Im Jahre 2005 als Pilger von Gibraltar nach Sevilla


Herkunftspfad: Übersichtsseite meiner Pilgerberichte >> Von Gibraltar nach Santiago (Einleitung) >> Von Gibraltar nach Sevilla
Autor: Rudolf Fischer
Meine Netzadresse: Rudolf.Fischer@Esperanto.de

Allgemeines:

11 Etappen, 252 km

Es gibt keinen offiziellen Pilgerweg von Gibraltar nach Sevilla, also insbesondere keine Wegeauszeichnung und keine Pilgerherbergen. Das bedeutete, dass einem die Planung ganz allein überlassen bleibt. Mit vielem Herumschweifen im Netz hatte ich zu jeder Stadt, in der wir übernachten wollten, eine oder mehrere Adressen von Hostales gefunden und notiert. Das war sehr umsichtig, denn wie geargwöhnt hielt sich die Hilfe der Touristenbüros in Grenzen: meistens waren sie geschlossen, wenn wir irgendwo eintrafen.

Als Straßenkarte benutzte ich die Shell-Karte vom Verlag Marco Polo: Andalusien - Die Generalkarte, 1:200.000. Ferner Militärkarten aus den Siebzigerjahren, die aber i.W. unbrauchbar waren; nur die Höhenlinien waren aktuell ;-) Zu Gibraltar und zum Bergwanderweg Benacoaz-Grazalema fand ich Beschreibungen in einem Wanderhandbuch "Andalusien", ISBN 3-7654-3489-2, das mir meine Tochter geschenkt hatte. Dieses erwies sich als ganz nützlich, enthielt aber zu meinem nachträglichen Erstaunen keinerlei Hinweis auf die einzigartige Römerstraße von Ubrique nach Benacoaz.

Die Entfernungen musste ich nach der Shell-Karte berechnen bzw. schätzen, geringer als angegeben waren sie bestimmt nicht. Leider waren wir i.W. auf die Land- und Fernstraßen angewiesen, mit den bekannten Nachteilen. In Spanien wird auf Fußgänger und Radfahrer keine Rücksicht genommen. Man quetscht sich im Grenzfall ohne Seitenstreifen an der Leitplanke entlang, auch auf vierspurigen Schnellstraßen.

Abseits der Küste gab es im April noch kaum Touristen, besonders in den Billigherbergen nicht. Wir waren oft fast die einzigen Gäste. Das Problem war also nicht, ein Bett zu bekommen, sondern die Pensionsbesitzer ausfindig zu machen, damit sie überhaupt aufschlossen. Man konnte im Prinzip telefonisch ein Zimmer vorbestellen (die Anschriften von Hostales fand ich durch Recherchen im Netz), aber dafür muss man gut Spanisch können, wie überhaupt unterwegs ohne Spanisch nichts lief. (Nur in Gibraltar verstanden alle auch Englisch.) Mancher Spanier versuchte sich zwar auf Englisch, aber das war unverständlicher als klares Spanisch. Im Süden sprach man natürlich die andalusische Variante, wobei sehr gewöhnungsbedüftig ist, dass sogar Pluralendungen weggelassen werden ("buenos dia" oder gar "buen dia"). Die meisten Leute wussten, was Pilger waren, wobei einige stolz erzählten, sie seien selbst schon gepilgert. Aber meine Frage, ob vor uns schon Pilger dagewesen seien, wurde regelmäßig verneint. Wir waren also in Bezug auf diese Strecke echte Pioniere. Alle (mit einer einzigen Ausnahme) behandelten uns sehr freundlich, und besonders die Polizei kann ich für ihre Hilfsbereitschaft nicht genug loben. Es gab natürlich auch den von mir schon öfter beschriebenen Typ des "hilfsbereiten Spaniers", der einem seine Hilfe aufdrängt und damit mehr behindert als nützt. Aber das muss man zuweilen mit einem verständnisvollen inneren Lächeln in Kauf nehmen.

Zu meinem Erstaunen gab es im Süden ein Steckdosenproblem. In den Billigunterkünften gab es noch Uraltsteckdosen, für die die Stifte unseres Tauchsieders zu dick waren. Weiter nach Norden gab es immer noch veraltete Steckdosen, aber schon mit größeren Löchern, so dass wir den Tauchsieder schon verwenden konnten. Noch später stießen wir wie im Norden gewohnt dann nur noch auf neuere Schuco-Steckdosen. Dafür funktionierten die Telefone auch im Süden überall klaglos, nicht wie in der Gegend vom Somportpass, wo wir 2002 noch ganz veraltete öffentliche Telefone antrafen, die unsere kostenlose Einwahl per Vorbezahlkarte nicht akzeptierten.


Anekdote: Ein Pilger erzählte uns hinter Salamanca, laut Refugiobüchern sei aber auch noch eine Fünfergruppe von Gibraltar aus unterwegs, 3 Männer und 2 Frauen. Einer der Männer habe wegen Magenproblemen aber aufgeben müssen. Beim Nachfragen fielen ihm auch Namen ein: "Fischer und Swoboda". Wir lachten: "Mensch, das sind doch wir, und alles andere stimmt ja gar nicht." Da schwieg er betreten. Pilgergerüchte ...


Die Kilometerangaben geben zunächst die Länge der Tagesetappe an, dahinter steht in Klammern die kumulierte Entfernung ab Gibraltar.

14. April.2005, Donnerstag: Von Gibraltar nach La Línea de la Concepción, 10 km (10 km)

Aufbruch nach Gibraltar

Eigentlich war dieser erste Marschtag eher ein Ausflug zu Fuß, ohne Rucksack, denn wir gingen von unserer Unterkunft in La Línea de la Concepción nach Gibraltar, dessen Felsen wir den ganzen Tag erforschten, und dann zurück; die Entfernungsangabe ist geschätzt und gibt die Summe der Kilometer für den Hin- und Rückweg an. Ganz waren wir um 7h30 auch noch nicht wach, denn ich vergaß, meinen Wanderstock mitzunehmen, und Hans ging gar in seinen Ausgehsandalen. Das langte für einen Stadtbesuch, aber nicht dafür, auf den "Mittelmeertreppen" herumzuturnen, wovon noch die Rede sein wird. Hier nochmal die Adresse unserer günstigen Unterkunft in La Línea:
Pensión La Esteponera, Carteya 10, Tel. 956 17 66 68, Doppelzimmer 25 EUR

Der Minitauchsieder kam jedenfalls zunächst erfolgreich zum Einsatz, der Pulvercappuccino, von zu Hause mitgebracht, schmeckte sehr gut. 9h00 zogen wir los. Den Weg kannten wir vom Vortag her ja schon. Es wehte ein kalter Wind, so dass ich meinen Pullover überzog. Sonst hatte ich nur den Einkaufsbeutel mit Essensvorräten und einer Wasserflasche mitgenommen. Wir überquerten auf der Hauptzufahrtstraße zunächst das Flugfeld, das mit einer Ampel gesichert ist, und liefen dann auf die Stadt Gibraltar zu.

Längst zwischen dichter Bebauung, wies uns ein Schild nach halblinks, und da tauchte die alte Stadtmauer mit einem imposanten Tor, geschützt von Kanonenstellungen, auf. Dahinter gleich ein großer Platz. Gibraltar wimmelt von Denkmälern und Kanonenstellungen, mit denen die Briten ihren Willen bekräftigen zu behalten, was sie so lange erfolgreich gegen die Spanier verteidigt haben. Die Mischkultur Englisch-Spanisch gibt Gibraltar aber ein sehr fremdes Gepräge, das einem "unnatürlich" vorkommt.

Durch Anklicken vergrößern Der Felsen von Gibraltar


Bei der ersten Gelegenheit gingen wir links steil hoch, teils über Treppen, zum maurischen Schlösschen. Kurz darauf schoss aus einem Pförtnerhäuschen eine Frau hinter uns her und bellte auf Englisch, wir hätten gefälligst zu zahlen. Angeblich für das Betreten des Naturschutzgebietes weiter oben, 1 EUR, naja. Ich ärgerte mich etwas über die unfreundliche Art und vergaß, dass sie uns doch einen Stempel in unsere Pilgerausweise geben konnte. In der nächsten Kurve war eine geräuschuntermalte Ausstellung über die "große Belagerung". Weiter oben verzweigte sich die Straße. Wir gingen nach links, das war falsch, aber wir sahen den ersten Affen. Zurück und die nächste Abzweigung. Auch das eine Sackgasse, an deren Ende man die Tunnels besichtigen konnte, die die Briten bei der großen Belagerung im 18. Jahrhundert in den Fels geschlagen hatten. Hier wollte man gleich 63 EUR Eintritt kassieren, wobei alle weiteren Sehenswürdigkeiten wie Höhlen usw. inbegriffen waren. Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Der Spanier sprach neben sehr verwaschenem Englisch nur Andalusisch, die Verständigung war sehr schlecht. Immerhin bat ich geistesgegenwärtig jetzt um einen Stempel, und den bekamen wir, unseren ersten!

Der Kampf mit den Affen

Zurück zur Verzweigung des Weges und nach oben bis zu einer Dreifachverzweigung. Hier sagte das Handbuch: "Links halten, aber nicht die ganz linke Spur", um den Gipfel mit der Seilbahnbergstation zu erreichen. Also nahmen wir den mittleren Weg, aber das war falsch. Wir blieben so auf gleicher Höhe. Unten lag die moderne Stadt Gibraltar mit ihrem Hafen. Gegenüber am anderen Ende der Bucht die Stadt Algeciras. 2-3 km später kreuzten wir eine Mauer, neben der eine Treppe sehr steil von der Stadt direkt auf den Gipfel führte. Hier turnten Affen auf und ab und bettelten um Futter. Etwas weiter kamen wir an eine Kreuzung. Rechts ging es zum Affenfelsen hinunter; das war, wenn ich mich richtig erinnere, am Nachmittag unser Rückweg. Scharf links ging es aber endlich in Richtung Seilbahnbergstation hoch. Kurz darauf passierten wir natürlich wieder die Mauertreppe, und zu unserem Erstaunen kam dort ein Tourist hochgestiegen, der so die Serpentine gehörig abkürzte. Hm, alles etwas bröckelig, das Geländer an der linken Seite der Treppe teilweise schon abgestürzt. Trotzdem: oben, greifbar nahe, lag schon der Gratweg. Kurz entschlossen - obwohl es garantiert verboten war - begann ich, die Treppe hochzusteigen, denn der Weg machte offensichtlich noch viele Serpentinen bis oben. Zu meinem Schreck kamen mir drei Affen entgegen. Einer sprang aufs Geländer links von mir, zwei waren in Kopfhöhe rechts neben mir auf der Mauer, und alle drei bleckten die Zähne und langten nach meinem Vorratsbeutel. Von unten johlte Hans bei diesem Anblick vor Vergnügen und machte auch gleich ein Foto. Ich fand's gar nicht komisch, schwenkte den rechten Arm und brüllte "Weg!", "Haut ab!" u.dgl. Endlich ließen die Affen von mir ab und turnten nach unten. Als sie weg waren, kam Hans hinter mir her. Kurz darauf hatte ich den Gratweg erreicht. Ein junger Mann meinte zu mir auf Englisch: "Na, Sie sind aber mutig!" und schaute schaudernd die steile Treppe an. Ja, von oben sah es viel gefährlicher aus als von unten.

Oben tummelten sich ganze Affenhorden, sprangen in das offene Fenster eines Autos, das ein Tourist dummerweise heruntergelassen hatte (die Kinder innen heulten vor Angst), ein anderer Affe landete auf dem Rucksack einer Touristin, die "Jeschesmariajosef" aufschrie. (Hans erklärte mir dazu, dass es bei seinen schlesischen Vorfahren immer "Jesses, Maria und a Stückla Josef" geheißen habe. Mit solchen volkstümlichen Erinnerungen hat er mich öfter amüsiert.)

Eine wunderbare Treppe

Wir gingen dann nach links zur Bergstation und genossen den Rundumblick. Leider war der ganze Grat mit alten Betonbunkern und sonstigen militärischen Stellungen, darunter auch Wasserzisternen verunstaltet. Dann zurück und nach Westen auf die zweite Bergspitze, einen schwierigen Fußpfad entlang. Hier hätte ich meinen Wanderstock schon gut gebrauchen können. Bald erreichten wir eine Asphaltstraße, die auf die Einrichtungen auf der Bergspitze zulief, aber vor einer Tür im Zaun endete. Hier war Schluss, doch ein kleines Schild wies auf die "Mediterranean steps" hin, zu denen man auf einem Pfad durchs Gebüsch auf den Berggrat scharflinks abzweigen konnte. Auch dort ein Zaun, aber - o Wunder - direkt vom Grat aus kam auf der steilen Seeseite eine Treppe in Sicht, die wohl für Riesen gebaut war: so hoch waren die Stufen, zum Glück aber auch so breit. Da auf dieser Seite des Felsens dichter Pflanzenwuchs alles überwucherte, wurde der gähnende Abgrund, in den man hinunterkletterte, gnädig verhüllt. Blumen, Vögel, Schmetterlinge, das Handbuch hatte nicht übertrieben. Dies war die größte Sehenswürdigkeit von ganz Gibraltar (jedenfalls aus meiner Sicht), und wir nahmen die Herausforderung tapfer und vorsichtig an. Ein Königreich für meinen Stock!

