familie aus unserer Unterkunft in Sarria; sie sind stolz, eher eingetroffen zu sein. In dem schlauchartigen Schlafsaal haben sie und ein paar andere sich ganz hinten eingerichtet. Die Doppelstockbetten stehen in zwei Reihen rechts und links an der Wand. Die besten Betten sind für mich die gleich links hinter der Tür. Dort ist nicht nur etwas mehr Platz auf dem Fußboden, sondern dort hängen sogar noch Haken. Unbegreiflicherweise sind diese beiden Betten noch frei. (Die gegenüber werden darunter leiden, dass das Licht vom Flur auf sie fällt, wenn die Tür nachts geöffnet wird, während wir von dem gedämpften Licht noch profitieren.) Ich fühle mich gleich heimisch. Das ist ja wie die beste private Unterkunft.

Die hilfsbereite Herbergsmutter

Wir gehen duschen und Wäsche waschen; hinterm Haus sind Waschbecken und auch (wenige) Wäscheleinen. Sogar Seife liegt bereit. Nebenan ist der kleine gemütliche Park, in dem Harald und ich nachmittags auf unseren Matten geschlafen haben. Die Dependance der Herberge gegenüber, im Gebäude der Schule Colexio Virxe da Luz, schien zunächst geschlossen, aber später wurden dort alle Radfahrer eingewiesen, hehehe. Einige rümpften empört die Nase.

Etwas später sitzt am Empfang eine Frau, die ich gleich anspreche. Sie ist dieselbe, die 2000 unsere Wäsche wusch, gegen einen kleinen Obolus, und das tut sie noch heute, sagt sie. Ich beglückwünsche sie zu der tollen Herberge. Dann schildere ich mein Problem mit dem verlorenen Kreuz und der Muschel. Die Telefonnummer von der Albergue dos oito marabedís habe ich. Die Herbergsmutter kann diese aber nicht erreichen, ruft deshalb ihre Kollegin in Sarria an. Diese ruft nach einiger Zeit zurück: Unsere dämliche Zimmerwirtin, die alte Frau, behauptet, es habe sich nichts gefunden. Wahrscheinlich hat sie gar nicht kapiert, worum es geht. Ich resigniere, ein Taxi ist wirklich zu teuer. Ich bedanke mich vielmals bei der Herbergsmutter, die sogar hinnahm, dass wir kein Mobiltelefon hatten. Sowas ist für Spanier eigentlich undenkbar.

Beschreibung dreier Privatunterkünfte

Der Tag ist noch jung, die Sonne lacht draußen. Marek geht auf eigene Faust los, die Umgebung der Stadt zu erkunden. Ich benutze die Zeit, um zu "schnüffeln", denn da kann ich noch einiges für den Paderborner Pilgerführer in Erfahrung bringen.

Zunächst zum Hotel "O Mirador", am südwestlichen Ortsausgang an der Hauptstraße gelegen. Dorthin hatte das Schild gezeigt, das ich gesehen hatte. Ein paar Vokabeln nachgeschlagen, dann konnte ich im Obergeschoss des Hotels, wegen der Hanglage von der Hauptstraße aus ebenerdig betretbar, ohne Mühe vorbringen, ich schriebe einen Bericht für deutsche Pilger und möchte deshalb die Unterkunft besichtigen. War ja alles nicht gelogen. Eine Reihe von Touristen oder Gästen saß vor den Fenstern mit herrlicher Aussicht auf den Stausee, der Name "O Mirador" (Der Aussichtsplatz) passte wirklich. Der Kellner, evtl. der Besitzer, zeigte mir sehr zuvorkommend die Pilgerzimmer im Souterrain. Gerade trafen zwei Däninnen ein und nahmen das einzige Doppelzimmer (2 Betten übereinander) mit Bad zu je 11 EUR pro Nase. Daneben gab es noch 4-Bett-Zimmer zu 9 EUR mit Aussicht und weitere für 8 EUR ganz ohne Fenster, o nein! Insgesamt 22 Betten. Internetz-Benutzung gratis. Tel. 982 545 323

Ich bedanke mich, bin nicht überzeugt. Gut, das Doppelzimmer ist für ein Paar sicher eine gute Lösung, aber auch nicht ganz billig. - Eine Parallelstraße tiefer die zweite Unterkunft, auf die das zweite Schild verwiesen hatte, das gelbe Gebäude. Albergue Ferramenteiro, Rúa Chantada, 3. Tel. 982 545 362, Fax 982 545 361. - Zwei nette junge Damen langweilen sich im Empfang. Ich sage mein Sprüchlein auf, erhalte sofort einen Prospekt mit allen Angaben, die man braucht. Links der Hauptraum hat die Ausmaße einer Turnhalle. 110 Betten (1,90 m x 0,90 m) stehen dort, die meisten in Vierergruppen zu je 2 Dopppelstock. Große abgetrennte Küche und Essraum. 2 große Bäder mit Duschen und Toiletten, nach Geschlechtern getrennt. Ferner Abstellmöglichkeiten für Fahrräder und am Ende des Gebäudes eine großzügige Wäschewaschanlage. Insgesamt alles sehr gut durchdacht, für Pilger perfekt, auch nicht zu teuer (8 EUR einschl. Bettbezug) - und aus meiner Sicht eine gigantische Fehlinvestition. Jetzt ist doch Hochsaison, aber - so erzählt mir Petra später - an diesem Tag kommen hier ganze 8 Pilger unter. Das langte vielleicht gerade für den Verdienst der beiden Damen am Empfang. Ach so: und man kann außerdem seine digitalen Fotos auf CD speichern (descarga de fotografías digitales). Marek, der pro Tag viele, viele Fotos macht, verbringt manches Mal seine Zeit in einer größeren Stadt, um einen entsprechenden Laden zu finden ...

Ich gehe später noch zu einer privaten Unterkunft eine Straße unterhalb der Herberge (vom Eingang der Herberge aus links, die nächste Seitenstraße rechts runter und unten wieder links): Albergue Virge da Luz, Rúa do Miño, 1. 7 Betten in 3 Zimmern (2+2+3) für 10 EUR pro Kopf. Der Besitzer lauert vor der Haustür auf Gäste und gibt mir bereitwillig Auskunft. Aber hineingeschaut habe ich nicht.

Insgesamt: Bei der tollen Herberge, die allerdings bis zum Abend gesteckt voll wurde, zum Nulltarif werden sich die übrigen Privatunterkünfte kaum halten können. Das Ferramenteiro scheint mir die beste zu sein. Wenn die Herberge voll ist, würde ich versuchen, dort unterzukommen.


Pilgers ruhiger Nachmittag

Ich suche noch eine Gaststätte mit preiswertem Menü und finde auch eine am westlichen Orstkernrand (7 EUR meiner Erinnerung nach), aber abends habe ich keine Lust, allein dorthin zu gehen. An der Hauptstraße setze ich mich als fast einziger Gast im Schatten vor einer Bar an die Straße und ziehe mir bei der Hitze genüsslich einen halben Liter rein. Es wimmelt von Pilgern und Touristen. Am Spätnachmittag großer Auflauf. Vor der Kirche ist eine Tribüne errichtet worden, und dort gibt es Folklore mit Tänzen und den unvermeidlichen Sackpfeifen. Die örtliche Gruppe wird viel beklatscht, dabei sind die zwei anderen aus den Nachbarorten (man sieht es an den Fahnen mit den Ortsnamen) schmissiger (und die Mädchen auch noch hübscher).
Durch Anklicken vergrößern Sonntägliche Folklore-Darbietung


Die Supermärkte hatten trotz Sonntag geöffnet. So gehe ich nach dem Folklorefest mit meinen Einkäufen zur Herberge zurück und treffe dort auch Marek wieder, der eher die weitere Umgebung erkundet hat. Beim Fest habe ich ihn aber auch kurz von ferne gesehen.

Wir essen im Aufenthaltsraum von unseren Vorräten zu Abend. Da treten die Engländer hinzu. Marek kauft sich den Mann: "Fanden Sie das eigentlich höflich," sagt er streng, "meinen Kameraden unterwegs gleich als Schnarcher abzustempeln?" Der Engländer - vielleicht ist es ja auch ein US-Amerikaner oder ein Kanadier - gibt zu, dass das nicht toll war, entschuldigt sich aber auch nicht. Statt dessen wirft er sich in die Brust und - mit einem Seitenblick auf mich, der ich wieder grinse, als ob ich nichts verstehe - hält er Marek einen Vortrag über die Gefahren des Schnarchens, und dass ich mich unbedingt in ärztliche Behandlung begeben müsse. Seine Frau assistiert: "Mein Mann ist nämlich Arzt.", in einem Tonfall, als sei er incognito St. Jakob persönlich. Sollen wir jetzt erschüttert auf die Knie fallen? Es fällt ihnen nicht einmal auf, dass Marek nichts übersetzt, obwohl jeder zweite Satz des englischen Doktors mit "Tell your comrade ..." anfängt. Ich bin normalerweise nicht auf den Mund gefallen und habe bei Bedarf eine sehr spitze Zunge, aber auf Englisch bin ich einem Muttersprachler hoffnungslos unterlegen und schweige deshalb. Aber meine Gedanken kann man sich vorstellen.