Über 3/4 Stunde kletterten wir bei fantastischer Sicht auf Afrika so die Treppe hinunter. Auf zwei Absätzen war es nicht ganz einfach, die Fortsetzung zu finden. Ein einziger Mann kam uns entgegen, sonst keine Menschenseele. Unten lief die Treppe, später ein Weg (einmal ein Tunnel) ganz nach Süden um den Felsen herum; der südlichste Punkt war auch der südlichste unserer ganzen Pilgertour. Dann ging es auf der anderen Seite nach Norden zurück, aber kaum hatten wir eine Asphaltstraße fast erreicht, als ein Fußpfad wieder steil nach oben führte. Vor einer Höhle ging es dann aber endgültig bergab. Wir fanden ein Sträßchen, das in Serpentinen steil nach unten ging, am Affenfelsen vorbei, wo aber auch nicht mehr Affen waren, als wir oben gesehen hatten. Hinter einer der vielen historischen Kanonenstellungen führte dann ein schmaler Fußpfad noch steiler und direkter in die Stadt. Bald waren wir unten.

Gemächlicher Ausklang

Den Rest des Tages verbrachten wir in La Línea mit Einkaufen und Ausruhen. Abends gingen wir in die Messe und bekamen in der Sakristei unseren zweiten Stempel. Abendessen in der erwähnten Bar "Parada" am Platz vor der Kirche (1/2 ración Fleisch in Tomatensoße, 6 EUR, dazu ein kräftiger Schlummertrunk Bier, gut!). So hatten wir den ersten, sehr erlebnisreichen Marschtag hinter uns gebracht.


15. April 2005, Freitag: Von La Línea de la Concepción nach Torreguadiaro, 20 km (30 km)

Türme am Strand

7h00 aufgestanden, es ist noch stockfinster. 8h15 Abmarsch: hell und bestes Wetter, toll! Nach dem Stadtplan gehen wir eine größere Straße nach Norden, die 1 km weiter spitzwinklig auf die Küste stößt. Dort beginnt eine neue gepflasterte Promenade bis kurz vor der Ortschaft Zabal. Das war ein guter Anfang.

Torre Nueva Durch Anklicken vergrößern Dann verstellt ein Ferienkomplex den Strand, und die Straße biegt nach links in die Ortschaft. Ich versuche einen in der Kurve abbiegenden Sandweg, der den Komplex rechts liegen lässt. Jawohl, so laufen wir, etwas mühsam durch spärlichen Bewuchs und Sand stapfend, in das Dünengebiet vor dem Strand, auf den Torre Nueva zu. Es ist einer der alten Türme, die aus der Zeit der Seeräuberabwehr die gesamte Küste säumen. Sie helfen einem sehr bei der Orientierung, sind auch auf der Landkarte eingezeichnet. - Vom Turm aus herrlicher Rückblick auf den Felsen von Gibraltar.


Ab dem Turm gibt es eine Piste, parallel zum Strand, der wir uns anvertrauen. Wir gelangen an eine große Neubausiedlung, die komplett von Deutschen belegt ist, wie uns ein Mann erzählt. Ab da geht es mühsam durch Kies über den Strand. Am Ende einer kleinen Bucht geht ein Sträßchen hoch, das wir gleich wieder rechts auf einer Piste verlassen, um auf den nächsten Turm, den Torre Carbonera, zuzugehen. 12h00. Ich schütte den Sand aus den Schuhen. Ein deutsches Ehepaar spricht uns an. Ja, hier ist für Fußwanderer nichts vorgesehen, sagen sie. Danach ist der Strand besser begehbar, besonders, wenn wir direkt an der Brandung über die feuchte, festgebackene Randzone laufen, wobei wir natürlich aufpassen müssen, dass wir die Füße nicht nass bekommen.

Unterkunft an der Fernstraße

Bald ist vor uns Torreguadiaro in Sicht. Vor uns folgt ein Mündungsgebiet, wie die Karte zeigt. Ein breiter Plankenweg führt in ein Naturschutzgebiet geradeaus. Wir hoffen auf eine Brücke am Ende, denn der Wasserstreifen muss hier sehr schmal sein. Fehlanzeige! Es sind nur wenige Meter, aber das Wasser ist tief, mit einer erheblichen Strömung, da hier die Mündung künstlich verengt wurde. Also zurück! - Parallel zum Fluss ins Landesinnere, an schönen Villen vorbei bis zur Landstraße. Dann rechts über die Brücke. Zwei ältere Spanierinnen sprechen uns an, vergewissern sich, dass wir Pilger sind, bestaunen uns.

Hinter der Brücke liegt voraus ein großes Neubautenviertel, das wir nach links in einem riesigen Rechtsbogen umgehen müssen. Ich bin erst sauer über den Umweg, aber dann verstehe ich, dass es gar nicht anders geht: Ein Netz von kleinen Kanälen ohne Brücken verbindet alle Häuser mit dem Meer. - Wir kommen an eine Kreuzung mit einem Schlagbaum. Rechts ist offenbar Sackgasse, also links die Straße hoch. Wir stoßen auf den Torre Guadiaro, der der Ortschaft den Namen gegeben hat. Erst einmal Pause mit Essen und Trinken auf einer Bank vor dem Turm. Jetzt müssen wir eine Unterkunft suchen. Sotogrande, das ich dafür bei meiner Planung vorgesehen hatte, liegt schon zurück, auf einem Hügel, gut sichtbar. Es wäre Unsinn, dahin zurückzulaufen.

Auf gut Glück laufen wir die Straße weiter hoch und erreichen die Fernstraße E15/N340. Da liegt doch direkt auf der Ecke ein Hostal Las Camelias. Ein Luxuszimmer im Hinterhof für 45 EUR. Nicht billig, aber preiswert, und außerdem wohl das günstigste Hostal in diesem Ort, der rechts und links der lauten Fernstraße liegt. Glück gehabt!

Unter Residenten

Vom Hostal aus läuft man einige hundert Meter zum Ortsanfang. Rechts wird eine aufwendige Promenade gebaut, ganze Palmen pflanzt man per Kran. Am Ortsrand links (die Straße überqueren, ist nicht einfach) ein Lebensmittelladen "El Punto", der uns gut versorgt. Abendessen in einem englischen (!) Restaurant "La Veranda" (weiter die Straße hoch, links). Wir fühlen uns unbehaglich unter lauter piekfein gekleideten englischen Residentenpaaren, aber die Bedienung ist auch zu uns freundlich; der vornehme Wirt kneift mir sogar ein Auge zu. Wir bekommen die spanischsprachige Speisetafel (statt der üblichen englischen), auf der die Gerichte mit Kreide notiert sind. Wir nehmen den Tagesteller für 9,40 EUR. Pommes, Fleisch, dazu Erbsen. Akzeptabel. Natürlich sind die Preise hier an der Küste enorm hoch, weil hier fast nur reiche Residenten wohnen.

16. April 2005, Samstag: Von Torreguadiaro nach San Luis de Sabinillas, 12 km (42 km)

Ein übler und gefährlicher Abschnitt

9h15 rücken wir aus dem gemütlichen Hostal ab. Jetzt kommt ein schlimmer Abschnitt, wie ich ihn befürchtet hatte. Der Strand ist nicht begehbar, Klippen. Wir laufen also die N340 entlang, die nur einen schmalen Seitenstreifen hat. 1 km lang geht alles ganz gut, aber dann, nach einem Kreisverkehr, wo die neue Autobahn abzweigt, ist der Seitenstreifen weg und wir müssen uns wie erwartet an der Leitplanke entlangquetschen, bleiben rechts, um bei der ersten Gelegenheit abzubiegen. Dürfen wir hier überhaupt zu Fuß diese vierspurige Straße her? Kaum gedacht, kommt ein Streifenwagen der Guardia Civil, die Polizisten schauen herüber. Ich schiele nach hinten, ob sie am Kreisverkehr wenden und uns am Schlafittchen nehmen. Aber sie fahren weiter. Puh! Ein Fahrradfahrer überholt uns. Na bitte! Wenn die das dürfen, dann wir doch wohl auch. Dann hupt doch ein Autofahrer, schlenkert mit der Hand, ein Zeichen für "Unsicherheit, Gefahr". Ja, lieber Freund, das wissen wir selbst.

Ca. 1 km hinter dem Kreisverkehr kommt eine scharfe Linkskurve. Hier springt die Küste am Punta de Chullera vor, natürlich steht hier auch ein Turm. Hier können wir in einen Weg einbiegen, der nur wie eine Zufahrt zu zwei Häusern aussieht, aber er geht doch weiter, zum Turm. Ein paar winzige Buchten, dann versperren uns niedrige Klippen den Weg. Wir überklettern die erste Barriere und erhalten eine Übersicht: Hurra, vor uns sind die Klippen zu Ende, und endlos erstreckt sich der Strand nach Nordosten. Wir sind von der Fernstraße gerettet.

Mal ein hilfreiches Touristenbüro

Längst haben wir uns entschlossen, morgen über Casares zu gehen, und wollen deshalb heute nicht Manilva, sondern San Luis de Sabinillas ansteuern. Doch zunächst ist wieder mal Schluss, da wir vor den Hafen von La Duquesa gelangen. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als vom Strand weg in die Bebauung zu laufen und dort, hinter weißen Häusern her, parallel unsere Richtung weiter zu verfolgen. Eine größere Straße lenkt nach rechts zu einem Platz mit einem Rathaus (es ist aber noch nicht das von San Luis) und - oha! - links ein Oficina de Turismo. Nichts wie rein! - Die junge Dame gibt uns einen Stadtplan und ruft sogar in einer ihr bekannten Pension in San Luis an: 40 EUR? Wir stimmen zu, haben schon wieder Quartier, wieder Glück gehabt.

Ein gut verstecktes Hostal

Es geht doch noch eine ganze Weile die Strandpromenade entlang, bis San Luis de Sabinillas, ein sehr langgestreckter Ort, beginnt. Am Anfang ein großer Kindererholungskomplex mit eigener Kirche, die wir fälschlicherweise für die Pfarrkirche halten. Erst danach kann man in den Ort abzweigen.

13h00 haben wir das Ziel erreicht: Ecke Duquesa de Arcos, Calle Virgen del Carmen soll unser Hostal Casa Recio liegen. An einer Bar ein entsprechendes Schild; ich also hinein und das Zimmer verlangt. Der Wirt sagt, da seien wir falsch, die 3. Tür links um die Ecke. Merkwürdig. Die Türen um die Ecke sind verschlossen, kein Hinweis auf Zimmer. Wir sprechen eine x-beliebige Frau auf der Straße an, sie trommelt noch mehr Leute zusammen. Eine Frau zeigt auf einen Klingelknopf, nichts rührt sich. Eine weitere Frau erscheint, meint, gleich käme jemand. Tatsächlich streckt auf einmal ein junger Mann aus der Tür daneben den Kopf raus. Er weiß über unsere Reservierung Bescheid, hat aber wohl deutsche Touristen erwartet, keine armen Rucksackpilger. Das Zimmer ist natürlich bestens, ich bezahle wie üblich im Voraus, damit ein Irrtum über den Preis ausgeschlossen ist. Etwas später kommt der junge Mann mit unseren Personalausweisen wieder - und drückt mir 4 EUR in die Hand, murmelt was von "Rabatt". Wir sahen wohl zu arm aus. Vor Überraschung vergessen wir, uns sofort einen Stempel geben zu lassen.

Ein "Probelauf"

Wir haben nach dieser Kurzetappe noch viel Zeit, die wir zum großen Teil damit verplempern, die Pfarrkirche zu suchen. Sie ist ganz nah, aber unscheinbar klein. Außerdem machen wir einen "Probelauf" bis zum Abzweig von der Küste, etwa 2 km entfernt, damit wir diesen morgen ja nicht verpassen. Dabei gehen wir sogar beide Alternativen, einmal über die Fernstraße und einmal über den Strand. Hans nimmt lieber den Lärm der Straße in Kauf, ich das mühsamere Gehen im Sand. Die Abzweigung ist jedenfalls leicht zu fnden; es war tatsächlich dort, wo ich die blaue Fußgängerbrücke vom Bus aus gesehen hatte.

Messe, Abendessen, aber kein Schlummertrunk

Abends in die Kirche, sie ist brechend voll. - Essen zu gehen, ist ein Riesenproblem. Die wenigen Billiglokale sind geschlossen, keine Saison. Wir landen im Restaurant Manolo am Strand. Sie haben kaum etwas von dem, was draußen angeschlagen ist. Hans bestellt einen Ensalada mixta für 8,50 EUR (!!), ich Merluza (Seehecht) für 12,00 EUR, es sind allerdings riesige Portionen. Die Preise sind mit Bleistift auf die Karte gekritzelt; der Ober kann sie wohl selbst nicht lesen, denn er kassiert zum Schluss von Hans nur 2,50 EUR für den Salat (was einwandfrei falsch war). Bei den Räuberpreisen schweigen wir und flüchten, aber nicht, ohne uns für den Pilgerausweis einen Stempel geben zu lassen. Dann gibt's doch im ganzen Kaff keine offene Bar mehr, in der man einen Schlummertrunk einnehmen kann. Wir waren im Restaurant schon fast die einzigen Gäste, und jetzt ist absolut niemand mehr auf der Straße. Nicht zu fassen! Das ist nicht Spanien hier. Am Samstag müssten die Einwohner lautstark bis in die Morgenstunden hinein auf der Straße feiern; statt dessen ist hier tote Hose.

Also ohne Schlummertrunk ins Bett :-(( Diese Touristenorte an der Küste gefallen mir nicht.


17. April 2005, Sonntag: Von San Luis de Sabinillas nach Gaucín, 31 km (73 km)

Überlegungen zur Etappenplanung

Zunächst zur Etappenplanung: Es war mir klar, dass es besser gewesen wäre, die gestrige Kurzetappe und diese sehr lange anders aufzuteilen. Aber wie? Die einzige Möglichkeit ist, in Casares eine Unterkunft zu suchen, und dazu hatte ich nichts im Netz gefunden. Es war mir zu riskant, auf gut Glück von Torreguadiaro eine recht lange Etappe bis Casares zu gehen und dann dort evtl. nicht unterzukommen. Deshalb blieb es bei der jetzigen Planung. Im Nachhinein war das doch falsch. Zum einen habe ich in Casares ein Schild "Pension" gesehen, und zum andern fordert einem gerade der Abschnitt Casares-Gaucín kräftemäßig so viel ab, dass die Anstrengung mit der Wahl von Casares als Etappenziel besser verteilt ist: von Torreguadiaro bis Casares hat man einen langen, aber nicht sehr anstrengenden Weg; von Casares nach Gaucín einen kurzen, aber sehr anstrengenden.

Der Weg nach Casares

Doch nun wieder zum Tagesablauf. - 7h00 waren wir im ersten Morgengrauen unterwegs. Das Wetter war gut wie an allen diesen Tagen. Bis zur Abzweigung nach Casares liefen wir getrennt: Hans ging lieber die Fernstraße, ich lieber am Strand entlang. Die Abzweigung ist wie folgt leicht zu finden:

Die Bucht endet vor einer Landzunge; rechts liegt ein weiterer Turm. Links ist ein breiter Strandzugang mit hölzernen Strandgebäuden; ferner sieht man von weitem schon oben an der Straße das intensive Blau der Fußgängerbrücke leuchten. Auch fällt ein hellblaues Haus mit roter Bemalung in Form einer Tür auf. Links davon geht es den Strandzugang hoch zur Straße. Wir verzichteten auf die Fußgängerbrücke und liefen so über den Kreisverkehr gegenüber zur kleinen Landstraße nach Casares.

Zunächst geht es ohne große Steigungen auf die noch fernen Berge zu. Dann an Industrieanlagen vorbei, stärker bergauf. Später wird vor schöner Bergkulisse die Autobahn überquert, bevor man richtig in die Berge marschiert. Unweit einer Bar machten wir 9h15 Milchpause (dazu schleppte Hans anfangs 1 Liter Milch mit). Vor uns ein herrliches Panorama, direkt zu unseren Füßen ging es steil nach unten in ein tief eingeschnittenes Tal. Wir hatten schon eine ziemliche Höhe erreicht.

Es gab einige Abzweigungen, aber nur Pisten; die Hauptrichtung war unschwer zu erkennen. Ich wunderte mich, dass wir so hoch zwischen den Bergen liefen und von Casares nichts zu sehen war. Gaucín war bereits von der Küstenfernstraße als schmaler weißer Streifen in den Bergen sichtbar gewesen.


Nun, Casares liegt versteckt in einer Falte des Gebirges, aber auf einem eigenen vorgelagerten Bergkegel. Um es zu erreichen, ging es noch ein paarmal leicht auf und ab; endlich lag das berühmte "weiße Dorf" links unter uns.

Ein steiler Fußweg aus Beton zweigte links nach unten ab. Wir folgten ihm in Richtung Innenstadt. Drei Touristen aus Belgien und Frankreich sprachen uns auf Französisch an, erkundigten sich wie üblich nach dem Woher und Wohin und staunten über unser Vorhaben.

Durch Anklicken vergrößern Hans auf dem Betonweg vor dem "weißen Dorf"


Unten kamen wir an eine Kirche und an einen Brunnen. Ein Einheimischer verwies auf die Güte des Wassers und trank selbst demonstrativ. Auch Hans versorgte sich, ich hielt mich zurück. Ich wollte auf dieser Fahrt grundsätzlich nur gekauftes Wasser trinken, weil ich Angst vor einer Darmgrippe hatte. Die Einheimischen mochten ja ihr lokales Wasser gewöhnt sein, aber meine Darmflora sicher nicht.

Durch den verwinkelten Ort gegen 11h30 zum zentralen Platz. Hier sah ich ein Schild, das auf eine Pension verwies, die ich aber nicht gleich entdecken konnte. Statt Wasser gab's Bier in der benachbarten Bar, während uns Touristen und Einheimische beglotzten. Danach noch zur Festung hoch. Auch hier sprachen uns Touristen an, diesmal Deutsche aus Bielefeld und Hamburg. 13h00 dann direkt zur Straße hinunter, die zur Landstraße zurückführte, aber nicht dahin, wo wir abgezweigt waren, sondern praktischerweise schon ein ganzes Stück weiter. Die Landstraße ging in einem großen Bogen um den Berg herum, auf dem Casares lag, erreichte dann den Rand des Gebirges und senkte sich dann abwärts. Die ganze Zeit gab es landschaftlich viel zu sehen. Es war inzwischen sehr heiß, wobei ein leichter Wind für etwas Erfrischung sorgte.

Die Tortur vor Gaucín

Wir erreichten so die Fernstraße von Manilva nach Gaucín. Ohne Schatten wanderten wir dann ca. 7 km an einem malerischen Gebirgszug entlang, wobei sich die Straße zu meinem Schrecken in riesigen Schleifen weit, weit hinabsenkte, bis ein Flüsschen im Talgrund erreicht wurde. Irgendwo ein Schild, das auf einen Wanderweg verwies. Wahrscheinlich nach Gaucín, eine steilere Abkürzung, vermutete ich. Aber ohne Gewissheit kann man sich auf sowas nicht einlassen.

Unweit der Flussbrücke lagerten viele Ausflügler am Ufer oder stakten in dem seichten Gewässer herum. Auch Hans feuchtete sich die Beine an, während ich vor der sengenden Sonne unter einen Busch flüchtete. Oben lag Gaucín, scheinbar ganz nah. Eine Stunde, schätzte ich; Hans meinte, zwei Stunden.

16h17 rissen wir uns zusammen und machten uns an den Aufstieg. Es ging eine breite Asphaltstraße in Serpentinen hoch, mit Seitenstreifen, wenig befahren, zunächst kein Problem. Aber bald stieg die Straße immer steiler an, die Sonne sengte unbarmherzig, kein Schatten, und vor uns stieg der Hausberg von Gaucín so himmelan, dass man verzagen konnte, wie man an dem vorbeisollte. Schnell ließen Kräfte und Wasservorräte nach. Bald rasteten wir einige Minuten unter jedem der seltenen Bäume am Straßenrand, teilten den Rest Wasser sorgfältig ein. Die Serpentinen nahmen kein Ende. Ich war kurz davor, nicht mehr weiterzukönnen; Hans ging es nicht besser. Es war das anstrengendste Stück unserer ganzen Tour, wobei sicher auch eine Rolle spielte, dass wir körperlich noch nicht so fit waren wie viele hundert Kilometer später. Dass ich meine Wasserflaschen in Casares nicht aufgefüllt hatte (trotz des Sonntags gab es durchaus Wasser zu kaufen), war allerdings ein unverzeihlicher Fehler gewesen.

Endlich hatten wir doch den Sattel erreicht und umrundeten den Hausberg nach rechts. Oben blies zu unserer Freude ein kühler Wind, aber die Straße stieg immer noch an. Nach weiteren 2 km waren wir am Ortsrand, es war schon nach 18h00.

Ein fast leeres Quartier

Eine andere Straße kam spitzwinklig von oben, dort sah ich ein Hotel. Wir liefen eine Treppe dort hinauf und hielten nach unserer Pension Ausschau. Sie gehörte zu dem Hotel Caballo, das schon mal das richtige war. Gegenüber lag eine Tankstelle und daneben entdeckte ich ein Schild mit dem Namen der gesuchten
Pension Moncada, Prolongación Luis Armiñán (am westlichen Stadtrand, gegenüber dem Hotel Caballo)
Sie bestand nur aus einer Zimmerzeile, die einfach an das Nebengebäude der Tankstelle angebaut war. Im Nebengebäude war ein Restaurant, aber geschlossen. Den Zimmerschlüssel gab uns der Tankwart, ebenso einen schönen Stempel für unsere Pilgerausweise.

18h38 waren wir eingetroffen. Ich hatte schon Bedenken gehabt, dass das reservierte Zimmer vergeben worden war, weil ich unsere Ankunft für 18h00 avisiert hatte. Nun, ich musste hier feststellen, was auch die übrigen Dörfer und Städte bis Sevilla betraf: Es gab hier zu dieser Jahreszeit noch kaum Touristen, und wir waren in der Pension die einzigen Gäste. Das Doppelzimmer kostete 35 EUR, mit eigenem Bad. Links im Hof hingen Wäscheleinen; da flatterte bald einiges von unserer Kleidung im heftigen Wind.

Schöne Aussicht, aber kein Abendessen

Wir erkundeten die Stadt, die immerhin 2.500 Einwohner hat. Im nahen Supermarkt konnten wir erst am Montagmorgen um 9h00 etwas bekommen. Das Touristenbüro hatte idiotische Öffnungszeiten: Nur freitags von 16h00-18h00, samstags von 12h00-14h00 und 16h00-18h00, sonntags von 11h30-13h30. Sonst geschlossen. Von der Stadt aus gab es einen sagenhaft schönen Blick auf die Küste und natürlich den Felsen von Gibraltar. Auch verwiesen Schilder auf einen Gibraltar-Wanderweg. Wenn man von diesem Unterlagen bekommen könnte, wäre das natürlich sehr nützlich für Pilger, die wie wir von Gibraltar liefen. Aber ich bezweifele, dass der Weg auch unterwegs hinreichend ausgezeichnet ist. Wir folgten ihm im Ort etwas bergab und gaben sofort auf, als wir an der ersten Kreuzung standen, wo jeder Hinweis fehlte, wie es weiterging.

Das Abendessen fiel auch flach. Wir fanden nur eine geeignete Bar, aber hoffnungslos überfüllt mit Einheimischen, außerdem nur ein Café, das aber nichts zu essen anbot. Ein paar Jugendliche, darunter ein paar kesse Mädchen, sprachen uns neckend an; sie kamen wohl vor Langeweile um und waren neugierig, welche Zausel sich da in ihr Kaff verirrt hatten.

So zogen wir uns, ohne zu Abend gegessen zu haben, auf unser Zimmer zurück. Zum Glück war die Tankstelle noch geöffnet, dass ich mir noch einen Schlummertrunk besorgen konnte. Die Wäsche war auch längst trocken. Inzwischen waren Wolken aufgezogen, und nachts tobte ein richtiger Sturm. Konnte sein, dass das Wetter schlechter wurde, aber das traf dann doch nicht ein.


18. April 2005, Montag: Von Gaucín nach Cortes de la Frontera, 19 km (92 km)

Ein unverhoffter Wanderweg

Gemütlich lange geschlafen, da wir ja erst um 9h00 zum Einkaufen können. 9h45 geht's dann los. Ich dachte bei der Planung, dass es heute die erste Bergetappe geben würde, aber die war schon gestern, denn Gaucín liegt in 700 m schon auf einem vorgelagerten Höhenzug. Dahinter ging es heute erst wieder bergab und dann zu unserem jetzigen Etappenziel wieder hoch, aber beides nicht so dramatisch wie gestern.