Vor der Herberge lungern immer noch die Jugendlichen herum. Sie winken mir zu, ich spreche sie an. Die Herbergsmutter hat ihnen die Aufnahme verweigert, weil einer von ihnen noch minderjährig ist und keine schriftliche Erlaubnis des Vaters dabei hat, pilgern zu dürfen. Zur Polizei zu gehen, wie ich ihnen riet, sei auch nicht ratsam. Um also den Minderjährigen zu schützen, gibt man ihm keine Unterkunft und lässt ihn im Park pennen. Wo ist da die Logik? Sie pflichten mir bei und bieten mir einen Schluck Rotwein an, weil ich ein echter Kumpel zu sein scheine. Einen Moment spiele ich mit dem Gedanken, ihnen eine Unterkunft im Ferramenteiro zu spendieren, aber 56 EUR für 7 Leute sind mir dann doch zu viel. Nun, ich habe auch schon mal im Park gepennt.

Abends ist es in der Herberge noch lange laut. Das Licht in den Fluren lässt sich nicht ausschalten. Wer dort auf dem Boden liegt, hat schlechte Karten. Irgendwann geht die Beleuchtung dann doch aus. Ich bin herzlich müde und schlafe gut.


29. August 2005, Montag: Von Portomarín nach Palas de Rei, 25 km (256 km)

Morgens stehen wir wie gewöhnlich fast als Letzte auf, es ist 6h05. In den Waschräumen ist nichts los, aber um so mehr auf den zu wenigen Toiletten.

Das alte Problem mit dem Licht in neuen Herbergen

Auf dem Flur ist Gewimmel, da dort viele Pilger packen. In den Schlafräumen ist es nämlich noch dunkel, und ich finde nicht heraus, wie man das Licht anmachen kann. Die Leute schleppen im Dunkeln alles auf den erleuchteten Flur. Frühstück um 6h30 in dem Raum unten, der zugleich Küche und Aufenthaltsraum ist. Man kann Kaffee machen, aber - verrückt - auch hier gibt es (noch) kein Licht, nur das, das von den Straßenlaternen von draußen hereinscheint. Gegen 6h45 geht das Licht an, automatisch?

Eine Bar in Hospital da Cruz

Erst 7h48 los, als es auch draußen hell ist. Durch den Ort zur Hauptstraße und dann hinunter zur eisernen Fußgängerbrücke, die einen Stauseearm überquert. Sie ist schon reichlich angerostet. In sehr schnellem Tempo ziehen wir an unzähligen Leuten vorbei. Heute ist viel Geschlängel um die C535. Es ist alles sehr leicht zu laufen, viele kleine Asphaltstraßen, teilweise in landschaftlich sehr schöner Umgebung.

Kurz vor der Herberge von Hospital da Cruz liegt links eine Bar, in der ich einen Kaffee trinke. Marek wartet wie gewöhnlich draußen, aber ich bringe ihm einen Stempel mit. Danach kommt die Herberge, und man überquert eine große Landstraßenkreuzung. Dahinter wieder kleine Asphaltstraßen mit ländlicher, hügeliger Gegend. Ich erkenne das Tal wieder, in dem ich 2000 die Kuh zurückgetrieben habe. Jenseits kommt der Ort Eirexe, den wir 12h00 erreichen. Bei dem Tempo, das wir heute vorgelegt haben, sind wir schon weit. Am Ortsausgang Mittagpause auf einem kleinen Rastplatz. 1998 hatte unsere Gruppe am Ortseingang gerastet. Ich erinnere mich, dass uns die Autofahrer vom Dienst damals mit einem Begrüßungsschluck auf dem Tablett entgegenkamen. Das war ein Luxus!

Ein Pilgerinformationszentrum vor Palas de Rei

Bald geht es weiter. Wir erreichen die N547, und dann geht es schräg links nach Rosario, das fast nahtlos in Palas de Rei übergeht, wie ich noch weiß. Sportanlagen links, rechts Holzhäuser einer Ferienanlage. Links außerdem ein Pilgerinformationszentrum, in dem ich mir einen Straßenplan einstecke. Dahinter gleich die Einmündung von rechts, wo ich 2002 mit meiner Frau von Lugo kam. Ab hier laufe ich die Strecke zum vierten Mal. Der Rest bis Santiago wird für mich doch arg langweilig.

Auf dem Weg an der Kirche vorbei zur Herberge, die Serpentinen der Hauptstraße nach unten abkürzend, kommen wir an zwei Bares vorbei. Ich merke mir die Bodega '99, weiß aber nicht mehr genau, ob wir dort oder in der Nachbarbar (ein schönes Wort!) 2002 so gut gegessen haben. 13h30 betreten wir die Herberge. Die kleine pummelige Betreuerin erkenne ich wieder. Ihr Helfer trägt uns ins Herbergsbuch ein und winkt dann in Richtung Zimmer. Aha, diesmal sucht man sich also selbst Betten, das ist neu. An dem großen Aufenthaltsraum ein Schild: Hier ist es nicht erlaubt, sich auf dem Boden einzurichten. Auch neu. Ich merke später: Es gibt inzwischen genügend viele private Pilgerunterkünfte, wohin man zu spät Kommende weiterschickt.

Wer vor 14h00 kommt, kriegt noch Betten

Ich wiesele die Treppe hoch. Im ersten 10-Bett-Zimmer Gewühl. Geradeaus ein kleineres Zmmer, da hängen sie auch schon raus. Aber ich weiß ja, dass oben noch eine weitere Etage ist. Da wir diesmal ja keine Betten angewiesen bekommen, können wir uns aussuchen, was wir wollen. Also noch eine Treppe hoch, und da ist das zweite 10-Bett-Zimmer, noch völlig leer. Super. Wir nehmen die beiden Betten am Ende des Zimmers, haben dann noch die Wand rechts davon zum Abstellen. Außerdem Schrankfächer, eine Fensternische mit Tischchen und Bank davor, insgesamt sehr viel Platz. Und ein eigenes Bad. Bevor weitere Pilger dieses Zimmer finden, huschen Marek und ich unter die Duschen, die wie schon 2002 geschildert ohne Vorhänge sind. Die Duschen waren allerdings kalt. Evtl. musste man einen Boiler einschalten, oder das heiße Wasser war bereits verbraucht. Aber wir sind längst fertig, als die nächsten Pilger diesen ruhigen Schlafsaal hier oben finden und sich neben uns einrichten.

Einige Mitpilger

So z.B. eine Familie mit einem etwa 12jährigen Sohn, der mir dauernd Löcher in den Bauch fragt, als er merkt, dass ich etwas Spanisch kann. Er kapiert aber nicht, wann ich an meine Grenzen stoße. Direkt neben uns der "Schwätzer", den wir gestern unterwegs zum ersten Mal getroffen haben und der einem mit schwärmerischen Ausbrüchen auf die Nerven geht. Einer der wenigen 100-km-Pilger, die wir dieses Jahr treffen; er glaubt, damit die Pioniertat zu unternehmen, die ihn wieder mit der Natur versöhnen wird. Naja ... Aber heute hält er einigermaßen den Mund.

In das Tischchen hat einer "hospitalera - hobbit" gekritzelt. Das finde ich gemein. Gut, die Hospitalera ist nicht von beeindruckender Statur (ich ja auch nicht), aber doch herzensgut und seit Jahren im Einsatz. Sie hat meiner Frau und mir 2002 das Behindertenzimmer aufgeschlossen; jetzt ist es natürlich versperrt, wie ich probiert habe.

Wäschewaschen, Mittagessen

Wir richten uns sehr zufrieden ein. Dieser Rhythmus, wie wir ihn durchziehen, ist wohl in der Hochsaison der beste. Ich wäre aber auch in eine Privatunterkunft gegangen. Wir waschen unsere Wäsche im Erdgeschoss neben dem Aufenthaltsraum. Die Leinen snd knapp, und in dem winzigen Hof hängt kaum was in der Sonne. Ich bin froh, dass wir eigene Wäscheleinen mitgenommen haben.