Die Berge liegen (noch) in den Wolken. Es ist relativ kalt, aber es sieht nicht nach Regen aus. Durch Gaucín im Zickzack, nicht einfach zu finden. Man darf nur nicht abwärts. Es gibt einige Wegweiser, und notfalls sollte man fragen, wo es zur Fernstraße in Richtung Ronda geht. (Man hätte auch an der Kreuzung unweit der Pension schon links eine Umgehungsstraße gehen können, aber dann sieht man nichts von der Stadt.) Es geht weiter bergauf, rechts liegt eine imposante Burg. Kurz hinter der Bebauungsgrenze holen wir einen älteren Wanderer ein. Der verweist mich auf einen Wanderweg, der teils die historische Wegeführung markiert und deshalb i.W. parallel verläuft. Guter Tipp! Wenige 100 m später Wanderzeichen (gelb-weiß) links ab. Es geht nur 3-4 m steil die Böschung hoch, dann sind wir auf einem ganz passablen Pfad, der oberhalb der Straße entlangzieht. Ca. 2 km weiter kommen wir wieder auf die Fernstraße. Gegenüber ist ein Wegweiser, dass es dort weitergeht, aber schon 100 m später stehen wir an einer Gabelung und finden trotz allen Suchens keine Markierung, welcher der beiden Wege der richtige ist. Nun, ich will ja jedes Risiko vermeiden. Also, betrübt zur Fernstraße zurück und an dieser entlang.

Das Ziel schon in Sicht

Bald weicht links der Wald und gibt den Blick auf das eindrucksvolle Gebirge frei. Und wie noch an vielen anderen Tagen ist unser Etappenziel bereits am frühen Morgen schon in der Ferne zu sehen, obwohl es noch viele Stunden sind, bis man es erreicht hat. So liegt auch Cortes de la Frontera deutlich und scheinbar so nahe links vor den Bergen; dazwischen kann man aber das Tal schon ahnen, das wir noch bewältigen müssen. Durch eine Baustelle geht es bis zum Pass Puerto del Espino (780 m). Dort zweigt die Straße nach Cortes links ab. 11h30 trinken wir in der Bar an der Kreuzung einen Kaffee (gute Toiletten draußen).

Dann geht es bei frischem Wind (zwischendurch ziehe ich sogar den Pullover wieder an) viele Kilometer abwärts, bis wir im Tal den Bahnhof erreichen. Die Straße macht eine enge Rechtsschleife um ihn herum, dann geht es steil hoch. Auf dem Asphalt eine totgefahrene Schlange. Wolken, hohe Luftfeuchtigkeit, einmal ein paar Tropfen Regen, als wir am Straßenrand pausieren.

Quartiersuche

Um 15h15 erreichen wir die Bebauungsgrenze von Cortes. Wir sind nicht halb so erschöpft wie gestern. Wo ist der Stadtkern? Hier sollte doch auch eine Jugendherberge sein. (Das war ein Irrtum, an dem unsere Landkarte Schuld war, auf der weder das Zentrum noch der höchste Punkt der Stadt genau zu lokalisieren waren. Tatsächlich lag die Jugendherberge hinter der Stadt und schon etwas tiefer; wir kamen anderntags gar nicht an ihr vorbei.) Rechts ist ein Neubauviertel, also auf Verdacht entgegengesetzt eine kleine Asphaltstraße hinter einer Tankstelle nach links. Das war richtig. Unterwegs frage ich eine Barbesitzerin, die in der Tür steht, nach einer Unterkunft. Sie kennt nur Appartments von einer Carlota und weist in Richtung Zentrum. Nach fast 1 km haben wir den Rathausplatz erreicht. Im Rathaus kein Oficina de Turismo zu finden. Wir dringen in das Büro des Bürgermeisters ein. "Tut mir Leid, außer mir ist niemand hier" sagt er, hat auch keinen Stempel für uns.

Draußen fallen wieder ein paar Tropfen. Hans stellt sich mit dem Gepäck unter, ich mache mich auf die Quartiersuche. Ein alter Mann, den ich ohne große Hoffnung nach Carlota frage, brabbelt etwas von "esquina" (Ecke) und zeigt auf eine Gasse. Ich gehe zweifelnd die Gasse hoch, erreiche einen kleinen Platz, schaue suchend umher. Hier soll also was an der Ecke sein. Tatsächlich: "Apartamentes" steht da an einem Haus rechts. Unten ist eine Bar. Die Frau drinnen ruft gleich nach der Chefin Carlota. Die ist sehr freundlich und heißt Pilger willkommen. Aber sie hat nur große Ferienappartments, mit Küche, Wohnzimmer und allem Pi-pa-po. Sie würde sie uns ja gern vermieten, doch können wir Pilger dafür 40 EUR auf den Tisch legen? - O ja, wir können. Sie freut sich, macht ein unverhofftes Nebengeschäft. Jetzt können Hans und ich uns diagonal in getrennte Zimmer legen, soviel Platz haben wir. (An der Hauptstraße sah ich beim Einkaufen noch ein anderes Hostal, aber das sah geschlossen aus. Supermarkt in Richtung Ortsausgang links.)

Die Bar "El Santo"

In der Bar unten ist es gemütlich. Ein Deutscher, der in Cortes wohnt ("Schriftsteller und Philosoph"), fragt uns aus. Er fühlt sich in dieser Stadt sehr wohl. Zu Abend essen kann man allerdings nur in einer Bar "El Santo", die weit entfernt ist. Dazu geht man die Hauptstraße zurück, wie man gekommen ist, bis zu einem Gesundheitszentrum; weiter als die Abzweigung, bei der wir hochgekommen waren. Dann liegt die Bar rechts. - Draußen regnet es jetzt heftig.

Als das Wetter besser wird, erkunden wir ab 16h00 die Stadt, laufen schon bis zu der Bar "El Santo", weil wir wissen wollen, ob und wann es abends etwas gibt. Doch, wir können dort essen. Ob sie auch einen Stempel haben (Carlota hat angeblich keinen)? Der junge Wirt sucht in allen Ecken, dann sogar im Nebenzimmer, mir wird's schon peinlich. Endlich findet er den Stempel auf einem Schrank. Die Adresse der Bar "El Santo" ist "Los Rosales, 21". Unweit liegt auch ein fast fertiggestelltes Informationszentrum über die Umgebung. (Lustig ist, dass wir viele Kilometer weiter Schilder mit Hinweisen auf dieses Zentrum sehen, das doch noch gar nicht geöffnet ist. Aber Touristen anlocken kann man damit schon jetzt :-))

20h30 Abendessen. Zwei Tellergerichte, einschließlich 2 Pils, für uns beide zusammen 12 EUR, das sind Preise im Vergleich zur Küste! Wir geben 1 EUR Trinkgeld; der Wirt freut sich und läutet kräftig eine Glocke hinter der Theke. Das soll andere Gäste animieren, es uns gleichzutun. Eine prima Idee, der ich sonst nirgendwo begegnet bin. In unserem Gasthaus zurück, sitzen wir noch bis 22h30 in der Bar und schwatzen mit Carlota und mit einigen Gästen. Carlota kann auch Englisch und etwas Deutsch. Am anderen Morgen verabschiedet sie sich von uns und bittet uns, die Jakobsfigur in der Kathedrale von Santiago für sie zu umarmen. Ich mache das normalerweise von mir aus nicht, aber für sie habe ich es getreulich getan, denn so einen Pilgerauftrag kann man nicht ablehnen.


19. April 2005, Dienstag: Von Cortes de la Frontera nach Ubrique, 27 km (119 km)

Durch einen herrlichen Naturpark

7h45 zogen wir aus unserer Luxusherberge los. Wieder bestes Wetter, aber sehr kalt. Wir folgten der Hauptstraße zum Ortsende, blieben dann aber auf der Höhe, während eine kleine Straße nach links abwärts abzweigte. Hier ging es wohl u.a. zur Jugendherberge. Von Anfang an waren wir von herrlicher Landschaft umgeben. Hinzu kam, dass es auf dieser Landstraße kaum Autoverkehr gab, manchmal 10 Minuten lang kein einziges Fahrzeug. Bald hatten wir eine Steigung zu bewältigen, ohne dass wir sonderlich überrascht waren; wir rechneten ja mit einer echten Bergetappe. Aber zu unserem Erstaunen ging es die nächsten Stunden kaum mehr höher. Hinter dem kleinen Pass kamen wir in ein unbeschreiblich schönes und einsames Tal zwischen den Bergen. In diesem Naturpark gab es natürlich nur ganz wenige Bauernhäuser.

Auf einer Wiese eine Gruppe von merkwürdigen braunen "Figuren", die sich urplötzlich gemeinsam in die Luft hoben: Geier, und das gleich im Dutzend! (Da musste irgendein Tier verendet sein.) Wir liefen links an einem gewaltigen Gebirgsstock entlang. Überall alles grünend und blühend, die Sonne schien, aber (noch) nicht heiß. Wir sangen und jubilierten, was für ein Tag, was für eine Landschaft!

Am Ende des Tales kam links ein gewaltiger kahler Felsen in Sicht, laut Landkarte der Peñon del Berrueco (899 m). Etwas davor zweigte eine breite Piste rechts ab. Laut unseren Militärkarten musste das eine erhebliche Abkürzung nach Ubrique sein, aber sie war natürlich mit Draht versperrt (den man leicht hätte öffnen und schließen können). Da wir keine Garantie hatten, wo der Weg hinführte und ob Grundbesitzer (und ihre Hunde) unsere Annäherung begrüßen würden, verzichteten wir auf diese Möglichkeit und liefen in einem sehr langen Rechtsbogen um das Felsmassiv herum. Über uns kreisten weiter Geier.

Auf einer fast kahlen Hochfläche erreichten wir eine Kreuzung; links kam laut Karte eine kleine Bergstraße, die von Gaucín aus nach Norden verlief, hoch. Das wäre sicher auch eine sehr schöne Strecke gewesen, aber zu weit für eine Etappe. - Ein Wassertankwagen kam uns entgegen, verlor aber so viel von seiner Fracht, dass wir überlegten, ob er in Wirklichkeit die Straße sprengen sollte. Rechts kamen immer wieder malerische Felsen in Sicht. Endlich senkte sich die Straße abwärts, bis zu einer Abzweigung, wo die A375 nach Westen weiterging, während wir auf der A373 blieben, die sich (rechtwinklig nach rechts abzweigend) nach Norden auf Ubrique zu wandte. Hier war die Bebauung wieder dichter, der Naturpark lag hinter uns.

Ein überraschender Wanderweg

Rechts am Weg tauchten Wanderwegkennzeichnungen (weiß-gelb) auf, aber sie kürzten zunächst nur einige Kurven ab, später dann Serpentinen, so dass wir ihnen vorsichtig folgten. Ging der Wanderweg nach Ubrique? - Das war tatsächlich der Fall. In einer scharfen Rechtskurve verließen wir die Straße endgültig und folgten dem Wanderweg, der uns gleich durch ein paar Weidetore führte, geradeaus. Ich war noch etwas unsicher, ob das wohl gutging, denn die Kennzeichnung war wie immer recht spärlich. Doch man lief schnurgeradeaus, überquerte ein Sträßchen und kam schließlich vor Ubrique an einer kleinen Landstraße heraus.

Schon hatten wir die Bebauungsgrenze erreicht und stießen dann auf die größere Straße, die von Cortes de la Frontera kam. Ein Wegweiser sagte "17 Kilometer". Ich konsultierte verblüfft die Karte. Zwar hatten wir ahnen können, wo rechts aus dem Gebirge die Abkürzung vor dem großen Felsmassiv zwischen Bauernhäusern herunterkommen musste, aber die konnte das Schild nicht meinen. Richtig war "27 Kilometer", aber wen regt das in Spanien schon auf?

Suche nach der Altstadt

Mit Ubrique, wieder ein "weißes Städtchen", gab es ein Problem: Wo war die Altstadt? Vor uns lag ein Häusermeer, links von einem sehr hohen Felsmassiv, alles ganz malerisch, aber unübersichtlich. Nach etwas Suchen gingen wir doch die Fernstraße unten am Fluss entlang; rechts von uns lag die Vorstadt. Wo die Fernstraße linksab über die Brücke verläuft, hätten wir geradeaus die Altstadt erreicht, die sich ähnlich wie in La Línea de la Concepción nicht aus dem Häusermeer abhebt. Auch hier fehlt ein hoher Kirchturm als Orientierungskennzeichen. Wir wollten ja (wie immer) zunächst die Altstadt ansteuern, da dort gewöhnlich das Oficina de Turismo und billige Unterkünfte in Altbauten zu erwarten sind.

Man schickte uns aber über die Brücke und dann nach rechts in die Avenida de España, die örtliche Fußgänger-Prachtstraße mit Geschäften aller Art. Ubrique ist für seine Ledererzeugnisse berühmt und lockt dadurch viele Touristen an. Wir liefen die Straße entlang, begafft von Touristen und Einheimischen, die die Straßencafés bevölkerten. Endlich erreichten wir eine T-Kreuzung und sahen rechts weiter entfernt Fahnen flattern, da musste zumindest ein öffentliches Gebäude sein. Wir fanden tatsächlich rechts das Oficina de Turismo, geschlossen! Ohne Stadtplan konnte ich aber die Hostal-Adressen aus dem Netz nicht finden.

Die Polizei als Pilgerfreund und -helfer

Hm, schräg gegenüber war die örtliche Polizeizentrale. Ich ließ Hans beim Gepäck und lief dort hinein. Vier freundliche Polizisten in schnieker Uniform empfingen mich und fragten, was sie für mich tun könnten, als ich mich als Pilger vorstellte. Sie wussten auch nicht, wann das Tourismusbüro aufschlösse, ob sie selbst denn helfen könnten? - Stadtplan? - Wupps, hatte ich einen, sogar einen besseren, als ihn das Tourismusbüro verteilte. - Konnten sie Unterkünfte empfehlen? - Sie zögerten. Die Polizei kann sich ja schlecht in die örtliche Gastronomie einmischen. Das verstand ich sofort. Ich kramte meine Adressen heraus. Sie kontrollierten sie. Eine war gleich zu streichen, die anderen kreuzten sie im Stadtplan an. Super! Ich bedankte mich herzlich.

Die nächstgelegene Unterkunft war nur wenige Häuser entfernt in der Bar "El Cepo". Dort bestritt man aber energisch, Betten zu haben. Merkwürdig! Zurück und in die Altstadt. Hier lag eine


Pension Rosario, Jose Antonio Primo de Riviera, 3,
ganz in der Nähe des Rathausplatzes. Hm, von außen keine Kennzeichnung, keine Klingel. Ich fragte Passanten, die einfach gegen die Tür böllerten. Eine Frau schaute heraus. Minuten später (14h45) hatten wir ein Zimmer für nur 20 EUR. Na, wunderbar. Stolz holte ich Hans. (Mangels eines Stempels malte die Wirtin ihre Adresse mit Unterschrift und Datum in unsere Pilgerausweise.) In der Pension waren wir die einzigen Gäste. Da macht es gar nichts, wenn das Bad auf dem Flur ist.

Der Zufallsfund im Tourismusbüro

Die Stadt ist recht sehenswert, vor allem immer mit der Bergkulisse im Hintergrund. Wir gingen einkaufen und schauten bei dem inzwischen geöffneten Touristenbüro rein. Es lohnt sich immer, alles Material, das ausliegt, durchzuschnüffeln. Diesmal fiel mir ein kleiner Hinweis auf eine "Calzada Romana" auf, genau in Richtung Benacoaz, das morgen Zwischenziel war. Ja, sagte die junge Dame, eine vollständig erhaltene Römerstraße. Nicht zu fassen! Davon stand nichts in meinem Handbuch über die Strecke von Grazalema nach Ubrique. Aber auf der Landkarte war eine rote Strichellinie als Wanderweg, das musste die Römerstraße sein. Sie war es, wie sich anderntags herausstellte. So fanden wir durch Zufall eine der größten Sehenswürdigkeiten unserer ganzen Tour.

Ein Abendessen mit "Einlagen"

Abendessen in der schon genannten Bar "El Cepo", wo es zwar keine Betten, aber ein Menü gab. 7 EUR: Suppe, Fisch, Pommes, Nachtisch. Bier 0,50 EUR. Wir schauten zunächst etwas befremdet auf den Suppenteller, auf dem geröstete Brot-, Schinken- und Eistückchen zu sehen waren, eine merkwürdige Vorspeise. Nun, das war einer unserer Sprüche, "ein Pilger isst alles, was nicht rechtzeitig vom Teller kriecht". Wie wir also gerade schulterzuckend anfangen zu essen, kommt der Kellner mit der Suppe angelaufen und ist ganz baff, dass wir schon die separat vorweg auf den Tellern servierte Einlage getrennt verzehren. Hm, etwas rote Ohren, kann ja mal vorkommen im Ausland, oder?

Warum ist Kardinal Ratzinger im Fernsehen?

Im Fernsehen eine Übertragung aus Rom. Ich schaue mich um und sehe gerade, wie Kardinal Ratzinger die Menge segnet. Hans meint, es ginge wohl jetzt mit den Papstwahlen ernsthaft los. Wir merken nicht, dass die schon zu Ende sind. Erst zwei Tage später hört Hans das am Telefon von seiner Frau. Ich hatte nicht im Traum mit der Wahl von Ratzinger gerechnet und deshalb der Sendung keine weitere Beachtung geschenkt.

20. April 2005, Mittwoch: Von Ubrique nach Grazalema, 20 km (139 km)

Der Weg durch die Stadt

6h30 weckt uns meine Billigarmbanduhr. Kein Kaffee, denn der Stecker passt nicht. 7h50 ziehen wir los. Die Pension lag goldrichtig. Wir müssen ohnehin rechts am Rathausplatz entlang, immer weiter der Straße nach, erst aufwärts, dann abwärts, als sie sich in sanftem Linksbogen vom Bergmassiv entfernt. Am Konvent der Kapuziner geht es von der Kreuzung aus scharfrechts, spitzwinklig zurück und gleich aufwärts; dieser Abzweig ist nicht leicht zu finden. Man achte auf das Straßenschild "Camino de Benacoaz". Schon nach wenigen Metern biegt man scharf links herum und lässt bald die Häuser hinter sich. Vor einem tut sich eine majestätische Bergwelt auf; mir war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, dass wir da heute irgendwo hoch mussten. Es war aber halb so schlimm.


Eine einzigartige Römerstraße Durch Anklicken vergrößern Bald kamen wir an ein Schild, das auf die besondere Pflasterung aufmerksam machte. Wir betraten eine Straße mit original römischem Pflaster, auf über 4 km nahezu vollständig erhalten. Sowas hatte ich noch nie gesehen, und später haben wir auf der Via gelacht, wenn um wenige Quadratmeter römischen Pflasters (z.B. vor Alcuéscar) großes Aufheben gemacht wurde. Das hier musste man sich mal daneben anschauen.


Es ging die ganze Zeit mehr oder minder steil hoch. Da liefen wir eben langsam. Kühe brüllten links und rechts, sonst nur Natur. Später machte ein kleines Schild auf ein Brückchen aufmerksam, über das die Straße durch eine sumpfige Niederung führte. Man kann die Römer für ihre Straßenbauleistungen nur bewundern. Bis Benacoaz war die Straße nur an ein-zwei Stellen im Laufe der Jahrhunderte abgesackt. Das war noch Wertarbeit.

Links oben sah man hin und wieder ein Fahrzeug auf der Landstraße. Endlich rechts ein halb verfallener Bauernhof, und der Bewohner kam uns mit einem Arm voll geschnittenen Grases entgegen, erwiderte unseren Gruß freundlich. Die Armut sah man ihm deutlich an. Dann kam Benacoaz, das ziemlich versteckt im Gebirge liegt, in Sicht. Zum Schluss nochmal eine uralte Brücke. Danach erreichten wir gegen 9h30 die Landstraße. Von dieser Seite war nicht zu sehen, dass dieser unscheinbare Feldweg in seiner Verlängerung die Römerstraße war. Wer also von Benacoaz aus gehen will, muss ganz schön suchen.

In Benacoaz

Wir gingen geradeaus in die Stadt hoch, suchten nach einer Bar. Aus der ersten, in die wir gingen, scheuchte uns die Frau etwas unfreundlich gleich wieder raus; es sei geschlossen. Auf meine Frage, wo denn eine geöffnete Bar sei, verwies sie uns an die höher gelegene Hauptstraße. In der Nähe des Rathausplatzes wurden wir dann fündig. Wie noch oft, bestaunten die Gäste in der Bar meinen Knotenstock. Ich musste auch später noch oft erklären, dass er aus Deutschland stamme, dass er nicht gekauft sei, sondern das Geschenk eines Wanderfreundes, der ihn selbst hergestellt habe, und dass die schönen Windungen durch Efeu entstanden seien. Für die Spanier war mein Stock viel interessanter als ich. Gut, dass man auf seinen Stock nicht eifersüchtig sein kann ;-))

Ein wunderbarer Weg durch die Berge

Als nächstes wollten wir den Bergweg aus meinem Wanderhandbuch nach Grazalema laufen. Die Beschreibung war allerdings für die umgekehrte Richtung verfasst. Es ging die Hauptstraße zurück bis zum Ortsende, dort links am Hotel "San Antón" vorbei. Man passiert einige Bauernhäuser und Viehweiden. Schwarze Schweine liefen herbei und bettelten um irgendeinen Leckerbissen. Dann öffnete sich ein Bergtal nach rechts, eingefasst in zwei Höhenzüge. Wo war unser Weg?

Er verlief über den steinigen Sattel geradeaus, ging also nicht halbrechts durchs Tal, wie ich auf den ersten Blick vemutet hatte. Man durchquert dieses also, an Mauern entlang. Es gibt einige Wegekennzeichen, meist Pfeile in verschiedenen Farben. Dann geht es den steinigen Abhang hinauf, oben eine Serpentine nach rechts, bis man auf der Höhe eine felsige Hochfläche erreicht. Das Ganze ist nicht einfach zu laufen, aber doch ganz gut zu finden. Man folgt einem Pfad noch etwas höher, auf Gras zwischen Felsen hindurch. Drei Rindviecher kommen uns entgegen. Hoppla, die letzten beiden sind Bullen. Aber sie folgen nur der Kuh vor ihnen, wir interessieren sie nicht.

Milchpause. Etwas später erreichen wir einen steilen Abhang, der vor uns in ein Wiesental hinabgeht. Jenseits liegt ein noch höheres Felsmassiv, davor eine Mauer, links ein Sattel. Der Wanderpfad geht quer durch das kleine Tal, parallel zu dem Felsmassiv, nach Norden. Aus dem Gewirr von Büschen und Felsen gegenüber löst sich gerade eine geführte Gruppe von Wanderern, ich zähle 22. Ganz schön was los hier. Die Leute gehen meist von Grazalema bzw. vom Pass Puerto del Boyar auf diese Tour in Richtung Benacoaz. Wir laufen also umgekehrt. Als Ziel wird eine Felsschlucht Salto de Cabrero ("Sprung des Ziegenhirten") angepriesen. Auch wir wollen einen Abstecher dahin machen.

Also in das Wiesental hinunter und noch vor der Wanderergruppe nach links zur Mauer. Man überquert sie und folgt einem schmalen Pfad über den erwähnten Sattel. Danach geht es ziemlich steil einige hundert Meter durch ein Felsgewirr hinunter bis an die Kante einer tiefen Schlucht. Diese setzt sich hinter dem Felsmassiv nach rechts oben fort und endet in einer riesigen Kerbe, wie von einem Riesen geschlagen. Das ist der Salto de Cabrero. (Vom Pass aus ist diese markante Felskerbe von der anderen Seite her schon von weitem zu sehen und lockt daher zu einem Besuch.) Nun, der Blick war schon beeindruckend, aber ich hätte auch ohne ihn in Ruhe sterben können, und mit dem Aufwand, von der Mauer aus runter- und wieder raufzuklettern, war er teuer erkauft.

Zu unserem Erstaunen kam die Wanderergruppe nicht hinter uns her, sondern war wohl nach Benacoaz weitergegangen. Als wir wieder die Mauer erreicht hatten, stand oben rechts am Talkesselrand ein Rucksackpaar, das zu uns rüberblickte. Sie wollten wohl zum Salto und hatten den Abzweig unten im Kessel verfehlt, waren schon wieder den Abhang hoch. Als sie uns sahen, zogen sie die richtigen Schlüsse und fingen eilig an, wieder in den Talkessel herunterzuklettern.

Wir wandten uns nun nach links, woher die Wanderergruppe gekommen war. Der Pfad wand sich durch Felsen, nicht immer leicht zu finden, und stieg dabei zu meinem Erstaunen stetig an. Ich hatte erwartet, dass wir in einem Bergtal absteigen würden; statt dessen stiegen wir zum Pass Puerto del Boyar hoch, denn der liegt immerhin bei 1.103 m, viel höher als unser Zielort Grazalema (830 m). So musste ich mich in Geduld fassen, dass es doch noch viele Kilometer durch die wunderbare Landschaft ging, bis wir die ersten Zeichen der Zivilisation wiedersahen. Wir waren uns aber bewusst, dass diese Etappe heute vielleicht die landschaftlich schönste unserer ganzen Pilgertour sein würde. Eine solch majestätische Bergwelt sahen wir jedenfalls bis Santiago nicht wieder.

Auf dem Weg begegneten uns ziemlich viele Leute. Das war andererseits gut, denn so musste man nicht befürchten, sich zu verirren oder nach einem Unfall in der Einsamkeit liegen zu bleiben. Endlich erreichten wir eine Finca, durch deren Ziegenwiese der Pfad verlief. Danach führte eine Piste zur Landstraße, die schon seit einiger Zeit vor uns zu sehen war. Sie verlief vor dem größten Bergmassiv der Gegend; ihr höchster Gipfel ist der Pinar mit 1.654 m, das ist Hochgebirge.