Zum Mittagessen in die genannte Bodega '99. Es ist wohl die Bar, die ich in guter Erinnerung habe. Ein spindeldürres Mädchen mit einem Tuch um den Kopf bedient uns freundlich. Die Ärmste muss wohl krank sein, ich tippe auf Leukämie. Der Chef sorgt für die Getränke und kassiert anschließend. Menü 6,90 EUR: Ensalada mixta, Merluza oder Hähnchen, Eis. Keine große Auswahl, aber preiswert und gut.

Gegen 16h00 ist die Herberge voll. Es landet niemand auf dem Boden, denn die Pilger werden entweder ins Notquartier in den Sportanlagen geschickt (soll nicht empfehlenswert sein) oder in die umliegenden Privatquartiere. Da ich wieder mal jede Menge Zeit habe, sammele ich Informationen über diese Unterkünfte.

Zwei Privatherbergen

Die nächste Unterkunft ist die private Herberge "Buen camino", Rúa do Peregrino, 3. Das ist einfach vor der Herberge über die Hauptstraße geradeaus am Rathaus vorbei den Ort weiter hinunter, dann auf der linken Seite, also keine 150 m entfernt. Übernachtung 8 EUR pro Person. Sie haben sehr guten Zulauf.
Aber ich finde auch einen Hinweis auf eine noch günstigere neue private Albergue O Cabalo Verde, Travesía do mercado, 2. Tel. 982 374 152, 628 743 404. Mehrbettenzimmer 6 EUR, Einzelzimmer 10 EUR, Doppelzimmer 8 EUR (alles pro Person).

Marek und ich suchen diese aus Langeweile, nicht einfach zu finden. Man muss von der Herberge aus (wenn man aus dem Tor tritt) rechts die Hauptstraße Av. de Compostela ein ganzes Stück hoch. Dabei kommt man an mehreren Supermärkten vorbei. Wo die Hauptstraße in einer Serpentine rechts abschwenkt (Supermarkt oberhalb des Platzes) zur Av. de Ourense, geht es auf der Av. de Lugo weiter geradeaus. Vor der Café-Bar Toural geht es rechts ein unscheinbares Gässchen hinein. Das ist die Travesía do mercado (nicht auf meinem einfachen Stadtplan mit Namen eingezeichnet!). Sofort rechts dann die Unterkunft. Zu unserem Erstaunen ist alles offen, aber niemand da. Man kann ungehindert das ganze Haus betreten. In zwei Stockwerken gibt es Zweibettzimmer (die auch als Einbettzimmer belegt werden dürfen), darüber ganz unterm Dach Massenlager. Dachterrasse mit Stühlen und Wäscheleinen. Alles ganz ordentlich, wenn auch nicht mit neuen Möbeln, aber für Pilger sehr gut. Bäder und Toiletten in Ordnung. Unten im Flur trägt man sich einfach in eine Übersicht ein (und kann so auch ein Zweibettzimmer allein belegen) und wartet, bis abends jemand zum Kassieren kommt. Bislang scheint nur 1 Zimmer belegt zu sein.

Pilgertelegraf und eine gute Tat

Nachmittags kommt Petra, als die Herberge längst voll ist. Ich bringe sie zum Cabalo Verde, wo sie ein Einzelzimmer belegt. Sie findet die Unterkunft bestens, tut mir am Marktplatz eine Cola aus. Weitere Pilger kommen hinzu, wir tauschen viele Neuigkeiten aus ("Pilgertelegraf"). Ich entdecke, dass es am nahen Kiosk sogar Bier gibt. Aber am Spätnachmittag wird es erheblich kühler, ein kalter Wind kommt auf, wir flüchten. Noch später sehe ich eine Gruppe von 4 Jugendlichen vor dem Buen Camino unschlüssig herumlungern. Deutsche? Jawohl! - Keine Bleibe? Hm, 8 EUR finden sie happig. - Wie wäre es mit 6 EUR? Das wäre prima. Ich schleppe sie ebenfalls zum Cabalo Verde ab, wo sie sich überglücklich unterm Dach einrichten. Später erzählte man mir, dass alles in Ordnung gegangen sei: abends kam eine Frau zum Kassieren, keine negativen Überraschungen. Kann man also empfehlen, wenn die Herberge voll ist oder man für sich sein will.

Abends ist es in der Herberge noch lange laut. Erst gegen 23h00 gehen die Leute so langsam in die Federn. Man merkt, dass viele Pilger hier nicht von sehr weit kommen. Nachts schlimmes Geschnarche. Um 3h00 stecke ich mir die Stöpsel in die Ohren und schlafe danach ganz gut.


30. August 2005, Dienstag: Von Palas de Rei nach Melide, 14 km (270 km)

Da wir am ersten Tag unserer Tour gleich eine Doppeletappe gelaufen waren, hatten wir jetzt sehr viel Zeit und konnten die Strecke nach Arzúa in zwei Kurzetappen aufteilen. 6h16 aufstehen. Morgens langes Frühstück bis 8h00. Ich mache mir Kaffee. Wir sind fast allein, alles schon weg. Mir fällt ein älterer Japaner auf.


Früh- morgens im Wald Durch Anklicken vergrößern

Schöne Privatquartiere, aber einsam

Dann ziehen wir los. Die Landschaft ist immer noch erstaunlich schön. Nach 3 km kommen wir nach San Xulián, wo es eine private Herberge O' Abrigadoiro gibt. Aber pro Person 20 EUR einschließlich Abendessen und Frühstück. Erneut das Problem, dass man sich im Übrigen in diesem Winzkaff zu Tode langweilen würde (siehe meine Beschreibung vor Triacastela). Einige Kilometer weiter, in Mato Casanova eine weitere Unterkunft, Arcos. Alles sieht von außen gut aus, aber es wäre nichts für mich. - In der Ferne steigen Rauchwolken auf. Auch zu Hause stand viel von Waldbränden in Spanien und Portugal in der Zeitung. Werden wir Probleme bekommen? (Nein)


Bares wie Pilze aus dem Boden geschossen

Gegen 11h00 kommen wir an die N547. Im alten Handbuch steht nichts von einer Bar, aber hier gibt es gleich drei. Die erste um die Ecke lädt besonders deutsche Pilger ein, der Wirt kann tatsächlich einigermaßen Deutsch. Überall machen Pilger Pause. Wir stoßen auch auf Petra, die sich bis Furelos uns anschließt. Der Pfarrer in der Kirche dort ist in diesem Jahr gar nicht auf Englisch erpicht, sondern redet durchaus Spanisch mit mir. Merkwürdig. Wir lassen Petra in einer Bar zurück und laufen weiter.

Rucksacktransporte

12h00 sind wir schon in Melide, kommen an einer Pulperia vorbei, wo die Tintenfische wie am Fließband verarbeitet werden. 12h15 an der Herberge. Etwa 7 Pilger warten schon, darunter die Familie, deren Sohn mir gleich wieder Fragen stellt. Welche berühmten Deutschen es gibt (nerv!). Von Goethe hat er noch nie gehört, einzig Hitler ist ihm ein Begriff. Ich ärgere mich etwas. Aber sicher kennen auch Deutsche eher Franco als Cervantes. Ein Taxi fährt vor und lädt - oha - Rucksäcke aus. Mir ist ohnehin aufgefallen, dass entlang des Camino Francés mit Rucksacktransport viel Geld gemacht wird. Früher gab es nur Jato, der das Gepäck den Cebreiro hoch brachte ... Ein alter Mann spricht die Pilger an. Ach, es ist derselbe wie 2002, der seine Fremdsprachenkenntnisse demonstrieren will.

Mittagessen im Restaurant Sony

13h00 schließt die Hospitalera pünktlich auf. Wir nehmen diesmal ein Zimmer im Erdgeschoss rechts, einen Doppelstock am Fenster. Gegenüber das Bett oben scheint belegt. Erst abends stellt sich heraus, dass ein anderer Pilger einfach wegen der Nähe zum Fenster dort Sachen zum Trocknen hingelegt hat. Darunter richtet sich irgendwann am Nachmittag Petra ein.

13h30 gehe ich zum Mittagessen. Restaurant Sony an der benachbarten Fernstraße. Man geht am besten an der Herberge weiter geradeaus, bis man die Fernstraße erreicht, und läuft dann ein Stück spitzwinklig zurück, muss dann die Straße noch überqueren. Menü 8 EUR: Gemüsereis (kalt), Fischstücke, Tarta de Santiago. 1/2 Flasche Wein. Ich frage den Kellner, warum er mir alles auf Französisch sagt, obwohl ich doch auf Spanisch bestellt habe. Ja, jeder will eben seine Fremdsprachenkenntnisse vorweisen. - Neben dem Sony ist noch ein anderes Lokal mit Menü zu 7 EUR, aber geschlossen.

Kein Statist benötigt

Am Nachmittag ist es heiß. Auf dem Vorplatz an der Kirche sind Dreharbeiten zu einer historischen Reportage über das Melide der ausgehenden Fünfzigerjahre. Unterbrochen von einem Schluck Bier schaue ich wohl 2 Stunden zu. Die Filmleute sind zu uns ganz freundlich. Leider brauchen sie keinen urigen älteren Pilger als Statisten ;-) Spätnachmittags kommt ein frischer Wind auf. Die Wäsche, die ich vors Fenster gehängt habe, ist ruckzuck trocken.

Pilgertelegraf: Exzesse in San Bol

16h30 gibt's in der Herberge immer noch einzelne freie Betten, aber es treffen auch bis in die Nacht weitere Pilger ein. Am Ende liegen die Aufenthaltsräume und die Flure voller Schlafsäcke. Mit Urs, einem deutschen Studenten, gehe ich abends noch auf einen Schlummertrunk. Pilgertelegraf: Er war mehrere Tage in San Bol (Meseta, vor Hontanas, siehe meinen Bericht von 2000). Der Deutsche aus Iserlohn ist nicht mehr dort, angeblich hat ein Franzose die Aufsicht. Die aber sehr lasch sei. Inzwischen wird San Bol als Geheimtipp für erlebnishungrige Jugendliche gehandelt. Jede Nacht Quemadapartys. Das hatte mir auch Jasmin in Ponferrada erzählt. Urs selbst wollte am Tage nicht nur den Rausch ausschlafen, sondern etwas Sinnvolles machen und hat deshalb geholfen, einen neuen Wasserzulauf von der Quelle her anzulegen. Andere Pilger, die ihn eingeholt hatten, berichteten später, die Arbeit werde fortgesetzt. - Welche merkwürdigen Blüten treibt der Pilgertourismus dort?

Nach unserer Rückkehr gegen 22h25 komme ich ohne Probleme im Dunkeln in den Schlafsack. Um Petra gegenüber nicht zu schocken, träufele ich mir noch ein Medikament in die Nase, damit ich nicht ganz so schlimm schnarche.


31. August 2005, Mittwoch: Von Melide nach Arzúa, 14 km (284 km)

6h16 mit leichten Kopfschmerzen wachgeworden. Es ist nicht die Nachwirkung des Schlummertrunks, der gar nicht so heftig war: Wetterwechsel. Draußen ist der Himmel bedeckt.

Frühstück mit Japaner

Etwa die Hälfte der Pilger ist aufgebrochen, aber jetzt mehrt sich doch auch die Zahl derjenigen, die es langsam angehen lassen. Die Küche ist bis auf den älteren Japaner leer. Ich bin froh, Kaffee machen zu können, und plaudere so gut es geht mit dem Japaner auf Touristenenglisch.


Traditionelles Foto auf der Steinbrücke

8h30 ziehen wir langsam los. Obwohl wir kein scharfes Tempo machen (Warum auch bei dieser erneuten Kurzetappe?), rauschen die Kilometer vorüber. Nach 2 km die berühmte alte Steinbrücke aus riesigen Quadern. Hier wird immer ein Bild gemacht: 1998 mit mir darauf, 2000 mit Harald, 2002 mit meiner Frau, heuer mit Schwiegersohn. Auch Boente weckt viele Erinnerungen. Mit zwei der Frauen aus unserer damaligen Gruppe von 1998, Konni und Sandra, werden meine Frau und ich 2006 den Camino Primitivo gehen, planen aber, erst in Arzúa auf den Camino Francés zu stoßen.
Durch Anklicken vergrößern Die Brücke hinter Melide


Am Refugio von Ribadiso Durch Anklicken vergrößern 11h15 in Ribadiso. Man kann den Bachrand am Refugio auch bei geschlossener Pforte erreichen. Kein Herbergsvater scheucht uns diesmal auf.


Kurz darauf überholt uns eine Gruppe Jugendlicher mit Galicien-Fahne und rotem Stern. Marek fragt mich, woher die wohl sind. Ich vermute, eine Gruppe der jungen Kommunisten Galiciens. "Auf dem Pilgerweg?" Er staunt. Hm, da hat er wirklich Recht. Aber im tiefkatholischen Spanien ist alles möglich. Man vergleiche die Geschichten von Don Camillo und Peppone aus Italien. Später erfahren wir, dass es tatsächlich junge Kommunisten aus Santiago sind.

Am Ende der geraden Strecke hinter dem Refugio von Ribadiso muss man nicht nach links dem Rechtsbogen folgen, sondern kann geradeaus die Straßenböschung hoch, bis man die Asphaltstraße nach Arzúa hinein erreicht. So kürzt man etwa 300 m ab.


Die folgende Strecke Arzúa - Santiago de Compostela im Juli 2006 mit neusten Ergänzungen.

12h15 sind wir in der Stadt. Wo man von der Hauptstraße (N547, Rúa Lugo) halblinks in Richtung Herberge abzweigt (die schmale Straße heißt Cima do Lugar), ist neuerdings ein Kiosk mit Informationen. Vor der Herberge lagern schon viele Pilger, darunter die Jugendgruppe. 13h00 wird geöffnet.


An der Eingangstür der Herberge wieder eine Deutschperle aus Spanien:
"Die, daß sie im Schutz von Ribadiso geschlafen haben, können nicht diesbezüglich schlafen!"

Das ist kein Fluch gegen die, die bei der Konkurrenz untergekommen sind, sondern soll heißen:
Wer in Ribadiso übernachtet hat, wird in Arzúa (ja nur 3 km entfernt) nicht aufgenommen. :-))


Wie man auf die Schlafsäle verteilt wird

Die Herbergsmutter führt, wie ich schon weiß, die Älteren in den "Altenschlafsaal" oben links. Bei Marek und mir stutzt sie, Marek ist offenbar noch jünger. So kommen wir zu meinem Missvergnügen in den rechten Schlafsaal, mitten unter die Jugendlichen. Aber: Als Kompromiss scheucht sie einen Jugendlichen nach oben, der etwas mault, so dass Marek und ich unten nebeneinander schlafen. Ich muss aber schon jetzt vorwegschicken, dass sich die Jugendlichen wider Erwarten sehr diszipliniert und ruhig verhielten. Ihr Anführer hatte sie gut im Griff. Als ich meinem Obermann die Kopfecke am Bett für seine Sachen reserviere und ihn freundlich darauf hinweise, ist er ganz versöhnt. Ab da grüßen uns alle freundlich. Die 4 deutschen Jugendlichen, denen ich in Palas de Rei Quartier besorgt habe, bekommen Betten an der Tür. Sie sind mir immer noch dankbar für die Hilfe.

Mittagessen

Bei den Bares hat sich einiges geändert. Gegenüber der Herberge in der Bar Arcano gibt es fast nichts mehr, nur noch Einheitsmenü ohne Auswahl. Mit etwas Suchen finden Marek und ich das Restaurant Teodora, neben dem Tourismuskiosk an der Hauptstraße (Rúa Lugo). Es ist rappelvoll. Einige gut gekleidete Spanier sind etwas eschoffiert, dass hier auch Arbeiter im Blaumann und abgerissene Pilger essen dürfen. Doch die Bedienung empfängt alle freundlich und aufmerksam. Menü 8 EUR: Reis mit Tintenfisch, Fleisch mit Kartoffeln, Tarta de Santiago. (Im Juli 2006 kostete das Menü schon 10 EUR!)

Waschmöglichkeiten im Hof

Die Duschen in der Herberge lassen mich wieder staunen. Im Bad für Herren sind es zwei Brausen, entgegengesetzt angebracht, aber die linke falsch eingesetzt, so dass sie den Vorraum mit unter Wasser setzt, das durchs ganze Bad fließt. Draußen im Hof eine große Anlage zum Wäschewaschen (auch Maschinen) und sehr viele Wäscheleinen. Ich lerne dort zwei nette Österreicherinnen kennen, die von Astorga kommen und mir Schokolade anbieten. Sie liegen im selben Schlafsaal wie wir.

Unerwartete Prozession

Abends ist Messe in der Pfarrkirche. Das lasse ich mir nicht nehmen. Die Kirche ist zu meinem Erstaunen brechend voll, vor allen Dingen ungewöhnlich viele Männer, selbst in mittlerem Alter. Es stellt sich heraus, dass Patronatsfest ist. Draußen lärmen mehrere Schulklassen Kinder samt Lehrern, so dass der Gottesdienst empfindlich gestört wird. Keinen Spanier kümmert's. Am Ende rücken starke Männer nach vorn, nehmen die Statue des Lokalheiligen mit einem Tragegestell auf und ab geht die Prozession durch die Altstadt. Aber nicht mit frommen Gesängen, sondern mit lautem Alltagsklatsch. Ich ziehe ein Stück mit, seile mich dann aber nach einer Weile ab, als wir an der Straße zur Herberge vorbeikommen.