Unterkunft in Grazalema

Die schlechte Nachricht war, dass wir also gut 300 m wieder abwärts nach Grazalema runter mussten, die wir anderntags fast ganz zurückliefen, um die Bergstraße über den Pass Puerto de las Palomas zu erreichen. Die gute Nachricht war, dass man - o Wunder in diesem Teil Spaniens - von Grazalema aus einen breiten Wanderweg bis zum Pass angelegt hatte, den wir nun freudig beschritten. Unterwegs merkte ich mir die Abzweigung, wo wir zur Leitplanke der Landstraße hochzuklettern hatten, um unseren morgigen Weg zu erreichen.

Vor Grazalema gab es einen Parkplatz mit Aussichtsplattform auf die roten Dächer der ansonsten (wie konnte es anders sein) "weißen" Stadt. Ein deutsches Touristenpaar sprach uns an. Leider wussten sie nichts zu Übernachtungsmöglichkeiten, weil sie in einem anderen Ort ihr Quartier hatten. Sie machten aber ein sehr schönes Foto von Hans und mir, das später in der Lokalpresse zu Hause erschien. Also gegen 15h15 in die Stadt runter und wie gewohnt ins Zentrum. Wo ist das Oficina de Turismo? Ein Junge zeigt auf einen Vorort, der gegenüber am Berghang liegt. Das glaube ich denn doch lieber nicht. Dann bleibt Hans wie üblich beim Gepäck, im Schatten eines kleinen Parks zurück, während ich mich auf Quartiersuche mache. Ich habe hier am Ort nur eine einzige Adresse, das erscheint mir zu wenig. Am zentralen Platz frage ich eine ältere Dame und einen älteren Mann nach dem Tourismusbüro. Völlig untypisch für Spanien erhalte ich in beiden Fällen eine grobe Abfuhr. Lieber in einen Laden: dort zeigt man mir, dass das Oficina de Turismo gleich gegenüber liegt. Geschlossen. Warten bis 17h00.

Danach klappt alles sehr schnell. Die Dame im Touristenbüro verweist mich auf meine Frage nach einem "alojamiento muy económico" (preisgünstige Unterkunft) gleich an das


Hostal-Restaurante Casa de las Piedras, Las Piedras, 32,
dessen Adresse ich schon hatte und an dem wir auch schon vorbeigekommen waren. Es liegt auch gar nicht weit entfernt, von der Kirche aus gesehen die linke lange Straße hoch, dann auf der rechten Seite. Drinnen ist nichts los. In der Rezeption schaut ein Junge Fernsehen, er beachtet mich nicht. Ich frage ihn, ob niemand da ist, der mir ein Zimmer geben kann. Da holt er doch seinen großen Bruder. Sehr freundlich. Zimmer mit oder ohne eigenes Bad? - Ach, ohne tut's auf jeden Fall. - Es kostete 25 EUR, wenn ich mich recht erinnere (habe es vergessen aufzuschreiben), war jedenfalls erfreulich billig, denn in diesem bekannten Touristenort hatte ich mit hohen Preisen gerechnet. Ein sehr einfaches Zimmer, aber für Pilger bestens.

Abendessen in den Gassen hinter der Kirche. Dort gibt es ein billiges Restaurant neben dem anderen, die gute Tellergerichte servieren. Auf dem Rückweg sehe ich, wie eine Gruppe von japanischen Rucksacktouristen in unserem Hostal absteigt. Auch sonst waren nicht wenige Gäste da. Gut, dass wir relativ früh eingetroffen waren.


21. April 2005, Donnerstag: Von Grazalema nach Algodonales, 24 km (163 km)

Zur Etappenplanung:

Natürlich hätte man von Ubrique direkt nach Norden gehen können, anstatt den Schlenker über Grazalema und Algodonales zu machen. Aber dann hätten wir zwei der schönsten Etappen versäumt, und außerdem wäre der Anschluss an die A376 nach Norden auch nicht so einfach gewesen.

Die vorerst letzte Bergetappe

Heute kam die letzte Bergetappe vor Sevilla. - Der Stecker von unserem Tauchsieder passt mal wieder nicht, so dass wir erst in einer Bar einen Kaffee zu uns nehmen. 8h45 geht es dann ernsthaft los. Den ersten Teil des Weges kennen wir: Es geht den Wanderweg, den wir gestern gekommen sind, zurück. Wir stapfen so eifrig bergauf, dass wir gegen 9h15 den Abzweig nach rechts zur Landstraße hoch übersehen. Nun, wir mussten nur einige Meter zurück, dann zur Kreuzung, wo die kleine Bergstraße in Richtung des Passes Puerto de las Palomas und zum berühmten "weißen Dorf " Zahara de la Sierra abgeht.

Ein Handbuch hatte Schauergeschichten über diese Straße verbreitet. "Abenteuerliche Höhenstraße, keine Absicherung zum Abgrund hin", Blödsinn! Am Rand gab es die üblichen gemauerten Blöcke, mit Lücken dazwischen, damit Regenwasser ablaufen kann. Nur ganz selten lag einer von ihnen im Abgrund. Wir hatten keine Probleme, selbst dann nicht, als uns ein Reisebus entgegenkam. Außerdem ging es zunächst nur mäßig hoch, denn der höchste Punkt (der Pass) lag bei schlappen 1.157 m, also nicht viel höher als der Puerto del Boyar (1.103 m).

10h30 hatten wir die Passhöhe Puerto de las Palomas schon erreicht. Ein Schild zeigte eine falsche Höhenangabe: 1.357 m anstatt 1.157 m. Man hätte noch auf den nahen Gipfel steigen können, da wäre man 1.331 m hoch gewesen. Wir gingen zu einem Aussichtspunkt hoch, tranken unsere Milch und genossen das Panorama. Auf der anderen Seite war das Gebirge zu Ende, und unten sah man die Schleifen endloser Serpentinen. In der Ferne grüßte oberhalb eines Stausees eine kleine Burg. Hinter ihr - nicht sichtbar - lag die malerische Stadt Zahara de la Sierra, gut versteckt. Die beste Aussicht auf die Serpentinen hat man, wenn man einige 100 m bis zur nächsten Kehre läuft. Das taten auch einige Touristen, die nur der Aussicht wegen hier hochgekommen waren. Ich weiß ohnehin nicht, wofür die Straße sonst gut sein soll. Von Grazalema kann man dieses Bergmassiv leicht umfahren, kommt am Stausee, allerdings nicht an Zahara vorbei.


Der anstrengende Teil des Tages kam noch. Wir wagten es nicht, einen Saumpfad in die Tiefe zu gehen, und blieben lieber auf der Straße. Von unten her sah das nachher sehr berechtigt aus. Stundenlang ging es nun die Serpentinen hinunter. Hin und wieder konnte man eine durch einen schmalen Fußpfad abkürzen. Endlich erreichten wir einen großen Parkplatz und eine Aussichtsplattform, wo wir um 12h00 den "Engel des Herrn" beteten und Mittagspause machten. Das mittägliche Gebet hatte Hans für die Pilgerfahrt vorgeschlagen, und wir hielten uns fast immer daran.

Weiter die Serpentinen hinunter, immer mit schönem Blick zurück, und auch ringsum blieb die Landschaft fantastisch. Der Verkehr - fast ausschließlich Ausflugsverkehr - war sehr gering und störte nicht. 14h00 endlich links der Abzweig zur Burg, und dahinter liefen wir nach Zahara de la Sierra hinein. Touristengewimmel, wir gönnen uns ein Bierchen. Zwei Frauen aus der Gegend von Nürnberg sprechen uns an, machen ein Foto von uns. Inzwischen haben sie es mir zugesandt, so dass ich es hier veröffentlichen kann. Vielen Dank, Jutta und Anne!

Durch Anklicken vergrößern In Zahara de la Sierra


Ab jetzt nur noch Fernstraßen

14h30 weiter. Wir klettern eine Treppe zur Landstraße hinunter, es gibt auch andere, aber kaum so schöne Möglichkeiten. Als wir die Straße erreicht haben, ist das auch das Ende der schönen Etappen, denn bis Sevilla wird es nun immer mieser: immer weniger Berge und Wald, dafür immer größere Straßen, an denen wir entlang müssen.

Blick zurück auf Zahara de la Sierra Durch Anklicken vergrößern Zunächst gibt's einen riesigen Linksbogen über die Staumauer und in Kurven zurück, Kilometer, die uns fast nichts nach Norden voranbringen. Es ist inzwischen auch heiß, und wir dreschen diese Kilometer weg. Anfangs, vom Bier dazu ermuntert, singe ich noch laut Wanderlieder, bis die Anstrengung dieses unterdrückt. Noch lange liegt links hinter uns Zahara mit seiner Burg malerisch auf einem Bergkegel.


16h30 haben wir endlich die A382, die Fernstraße nach Sevilla, erreicht.

In Algodonales

Gegenüber geht es, an einem Bauernhof vorbei, direkt auf Algodonales zu. Wir holen einen wandernden Einwohner (der sogar einen Wanderstock hat) ein, er ist vom Typ "hilfreicher Spanier". Nein, wir sollen nicht der Asphaltstraße nach rechts in den Ort folgen, lieber geradeaus, denn da kommt eine guter Brunnen mit frischem Wasser, den er uns unbedingt zeigen will. Außerdem kommen wir auch an einer Albergue Rural vorbei, aber deren Besitzer bedauert: sie ist ausgerechnet heute schon komplett vorgebucht. Es könnte die Wanderergruppe mit Bus sein, die wir in Grazalema gesehen haben.

Der Brunnen sprudelt nicht schlecht. Ein Mann kühlt Säcke mit Muscheln. Von dort geht es rechts ins Zentrum, es ist schon nahe. Wir erreichen den zentralen Platz mit der Ortskirche. Dutzende von Rentnern hängen herum und haben nichts anderes zu tun, als uns anzugaffen. Peinlich. Ein Oficina de Turismo scheint es nicht zu geben. Ich mache mich auf die Suche nach einem Hostal, während Hans wie üblich beim Gepäck bleibt.

Nun lasse ich mich von einem Schild dummerweise rechts in eine Straße schicken. Dort ist links das Hostal "Sierra de Lija", aber geschlossen. Man soll eine Telefonnummer anrufen. Ein Maler, der im Gebäude daneben arbeitet, will mir angeblich helfen, ruft mit seinem Mobiltelefon einen Freund an, der ein Zimmer vermietet. Zu meinem Schreck muss ich mit diesem selbst sprechen. Der Freund hat nur "deutscher Tourist" gehört und hat für mich ein "einmaliges Angebot", ein Zimmer für 90 EUR die Nacht. Ich verzichte dankend. Auf einmal kennt der Mobiltelefonbesitzer noch ein Hostal. Es liegt oben am Platz. Hätte mich das Schild nicht abgelenkt, hätte ich es gleich dahinter selbst entdeckt. Sowas Dummes! Es ist das


Hostal Alameda , am zentralen Platz rechts. Adresse: Av. Constitución, 9-12.
Den Schlüssel gibt's gegenüber in der Bar Alameda, das könnte verwirrend sein. Ich fand die Bar eher als das geschlossene Hostal gegenüber. Doppelzimmer mit Bad 36 EUR, da konnte man nicht meckern.

Ausnahmsweise war die Kirche mal geöffnet, so dass Hans und ich sogar singen konnten. Der Pfarrer lauschte von hinten. - Abendessen in der Bar Ganijo (von der Bar Alameda links den Platz entlang, dann liegt die Bar Ganijo rechts). Es gab preiswerte Tellergerichte, und sie hatten auch gut zu tun.

Algodonales liegt noch am Rand der Berge und bietet eine prächtige Aussicht. Von der Fernstraße aus waren sowohl Zahara als auch der Pass mit den Serpentinen noch lange zu erkennen. Der Weg nach Sevilla ist ein schrittweiser Abschied von der schönen Landschaft.


22. April 2005, Freitag: Von Algodonales nach Montellano, 27 km (190 km)

Der Weg aus Algodonales heraus

8h00 ziehen wir am Morgen los, wir brauchen etwa 1 1/2 Stunde, um uns fertigzumachen und um zu frühstücken. Später wurden wir etwas schneller, weil inzwischen jeder Handgriff saß. Allerdings hatten wir dann auch oft nicht mehr die Ruhe, Kaffee zu kochen, was allein eine Viertelstunde in Anspruch nimmt (vor allem, weil er so langsam abkühlt). - Zunächst gingen wir über den zentralen Platz zurück zu dem erwähnten Brunnen und füllten die Wasserflaschen nach. Es ging noch weiter den Weg von gestern zurück. Aber dort, wo wir von halblinks hochgekommen waren, blieben wir jetzt halbrechts auf der Straße. Sobald links die Fernstraße A382 unten in Sicht kam, schwenkten wir auf eine kleine Piste nach links, wandten uns unten vor der Straße nach rechts und liefen rechts an der Leitplanke entlang, bis man den Seitenstreifen betreten konnte. Nun begann der Marsch auf der viel befahrenen Fernstraße. (Laut Karte könnte man von Algodonales aus ein kleines Sträßchen noch nördlicher nach Westen gehen und würde dann die Fernstraße etwas später erreichen.)

Der letzte Wald vor Kastilien

Es ging auf einen bewaldeten Höhenzug zu, den letzten vor Sevilla. Nach ca. 2 km gibt es links neben der Fernstraße eine Piste, auf der Hufspuren zu sehen waren. Nach einigem Zögern folgten wir ihr. Das hat sich gelohnt. Es scheint der alte Wegverlauf zu sein, denn die Piste verläuft erst parallel links, dann kreuzt sie die Straße und begleitet sie rechts. Vor uns kam ein Mann auf einem Esel in Sicht. Vor einer großen neuen Talbrücke ist Schluss. Hier kam ich durch unsere alten Militärkarten, die natürlich den früheren Straßenverlauf zeigten, auf eine gute Idee.

Wir überquerten die Fernstraße und liefen ein Asphaltsträßchen (das ist die alte Straße) hinunter bis zur alten, halb baufälligen Flussbrücke, die wir überquerten. Hinter der Brücke gibt es eine Dreifachverzweigung. Richtig ist: ganz links den steilen Waldweg hoch. Ihm folgt man lange. Er schlängelt sich durch den Wald hoch und lässt die Fernstraße zunächst in Hörweite rechts liegen. Dann geht es weit nach links, wobei man alle Abzweigungen ignoriert. Nach ca. 2 km nicht einem Pfad geradeaus hinab in eine Wiesensenke folgen, sondern rechts steil hoch. Links kommt ein breites Tal in Sicht, in dem ganz hinten immer noch Zahara zu sehen ist. Einfach immer dem Hauptweg folgen, in einem Rechtsbogen um eine Anhöhe herum. Der Weg wird auf dem höchsten Punkt sehr schmal, so dass ich schon Bedenken bekam. Endlich kommt man oberhalb des Tales heraus.

Man sollte diesen Weg genießen. Viele hundert Kilometer lang trifft man danach auf keinen Wald mehr, erst an der Grenze zu Kastilien wieder. (Mit "Wald" meine ich dabei eben nicht die lichten Kork- und Steineichenwälder der Extremadura, sondern das, was wir zu Hause unter "Wald" verstehen: Nadel- und Laubbäume dicht beieinander, mit viel Unterholz usw.)

Von links kommt eine kleine Asphaltstraße (aus Richtung Algodonales, aber das wäre ein weiter Umweg gewesen), auf die man nach einiger Zeit von rechts dazukommt. Auf ihr geht es bis zur Fernstraße weiter. An einer Bushaltestelle machten wir Milchpause. Gegenüber ging eine Piste rechts ab über das Gelände eines Cortijo (Gutshof). Ein LKW-Fahrer hielt gerade vor dem verschlossenen Tor und lieferte etwas an. Ich fragte, ob wir nicht über das Gebiet des Gutes laufen dürften, denn laut den Militärkarten ging das, und man sah auch oben am Hang einen Weg, parallel zur Fernstraße. Aber der Fahrer meinte, das sei eben verboten. Schilder teilten einem das auch mit. Ja, schade! Hier könnten natürlich regionale Pilgervereinigungen eine Übereinkunft erzielen und viel tollere Wege nach Sevilla ausweisen. Aber solange es diese Vereinigungen nicht gibt, muss der, der auf Nummer Sicher gehen will, wie wir die Fernstraße entlang.

Eine willkommene Variante

Noch einmal fanden wir allerdings eine schöne Variante, die zudem noch einige Kilometer ersparte. In der gewohnt flächenverschwendenden Manier des spanischen Straßenbaus gab es nach ca. 1 km rechts den Rest der alten Straße, auf dem wir entlanggehen konnten. Etwas weiter wurde die alte Straße sogar befahren, denn sie führte rechts von der neuen Straße weg an einem großen Gutshof vorbei. Dieser Alternative folgten wir mehrere Kilometer und kürzten dabei einen großen Schwenk der Fernstraße nach Süden ab, ja wir kamen sogar an einer Bar an der Abzweigung der A376 nach Sevilla heraus, während die A382 westlich nach Jerez de la Frontera weiterführt. Dazu verlief die alte Straße durch eine schöne Hügellandschaft, allerdings mit einigen Höhenmetern, was wohl der Grund für die neue Streckenführung war. Wie oft in Spanien wurde die Straße nicht mehr unterhalten. Ganze Fahrbahnteile waren abgesackt, bis zu einem Meter. Die wenigen Autos kurvten darum herum. Unglaublich. Vor der Bar an der A376 ging rechts noch ein Sträßchen ins Tal, in dem man unten die Brücke vom Hochwasser zerstört im Bach liegen sah. Da fuhren die Autos eben durch die Furt wie im Mittelalter auch ...

Endgültig die Fernstraße entlang

Nach 1,5 km kam schon die Abzweigung nach Puerto Serrano, einem Zwischenziel. Ein Schild: "Puerto Serrano 5 km", es sind aber nur 2-3 km. Es ging einfach geradeaus, da es die alte Streckenführung war. Hans sah am Straßenrand eine kleine schwarze Schlange. Sie war schon weg, als ich angerannt kam. Ich habe zu meinem großen Bedauern auf der ganzen Tour keine lebende Schlange gesehen. Auf der staubigen und gerölligen Piste ging es in die Stadt. An der zentralen Kreuzung (noch vor der Kirche, die man nicht erreicht) ca. 14h00 Trinkpause in einer Bar. Dann rechtwinklig links weiter, wieder auf die Fernstraße zu. Nach 500 m rechts ab, Schild "Camino verde" (oder so ähnlich). Das ist lachhaft, sie weisen auch nachher die Fernstraße als "grünen (Wander)Weg" aus. Auf einer breiten Asphaltstraße geht es an Erdbeerfeldern vorbei, die gerade abgeerntet werden. Aber niemand gibt uns was ab :-((

Dann 8 km Fernstraße bis zur Abzweigung nach Montellano bei Km 58. Die rechten Kilometersteine zählen die Entfernung (nach Sevilla) runter. Öde. Rechts und links auf den niedrigen Bodenwellen spärlicher Bewuchs. Wie in der Meseta. Nach einem sehr langen schnurgeraden Stück kommt eine Kurve durch die Hügel und dahinter links eine Fernfahrerraststätte. Es ist 15h00, inzwischen brüllheiß. Nach einer Trinkpause die letzten Kilometer. Links liegt eine Burg auf der Höhe. Man ist noch lange nicht da, sondern läuft und läuft auf die längst sichtbare Stadt zu. Eine Umleitung verweist Lastwagen nach rechts. Wir gehen weiter geradeaus, erreichen einen einsamen Bürgersteig rechts. Dort steht ein Ziegenhirte mit seiner Herde. Er ist wieder mal fasziniert von meinem Knotenstock, prüft ihn auf sein Gewicht, seine Festigkeit. Toll, sagt er, besser als meiner.

In Montellano

Ich benutze die Gelegenheit und frage den Hirten, wo die beiden Pensionen liegen, deren Adressen ich habe. Nun, erst geradeaus bis zu einer großen Kreuzung mit Schild Las Cabezas de San Juan nach links; hier geht es anderntags geradeaus. An dieser Kreuzung rechtsab und immer geradeaus ins Zentrum. - Hinter der Rechtsabzweigung kommen wir an einen schönen palmenbestandenen Platz; Rentner stehen vor einer Bar und bewundern uns, weisen zur Pension nach geradeaus, wobei man den Platz rechts liegen lässt. Ich merke mir schon Lebensmittelläden, wo man einkaufen kann. Am Ende der Straße liegt wieder ein Platz; links auf der Ecke ist die


Pension Deli, rechts das dazugehörige Restaurante "Solear", Plaza Andalucia, 10
Es war etwas verwirrend: wie in Algodonales musste man erst das Restaurant finden, wo es den Schlüssel gab, und dieses hieß laut Schild nicht "Deli", sondern "Solear". Nach lautem Klopfen macht man uns auf. Die Chefin sagt uns gleich ein Zimmer zu, 30 EUR, kassiert und stempelt unsere Ausweise. Dann geht es nach gegenüber, wo die äußerlich nicht gekennzeichnete Pension ist. Das Zimmer mit eigenem Bad. (Wie üblich mit leichten Schäden; hier war es der Handtuchhalter, den man gleich samt Dübeln in der Hand hatte, aber das ist in Spanien völlig normal.) Leider an der sehr lauten Kreuzung zum Platz gelegen, und die grauenhaft lauten "Zwiebacksägen" (Mopeds), die die Jugendlichen absichtlich aufheulen lassen, wie eine Pest in ganz Spanien verbreitet, machten sich auch hier sehr unangenehm bemerkbar. (Die zweite Pension lag am Platz links und hatte geschlossen.)

Das Abendessen wurde ein Problem. Erst ergebnislose Suche nach einer Bar, die Essen serviert. Schließlich nimmt uns ein Einheimischer am Ärmel und führt uns - zu unserem Platz mit den beiden geschlossenen Restaurants (auch das Deli bot nichts an, es war eben keine Saison). Da guckte unser Führer dumm. Dann fiel ihm gottlob noch was ein: Etwas weiter im Zentrum in einer Seitenstraße Calle Los Escalores, 27, links von der Hauptstraße, hatte eine Bar wenigstens Tapas. Wir durften aus dem Angebot bestellen und bekamen sie frisch gemacht. Das war lecker! Wir hatten aber Mühe, nach den dritten Tapas die Wirtin in ihrem Kochrausch zu bremsen, so dass wir "nur" noch die vierten und die fünften bekamen. Mit Getränken 10 EUR für uns beide zusammen, das war doch sehr günstig.


23. April 2005, Samstag: Von Montellano nach Utrera, 31 km (221 km)

Zwei öde Etappen

Montellano liegt, wie man schon aus dem Namen erkenen kann, an einem Höhenzug und bietet wie Algodonales eine schöne Sicht. Erst danach folgt die breite Ebene des Guadalquivir, mit einem öden Landstrich, wie wir ihn nicht einmal in der Extremadura oder der Meseta im Norden gesehen haben. An diesem und am andern Tag kamen nun zwei Etappen, die wohl die eintönigsten der ganzen Tour waren. Aber muss man sie deshalb mit dem Bus zurücklegen? Es ist doch wie im Leben, dass man sich nicht nur die schönen Tage herauspicken kann, und wenn der Pilgerweg ein echtes und zum Nachdenken bringendes Abbild unseres Lebens sein soll, dann gehören auch öde Etappen dazu. (Und der liebe Gott hatte noch seine eigene Methode, mir die morgige Etappe zu ersparen. Doch dazu mehr weiter unten.)

An großen Gutshöfen vorbei

Dieser Etappe sahen wir mit Skepsis entgegen. In glühender Sonne mehr als 30 km ohne Schatten die Fernstraße entlang, würden wir das schaffen? - 8h00 zogen wir bei wie immer gutem Wetter los. Zunächst brannte die Sonne ja nicht, später kam etwas Dunst auf, der uns zugute kam. An der erwähnten Kreuzung rechtsab, bis man nach 2 km die Fernstraße erreicht. Dann mühselige 9 km an ihr entlang bis zur Abzweigung zum Zwischenziel El Coronil. Wie gestern geht es eigentlich auf der alten Straße geradeaus, während die Fernstraße neuerdings links den Ort umgeht. 10h30 Milchpause auf Bänken am Stadtrand. Am zentralen Platz ruft Hans zu Hause an, da seine Frau und er den 40. Hochzeitstag haben. Wir machen noch einen Schlenker durch die Altstadt und das Castillo im Zentrum. Schmeißt einen nicht um. Am Ortsausgang an einer Tankstelle gibt es einen Automaten mit Kaltgetränken. Nach Norden weiter, bis die Straße nach ca. 1 km wieder in die Fernstraße A376 einmündet. Jetzt hilft es nichts: Es folgen 14 öde Kilometer (von Km 45 bis Km 31) in Richtung Utrera, und keine Fernfahrerraststätte mehr. 13h00-13h30 Mittagspause am Eingangstor des Gutes Cortijo de los Jurados (ist auf der Straßenkarte eingezeichnet; da weiß man wenigstens, wie weit man ist). Nächste Trinkpause am Cortijo del Pescozal, auch auf der Karte. Das Gut trennt seinen Besitz zur Straße hin "freundlich" mit einer übermannshohen Kakteenhecke ab. Ein Angestellter, der dort arbeitet, meint, es seien noch 11 km bis Utrera. Unsinn, es sind nur noch ca. 7 km. Rechts liegt der Ort Los Molares. Ich wette, dass über ihn schönere Sträßchen führen als die A376. Aber ohne zuverlässige Karte (die nicht anzeigt, ob man da laufen kann und darf) ist nichts zu machen.

Ein schwerer Sturz

1,5 km vor Utrera ist diesmal der Abzweig gesperrt. Fußgänger können aber über die Leitplanke steigen und doch die alte Trasse direkt in die Stadt benutzen. Wie üblich, konsultiere ich die Karte im Laufen, den Stock unter den Arm geklemmt, weil ich die Karte mit beiden Händen fassen muss. Ziemlich leichtsinnig, denn man sieht nicht, wohin man die Füße setzt. Aber ich bin ja auf dem linken Seitenstreifen.