Deutsch-japanische Freundschaft

Abendessen im Hof, da der kleine Aufenthaltsraum überfüllt ist und in der "Küche", die nie mehr als solche benutzt wird, die üblichen Mattenlager sind. (Eine Familie mit mehreren kleinen maulenden Kindern beneide ich nicht.) Ich treffe auf den Japaner, der mir in gebrochenem Englisch seine Begeisterung für deutsche Kultur mitteilt. Er kann einige deutsche Wörter aus vertonten Liedern. Beethoven ist sein Idol. Als Jugendlicher habe er dessen Musik gehört und sei zu Tränen gerührt gewesen. Jetzt geht er den Pilgerweg, da er das schon in vielen Ländern gemacht hat, registriert die unterschiedlichen Sitten und das Verhalten der Leute. Ich gebe ihm einige Komplimente über Japan zurück.

Der Rückgang in der Bar gegenüber

Abends nehme ich in der Bar Arcano einen einsamen Schlummertrunk. Hier ist wirklich nichts mehr los. Vor zwei Jahren haben sich hier die Pilger noch gerammelt, und es gab den ganzen Tag über ein gutes Menü. Möchte wissen, woher dieser Wechsel kommt. - Die Nacht verläuft ruhig.

01. September 2005, Donnerstag: Von Arzúa nach Monte do Gozo, 35 km (319 km)

Da meine Frau und ich 2003 vom Camino del Norte in Arzúa den Hauptweg erreicht haben, gehe ich den Rest des Weges jetzt zum fünften Mal. Marek und ich wollen, wie ich das 2002 und 2003 schon gemacht hatte, heute gleich bis zum Monte do Gozo durchlaufen.

Zentrale Planung: Um den 1.9. in Santiago

Eigentlich bin ich einen Tag "zu spät", da ich schon drei Mal am 1.9. in Santiago eingetroffen bin, in diesem Jahr also 1 Tag später. Das ist alles kein Zufall, denn ich lege meine Pilgertouren immer so, dass ich hinter der Spanierwelle herlaufe, die Santiago noch bis Ende August erreichen muss, weil dann die Ferien zu Ende sind. Danach richtet sich meine ganze Zeitplanung. - Wir werden heute fast alle inzwischen Bekannten verlieren, denn kaum jemand läuft über Pedrouzo hinaus. Ich wollte statt dort aber lieber in Melide unterkommen, weil die Herberge besser ist.

Same procedure as every year

6h20 raus. Kaffee im Bad zubereitet. 8h00 rücken wir ab. Über die mir so vertraute Strecke, die ich schon mehrfach geschildert habe, ist kaum was Neues zu sagen. In Calle gibt es am Dorfeingang eine neue Bar, aber die bekannte, etwas weiter, macht einen besseren Eindruck. Traditionelle Pause dort sowie Mittag 11h30 - 12h00 am Rastplatz von Santa Irene. Vorher ist der Pilgerweg etwas verlegt worden: Man kreuzt nicht mehr die Fernstraße, sondern bleibt vor Santa Irene auf der rechten Seite der Straße, wo ein neuer Pfad angelegt wurde. Schlecht für die private Herberge im Dorf Santa Irene, das ja links der Straße liegt und somit nicht mehr durchquert wird.

Marek läuft unverdrossen wie ein Uhrwerk, ein Pilgernaturtalent. Das schöne Haus in Rúa ist endlich fertig, aber noch immer nicht bezogen. Zur Abwechslung bleiben wir in Pedrouzo auf dem Pilgerweg, gehen also nicht auf der Hauptstraße durch den Ort, da wir nichts einkaufen müssen.


Zwischen Flughafen und Labacolla schneidet eine neue Autobahn den Pilgerweg, aber kein Problem: die Piste geht weiter geradeaus. In Labacolla 14h30 Pause vor der Kirche. 15h15 sind wir bereits am Monte do Gozo. Ich kann in der kleinen Kapelle singen. Durch Anklicken vergrößern Am Flughafen von Santiago


Auf dem "Berg der Freude" Durch Anklicken vergrößern Dann zum Pilgerdenkmal (nicht mit dem Papstdenkmal verwechseln! Wieder ein traditionelles Foto ...), endlich zu den riesigen Blöcken der Pilgerunterkünfte runter.


Zwei nette Radfahrer

Der Empfang ist diesmal in einer der letzten Bauzeilen links (statt wie bisher rechts). Wie üblich verteilen sie die Pilger klug auf die Zimmer. Erst wird jedes mit ein bis zwei Pilgern belegt, danach kommen gleichmäßig viele hinzu, so dass die Belegung überall gleich stark ist. Wir haben am Ende noch 2 portugiesische Radfahrer und 1 Spanier auf dem Zimmer. Meine Begeisterung für Radfahrer hält sich ja in Grenzen, aber unter den beiden Portugiesen ist der eine ausgesprochen extrovertiert und verwickelt mich in anstrengende Gespräche. Er verwendet ein mit spanischen Brocken versetztes Portugiesisch, so dass ich meine verschütteten Kenntnisse von 1994-96, wo ich jeweils einige Wochen in Brasilien war, wieder ausgraben muss, und ein mit wenigen portugiesischen Wörtern garniertes Touristenspanisch spreche. Gottlob (aus meiner Sicht) ist das Englisch der beiden so grauenhaft, dass das keine bessere Verständigungsmöglichkeit bietet.

19h30 zum Einkaufen. Das ist eine rechte Enttäuschung.


Schlechtere Versorgungseinrichtungen: Der einzige Lebensmittelladen ist nicht mit Selbstbedienung und hat auch sonst wenig, das uns fehlte. Der Kaffee-Automat im Kiosk funktioniert nicht.

Geschwelge beim Abendessen

Die Portugiesen schleifen uns kurzerhand die ganze Straße wieder hoch, um Essen zu gehen. Nein, unten im Restaurant sei es zu teuer (8 EUR). Es war ja egal. Also, bis hoch zum Papstdenkmal zurück, dann an der nächsten Kreuzung (wo man von rechts gekommen ist), links ab zur Nationalstraße. Dort ist rechts die Bar Labrador. Wir nehmen bis 20h00 einen Schluck Bier. Dann gibt es ein Menü für 6 EUR: Ensalada mixta, Kotelett, Tarta de Santiago (ich mag diesen Kuchen mit Marzipangeschmack so gern). Außer uns ist nur noch ein Pilgerpaar anwesend, ich glaube, Urs mit einer Pilgerin, die keine Spanierin war. Da Marek keinen Rotwein trinkt, bleibt uns die Flasche zu dritt, und wir werden alle redselig, schwatzen - Europa lässt grüßen - in drei bis vier Sprachen durcheinander. Der unterhaltsame Portugiese - er ist wirklich unterhaltsam - stellt sich als Firmenchef heraus, sein Kamerad ist ein Kunde von ihm, den er kurzerhand überzeugt hatte, mit dem Rad nach Santiago zu fahren. Als sie hören, dass ich fließend Esperanto spreche, interessiert sie das sehr. Ich halte meinen Werbevortrag vom Typ Standard IIIb (für Ausländer im Ausland, deren Sprache ich nicht gut kann ;-)). Beim Rotwein schwören wir, dass Esperanto auch die sprachliche Lösung für unsere jetzige Situation wäre. Unser Freund (er hatte einen schwierigen Namen unidentifizierbarer Herkunft) ist so in Fahrt, dass er die Bedienung anfleht, uns mehr Wein zu bringen. So schaffen wir auch die zweite Flasche, ohne aus der Rolle zu fallen. Ich kann schon was vertragen. Am Ende war diese zweite Flasche sogar im Preis inbegriffen, beeindruckend. Nun, man kann sich ja mit einem guten Trinkgeld bedanken.

Erst um 23h00 sind wir im Bett. Die Nachtruhe ist nur leidlich, denn unsere portugiesischen Freunde müssen um 4h00 raus, um den Fernbus nach Hause zu bekommen.


02. September 2005, Freitag: Von Monte do Gozo nach Santiago de Compostela, 4 km (323 km)

Bis 7h30 schlafen wir noch weiter. Dann gibt es sogar Kaffee auf dem Zimmer, denn wir haben eine Steckdose.

Man nennt mich einen Fanatiker

Kurz vor 9h00 kommen wir fertig aus dem Bau und stoßen auf ein deutsches Pilgerehepaar, das mich erkennt. Der Mann redet mich mit Namen an, erwähnt kurz, welche Strecke sie gepilgert sind und wundert sich, dass ich nach der Mammutstrecke im Frühjahr schon wieder unterwegs bin. "Na, ich bin nicht so fanatisch wie Sie", meint er zum Schluss. Au, das saß! Als Fanatiker will ich ja nun wirklich nicht gelten. Ich verabschiede mich etwas unvermittelt.