Hier fehlt plötzlich ein Stück Asphalt am Rand. Pflanzen, die darübergewachsen sind, verbergen das. Urplötzlich geht mein linker Fuß deshalb einige Zentimeter tiefer, knickt um, und ich falle in Sekundenbruchteilen aufs Gesicht. Hans läuft erschrocken auf mich zu und versucht instinktiv, mich hochzuziehen, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Ich wehre ab, bin etwas unter Schock, horche auf Schmerzbotschaften aus meinem Körper. "Blutet nicht sehr" sagt Hans und zeigt auf meine rechte Schläfe. Die ist noch knapp an der abgebrochenen Asphaltkante hergestreift... 1-2 cm mehr nach rechts, und ich wäre übel aufgeschlagen. Das rechte Knie schrinnt. Ich streife das Hosenbein hoch: das ganze Knie ist blau, aus mehreren Schürfwunden sickert Blut. Die Hose hat am Knie zwei kleine Risse und eine Klinke. Ich wundere mich, wie sich Blutergüsse am Knie so schnell ausbreiten können, bis ich merke, dass das Blau am Knie nur von der Hose abgefärbt ist. Gottseidank! Der rechte Bügel meiner Brille (aus Titan!) ist verbogen, sonst nichts kaputt. Aber mein linker Knöchel schmerzt, den habe ich mir verstaucht. Jetzt versuche ich selbst aufzustehen. Tut etwas weh, geht aber.

Ich nehme den Stock an die linke Seite und humpele vorsichtig über die Straße. Es geht besser, als ich erwartet habe. Ich kann den linken Knöchel vorsichtig belasten, es tut nicht allzu weh. Gebrochen habe ich mir garantiert nichts, aber ich denke an Kapsel(an)riss oder sowas. Nach wenigen 100 m wird der Schmerz geringer, ich staune immer mehr. Als wir 15h30 den Stadtrand erreichen, sollten wir eigentlich stolz sein, aber ich mache mir jetzt Sorgen, ob die Verstauchung ernsthaft ist.

Mühsame Quartiersuche

Wir laufen in die große und wohlhabene Stadt, folgen Schildern Centro und Oficina de Turismo, bis der Stadtkern links sein muss. Dort biegen wir ab, kommen zu einem Platz. Etwas weiter ist links das Rathaus. Aber von dem Touristenbüro nichts zu sehen, das Rathaus (am Samstag!) verschlossen. Ich spreche Leute an, aber keiner kennt sich aus. Dann meint jemand, er könne uns den Weg zum Oficina de Turismo zeigen, aber das sei sowieso geschlossen. Wir sollten lieber zur Polizei gehen. Der Tipp war gut, da könnte man ja auch den benötigten Stadtplan bekommen wie in Ubrique.

Hans lässt sich an dem Platz unter den Bäumen nieder. Ich suche die Polizeistation, finde sie nicht. Ich habe Adressen von drei Hostales, aber wie gelange ich dahin? Mir kommen ein paar gutgekleidete Jugendliche entgegen, die ich um Hilfe bitte. Alles umringt mich. Ich lese die Adressen vor. "Halt," ruft ein Mädchen, "das Hostal La Plata kenne ich. Das liegt gleich dort drüben." Sie beschreibt mir den Weg.

Ich bedanke mich und eile die Straße vom Platz aus weiter geradeaus, an der kleinen Stadtfestung vorbei zu einem Kreisverkehr. Gegenüber etwas rechts, und dann links in die Via Marciala, und ein paar Häuser weiter ist schon links das Hostal. Der Rest ist Routine. Eine Frau schließt auf, zeigt mir ein Zimmer. 25 EUR, na prima. Sie will keine Vorauszahlung und rückt auch keinen Stempel raus. Das macht nämlich allein ihr Mann, und der hält Siesta.


Hostal La Plata, Via Marciala, 15
Zwei Stunden später haben wir alles, und der Mann beschreibt auch noch den Weg zum nächsten Supermarkt. Zu 20h00 gehen wir in die Kirche, die auch nur 5 min entfernt ist. Einen Stadtplan haben wir nicht, sehen aber schon Schilder, wo es nach Sevilla weitergeht. Alles wäre schön und gut, wenn mein Knöchel nicht inzwischen dick angeschwollen wäre. Ich packe die Sportlersalbe aus, freue mich, dass ich in letzter Minute eine Wickelbinde eingepackt habe. Salbe auf ein Tempo-Taschentuch und dann den Knöchel eingewickelt, das geht ganz gut. Aber nachts schmerzt der Fuß doch sehr.

24. April 2005, Sonntag: Von Utrera nach Sevilla, 31 km (252 km)

Mit dem Zug nach Sevilla

Morgens ist die Stimmung gedrückt. Mein Knöchel ist weiter dick geschwollen und schmerzt. Ich kann auftreten, aber an eine weitere 31-km-Etappe zu Fuß ist nicht zu denken. Ich hasse es, aber ich werde fahren müssen. Ich werde sowieso von Glück sagen können, wenn die Pilgertour für mich nicht beendet ist. Zum Glück schließt sich morgen laut unserer Planung ein Ruhetag in Sevilla an.

Hans und ich trennen uns um 7h45, denn er läuft natürlich, egal, was passiert. Ich habe am Kreisverkehr auch ein Schild zum Busbahnhof gesehen und humpele in die Richtung. Zur Vorsicht frage ich unterwegs noch einmal. "Ja, wo wollen Sie denn hin?" fragt der Angesprochene zurück. - "Nach Sevilla". - "Ja, das ist dann der falsche Busbahnhof. Von dem fahren nur Busse nach Süden. Gehen Sie lieber zum Bahnhof, der ist auch ganz nah." - Er beschreibt mir den Weg, und ich finde den Bahnhof ohne Mühe. Da habe ich ja Glück gehabt. Eine größere Stadt wie Utrera hat eben mehr als einen Busbahnhof.

Also mit der RENFE für 2,25 EUR nach Sevilla. Wo soll ich wohl aussteigen? Ich spreche ein junges Paar an. Es empfiehlt den Stadtbahnhof San Bernardo. Zu meiner Freude finde ich den auf der Stadtplanskizze des Handbuchs. Ruckzuck, kaum 20 Minuten, bin ich angekommen.

Zu Fuß über Schnellstraßen

Unterdessen läuft Hans wohl eine der schlimmsten Etappen überhaupt. Am Ende sei er sogar vierspurige Schnellstraßen entlanggegangen, mit Zweifel im Herzen, ob das wohl erlaubt war. Hier wäre es eine große Hilfe, wenn man über kleinere Straßen zum Stadtkern geführt würde, aber wir hatten ja nur die große Landkarte und die veralteten Militärkarten.

Humpeln durch die Altstadt

Aus dem Bahnhof heraus, muss ich mich orientieren. Das ist schwer. Ich frage das Pärchen nochmal, wo's zur Innenstadt geht, und sie zeigen mir die Richtung. Kurz darauf komme ich an einen kleinen Park, wo ich meinen armen Fuß sich erholen lasse. Die Handbuchskizze gibt nicht her, wo ich bin. Etwas weiter ein großer Boulevard quer. Ich komme zu dem richtigen Schluss, dass ich hier links abbiegen muss, um auf dieser breiten Straße das Stadtzentrum zu erreichen. Das war richtig. Ich tauche in die Altstadt ein. Mann, ist die verwinkelt! Die Kathedrale, eben noch zu sehen, ist in den Häuserschluchten nicht mehr zu sehen. Später stelle ich fest, dass ich im Judenviertel gelandet war, das durch seine winkligen Gassen berühmt ist. Hier gibt's auch jede Menge bezahlbare Unterkünfte. Ich frage in einem Hostal: 45 EUR das Doppelzimmer. Naja, nicht billig, aber bezahlbar. Trotzdem wende ich mich ab, da ich ja schon eine Adresse von Hans habe, wo er vor drei Jahren billig übernachtet hat. Die Wirtin grinst hinter mir her; ich lese auf ihrem Gesicht: "Wusste ich doch gleich, dass der das nicht zahlen kann."

Ein doch sehr schlichtes Quartier

Ich muss die gesamte Altstadt durchqueren, finde die Kathedrale und dann sogar nach einigem Fragen auch das Touristenbüro ganz in der Nähe. Jetzt habe ich einen Stadtplan. Ich muss zunächst dem Pilgerweg folgen, jedenfalls die gleiche Brücke Ponte Isabel II. überqueren. Einige 100 m weiter liegt die von Hans angegebene Unterkunft, deren Lage ich hier schamhaft verschweige. Ein unscheinbares Haus, keinerlei Anzeichen, dass hier Betten zu vergeben sind. Ich klingele und rufe. Zwei kleine Hunde schießen die Treppe runter auf mich zu. Ich bleibe standhaft, schließlich erscheint eine Frau. Ja, sie ist Doña Isabel. Woher ich denn weiß, dass sie Betten zu vergeben hat? Ich berufe mich auf Hans, das beruhigt sie.

Kurz und gut, sie bietet ein Zimmer an, spartanisch eingerichtet (aber ein Fernseher). Die Frau vermietet natürlich schwarz. Da wir nicht einmal Bettwäsche brauchen, 20 EUR pro Nacht. Naja. Ich schlage aber zu. Auf der Etage sind noch ein paar junge Leute, die Männer wohl Marokkaner oder Tunesier, der Musik nach zu schließen. Ich zahle im Voraus, verlasse mich auf Hans.

Schwierigkeiten, einen Stempel zu bekommen

Wieder in die Innenstadt. Dafür, dass mein Fuß verstaucht ist, laufe ich ganz schön viel herum, denn die Unterkunft liegt ca. 1,5 km von der Kathedrale entfernt.

Um 13h00 besuche ich eine Messe in der Kathedrale. Vergeblich frage ich anschließend ein-zwei Ordner, wo man den Stempel bekommt. Von einem Pilgerausweis haben sie noch nie was gehört. Ein Mädchen spricht mich auf Englisch an. Ihre Freundin und sie sind auch Pilger, sind von Jerez de la Frontera schon nach hier gelaufen, haben jetzt aber die Füße verbunden. Schmerzen im Mittelfuß. Sie fragen mich über die Via aus und was man gegen die Schmerzen tun könnte. "Einfach weiterlaufen" ist meine Antwort. Sie laufen in Sandalen. Ich vermute, dass die Binde die Hauptursache für die Schmerzen ist, so paradox das klingt. Später stelle ich bei mir selbst fest, dass die Knöchelwickel Schmerzen im Mittelfuß verursacht, weil der jetzt den Druck übernehmen muss, der dem Knöchel erspart bleibt. Richtig, nachdem ich ca. 14 Tage später die Wickel weglasse, sind die Mittelfußschmerzen sehr schnell verschwunden.

Danach zum Oficina de Turismo, um wenigstens dort die Pilgerausweise abstempeln zu lassen, denn ich befürchte, in der Kathedrale keinen Stempel zu bekommen. Das Oficina de Turismo findet man wie folgt: Vom südlichen Haupteingang aus wendet man sich auf der Av. de la Constitución links zu dem großen Platz. Rechts liegt das Hauptpostamt, gegenüber, am Platz, parken die Kutschen, die die Touristen durch die Altstadt fahren. An den Kutschen vorbei den Platz auf der linken Seite der Straße entlang stößt man an der Einmündung der Straße Miguel Mañara auf das Oficina de Turismo. Es ist so unauffällig, dass ich 10 m davon entfernt nochmal einen Passanten nach ihm gefragt habe. Die Adresse ist Av. de la Constitución, 21 B.

Drinnen bekomme ich nach leisem Protest - "Den Stempel gibt's doch in der Kathedrale" - das Gewünschte, auch für Hans, dessen Pilgerausweis ich immer in meiner Umhängetasche mitführe (weil er keine hat).

Zurück zur Unterkunft. Hans kommt pünktlich um 17h00 an, etwas erschöpft, aber zufrieden, dass er diese Etappe hinter sich hat. Die "Pionierarbeit", nämlich die Strecke von Gibraltar bis Sevilla zu erkunden, ist damit von uns getan.

Wie üblich, erkunden wir zu Fuß das Viertel Triana, das einiges zu bieten hat, weil es noch etwas von seiner ursprünglichen Selbstständigkeit bewahrt hat. Auch gehen wir ein Stück die Calle San Jorge, auf der der Pilgerweg verläuft, hinunter und treffen einen deutschen Pilger, der sich gerade auf den Weg macht. Abends gehen wir zum Essen in ein China-Restaurant.

Den ganzen Tag hatte ich die Frage im Hinterkopf: Würde ich übermorgen weiterlaufen können? Das war an diesem Tag noch völlig unklar. Da mein Bericht aber weitergeht, wie man aus der Übersicht sehen kann, weiß der aufmerksame Leser schon die Antwort ;-)


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Letzte Änderungen: 12.02.2018