In Santiago

Pilgerunterkunft "Acuario"

Wir stoßen auf Urs und ziehen mit ihm in die Stadt. Plaudernd verpasse ich doch glatt das Informationsbüro am Stadtrand, habe es auch nicht gesehen. Macht nichts, einen aktuellen Stadtplan bekomme ich auch im Zentrum. Etwas später passieren wir eine große private Herberge Acuario, die als Alternative zum Seminario Menor gilt. 10h10 sind wir an der Kathedrale.


Tipp: Ich empfehle weiterhin eine Übernachtung in der Bar La Campana, wo ich jedes Mal absteige, wenn ich in Santiago bin.
Herzliche Grüße an Doña Josefina von "el aléman con la barba" bestellen!

Mit dem sparsamen Marek hatte ich ein Problem: Er will nicht in mein übliches Quartier "La Campana", sondern ins billigere Seminario. Kompromiss: Heute dort, die Nacht vor der Rückfahrt im "La Campana". An der Kathedrale werden wir mehrfach von Zimmerwerbern angesprochen. Ich stecke eine Adresse ein. Kaum ist die Frau weg, tritt eine zweite auf uns zu: "Gehen sie nicht zu der," zischelt sie, "die haben doch ein Problem" und sagt irgendwas wie "Hatiffnatten". Cucarachas (Schaben) sind es nicht, das hätte ich verstanden, ich vermute aber Ähnliches. Ein junges Mädchen drückt uns ebenfalls eine Karte in die Hand. Oha, Rúa do Vilar, das ist ja beim Pilgerbüro um die Ecke.

Im Pilgerbüro: Tatsächlich zwei Stempel pro Tag

Doch zunächst die Pilgerurkunde. Man bestätigt mir, dass man ab Sarria jeden Tag zwei Stempel braucht. Ich wundere mich sehr, aber Marek hat sie ja. Ich selbst brauche keine Urkunde mehr. Der junge Mann fragt mich, ob ich in der Pilgermesse vorbeten möchte. Ist ja sehr schmeichelhaft, aber wir müssen noch zum Seminario, dann wird alles eine Hetze. Ich lehne also dankend ab. 11h10 sind wir am Seminario Menor. Zu meiner Überraschung bekommen wir Betten zugeteilt, aber - was für ein Glück - hinten rechts, wo es ohnehin am ruhigsten ist. Dann stelle ich fest, dass der Durchgang hinten zu den besseren Bädern verschlossen ist. Und von den 4 Toiletten vorn ist eine defekt. Ich will ins "La Campana"! (Sprung zu unseren Erlebnissen im Seminario Menor am gleichen Abend hier.)

Pilgermesse mit Botafumeiro und Casa Manolo

12h00 Pilgermesse. Mein Notizbuch sagt "Botafumeiro", obwohl ich mich nicht erinnern kann. Muss wohl nicht mehr so beeindruckend gewesen sein. 13h00 in der Casa Manolo, meinem Stammlokal. Menü 6,50 EUR: Arroz a la marinera (Reis mit Meeresfrüchten), lengua (Seezunge, für mich der lukullische Höhepunkt hier), Joghurt. Dazu einen halben Liter "Bock" (ja, so sagen sie selbst) für 1,80 EUR.

Marek möchte noch einen Tag länger hier bleiben, weil er alles besichtigen will. Ist in Ordnung. Ich richte mich nach ihm. Dann sind wir eben nur eine Nacht in Finisterre. Überflüssigerweise laufen wir zum Busbahnhof, um Karten für die Fahrt zum Kap zu kaufen: Die gibt es nur im Bus mit derselben Ermäßigung bei Hin- und Rückfahrt. Die Fahrscheine für die Fahrt nach Madrid habe ich ja schon in León gekauft. Zurück in die Altstadt. Stadtplan und Fahrplan nach Finisterre im Touristenbüro. Ich habe auf einmal das Kärtchen von heute Morgen in der Hand, mit der Unterkunft in der Rúa do Vilar, in der wir uns gerade befinden. Ich will auf keinen Fall die nächste Nacht wieder im Seminario verbringen.

Die Pension San Jaime in der Rúa do Vilar

Marek sagt, vielleicht ist's da ja noch billiger als das "La Campana", und ich bin nicht abgeneigt, etwas Neues auszuprobieren. Also gehen wir zu der Pension "San Jaime", Rúa do Vilar, 12, 2. Stock (Tel. 981 583 134), läuten aber zuerst aus Versehen bei der Konkurrenz, ein Stockwerk tiefer. (Wer denkt denn auch, dass hier zwei Pensionen im selben Haus sind? Ist auf der Türschelle draußen kaum zu erkennen.) Wir kommen im 1. Stock an der falschen Pension vorbei. Dort steht an der Tür: "Wer sich unberechtigt im Treppenhaus aufhält, wird ohne Federlesens angezeigt und von der Polizei abgeführt." Herzlich willkommen! Eine Etage höher empfängt uns eine alte Dame mit sorgenvollem Gesicht: Alles schon belegt. Sie rennt schon zu einem Telefon, will uns was anderes bei ihren Bekannten besorgen. "Halt, halt!" rufe ich, "es ist doch für morgen!". Ach so, dann ist ja alles klar, morgen ist was frei. Doppelzimmer 24 EUR, etwas billiger als in meiner Stammbar. Na, gut! Wir schauen dann doch noch in "meiner" Bar "La Campana" rein, wo sie ihren Augen nicht trauen, dass ich schon wieder anrücke. Wir reservieren für die Nacht von Montag auf Dienstag ein Doppelzimmer (26 EUR).

So bringt man Spanier dazu, einem einen Wunsch zu erfüllen

Im Seminario sind abends um 20h00 etwa 60 der rund 70 Betten belegt. Der Waschraum und die Toiletten sind in einem unbeschreiblichen Zustand, überall verlaufen kreuz und quer Wäscheleinen. Die hintere Tür ist immer noch abgeschlossen. In den zwei Betten davor liegt ein älteres italienisches Pilgerpaar. Der Mann hat mit seinem Pilgerstab eine provisorische Wäscheleine vor der Tür her gespannt und schaut mich abwehrend an, als ich an der Klinke rappele. Er denkt natürlich, eine ruhige Ecke zu haben, wo niemand vorbeilaufen kann. Mir platzt der Kragen. Ich gehe runter zum Empfang und sage mit meinem freundlichen Ton, bei dem im Hintergrund Eisen klirrt, was man sich dabei denkt, nur 3 Toiletten für gut 60 Pilger bereitzustellen, wo es doch hinten im Flur die schönsten Bäder gibt. Der junge Mann hinter dem Tresen schaut mich verblüfft an, dass ich das weiß. Seine Reaktion ist ganz spanisch: "Man werde überlegen, was man da tun könne." Ich nicke freundlich und bitte um ein "Wunder". Damit kann er meinen Wunsch erfüllen ohne zugeben zu müssen, dass er berechtigt und ohne Weiteres erfüllbar ist; das wäre gegen seine Ehre. Aber mit einem "Wunder" kann man natürlich Ehre einlegen. Es kommt genauso, wie ich es voraussehe. Nach etwa zehn Anstandsminuten kommt jemand wichtig in den Schlafsaal gestapft, geht auf die besagte Tür zu und schließt auf. Dann höre ich an den Schritten, dass er herumsucht, wahrscheinlich mich. Ich tauche aus meiner Schlafsaalecke auf. Es ist der junge Mann vom Empfang: "Bitte sehr, ich habe aufgeschlossen" wedelt er mir mit den Händen zu. "Fantastisch, muchas gracias", ich tue freudig überrascht über das "Wunder".

Dann schnappe ich mir mein Duschzeug und laufe wieder zu den Italienern, teile unterwegs noch zwei Österreichern mit, dass jetzt die Luxusbäder geöffnet sind. Der Italiener hat seine Wäscheleine abgebaut und überlegt, ob ich ihn schikanieren will. "Bessere Bäder" erkläre ich ihm, er versteht "mejores" nicht. Seine Frau sagt's ihm auf Italienisch. Er schaut erst verblüfft, nickt dann erfreut. Danach lasse ich mich gemütlich in dem schönen Badezimmer los (Duschkabinen mit Vorraum!). Als ich zurückgehe, kommt mir der Italiener mit Rasierzeug und Handtuch entgegen. Ich kann noch sehen, wie er beim Anblick all des Luxus aufstrahlt.

Kein Auftritt von "La Tuna" an der Kathedrale

Am Abend warten wir leider vergebens auf die Studentenkapelle "La Tuna". Ein Spanier sagt uns, dass sie zurzeit nicht auftreten. - Nachts wird das Bett neben mir wieder geräumt. Es sind ja noch einige Betten frei geblieben. Es haben aber auch einige andere geschnarcht.

03. September 2005, Samstag: Santiago

Mit Stöpseln in den Ohren fast bis 8h00 geschlafen. Die Badezimmer haben wir für uns.

Frühstücken im Badezimmer nicht verboten

Wir frühstücken in dem Raum mit den Waschbecken, weil es da auch eine Steckdose gibt, um Kaffee zu kochen. In den Schlafräumen ist ja essen verboten, obwohl es keinen Aufenthaltsraum oder so etwas gibt. Aber im Waschraum ist essen ja nicht verboten :-)) Der Italiener kommt rein und grüßt höflich auf Italienisch. Sonst bleiben wir allein.

Ein Museum, das ich noch nicht kenne

Um 10h00 stellen wir unsere Rucksäcke in der Hospedaje San Jaime ab. Man sagt uns, dass die Zimmer um 12h00 bereit sind. Ein Bad ist auf dem Flur, aber die Gäste dürfen auch das zweite, private benutzen, wenn das erste besetzt ist. 13h00 essen wir wieder im Casa Manolo. Kommt man genau zur Öffnungszeit, ist man mit dem ersten Schwung Gäste dabei. Danach ist Andrang. 18h00 besuchen wir noch das Museum der galicischen Volkes, das ich auch noch nicht kenne. Lohnt sich wirklich, Eintritt frei.

Eine der vielen typischen Pilgergeschichten

Gegen 21h00 will ich noch ein Bier trinken, während Marek sich schon weggepackt hat. Er hat anscheinend etwas die Grippe. Unten auf der Straße sehe ich einen jungen Pilger, könnte Deutscher sein. Er stapft etwas schwankend und unsicher die Straße entlang. Jetzt kommt eine typische Pilgergeschichte. Ich wende mich schon ab und will mein Bier, da sagt mir eine innere Stimme: "Du musst ihm helfen." Ich laufe ihm langsam nach, komme mir etwas blöd vor. Bin ich nicht vielleicht einfach nur aufdringlich oder habe ich einen Helferkomplex?

Am Ende der Straße ist eine Bäckerei. Mein "Schützling" kauft sich ein Kuchenteilchen, beißt hungrig hinein. Jetzt gebe ich mir doch einen Ruck, spreche ihn an. "Alemán?" frage ich. Er versteht mich nicht, fragt auf Englisch, was ich will. Ja, was? Ich sage dann verlegen, dass ich selbst Pilger bin, Deutscher, ob ich ihm helfen kann? - Nein, er will zu einer Pilgerunterkunft, Acuario oder so. Ich wollte mich ja nicht aufdrängen, aber der lief ja total falsch. Ich erkläre ihm, dass er am Acuario schon fast zwei Kilometer vorbei ist, wenn er den normalen Pilgerweg reingekommen ist. Von woher überhaupt? - Von Melide. - Ich glaube, ich habe was im Ohr. Von Melide? Das sind über 50 Kilometer! - Ja, hat er heute gemacht, grinst er stolz, aber jetzt ist er fertig. Hat keinen Stadtplan, eine völlg falsche Vorstellung, wo er ist und wo er das Acuario suchen soll. Hat Hunger, Durst und taumelt eigentlich nur noch. Der braucht dringend heute Nacht eine Unterkunft, in der er sich ausruhen kann.

So blond wie er ist, könnte er wirklich Deutscher sein, aber er ist Pole und kann kein Wort Deutsch oder Spanisch. Nicht einmal "Alemán" versteht er. Also Englisch. Ich nehme ihn in Schlepp. Vor unserer Pension lasse ich ihn warten und hole einen unserer Stadtpläne runter. Dann lade ich ihn neben der Kathedrale (er schaut begeistert auf sie) zu einer Portion Pommes und einem Bier ein. Anschließend bringe ich ihn zum Altstadtrand, zeige ihm auf der Karte, wo er ist; geradeaus ist das Kloster links vom Seminario schon sichtbar. Das Acuario wird so spät niemanden mehr nehmen, aber das Seminario ist noch geöffnet. Er trollt sich dankend mit dem Stadtplan in der Hand. Ich habe jetzt auch mein Bier gehabt und kann zu Marek zurück. Dem geht es ziemlich schlecht, aber in der Nacht schwitzt und schläft er sich wieder einigermaßen gesund.


Nach Finisterre

04. September 2005, Sonntag: Mit dem Bus nach Finisterre

7h00 stehen wir auf. Marek ist noch schwach, kann aber fahren, sagt er.

Hostal Rivas im Sommer etwas teurer, Hospedaje López

Zum Busbahnhof. Bussteig 8-10, Firma ARRIVA. Fahrpreis pro Person 18,45 EUR hin und zurück (2 EUR Rückfahrrabatt abgezogen). Fahrtzeit gut 2 Stunden, die Baustelle unterwegs in den Bergen macht Fortschritte. Das Wetter ist einigermaßen. Zwar regnet es zwischendurch, als wir über die höchste Stelle fahren, aber in Fisterra ist es trocken. Gleich zum Hostal Rivas oben an der Hauptstraße. Sie wollen 30 EUR für das Doppelzimmer, also mehr als im Frühjahr. Ich handele auf 25 EUR runter, indem ich auf das Frühstück verzichte. Petra, die uns begleitet hat, geht lieber in die Hospedaje López und erzählt später, dass es dort auch sehr ordentlich sei. Die Adresse ist Carrasceira, 4, Tel. 981 740 449, 15 Zimmer.


Am Leuchtturm

14h41 treffen Marek und ich zu Fuß am Leuchtturm ein. Das Wetter ist bedeckt, man sieht von der fernen Küste nicht viel, aber wenigstens kein Regen und auch kein Nebel. Vor dem Leuchtturm wird ein großes Hotel gebaut, und die Baustelle verschandelt alles. Zurück. Marek erkundet das Städtchen, ich mache Siesta. 17h00 fängt es an zu regnen, hört aber bald wieder auf. Ich wandere zum Oststrand und suche nach einer Jakobsmuschel, finde aber nichts. Auf dem Rückweg kaufe ich zwei Stück für 1 EUR bei einer alten Dame in einer Bar am Wege.
Durch Anklicken vergrößern Das Leuchtturmgebäude


Essen gehen wieder nicht unproblematisch

Zu Abend zu essen ist in Fisterra schwierig, wenn es preiswert und gut sein soll. Auf den Speisekarten finde ich wieder tolle Übersetzungsvorschläge, z.B. im Café-Restaurant O Tearrón am Hafen: Ensaladilla Rusa (russischer Salat) als "Sammelsurium". Na, da kann sich ja hinterher keiner beschweren. "Brocten" statt "Braten" scheint wohl ein Abschreibefehler zu sein. Ich gehe in eine Bar am Hafen, die draußen Tapas und Menü (Fleisch) für 7,20 EUR, Menü (Fisch) für 8,00 EUR anpreist. Das Schild schien mir schon halb verwittert. Innen gibt es nur etwas laut Karte. Menü für 9 EUR, kein Nachtisch. Da nehme ich lieber Kotelett mit Pommes für 4,20 EUR, aber Brot 0,75 EUR extra. 1/2 Liter Bier 3,00 EUR! Am Nebentisch ein deutsches Pilgerpaar, auch nicht zufrieden. Erst ein zweiter halber Liter und ein Plausch mit den Landsleuten stellt meine gute Laune wieder her.

05. September 2005, Montag: Mit dem Bus zurück nach Santiago

Frühstück auf dem Zimmer.

Die Rettung eines Schwertfischbabys

Fast ist es schon Ritual: Morgens die Rucksäcke im Hostal lassen, dann erst zum Weststrand mit seiner hohen Brandung, danach noch zum Oststrand, um zu schwimmen. Genauso machen Marek und ich es.


Der Weststrand von Fisterra Durch Anklicken vergrößern Marek ist von der Natur am Weststrand begeistert. Wir sitzen im Sand der Dünen und lassen das schöne Bild auf uns einwirken. Das Wetter ist passabel. Auf einmal sehe ich etwas in der Sonne blitzen. Es muss ein Fischchen sein, das im Flachwasser gestrandet ist. Ich kann natürlich keine Kreatur leiden sehen, also hin und nachgeschaut. Zu meinem Erstaunen ist es ein etwa 20 cm langes Tierchen, sehr schlank, wie ein Aal und mit einem langen, spitzen Auslauf an der Schnauze. Ein Schwertfischbaby? Um es nicht zu verletzen, fasse ich es mit meinem Taschentuch, laufe über eine Sandrinne, bis ich etwa 10 cm tiefes Wasser erreiche und lasse den Fisch hineingleiten. Er schlägt einmal mit dem Schwanz, was ihn in noch tieferes Wasser befördert. Dann blitzt es ein letztes Mal auf, und er schießt in Richtung offenes Meer davon. Ich schaue ihm befriedigt nach.


Wieder im September im Atlantischen Ozean

12h30, die Sonne brennt, nichts wie zum Oststrand! Wir finden eine Abkürzung durch die Dünen zu Häusern in Richtung Fernstraße, überqueren diese und gelangen so direkt zum Oststrand. Jetzt scheint die Sonne doch noch ganz schön heiß. An einer Bootsruine schlüpfe ich aus den Klamotten, die Badehose habe ich schon drunter. Kaum bin ich im Wasser, tut Marek mir es nach. Wir bleiben eine ganze Weile im Wasser, weil es wirklich herrlich ist, und das Meer ruhig wie eine Badewanne. Auf dem Rückweg findet Marek eine kleine und eine größere Jakobsmuschel, ich wieder nichts. Nun hatte er seine "selbst gefundene", brauchte meine gekaufte nicht. Ich meine mich zu erinnern, dass hier vor Jahren die Jakobsmuscheln dicht an dicht lagen, aber 2003 und in diesem Jahr war das nicht mehr so. Muscheln (und Fische) werden übrigens generell knapp hier, man sieht es an den astronomischen Preisen: eine Portion Muscheln bis zu 26 EUR.

Übernachtung in der Bar "La Campana"

Als wir mit dem Bus zurückfahren, wird das Wetter schon wieder schlechter, aber in Santiago ist es weiterhin gut. Dominik aus Dresden hat sich uns angeschlossen, weil er noch eine Unterkunft sucht. In "meiner" Bar "La Campana" freut man sich, dass ich noch einen mehr anschleppe. Marek und ich zahlen 26 EUR für das Doppelzimmer, Dominik nur 15 EUR für das beste Einzelzimmer, das mit dem breiten Bett, mit Blick auf die Ecke der Kathedrale. Für dieses Zimmer habe ich schon mehr bezahlt, die Preise sind immer ein bisschen variabel. Dominik ist freudig überrascht und bedankt sich bei mir für den Tipp. Abends geht er mit in die Casa Manolo, das er auch noch nicht kennt. Ich lerne auch noch etwas dazu: Abends gibt's keinen arroz al la marinera. Naja, ich muss ja auch mal etwas anderes essen.

Rückfahrt

06. September 2005, Dienstag: Mit dem Bus nach Madrid, abends Rückflug

Das wird ein langer Tag. 4h00 geht mein Armbanduhrwecker. 5h16 schleichen wir uns aus dem Haus, haben am Abend vorher bezahlt und uns von Dominik verabschiedet.

Rückfahrt nach Madrid

6h05 setzt sich unser Bus nach Madrid fast pünktlich in Bewegung. Da wir so früh gebucht haben, sitzen wir ganz vorn. Diesmal halte ich vorsichtshalber meinen Pullover bereit, falls die Klimaanlage wieder Kälte verbreitet, aber das ist überflüssig.

Es geht wieder erst nordwestlich nach La Coruña, dann nach Lugo im Osten. Es ist bis dahin dieselbe Strecke, die ich mit Hans im Frühjahr auch gefahren bin. Danach geht es aber nach Südosten über die neue Autobahn, die nördlich vom Cebreiro durch die Berge geht und dann von Villafranca del Bierzo bis Ambasmestas das Tal verwüstet, durch das sich der Pilgerweg schlängelt. Über eine weite Strecke sehen wir den Weg, den wir zu Fuß gekommen sind, und fahren u.a. direkt an La Portela vorbei. Marek kann bald nicht mehr hören, wie ich dauernd sage: "Da, siehst du da oben, da sind wir aus dem Wald gekommen." usw. Weiter in Richtung Ponferrada; etwas später 1/4 Stunde Pause, kaum dass man einen Kaffee erstehen kann.

Dann macht die Autobahn einen großen Bogen nach Norden, um die Montes de León zu überwinden; der Pilgerweg über den Rabanal ist wesentlich kürzer. Wir kreuzen ihn vor Astorga, lassen die Stadt aber links liegen und halten jetzt direkt auf Madrid zu. Mich wundert, dass Lugo und Ponferrada (nach La Coruña) die einzigen Städte sind, in denen der Bus hält.

Touristenbummel am Nachmittag

Ca. 14h00 kommen wir in Madrid an. Wir haben noch Zeit genug, etwas von der Innenstadt zu sehen. Mit Hilfe einer 10er-Karte der Metro spielen wir also noch den Nachmittag die Touristen. Madrid ist nicht die schönste Stadt, hat aber recht ansprechende Parks.

Rückflug nach Köln-Bonn

Am frühen Abend fahren wir zum Flugplatz. An der Endstation der Metro schenke ich einem etwas abgerissenen Jugendlichen, der gerade am Automaten eine Fahrkarte kaufen will, den Rest unserer 10er-Karte. Er schaut erst misstrauisch, dann kapiert er und bedankt sich erfreut.

Wir sind schon durch die Kontrollen und im Wartebereich, als eine Verspätung für unser Flugzeug durchgegeben wird. Die vorgesehene Abflugzeit war 20h40. Marek verschwindet auf die Toilette. Urplötzlich laufen alle Leute in eine Richtung weg, jemand ruft mir zu, wir müssten zu einem anderen Tor. Der Bildschirm zeigt es nicht an, aber der ist nur für diesen Warteraum an diesem Tor. Ich komme nicht auf die Idee, auf einen anderen Bildschirm zu schauen, der etwas weiter die Übersicht aller Flüge anzeigt. Marek bleibt verschwunden, und ich weiß nicht, wann und wo unser Flugzeug nun startet. Ich spreche einen Mann in Uniform an, ob er mir helfen kann, evtl. Marek ausrufen zu lassen. Der Angesprochene hat ein Abzeichen des Flughafens Madrid umhängen und fragt mich doch glatt, ob ich nicht alles auf Englisch wiederholen könne, er sei Italiener und verstünde kein Spanisch. "Ja, wo sind wir denn hier?" rufe ich, seine Begleiter grinsen. Ich habe keine Lust, Englisch zu radebrechen und lasse ihn stehen, gehe zu den Toiletten und suche Marek. Der steht dort in aller Ruhe und schaut sich seine Digitalaufnahmen aus der Kamera an.

Eine kurze Erklärung, er hat die Idee mit dem Bildschirm, der alle Flüge anzeigt, dann laufen wir zu dem richtigen Tor. Es war noch nicht zu spät. Der Rückflug verläuft problemlos. Ich versorge mich mit Vorräten aus meiner Umhängetasche. Im Flughafen Köln-Bonn, den wir nur mit wenig Verspätung (00h10 statt 23h50) erreichen, ist mein Rucksack unter den ersten Gepäckstücken, aber Mareks kommt gar nicht. Wir wollen schon reklamieren, da ist er auf einmal doch auf dem Band, dazu noch ein einzelner Koffer. Wahrscheinlich sind beide Gepäckstücke vorher auf einem falschen Band gewesen. Marek verabschiedet sich rasch von mir, denn er kann evtl. noch einen Zug nach Duisburg erwischen.


07. September 2005, Mittwoch, 6h30: zu Hause

Ich dagegen habe noch sehr viel Zeit, da ich an einen festen Zug gebunden bin, der erst um 1h30 fährt.

Durch das Flughafenlabyrinth

Es stellt sich als sehr kompliziert heraus, den Bahnsteig zu finden, denn der ausgewiesene Weg ist durch Handwerker versperrt, die jetzt, mitten in der Nacht, den Fußboden renovieren. Erst mit Hilfe eines Angestellten finde ich über ein anderes Stockwerk den Weg. Wie hat Marek das nur in Hast gefunden? Ich wäre völlig durcheinander, hätte ich nicht so viel Zeit, bis ich, immer noch über eine Stunde zu früh, am richtigen Ausgang bin. Den Rest der Zeit verbringe ich wartend in dem Café davor.

Nach einem Tag und einer Nacht endlich zu Hause

Die weitere Rückfahrt verläuft ereignislos. Von Münster aus nehme ich den Frühzug in unsere Heimatgemeinde. 6h05 klettere ich am Bahnhof aus dem Zug und laufe forschen Schritts in den Ort, 6h30 schelle ich an der Haustür. Meine Frau hat mich schon erwartet. Frühstücken, erzählen, und dann erst einmal den versäumten Schlaf nachholen ...

Letzte Änderungen: 06.07.2022